Bei der Regierungserklärungsdebatte im Parlament nützte ich
die Gelegenheit, um mit Präsident Sallinger und Musil Bes-
prechungen aufzunehmen. Ich erklärte, daß ich versuchte,
schon in den Vorlagen Kontakt herzustellen, was mir aber
nicht gelang. Ich übergab ihnen unseren Dienstzettel an die
Sektionen, betreffend Vorbereitungen der nächsten Paritätisc-
hen Kommission. Da Sallinger beim Mittagessen war, redete
ich zuerst mit Musil ganz früh schon und gab ihm ein Exemplar.
Als wir uns in seinem Besprechungszimmer am Nachmittag
zusammensetzten mußte ich feststellen, daß Musil wahrschein-
lich, und das ist ja selbstverständlich, schon mit Präsident
Sallinger darüber gesprochen hatte. Ich übergab Präsident
Sallinger ein zweites Exemplar und wollte die Diskussion über
die einzelnen Punkte beginnen. Zu meiner größten Verwunderung
reagierte aber Sallinger derartig heftig, daß sich meine Taktik
sofort umstellen mußte. Sallinger erklärte, wenn auch nur ein
solches Papier in der Paritätischen Kommission auf den Tisch
kommt, dann sei für ihn die Sozialpartnerschaft erledigt, das
heißt, er würde unverzüglich den Abbruch der Verhandlungen
herbeiführen. Ich versuchte ihm zu erklären, daß die Unterlagen,
die vom Ministerium jetzt erarbeitet werden, hauptsächlich da-
zu dienen, um die Angriffe, die von seiten des ÖGB – Vertreters
und der Arbeiterkammer zu erwarten sind, entsprechend variieren
zu können. Musil erklärte, daß e s mir gelingen müsse die Ar-
beiterkammer dazu zu gewinnen, daß sie keine wie immer geartete
Forderung in der Paritätischen Kommission erheben würde. Ich
sagte zu ihm, daß dies unmöglich sei, da die Vertreter der Ar-
beitnehmer selbstverständlich so in der Vergangenheit auch hier
ihre Interessenspoli1ik machen würden.
Nach längerer Diskussion, bei der es nicht einmal mir gelang,
trotz aller Versuche, die beiden Herren zu beruhigen, ich be-
merkte, daß es sich hier wirklich nicht um eine gespielte Auf-
regung handelte, schlug Sallinger vor, daß wir Präsident Benya
zur Sitzung bitten sollten. Ich holte Präsident Benya in den Be-
sprechungsraum. Sie erklärten, wie ich in der jetztigen Phase
ihren Leuten überhaupt nichts zumuten können und verlangten
deshalb, daß in der Paritätischen Kommission von seiten des
Gewerkschaftsbundes und der Arbeiterkammer vorerst keine
konkreten Maßnahmen gegen den zu erwartenden Preisauftrieb
verlangt werden. Ich habe darauf hingewiesen, daß die flankierenden
Maßnahmen mit 31. Juni auslaufen und unbedingt verlängert werden
müssen, sagte Musil, daß auch hier in diese m Punkt ein Ablauf
ihren Mitgliedern seinerzeit zugesagt worden war. Sie erklärten
sich allerdings bereit, daß sie nur diese Maßnahmen gegebenen-
falls mit sich reden ließen. Da mir ja überhaupt vorgeschwebt
ist, daß eine Unterausschuß der Paritätischen Kommission mit
den Ministerien zusammen, die davon betroffen sind, eingesetzt
werden sollte, der die entsprechenden Maßnahmen beraten und
letztenendes dann noch durchführen mußte, so versuchte ich jetzt
im Laufe der Debatte eine solche Zustimmung von seiten der Bundes-
kammervertreter zu erwirken . Präsident Benya selbst ging, als
er die Situation sofort erfaßte, auf die Wünsche der Bundeskammer
ein und erklärte, daß die Arbeiterkammer und der Gewerkschafts-
bund, wenn sie solche Überlegungen anstellen, natürlich zuerst mit
ihm Kontakt aufnehmen müßten. Das heißt, daß die Referenten des
Kammertages und des Gewerkschaftsbundes, bevor sie ein solches
Papier verfassen, natürlich sowieso mit ihm erst reden müßten.
Als ich anschließend daran mit Tomy Lachs vom Gewerkschaftsbund
über diese Situation sprach erklärte er, daß die Forderungen ja nur
ursprünglich schon bereits vom Gewerkschaftsbund und Arbeiter-
kammer erhobenen Forderungen waren die seit eh und je verlangt
wurden. Dies ist richtig. Man vergißt allerdings, daß sie so
konkret formuliert, wie sie das Arbeitspapier vom Arbeitsaus-
schuß den Heinzi Kienzl einberufen hatte, forderte bisher noch nie-
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mals solchen Umfange, tatsächlich aufgestellt wurde.
Außerdem glaube ich haben wir vergessen, daß früher die Bundes-
kammer natürlich den absoluten Schutz der Regierung hatte, den
sie jetzt vermißt und noch immer nicht glaubt, daß ich ihre lnter-
essen tatsächlich vertreten soll.
Wir kamen überein, daß bei der Paritätischen Kommission kein
konkretes Papier überreicht wird, sondern daß ein Unterausschuß
bei den Ministerien, der Vorschlag lautete beim Handelsministerium,
errichtet werden soll, der einen entsprechenden Entwurf für Maß-
nahmen ausarbeitet, die dann in der Präsidentenbesprechung oder
in der nächsten Paritätischen Kommission diskutiert und beschlossen
werden kann und wo die Regierung dann ein, auf gemeinsamer
Basis erstelltes Programm hätte, das den Preisauftrieb be-
kämpfen sollte. Interessant waren die Äußerungen, daß ich auch
in Zukunft nur mit Musil und Vasaleger Kontakt aufnehmen sollte,
da, wie sich Musil ausdrückt, es uns in der Vergangenheit gelungen sei, selbst ihre Leute
schon von den Maßnahmen zu überzeugen, ich würde fast sagen zu
infizieren und daraus keine Gewähr mehr gegeben ist, daß die
Funktionäre ihre Sekretäre oder Angestellten decken. Es
kam neuerdings die Frage der Regierungsbildung im Rahmen der
Koalitionsverhandlungen zur Sprache und Sallinger erklärte, daß
es sicher eine Möglichkeit gegeben hätten, wenn man ernstlich
an eine solche Lösung, nämlich eine große Koalition gedacht hat.
Benya erwiderte, daß er stets ein Anhänger der großen Koalition
gewesen ist, daß aber Withalm keine wie immer gearteten
Anzeichen erkennen ließ, daß er tatsächlich eine solche wollte.
Eher war die Befürchtung unsererseits, daß er eine kleine
Koalition bilden möchte. Dazu erklärte Sallinger, daß dafür
innerhalb der ÖVP keine Mehrheit gefunden werden könnte.
Die Parteispitze spreche. sich ganz entschieden gegen eine
kleine Koalition aus und in dem mittleren Funktionärapparat
könnten höchstens 10 – 20 % für eine solche Lösung gewonnen
werden. Musil meinte sogar, er hätte am Montag noch geglaubt.
daß es sich nur um ein taktisches Manöver handle. Als man
Jonas einschaltete, war er der Meinung, daß dies dazu dienen
sollte. um Jonas für die nächste Bundespräsidentenwahl aufzu-
merken. Sei es der Bundespräsident hätte in Erscheinung treten
sollen, daß er doch noch einmal die Koalition und damit Österreich
gerettet hätte. Benya erwiderte, daß dies ein anderes Ver-
halten von Withalm vorausgesetzt hätte. Als er Montag zum
Bundespräsidenten kam, hatte er nur Bericht erstattet und keine
wie immer gearteten Andeutungen gemcht, was die ÖVP jetzt
zu tun gedenke. Auf ein diesbezügliches Vorhalten im Plenum,
in einem Zwischenruf, erwiderte Withalm, daß er vom Bundes-
präsident dazu nicht aufgefordert wurde. ln der Plenumdiskussion
hatten auch die Kontraredner zur Regierungserklärung von der ÖVP
darauf hingewiesen, daß sie angenommen haben, Kreisky hätte durch
seine Taktik die ÖVP ausgespielt. Zu meiner größten Verwunderung
nickte zu diesen Ausführungen Pittermann immer zustimmend.
Zur Ressortverteilung sagte abschließend Sallinger noch, man
hätte sich mit jeder Lösung einverstanden erklärt, sie hätten
nur nicht das Verteidigungsministerium nehmen können. Es
hätte ihnen aber nichts ausgemacht, wenn die Sozialisten das
Innenministerium und damit auch die gesamten Exekutivkörper
Polizei, Gendarmerie und Heer in der Hand gehabt hätten.
Sie sind der Meinung, daß keine wie immer ge-
artete Gefahr, wie in der 1. Republik, besteht, wenn eine
Partei de gesamte Exekutive in der Hand hat.
Zum Abschluß offerierte ich der Bundeskammer mein Kontingent
zur Ernennung der Kommerzialräte und bat sie, sich mit Präsident
Kostroun vom Freien Wirtschaftsverband ins Einvernehmen zu
setzen, um in Zukunft einvernehmliche Vorschläge zur Ernennung
der Kommerzialräte zu erhalten. Zum Schluß bat ich noch um
einen Termin für eine endgültige Vorbesprechung zur nächsten
Paritätischen Kommission, da aber Präsident Sallinger seinen
Terminkalender nicht bei sich hatte, sagte er mirzu, er würde
mir von seinem Büro noch mitteilen, wann eine solche Vorbe-
sprechung stattfinden könnte.