Mittwoch, der 16. September 1970

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In Vorarlberg hat Landtagsabgeordneter Winder, der Sekretär der SPÖ,
eine Angelegenheit aufgegriffen, die grossen Staub aufgewirbelt hat
im wahrsten Sinne des Wortes. Ein Steinbruch versuchte sich dort zu
vergrössern und Winder hat Aufnahmen vorgelegt, wo man sieht, dass
bei Sprengungen die ganze Ortschaft in Staub eingewickelt ist. Der
Bürgermeister hat bisher die Interessen des Steinbruchbesitzers ver-
treten und deshalb wurde eine Berufung gegen den genehmigten Bescheid
an mein Ministerium eingebracht. Ich werde mir den Fall natürlich genau
ansehen, wobei ich aber immer wieder mehr feststellen muß, es sich jetzt
um Bergbaubetriebe oder Steinbrucharbeiten oder Ölraffinerien handelt,
man kommt in ein furchtbares Dilemma. Einerseits soll man natürlich -
die wirtschaftlichen Interssen nützen, andererseits muss natürlich
das Interesse der Bevölkerung entsprechend berücksichtigt werden.

Der Redakteur der Textilzeitung, den ich in Vorarlberg bei meiner Aus-
sprache mit den Textilunternehmern und der Pressekonferenz kennengelernt
hatte, Wise Köhmeier, und sein Freund aus Salzburg, Ruch, kamen, um mir
angeblich zu helfen. Sie erklärten mir, dass die Aussprache in Dornbirn
einen sehr guten Eindruck hinterlassen hatte und wollten mir jetzt er-
klären. dass sie selbst als Textilnachrichtenblatt die Kaufleute ge-
fragt hatten und festgestellt, dass die eine Lehrlingsausbildung nur
für Textilkaufleute sehr dringend wünschen würden. Ich war nicht ganz
sicher, wie in dieser Angelegenheit die derzeitige Rechtslage ist und
verlangte deshalb sofort Min.Rat Kinscher. Bei dieser Gelegenheit konnte
ich feststellen, dass er meine Meinung teilte. Eine Spezialisierung der
Ausbildung – so sehr sie im schulischen zweckmässig und notwendig ist –
in der Lehrlingsausbildung aber würde zu einem Nachteil für die Betreffen-
den führen. Bis jetzt war es so, dass es nur einen kaufmännischen Lehrling
gegeben hat, derzeit wird auf Grund der neue Lehrberufsliste sowieso
vorgesehen, dass es Grosskaufmann-Lehrlinge, Kleinkaufmann-Lehrlinge,
Bürokaufmann-Lehrlinge, Industriekaufmanns-Lehrlinge gibt. Eine weitere
Spezialisierung würde nur dazu führen, dass die Mobilität der Arbeits-
kräfte leiden würde, weil eben für jede Sparte nur gewisse Ausbildungen
vorhanden wären. Bezüglich der schulischen Ausbildung in der Berufsschule
wo die Redakteure daran hinwiesen, dass z.B. in Ried ausschliesslich Textil
kaufleute herangezogen werden, ressortiert dies ausschliesslich beim Unter-
richtsministerium.



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Anschliessend hatte ich mit Kinscher eine Aussprache über den
neuen Plan des Finanzministers und der soz. Regierung, die Familien-
lasten Ausgleichsfonds zu teilen und den Zuwachs nicht ausschliess-
lich zur Erhöhung der Beihilfen zu verwenden, sondern allgemeine
Massnahmen wie z.B. Kindergärten und Stipendien für Obermittelschüler,
Spitäler für Kinder usw. zu verwenden. Kinscher, der im katholischen
Familienverband eine führende Rolle spielt, erklärte mir nur seine
persönliche Meinung mitteilen zu können und lehnte eine solche
Teilung ab. Er glaubt, dass es zwar unzweckmässig ist und er verwirft
den Vorschlag von Kohlmaier, die Beihilfe um 50.- S generell zu
erhöhen, sonderner möchte eine Staffelung nach Alter, wobei
allerdings die 1 oder 2 Kinder ausgenommen werden sollten. Unsere
neue Idee wird deshalb – fürchte ich – auf sehr grossen Widerstand
stossen. Die katholischen Verbände werde also gegen die soz. Re-
gierung genauso polemisieren wie gegen die ÖVP-Regierung Stellung
genommen hatten, als diese Mitteln dem Familienlastenausgleichsfonds vo
vorbehalten hat. Mit Freude hat er zur Kenntnis genommen, dass wir
dies nicht getan haben, mit dem Aufteilungsschlüssel aber war er
nicht einverstanden.

Im Pressezentrum hatte ich die Pressekonferenz, wo ich die Fremden-
verkehrskonzepte erörterte. Wir gingen einmal in dieses Pressezentrum
da die Journalisten dort bei der Eröffnung alle anwesend waren und
wir anschliessend eben sofort unsere Pressekonferenz machen konnten.
Es waren deshalb verhältnismässig sehr viele Journalisten anwesend.
Das Fernsehen war nicht anwesend und ich muss bekennen, dass es
vielleicht wirklich meine Schuld gewesen ist. Weis vom Fernsehen
hat mich den Tag vorher gefragt, was ich in der Pressekonferenz
sagen würde und ich bagatellisierte, indem ich erklärte, nur das
Fremdenverkehrskonzenpt wird entwickelt werden und sonst stehe ich
also auch für alle anderen Fragen zur Verfügung . Dies veranlasste
das FErnsehen, das Team unverzüglich vom Pressehaus in das Land-
wirtschaftsministerium umzudirigieren, da dort eine Salzburger
Frauendelegationen mit Bäuerinnen beim Landwirtschaftsminister ein
Sit-in veranstaltet. Die Berichterstattung der SK beinhaltet einige
kleinere Fehler, z.B. behauptet sie, dass ich bereits den Beirat
einberufen habe, was ja wirklich nicht stimmt, sondern ich beabsicht-
ige nur, in den Beirat die Ländervertreter aufzunehmen. Aber die
erste Besprechung, die wir geführt haben, war nicht die Beirats-


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besprechung. Und zweitens sagt die SK, dass ich bereits mit den
LandesFlNANZreferenten gesprochen habe, dies trifft abernur für
einige sozialistische Funktionäre in den Ländern zu.

Schipper hat mir die Unterlagen für die Weihnachtsgratifikationen
gegeben und Heindl ist der Meinung, man müsste sich diese sehr
genau ansehen. Und vor allem nicht nur die Präsidienzahlen sondern
auch die der Sektionen gemeinsam überprüfen. Schipper wollte aller-
dings so schnell wie möglich meine Entscheidung herbeiführen. Ich
sagte ihm, er müsste doch auch noch mit Moser über dieses Problem
reden. Bei dieser Gelegenheit teilte er mir auch mit, dass er nächste
Woche Verhandlungen führen muss über die Dienstposten für das nächste
Jahr, da bekanntlicherweise Sektionschef Habel in Pension gehen könnte
der eine Neunerposten, der als Personalreserve besetzt ist, gestrichen
werden. Ich stellte fest, dass ich dies unter gar keinen Umständen
hinnehmen werde, aber derzeit noch immer nicht sagen könnte, wie dieser
Posten besetzt werden soll. Den Vorschlag von Mussil, dass Hauffe
diesen Posten kriegen könnte, lehnte selbst Schipper ab, da dieser
erst ganz kurze Zeit Ministerialrat ist. Er selbst schlug Wohlgemuth
vor, der allerdings nur mehr ein Jahr in Funktion bleiben würde. Ich
hatte zu diesem Vorschlag mich überhaupt nicht geäussert.

Generalsekretär Mussil hatte mit mir eine Vorbesprechung vereinbart
wegen der Paritätischen Kommission, konnte dann diese allerdings nicht
einhalten, weil er bei anderen Sitzungen aufgehalten wurde. Ich benützte
deshalb die kurze Zeit, die uns zur Verfügung stand, um ihn darauf hinzu
weisen, dass ich neuerdings in der Pressekonferenz angesprochen wurde,
was ich mit der Aussenhandelsstelle beabsichtigte. Ich versicherte,
dass ich überhaupt nicht die Absicht hätte, diese sehr zweckmässige
Organisation einzuschränken oder gar aufzulösen, sondern ganz im
Gegenteil, mich ihrer zu bedienen. Ich wies darauf hin, dass z.B.
ein direkter Kontakt zwischen Ministerium und Aussenstellen sehr
notwendig wäre. Eine solche Information musste ich ihm geben, da
bekanntlicherweise Gehart ein Schreiben an die Aussenhandelsstellen
um Material gerichtet hat. Mussil sagte, dies würde Kriegsfall be-
deuten, wenn wir direkten Kontakt mit den Aussenhandelsstellen woltten,
er selbst versicherte, wir würden alles Material über die Bundes-
kammer sofort zur Verfügung kriegen und ich erwiderte, dies müsste
ich mir doch noch im einzelnen überlegen. Bei dieser Gelegenheit


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sagte ich ihm auch, wie unzufrieden ich mit der ersten Besprechung
gewesen bin, er selbst war ja nicht anwesend, wo das gesamte Präsidium
mich empfangen hat und ich dann einen Bericht bekommen habe, was in
den einzelnen Ländern vorgeht, an stelle dass ich bei dieser Arbeits-
sitzung wirklich über die Probleme mit den Aussenhandelsstellenleitern
frei diskutieren könnte. Mussil teilte mir auch mit, dass innerhalb
der ÖVP die Beiratssache durch die Formulierung des Bauernrates von
Weihs auf ungeheurenWiderstand jetzt stosst und er grösstenWert darauf
legen würde, wenn wir unsere Beiratsaktivität zurückstellenkönnten.
Ich selbst erklärte, dass dies bezüglich des Fremdenverkehrsbeirates
und des Konsumentenrates unmöglich sei, daß ich aber bezüglich des
Aussenhandelsrates einige Zeit verstreichen lassen würde.

In der Paritätischen Kommission beschwerte sich Mussil einleitend, dass
in der SPÖ-Belangsendung – ich habe sie tatsächlich gehört – er als
Preistreiber hingestellt wird und nie eigentlich gesagt wird, dass
er auch die Lohnanträge stellt und er diese Funktion ja von der
Paritätischen Kommission übertragen bekommen hat. Bekanntlich hat
er bei der ersten Sitzung dieses Mandat, das ja jahrzehntelang die
Bundeskammer hat, zur Verfügung gestellt, war aber aufgefordert werden,
das auch in Zukunft beizubehalten. Benya schloss sich dieser Meinung,
an und meinte, man sollte die Paritätische Kommission aus dem Streit
heraus lassen. Kreisky erwiderte, dass auch er der Meinung ist, die
Paritätitsche Kommission aus wahlpolitischen Auseinandersetzungen heraus-
zuhalten und er wird diesbezüglich Einfluss nehmen, soweit ihm dies
möglich ist. Präsident Lehner stellte die Frage an Weihs, ob er mit
dem Bauernrat Interessenvertretungen ausschalten wollte, was Weihs
die Gelegenheit gab, darauf hinzuweisen, dass sein Verhandlungs- und
Gesprächspartner die Präsidentenkonferenz ist und bleiben wird.
Die Tagesordnung war vefhältnismässig uninteressant, es wurden nur bei
der Preiserhöhung von Tenn und Ata von Persil und der Firma Blendax
die bereits Erhöhungen vorgenommen hatten ohne Genehmigung der PK
das Problem vom Rundfunk wieder auf die Tagesordnung gesetzt.
Altenburger wies darauf hin, man sollte diese Vorgangsweise sich nicht
gefallen lassen, dass Firmen Preiserhöhung vornehmen, ohne dass sie
die PK beschäftigt hatten. Insbesondere bei Persil, wo die Reklamekosten
die Altenburger sei eh und je stören, ein Grund der Erhöhung waren,
brachte er den ORF ins Gespräch. Dies nützte Kreisky, um darauf hinzu-
weisen, dass er erstens glaube, man sollte jetzt unverzüglich um die
neuen Werbekosten mit 1. Oktober nicht in Kraft treten zu lassen,


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den Innenminister auffordern, § 3 a) zur Anwendung bringen zu
können, und zweitens die Gesellschafter des Rundfunks auffordern,
nach dem Rechten zu sehen. Mussil lehnte Punkt 1 ganz kategorisch
ab und bei Punkt 2 meinte er, die Handelskammer müsste sich dies
überlegen. Kreisky, der der Gesellschafter ist, erklärte darauf,
dass er so lange eine Generalversammlung nicht einberufen werde,
solange nicht der im Gesetz vorgesehen Wirtschaftlichkeitsbericht
vonSeite des Generalindentanten vorgelegt wird. Anschliessend an
eine Versammlung, die wir beide im dritten Bezirk abends hattenm
sagt mir Kreisky, er hoffe oder erwarte, dass diese Mitteilung
jetzt Bacher zur Kenntnis kommt, und er daher weiss, er muss einen
diesbezüglichen Wirtschaftlichkeitsbericht legen, der nach Auffassung
Kreiskys für ihn verheerend sein müsste.

02_0527_04

Tagesprogramm, 16.9.1970


Tätigkeit: MR HM
GND ID: 133521052


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