Senatsrat Jagoda war aus dem Spital entlassen worden und hatte
sich im Ministerium zu einer Vorsprache gemeldet. Ich musste ihm
nicht zureden, ob er den Posten annehmen will sondern eigentlich
nur die Frage klären, ob er sich dazu befähigt fühlt.Der Arzt hat
ihm mitgeteilt, dass seiner Meinung nach er wieder voll einsatz-
fähig werden wird, allerdings noch einige Monate Ruhepause bedarf.
Vom gesundheitlichen Standpunkt müsste er deshalb noch nicht mit
voller Kraft die Arbeit im Ministerium aufnehmen. Dies entspricht
aber auch meinem Konzept, da ich auf dem Standpunkt stehe, dass Sek-
tionschef Habel unbedingt als Konsulent noch beschäftigt werden sollte.
Habel hat sich grosse Verdienste um das Zustandekommen einer Gewerbe-
ordnungsnovelle d.h. eigentlich einer neuen Gewerbeordnung gemacht
und ich könnte mir sehr gut vorstellen, dass er als Konsulent hier
noch etliche Monate mitarbeitet. Unter diesen Umständen würde Jagoda
erst im weiteren Verlauf die Sektion und insbesondere dieses Spezial-
gebiet dann ganz allein zu bestreiten haben. Min.Rat Böhm, der Leiter
der Personalabteilung hatte mit Jagoda schon vorher ein Gespräch und
als Ergänzung musste er noch einige Details mit ihm klären, anschlies-
send daran kam Böhm allein, um mir mitzuteilen, dass er von Jagoda
dessen Auftreten und Fähigkeiten sehr beeindruckt sei. Er meinte
deshalb man müsste ihn unbedingt in die engere Wahl neben den von
ihm vorgeschlagenen Min.Rat Hauffe und Kinscher einbeziehen. Ich führte
eine lange Aussprache mit Böhm, wobei wir feststellten, dass Hauffe
eigentlich für die Sektionsführung, wie sich Böhm ausdrückte, nur
deshalb schwer in Frage käme, weil er auf grossen Widerstand stossen
würde. Hauffe war, als er als Kronprinz von Mitterer herangezogen
wurde, so ungeschickt, dass er sich mit vielen Herren der Sektion
überworfen hat, resp. seine forsche Art hat dort ganz energischen
Widerstand ausgelöst. Böhm sagte, dass eine Zusammenarbeit zwischen
Hauffe und Sekt.Chef Habel als Konsulent undenkbar wäre. Für Min.Rat
Kinscher habe ich die Absicht, wenn Frau Min.Rat Carmine wie beab-
sichtigt, frühzeitig in Pension geht, ihm die Sozialpolitische Ab-
teilung zu übertragen. Böhm selbst kam im Laufe der Diskussion auf
diesen Vorschlag zu sprechen und ich akzeptierte ihn natürlich sofort.
Aus all diesen Diskussionen ergab sich, dass in Wirklichkeit die
einzige zweckmässige Lösung – wie mir Böhm dann sagte – wahrscheinlich
die Berufung von Jagoda sei. Ich ermpfahl Böhm, er sollte noch einmal
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mit Habel sprechen, der letzten Endes ja Jagoda so forciert hatte,
und der auch ihm am besten kennt. Gleichzeitig mit der Bestellung des
Sektionsleiters müsste auch der Gruppenleiter, da Min.Rat Fenz
ebenfalls in Pension geht, neu bestellt werden. Böhm sagte mit, dass in
dieser Gruppe vor allem der derzeitige Min.Rat Metzner in Frage käme.
Ich hatte sowieso auch diese Absicht und bestätigte sofort diesen Ent-
scheid als äusserst zielführend. Da ich dokumentieren wollte, dass nicht
nur die zwei – Hauffe und Kinscher – sich um die Sektionsleitung beworben
hatten, verlangte ich, dass Böhm auch mit den anderen Herrn noch Kontakt
aufnehmen, resp. soweit dies notwendig, aktenmässig vermerken musste,
und sollte. Es war dies Min.Rat Poppinger, Min.Rat Kammerhofer, beide
hatten sich schriftlich beworben, aber auch Min.Rat Hanisch, der mit
bereits erklärt hatte, er müsste unbedingt Sektionsleiter werden und
zwar von der Sektion III und Dr. Römer, der jetzige Sektionsleiter sollte
die Sektion II übernehmen. Ausserdem hat Schipper mir seinerzeit vorge-
schlagen, Min.Rat Wohlgemut die Sektionsleitung zu übertragen. Darüber
hinaus bemüht sich noch Sektionsleiter der OB Min.Rat Gasser, einen
9-er-Posten zu bekommen. Ich ersuchte Min.Rat Böhm alle diese
Fragen genau zu überdenken und mir dann einen entsprechenden Vorschlag
zu unterbreiten, weil letzten Endes muss ja er als Personalreferent des
Ministeriums wissen, die beste Lösung, die im Interesse der entsprechenden
Führung der Sektion aber auch der Ruhe und der Notwendigen Ausgeglichen-
heit innerhalb des Ministeriums einen Entscheid wird treffen müssen, der
auch auf lange Sicht hin, die weitere Arbeit im Ministerium förderlich
ist. Ich glaube, dass Jagoda wirklich mit Abstand der beste Mann ist,
der dafür in Frage kommt und warte nur zu, bis auch Min.Rat Böhm mir
einem diesbezüglichen Vorschlag machen wird.
Die Firma Rhomberg feiert ihr 175 Bestandsjubiläum und hat deshalb zu
einem Essen bei den drei Husaren eingeladen. Koppe hatte die Reden,
die zwei Herren, Dr. Ernst Rhomberg und dann ein italienischer Textil-
industrieller, gehalten haben, vorher bekommen. Er hatte mich Gott sei
Dank auf die wichtigsten Punkte aufmerksam gemacht und ich konnte des-
halb in meiner Begrüssungs- und Glückwunschansprache schon auf diese
Reden zumindestens sinngemäss eingehen. Dies löste eine grosse Ver-
wunderung aus, dass ich mir die Zeit genommen hatte, doch diese Reden
bevor sie noch gehalten wurden zu studieren. Ich glaube, dass dies
in Wirklichkeit die vorbereitende Arbeit ist, die Koppe oder jemand
anderer des Hauses für mich immer machen sollte. Entweder müssten mir
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ganz tiefschürfende Erkenntnisse schlagwortartig aufgeschrieben
werden oder was noch besser ist in solchen Fällen irgendwelche Details
von Firmenkenntnissen mir auch in Schlagwortart mitgeteilt werden.
So kann ich bei all diesen Ansprachen und Eröffnungen von Kongressen,
Firmenjubiläen usw. wirklich eine auf das spezifische Gebiet beziehende
Ansprache halten. Was ich brauche sind nur Facts, Facts, Facts und
wieder Facts.
Die Budgetdebatte im Finanzausschuss über Kapitel Handel sollte am
frühen Nachmittag beginnen wurde aber dann durch eine sehr lange
Beantwortung in der Frage Wasserwerfer für die Polizei und einem
Disput zwischen Soronics und Rösch über Gebühr lange hingezogen.
Wir konnte deshalb erst nach 4 Uhr mit dem Handelskpaitel beginnen.
Insgesamt hatten sich zwei Dutzend Redner gemeldet und ich wartete
daher nicht ab, bis alle Redner ihre Anfragen heruntergeleiert hatten,
sondern meldete mich zwischendurch einmal zu Wort, um die ersten 5
oder 6 zu beantworten. Ursprünglich hatte ich ja überhaupt die Ansicht,
auf jeden Redner sofort zu antworten. Dies wird normalerweise als eine
besondere Belastung des Ministers empfunden, weil er ja keine Möglich-
keit hat, von seinen Beamten irgendwelche Unterlagen dann zu
bekommen. Mein Vorschlag wurde aber interessanterweise sowohl vom
Vorsitzenden des Budgetausschusses Weikhart als auch von der ÖVP
ich hatte Mussil von dieser Idee verständigt, abgelehnt. Statt dass
die Opposition froh ist, dass sie den Minister wenn er nicht sofort
antworten kann, in Verlegenheit bringen könnte, nützt sie diese
Chance nicht und bleibt an dem bisherigen System haften. Fiedler
regte sich dann sogar in der weiteren Debatte darüber auf, dass ich
als erster der Minister es nicht abwarten konnte, bis zum Schluss
und schon zwischendurch die Beantwortung von Fragen begonnen habe.
Fiedler war es auch, der den Angriff – in Wirklichkeit den einzigen –
der hart vorgetragen wurde, startete, nämlich dass ich an den Tagungen
der EFTA aber vor allem auch in Brüssel nicht teilgenommen hatte.
Er fragte auch, ob ich in Zukunft gedenke, die Kompetenz, die mir
das Gesetz überträgt, nicht mehr wahrzunehmen. Ich konterte sofort,
dass ich jeden Beistrich meiner Kompetenz wahrnehmen werde, allerdings
wenn es zu einer Änderung durch das Kompetenzgesetz kommt, der Aussen-
minister die politische Integration letzten Endes zu führen hätte.
Derzeit aber hat nach wie vor, der Handelsminister die Feder-
führung, das kommt auch dadurch zum Ausdruck, dass ich im Ministerrat
die entsprechenden Anträge stelle und dass das Statement, welches der
Aussenminister in Brüssel abgegeben hat im Namen der österr. Bundes-
regierung vom Handelsministerium im Einvernehmen mit dem Aussenamt
verfasst worden war. Im übrigen ist es mir vollkommen unerklärlich,
warum die ÖVP einen Sozialisten insbesondere nach Brüssel schicken
will, wo doch der unparteiische Kirchschläger, wenn er wirklich
Erfolge erreichen würde, von ihnen doch viel mehr als Neutraler empfun-
den werden muss und doch von ihrem Standpunkt aus dies günstiger sein
müsste. In Wirklichkeit dürften sie keine anderen Angriffspunkte haben
und deshalb dies besonders hochspielen wollen. Ein zweiter Angriffs-
punkt war das Ministerbüro und es fielen sogar Bemerkungen, allerdings
nicht in der offiziellen Frage, sondern in der Debatte zwischendurch
von einem Politruk-Abteil, die die Absicht hat, die Sektionen
auszuschalten und hier nach einem russischen System die entsprechende
Kontrolle im Ministerium auszuüben.. Ich wehrte
mich sofort gleich ganz entschieden gegen eine solche Unterstellung
und wies nur darauf hin, dass ich auch in der Arbeiterkammer bereits
diesen modernen Führungsstil eingeführt hatte. Ich verwies insbesondere,
dass auch der Rechnungshof in der modernen Verwaltungsführung darin
die einzige Möglichkeit sieht, wie ich es also handhabe und deshalb
dieser Lösung auch zugestimmt hat. Alles andere waren kleine Plänkeleien,
sei es ob es sich um die Luftverunreinigung, die Dr. König
neuerdings anzog, oder um die Verkehrsprobleme handelte, oder auch um
Bürges- und sonstige Kreditsaktionen. Ich konnte ausser die Frage,
wieviel Patentanmeldungen und wie sich die Bilanz der angemeldeten
Patente in Österreich und im Ausland und die Lizenz, die man dafür
bezahlen muss im Inland und im Ausland sowie die Frage, wieviel
also heute Luftreisende von München oder von der Schweiz nach Öster-
reich mit eigenen Taxis befördert werden durften, sofort aus dem
Stegreif beantworten. Nur in diesen beiden Punkten benötigte ich
Unterlagen von den Referenten, aber auch der Leiter des Patentamtes
und der Leiter der Verkehrssektion konnten mir keine genauen Ziffern
geben, da solche nicht vorhanden waren. Der letzte Diskussionredner
der ÖVP stellte dann 27 Detailfragen aus dem Budget. D.h. er wollte
die ziffernmässigen Ansätze erläutert wissen. Wenn man das Budget
noch nicht im Detail kennen würde, würde diese Beantwortung irrsinnig
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lange dauern und ich hätte gar keine Chance gehabt, hier ohne eine
grössere Unterbrechung die wirklichen Auskünfte zu erteilen. Gott
sei Dank hatte ich mich ja mit dem Budget so bis in die Einzelheiten ver-
traut gemacht, dass ich ebenfalls aus dem Stegreif heraus sofort
eine Erklärung für diese 27 Posten geben konnte. Die Budgetdebatte
endete um 8 Uhr und ich glaube das wichtigste Ergebnis war, dass
meine Beamten gesehen hatten, dass ich im Detail heute bereits so
weit die Probleme im Griff habe, dass ich eben ohne ihre Unerstützung
imstande bin, die wichtigsten Fragen selbst bis ins Details hinein
beantworten zu können. Die Hauptangriffpunkte bei der Budgetdebatte
im Haus werden daher das Ministerbüro auf der einen Seite und die
Nichtteilnahme meiner Person bei den EFTA- und insbesondere bei den
EWG-Einleitungsgesprächen in Brüssel sein.
Tagesprogramm, 13.11.1970
Antrag BO Linz betr. Übermittlung von Gesetzesvorlagen
Antrag BO Linz, Weiz (?) betr. Handelskammerwahlordnung
hs. Notizen
Antrag BO Grieskirchen, Vöcklabruck betr. Beratungsbeiräte in Ministerien
hs. Notizen