In der Beiratssitzung auf Grund des Strukturverbesserungsgesetzes
bei der BÜRGES konnte ich wieder feststellen, dass das Haus die
Bürges kaum informiert. Die Bundeskammer hat den Antrag gestellt,
man sollte aus den Richtlinien die Bestimmung streichen, dass
Ersatzinvestitionen nicht finanziert werden dürfen. Ich hatte
seinerzeit bereits Mussil auseinandergesetzt, dass dieses Schrei-
ben ganz sinnlos ist, denn jedwede Investitionen haben doch sicher
eine Produktionsausweitung oder einen Produktivitätseffekt, oder
wenn schon nichts anders, so doch wenigstens eine Umstellung in der
Produktion bewirkt. In all diesen Fällen ist die Richtlinie des
Gewerbestrukturverbesserungsgesetzes erfüllt und der Kredit kann
gewährt werden. Ich hatte seinerzeit entschieden, dass diese Richt-
linien konzentriert werden müssten und sogenannte Schwerpunkte besser
herauszuarbeiten. Dies ist im Mai einvernehmlich mit dem Beirat ge-
schehen, ja sogar der Beirat hat in Wirklichkeit die gesamte Arbeit
in diesem Fall geleistet. Der Wunsch der Bundeskammer auf Streichung
der Ersatzinvestitionen wurde deshalb dem Beirat vorgelegt. Bei dieser
Gelegenheit stellte sich heraus, dass das Schreiben der Bundeskammer
Dr. Korinek, resp. der Bürges überhaupt nicht zur Kenntnis gekommen
ist. Hintenherum hat Korinek dann zwei Tage vor der Sitzung erfahren
und in der Bundeskammer selbst dann mit Mussil und Sallinger über
dieses Problem diskutiert. Dabei hat er wie er dem Beirat berich-
tet hat, doch die Meinung vertreten, dass die derzeitigen Richt-
linien absolut befriedigend sind. Wenn aber die Bundeskammer auf
einer Streichung besteht, dann würde dies in Wirklichkeit an der
Vergabe überhaupt nichts ändern. Ich nahm genau den gegenteiligen
Standpunkt ein, denn ich stehe auf dem Standpunkt, dass es richtig
ist, dass sich an der jetzigen Vergabe nichts ändern wird, dass
aber doch reine Ersatzinvestitionen, die ich mir allerdings kaum
vorstellen kann, aus deren Richtlinien ausgeschlossen bleiben sollen.
Ich verlangte von Rief, der den Brief geschrieben hatte und der
gleichzeitig auch Mitglied des Beirates ist, welche Fälle als Grund-
lage ihres Schreibens genommen wurden, denn vielleicht hätte es den
einen oder anderen Fall gegeben, den wir nicht berücksichtigten.
Er selbst sagte, er hätte nur im Auftrag gehandelt und kenne keinen
Fall. Dies veranlasste sogar sodann den Komm.Rat Kulhanke, den
Vertreter der Bundeskammer in dem Beirat, den Antrag zu stellen,
man könnte auf die Richtlinien-Änderung verzichten. Wenn man bedenkt,
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dass Sallinger dieses Problem im Finanzausschuss an die Spitze
seiner Ausführungen gestellt hat und er jetzt eigentlich damit
nicht einmal bei seinen eigenen Leuten Unterstützung findet, so
kann man wirklich nur sagen, die Handelskammer ist über die Angriffs-
möglichkeiten gegen das Handelsministerium sehr schlecht informiert
oder hat wirklich keine Munition.
Bei der Verteilung der Kredite teilte Korinek mit, dass er imstande
ist, alle 72 Mill. S, die ihm auf Grund des Gewerbestrukturverbesserungs-
gesetzes und der budgetären Ansätze zustehen, auch tatsächlich für die
einzelnen Kreditwerber zu verbrauchen. Das Ministerium hat insbesondere
Thun-Hohenstein vorgeschlagen, man sollte doch mindestens 8,8 Mill. S
von diesen 72 Mill. für die Wifis verwenden. Ich hatte den Min-Rat
Wohlgemuth bereits seinerzeit erklärt, dass primär die Befriedigung
der Bürges Platz greifen müsste, denn die Einzeln-Ansuchen seien mit
Priorität 1 zu behandeln. Erst wenn die Bürges ausserstande ist, die
72 Mill. S zu verbrauchen, könnte der Restbetrag für die Wirtschafts-
förderungsinstitute (Wifis) verwendet werden. Scheinbar haben von
Seiten der Handelskammer hier irgendwelche Interventionen stattge-
funden, denn ich kann mir nicht vorstellen, dass Thun-Hohenstein
oder Wohlgemuth aus eigenem gegen meinen ausdrücklichen Absichten
so vorgehen wollen. Ich entschied, dass alle Mitteln primär der
Bürges jetzt im November und Dezember zu überweisen sind, damit alle
Ansuchen erledigt werden können.
Im finanzgesetzlichen Satz für die 72 Mill. ist eine Trennung in 6,4
Mill. Fremdenverkehr und der Rest für Gewerbeförderung vorgenommen.
Nun gibt es im Fremdenverkehr noch einige Schwerpunkte-Ansuchen, die
nicht erledigt werden könnten, weil bereits die 6, 4 Mill. S erreicht sind
Andererseits würde in dem allgemeinen Gewerbe-Förderungstopf dann
Ansuchen zum Zuge kommen, die keine Schwerpunkte mehr darstellen.
Das Minsterium – Wohlgemut – hat deshalb an das Finanzministerium
die Frage gerichtet, ob es gegebenenfalls berechtigt ist, die Bürges
zu ermächtigen, die 6,4 Mill. S auf Kosten der allgemeinen Gewerbe-
förderung zu überschreiten, d.h. die Summe von 72 Mill. würde unter
allen Umständen eingehalten werden. Zu meiner grössten Verwunderung
hat man Walterdorfer erklärt, es müsste dies im Ministerium noch sehr
genau überprüft werden, aber im Prinzip steht er auf dem Standpunkt,
dass eine solche Überschreitung nicht zulässig ist. Der Vertrag mit
s s
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der Bürges sieht nun vor, dass die Bürges sich nach den Richtlinien
zu verhalten hat und die Richtlinien wieder sehen vor, dass zuerst
die Schwerpunktansuchen erledigt werden müssen. Die Bürges wird des-
halb im Beirat einstimmig beschliessen, dass solange keine gegenteili-
ge Weisung vorliegt, sie nach den Richtlinien vorgehen wird und dadurch
die Schwerpunktfälle zuerst im Fremdenverkehr behandeln wird, bevor sie
die Normalfälle der anderen Gewerbeförderung berücksichtigt. Ich habe
mich unverzüglich mit dem Büro von Androsch ins Einvernehmen gesetzt,
und gebeten, man sollte eine solche Entscheidung, wonach eine Über-
schreitung des Fremdenverkehrsansatzes auch bei Schwerpunktfällen nicht
möglich ist, entweder nicht ergehen lassen, oder wenn eine solche er-
geht, zu einem möglichst späten Zeitpunkt. Vor allem aber wollte ich
vor Erlassen eines solchen Briefes, dass Androsch mit mir das Einver-
nehmen herstellen sollte.
ANMERKUNG für WANKE: Bitte, diesen Teil Androsch zur Verfügung stellen.
Bei der Unterzeichnung des Protokolls über die Ungarn-Verhandlung konnte
ich nochmals dem Minister Baczoni versichern, dass an den guten nachbar-
lichen Beziehungen durch die Verhandlungen mit der EG sich nicht ändern
wird. Ich versicherte ihm neuerdings, dass wir alles unternehmen werden
um die Handelsvertragshoheit zu behalten. Ich versicherte ihm neuerdings
dass ich zu jeder Information jederzeit zu seiner Verfügung stehe.
Wr. Neustadt eröffnete Porsche eine grosse Ausstellungshalle und
feierte damit auch das 10-jährige Bestehen der PorscheKo in
Wr. Neustadt. Bei dieser Gelegenheit teilte mir der finanzielle Direktor
und der Besitzer von Porsche & Co. Ferry Piech bei Anwesenheit von
Luczensky mit, dass die VW-Werke eine Erhöhung ihrer Modelle mit 1.1.
1971 um ca. 8 % vornehmen wollen. Die beiden wollten wissen, ob Zoll-
massnahmen jetzt mit 1.1.1971 auf dem Autosektor beabsichtigt sind.
Ich versuchte ihnen auseinanderzusetzen, dass wir so wie in den ver-
gangenen Zeiten nur Wert darauf legen, dass der Käfer-Typ nicht er-
höht wird, weil dies ein Massenverkaufsschlager von VW ist. Sie zeigten
die Schwierigkeit auf, dass sie das letzte Mal bereits diese Typen
unverändert gelassen hatten und deshalb die Preisdifferenzierung für
sie immer kritischer wird. Die Käufer gehen in immer stärkerem Masse
wieder zu Käfer über und dadurch wird es für sie fast unerträglich
als Importeur und Verteiler nur diesen Typ nicht zu erhöhen. Ich er-
widerte, dass auf lange Sicht gesehen, es sicher zu einem Arrangement
Osterreichs mit der EWG kommen wird und dann entsprechende Zollsenkungen
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auch auf den Import von deutschen Autos Platz greifen würden. In
diesem Fall könnten sie ja dann die derzeitigen Typen unverändert lassen
und dadurch eine Ausgleich in ihrer Kalkulations- und Ertragslage
herbeiführen. Ausserdem deutete ich ihnen an, dass im Laufe der
Verhandlungen über das Budget vielleicht nicht Entscheidungen fallen, die
für sie von grösster Bedeutung sein könnten und deshalb sollten
sie zuwarten, was in den nächsten Wochen geschieht.
Da wir in der Angelegenheit Nachfolge Habel eine endgültige Entschei-
dung treffen mussten, ersuchte ich, das sowohl Sekt.Chef Schipper,
der bereits zu Hause ist, und Sekt.Chef Habel mit Min.Rat Böhm und
Dr. Heindl eine Aussprache über dieses Problem haben sollten. Schip-
per war sehr gerührt über das Telegramm, das ich ihm geschickt hatte
und bedankte sich einige Male wirklich herzlichst. Bei der Diskussion
stellte sich heraus, dass sie in Wirklichkeit nur mehr ein Rückzugs-
gefecht lieferten, aber übezeugt waren, dass Jagoda der sachlich
richtige und beste Mann ist. Es wurde deshalb beschlossen, Heindl
sollte einmal beim Magistrat vorfühlen, ob dieser überhaupt bereit
wäre, Jagoda freizugeben.
Bei einer Diskussion mit den Fraktionsgenossen der Länderbank, es
war dies eine gutbesuchte Fraktionsversammlung, hatte ich wieder
die Erfahrung machen müssen, dass manche leitenden Genossen es nicht
verstehen, mit den eigenen Genossen wichtig umzugehen. Ich wehrte mich
dort ganz entschieden, wenn man von mir verlangt, man sollte als
Sozialist besonders nur auf die Interessen der Partei und der Partei-
genossen in den Instituten Rücksicht nehmen. Ich erklärte, dass
ein jedes Unternehmen von den besten Managern unsererseits ge-
führt werden müssten, um eben die Funktion der Unternehmensführung
auch tatsächlich zu erfüllen. Andererseits natürlich wies ich darauf
hin. dass es meine persönliche Einstellung ist, wie der Betreffende
dies auch durchführt. Aufgabe der Unternehmensleitung ist es, die
Interessen des Betriebes zu führen und Aufgabe des Betriebsrates
und der soz. Fraktion ist es, die entsprechenden Interessen der
dort Beschäftigten zu wahren. Eine Vermischung dieser beiden
Interessensgrenzen halte ich für ausgesprochen schlecht und gefähr-
lich, und lehne sie deshalb auch ganz entschieden ab.
Tagesprogramm, 18.11.1970
hs. Notizen (Tagesprogramm Rückseite)