Der bulgarische Botschafter Popow brachte den Entwurf eines Handels-
und Schiffahrtsabkommens. Im Auftrag des Aussenhandelsminister Avramov
sollte er diesen Entwurf übergeben, wobei er gleichzeitig erwähnte,
dass selbstverständlich erst darüber verhandelt werden muss. Der teilte
auch mit, dass der-zeit an einem Entwurf über die Zusammenarbeit auf dem
Sektor des Tourismus von Seiten Bulgariens gearbeitet wird. Bezüglich
der Entwicklung auf dem Kooperationssektor machte er die Mitteilung,
dass die VÖEST, Gen.Dir. Koller, mit dem bulgarischen Generaldirektor
Bauer ein 2,5 Mill. $-Projekt – eine Äthyhlenanlage – derzeit bespricht,
mit den Nachrichtentechnischen Werken sollen Kooperationsgespräche
beginnen. Ein grosses Kooperationsprojekt für 40 Mill. $ auf dem chemi-
schen Sektor ging für Österreich – wie er sich ausdrückte – leider ver-
loren, es wird mit der BRD und mit Belgien abgewickelt.
Dr. Habig und der Importeur Fritz Mauthner kamen, um die Zucker-
problematik mit mir zu besprechen. Die Überschussproduktion betrug mit
September 1970 80.000 t. Das Lager wird bis zum nächsten Jahr wahr-
scheinlich auf l00.000 t ansteigen. Die Zuckerindustrie, ein Überlager
von 55.000 t sei gerechtfertigt. Um die Überschüsse wegzubringen, sollen
in Zukunft 80.000 t Silage-Zucker und 100.000 t Zucker für die Industrie,
die den Zucker weiterverarbeitet, also Süsswarenindustrie, bereitges-
tellt werden. Diese Industriezuckermengen können aber keinesfalls
um 6,22 von der Weiterverarbeitungsindustrie übernommen werden. Des-
halb soll dieser österreichische Fabrikabgabepreise um 3.- S gesenkt
werden. Die 80.000 t Silage-Zucker sollten um 4.- 8 pro kg verkauft
werden. Voraussetzung für diese Aktionen ist, dass die fixen Kosten
nicht auf diesen Zucker umgelegt werden. Eine diesbezügliche Entschei-
dung müsste in der Preiskommission fallen. Sollte es zu dieser Über-
schussverwertung nicht kommen, so müssten die Bauern ihre Anbaufläche
wesentlich einschränken. Derzeit beträgt das Grundkontingent 19 Mill. Zent-
ner Rüben. Infolge der Überschusssituation will es die Zuckerindustrie
auf 80 bis maximal 85 % dieses Grundkontingentes kürzen. Während für
das Normalkontingent die Bauern ca. 44.- 8 pro Zentner Rübenpreis er-
lösen, ist für das Pul-Plus-Überschusskontingent maximalst mit S 30.-
pro Zentner zu rechnen. Heuer wird diese Plu-plus-Rübe 1,3 Mill. Zentner
betragen. Fritz Mauthner, der in den vergangen Jahren immer Zucker aus-
03-0874
Oststaaten und teilweise sogar aus London eingeführt hat, will nun
den österr. Überschusszucker der Süsswarenindustrie zur Verfügung
stellen. Der derzeitige Preis für diesen Zucker am Weltmarkt beträgt
44 $ mit 62.- S multipliziert ergibt 2.70 franco London. Die CSSR
bietet derzeit einen Zucker um 3.20 S an. Um den Zuckerpreis durch
diesen Aktionszucker nicht zu stören, soll die Süsswarenindustrie diesen
Verarbeitungszucker zollhängig bekommen, d.h. mit anderen Worten, die
Süsswarenindustrie würden den Zucker als im Zollvormerk verarbeiten
können und nachher wieder die Waren daraus exportieren müssen. Kontrolle
würde also von den Zollbehörden durchgeführt werden. Dadurch erspart
sich die Zuckerindustrie eine Kontrolle, ob dieser Zucker nicht in den
normalen Konsum gehen würde. Silage-Zucker dagegen würde denaturiert
werden und könnte schon aus diesem Grund nicht in den normalen Konsum
eingeschleust werden. Die Zuckerindustrie hat sich bis jetzt gegen diese
Pläne gewehrt, weil sie Angst hat, dass ein geteilter Zuckerpreis, d.h.
ein hoher Zuckerpreis für den Konsum mit 6.22 S Fabriksabgabepreis und
ein tiefer für Silage-Zucker und vor allem ein noch viel tieferer für
Verarbeitungsgzucker dazu führen müsste, dass die Konsumentenvertreter
früher oder später auch für den Konsumzucker diesen billigen Preis ver-
langen würden. Die Zuckerindustrie ersucht mich, diesbezügliche Bespre-
chungen mit der Arbeiterkammer und dem Gewerkschaftsbund zu führen.
Da wir in den vergangenen Jahren immer wieder verlangt haben, dass die
Zuckerindustrie ihren Zucker dazu verwenden sollte, auch die Süsswaren-
industrie zu versorgen, glaube ich, müssten wir diesen Plan, der ja letzten
Endes auf unsere Initiative zurückgeht. auch unterstützen. Ich habe dies-
bezüglich mit Zöllner gesprochen. Bei dieser Gelegenheit warf ich auch der
Zuckerindustrie vor, dass immer wieder von den Händlern gesagt wird, dass
sie einen entsprechenden Rabatt für die Grossabnehmer geben. Habig be-
stritt dies und sagte, dass diese Auffassung auf einem Irrtum beruht. Die
Zuckerindustrie hat nur den Grossabnehmern, wie z. B. Manner, für Rinfusa-
Zucker einen Abschlag von 6.- S für die Nichtbenützung der Säcke gewährt.
Anlagenabfüllung nicht in der AfA berücksichtigen konnten. Erst bei der
neuen Zuckerpreisfestsetzung im Jahre 1969 hätten sie die neue Anlagen-
abschreibung eingerechnet und deshalb wollten sie überhaupt diesen Rabatt
wieder zum Verschwinden bringen. Mitterer aber hat verfügt, dass die
Konditionen für Rinfusa aufrecht bleiben müssen. Ich glaube, dass wir dieses
Problem im Wettbewerbsausschuss genauer untersuchen sollten.
ANMERKUNG FÜR WANKE: Bitte, entsprechenden Referenten und den Wettbe-
werbsausschuss davon verständigen.
Min.Rat Willenpart kam, um mir seine Idee über die Zollpräferenzen
für die Entwicklungsländer auseinanderzusetzen. Erst zum Schluss bemerkte
ich, dass er sich ein Konzept systematisch aufgebaut hatte, das in Wirk-
lichkeit, die ganze Gedankengänge sehr übersichtlich ordnete. Ich er-
suchte ihn, eine Fotokopie dieses Konzeptes mir zu übermitteln. Ich
glaube, es wäre am zielführendsten, wenn es uns gelänge, im Hause darzu-
legen, dass es wesentlich besser ist, an Stelle von seitenlangen In-
formationen, mit solche Gedächtnisstützen des Referenten vorerst zur
Verfugung zu stellen und nachher in einer kurzen mündlichen Erörterung
noch zu erganzen. Ich glaube, dass dies der einzige Arbeitsstil ist,
der es mir ermöglicht, die Probleme noch aufzunehmen, ohne irrsinnig
viele Seiten lesen zu müssen. Gleichzeitig könnte mit dieser Methode
die Schreibarbeit auf ein Minimum reduziert werden.
In der Paritätischen Kommission war überhaupt keine bedeutende Diskussion.
An Stelle des mündlich gehaltenen Berichts des Bundeskanzlers – er war
nicht anwesend, da er auf der Regierungsbank sitzen musste – hat Vizekanzler
Häuser diesen Bericht abziehen lassen und verteilt. Die Bundeskammerver-
treter ersuchten mit Recht, dass in Zukunft dieser Bericht frühzeitig,
d.h. mindestens einen Tag vorher zur Verfügung stehen sollte. Da die
Metallarbeiter bereits ihre Verhandlungen abgeschlossen hatten, die
Paritätische Kommission aber erst eine Fühlungnahme freigegeben hat,
wäre der neue Vertrag mit l.l.l97l in Kraft getreten, ohne dass eine
Freigabe durch die Paritätische Kommission erfolgt wäre. Benya ersuchte
deshalb, es sollte die Paritätische Kommission jetzt, da sie das letzte
Mal heuer zusammengetreten ist, die Freigabe aussprechen. Mussil erklärte
sich im Prinzip damit einverstanden, möchte aber noch vorher die Fachver-
bände fragen, da dies immer der Fall gewesen ist. Es kam deshalb die
schon bisher gehandhabte Regelung zur Anwendung, nämlich wenn die Mit-
teilung von Seiten der Handelskammer erfolgt, gilt die Metallarbeiter-
forderung, aber auch die der Metallangestellten als freigegeben. Brand-
stätter erklärte, namens der Landwirtschaft dem nicht zustimmen zu können.
Damit wäre eigentlich ein Fristenablauf verbunden gewesen, aber Häuser
ging darüber hinweg und sagte, das nehmen wir halt zur Kenntnis. Die
Handelskammer stellte daraufhin die Forderung, dass ja nach jeder Metall-
arbeiterlohnerhöhung die Metall-Unternehmer beim Preisunterausschuss
eine entsprechenden Erhöhungsantrag mit perzentuellen Zuschlägen zu
ihren derzeitigen Preisen gestellt hatte. Die Handelskammer wollte zuerst
eine generelle Genehmigung, dass damit automatisch der Preisunterausschuss
nicht mehr damit zu beschäftigen sei, sondern dies auch zu genehmigen hätte.
Häuser wehrte sehr geschickt ab und sagte, es würde sich an dem
derzeitigen System ja nichts ändern, wenn die Unternehmer entsprechende
Anträge stellen, würde der Preisunterausschuss im Rahmen seiner Mög-
lichkeiten dann die entsprechenden Genehmigungen aussprechen. Ich
sagte Mussil über den Tisch, dies könnte sofort akzeptiert werden,
da ja der Preisunterausschuss bis zu 10 % Erhöhungen genehmigen könnte
und wahrscheinlich Erhöhungsanträge über diesen Prozentsatz hinaus ja
kaum zu erwarten sei. Auch hier erklärte Brandstätter, er könnte sich
damit nicht einverstanden erklären, da wenn es zu keiner Eingiung käme,
der Preisuntersausschuss die ganze Angelegenheit an die Paritätische
Kommission abtreten müsste. Auch dies wurde eiegntlich nur zur Kenntnis
genommen.
Ich musste nach Sitzungsschluss sofort in den Bundesrat – wirtschaftl.
Ausschuss – laufen, da dort 3 unbedeutende Gesetze, die im Nationalrat
bereits ohne Debatte angenommen wurden, zur Diskussion standen. Auch
dort gab es keine Diskussion und sie wurden daher ohne Einsrpuch
genehmigt.
Da die Präsidenten anschliessend eine Besprechungen abhalten wollten, wo
ich angeblich auch anwesend sei sollte, eilte ich sofort nach der
Bundesratssitzung in Ministerratssitzungssaal zurück. Ich traf nur
mehr Vizepräsident Seidl von der Handelskammer, der mich ersuchte,
ob ich nicht Zeit hätte, er wollte mit mir ein Problem besprechen.
Ich stimmte dem sofort zu und er erzählte mir: Die Lenzinger AG
hatte derzeit nur eine einzige Kunstfaser, nämlich Viskose, von der
sie 70.000 t im Jahr erzeugt und damit auch für europäische Begriffe
ein sehr grosser Betrieb ist. Auf diese Viskose-Produktion hat er
13 % Zollschutz. Die anderen synthetischen Faser wie Acryl-Faser aber
ist bei uns zollfrei, da sie in Österreich nicht produziert wird.
Lenzig will sich nun auf ein zweites Bein stellen und Acryl-Faser
in grösserem Ausmass produzieren. Allerdings muss er feststellen,
dass z.B. der amerikanische Konzern Dupont, der zusammen mit Esso
eine 20 Mill. Tonnen-Raffinerie gebaut hat, hat nun eine sehr grosse
Acrylfaserproduktion aufgenommen. Um nun diese Faser verkaufen zu
können, hat ihm ein Freund aus Südafrika mitgeteilt, dass diese
Acrylfaser um 44 Cent pro kg, das sind ca. 9.- S verkauft werden.
Angeblich ist diese Faser substandard, das heisst unter dem normalen
Standard, aber die Verarbeitung hat ergeben, dass sie sich
03-0877
um eine ganz normale Acryl-Faser handelt, die unterpreisig verkauft
wird. Sie durfte nur keinen Markennamen führen, also weder Orlon
noch Dralon noch sonst wie benannt werden. Der normale Preis, den
man z.B. den Russen für diese synthetische Faser verrechnet, sind
70 Cent por kg. Da die inländische Viskosefaser im Export mit ca.
11.- S/kg verkauft wird, liegen diese Verkäufe Dupont an Südafrika
eben weit unter dem normalen Preis. Wenn nun Lenzing ca. 6 - 8.000
Jahrestonnen Acrylfasern produzieren wollte, so möchte sie bitten,
ob man ihr einen Zollschutz geben könnte. Die in Deutschland stillge-
legte Firma Frix, eine BASF-Anlage, die gemeinsam mit einem amerika-
nischen Chemiekonzern betrieben wird, hat eine Anlage, die er gerne
kaufen möchte. Für 6 – 8.000 Jahrestonnen würde er eine Maschien be-
nötigen, die Frix hätte und ca. 250 Mill. S Investitionsaufwendungen
haben. Ohne einen Zollschutz könnte er aber dies nicht machen.
Ich erklärte ihm sofort, dass gegen eine solche Idee zwei Schwierigkeiten
bestehen. Ersten würde die inländische Textilindustrie, wenn sie
in Zukunft syntethsiche Fasern mit einem Zollschutz kaufen müsste,
schärfstens dagegen protestieren und erklären, sie sei heute nicht
mehr konkurrenzfähig. Zweitens aber würden wir im Rahmen des GATT,
ich glaubte, und da bin ich ganz sicher, wir haben eine diesbezügliche
Bindung auf zollfrei, die grössten Schwierigkeiten haben, dieses Zoll-
frei-Produkt in Zukunft mit einem Zoll zu belasten. Hier müssten erst
entsprechenden Verhandlungen im Rahmen des GATT aufgenommen werden.
Bekanntlicherweise ist auch die Hutindustrie an uns herangetregen,
ob wir nicht eine Zollerhöhung für ihre Produkte im Rahmen des GATT
durchsetzen könnten. Auch damals habe ich bereits zu erkennen gegeben,
dass selbst wenn Österreich dies wollte, wir international grosse Schwie-
rigkeiten hätten. Seidl ersuchte mich, wir sollten dieses Problem
doch noch einmal überdenken, er teilt zwar meine Meinung, aber viel-
leicht könnten wir durch Untersuchungen feststellen, ob unsere Auf-
fassung auch tatsächlich zutrifft.
ANMERKUNG FÜR WANKE: Bitte, dieses Problem von den Abteilungen prüfen
lassen. Die Mitteilung aber von Seidl über die
beabsichtigten Aktionen von Seiten Lenzings sind
absolut als vertraulich zu behandeln.
In der Arbeiterkammer hatten wir, d.h. Bundesminister Gratz
und ich, unseren Intellektuellen-Diskutantengruppe eine Aus-
sprache vorgesehen. Seit Jahren schon haben wir mit den Akade-
mikern des dritten Bezirkes eine engen Kontakt durch solche
Aussprachen und Diskussionen. Obwohl das Budgetkapitel dem Ende
zuging, überredete ich Gratz, dass er doch an dieser Diskussion
teilnehmen sollte. Weikhart wollte uns vorerst überhaupt nicht
entlassen und nur durch mein Zureden erklärte er, er sei damit
einverstanden, aber wir müssten jederzeit zu seiner Verfügung
stehen. Wir begannen um 7 Uhr in der Arbeiterkammer die Diskussion.
Nach 1/2 8 Uhr wurde das erste Mal angerufen, Heindl ging zum
Telefon und teilte mir dann mit, dass Weikhart gebeten hatte,
wir sollten doch schon kommen. Heindl rief dann noch einmal
Weikhart zurück und er bekam diese Mitteilung von ihm bestätigt.
Heindl setzte sich darauf mit Reiter ins Einvernehmen und Reiter
ging noch einmal in den Saal um festzustellen, wieviele Redner
noch gemeldet waren. Er teilte Heindl mit, dass noch von der ÖVP
der Abgeordnete Stohs redet, anschliessend daran kommt unser
Redner Blecha und der wird so lange reden, bis wir im Saale
sind. Wir beendeten deshalb die Diskussion und fuhren ins Parlament
zurück. Bereits beim Stiegenaufgang kam uns Pittermann entgegen,
der uns natürlich entsprechend zusammenscherte, weil die Ab-
stimmung bereits vorüber war und wir angeblich nur mit einer ein-
zigen Stimme Mehrheit diese Abstimmung bestanden haben. Ich habe
mich selbstverständlich weder auf Reiter noch auf Heindl ausge-
redet, aber Weikhart war sehr empört und wie ich mit Recht zugeben m
muss, sehr erschüttert. Innerhalb meiner 10-jährigen parlamen-
tarischen Tätigkeit hatte ich noch niemals eine Abstimmung ver-
säumt. Bisher hatte ich auch wirklich immer noch alle Termine
vollkommen exakt, die ich mit Weikhart vereinbarte, eingehalten.
Es wird längere Zeit dauern, bis ich diesen Schnitzer bei Weikhart
wieder ausgemerzt habe. Ich gestehe freimütig, dass mein Verhalten
in dieser Sache absolut unverantwortlich gewesen ist. Sicherlich
sind wir nicht zu unserem Vergnügen weggegangen, aber ich glaube,
dass ein jeder Ordner einen Herzinfarkt bekommen muss, wenn er
unter diesen Umständen einen Parlamentsbetrieb aufrechterhalten
muss.
Tagesprogramm, 2.12.1970