Dienstag, der 26. Jänner 1971

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Dienstag, 26. Jänner 1971

Es ist passiert! Genau was Wanke und teilweise Koppe befürchtet
haben ist eingetreten. Jede Pressekonferenz oder Presseinformation
beinhaltet ein sogenanntes kalkuliertes Risiko. Man riskiert,
obwohl eine Pressekonferenz sehr gut laufen kann und die Informa-
tionen in eine Richtung gehen, wo man sagen muss, hier müsste eigent-
lich eine objektive Berichtserstattung ein Bild der tatsächlichen
Verhältnisse geben, kann dann am nächsten Tag ganz anders aussehen.
Bei der Benya-Presseinformation war dies genau das Gegenteil der
Fall. Die Information, die die Presseleute bekommen haben, und
es war ja wirklich eine umfangreiche ausführliche, wurde in den
Head-Lines ganz anders dargestellt. Die Zeitungen haben schon allein
auf Grund ihres reisserischen Aufmachers versucht, die Aufmerksam-
keit der Bevölkerung auf die Äusserungen Benyas zu wenden. Über-
schriften wie: Benya kritisiert Benya und nachfolgende Berichte,
die insbesondere in der Zeitung "Die Presse" wesentlich anders
waren, als dies die Pressekonferenz tatsächlich ergeben hat, waren
im ersten Eindruck verheerend. Wenn man allerdings z.B. den Kurier
genauer gelesen hat und die Glossen, die er auch gebracht hat, so
konnte man genau ein gegenteiliges Bild davon bekommen, was in der
Überschrift gestanden ist. Ich versuchte deshalb sofort mit Häuser
in Kontakt zu kommen. Da er den BK Kreisky vertreten hat und
die Ministerratssitzung führte, nützte ich die Gelegenheit, um
mit ihm in die Ministerratssitzung zu fahren. Ich erklärte mich
einverstanden, oder fragte ihn, besser gesagt, ob es nicht zielfüh-
rend wäre, bei der Ministerratsvorbesprechung, nachdem es in allen
Zeitungen hiess, Benya kritisierte insbesondere Regierungsarbeit –
über den tatsächlichen Verlauf eine Information den Genossen zu
geben. Häuser meinte, er müsste zuerst mit Benya reden und da
Kreisky auch nicht anwesend war, sei es nicht zielführend, eine
solche Besprechung jetzt vom Zaune zu brechen. Häuser selbst
hatte zwar die Fernsehsendung nicht gesehen, wurde aber von seiner
Frau, als er abends nach Hause kam, dahingehend informiert, dass
man fragte, na was ist denn da los, streitet der Gewerkschaftsbund
jetzt mit der Partei usw. Häuser anerkannte, dass Benya hier das
Bestreben hatte, die Unabhängigkeit des Gewerkschaftsbundes zu
beweisen, meinte allerdings, dass der Zeitpunkt denkbar schlecht
ist, da Kreisky nicht im Lande ist, und vor allem aber es seiner
Meinung nach man halt mit der Presse nicht reden kann.



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Seine Auffassung, die er bis jetzt im Gewerkschaftsbund erfolgreich
vertreten hat, war, der Presse gibt man vollkommen festgelegte
Statements, d.h. man spricht womöglich überhaupt nicht mit ihnen,
sondern lässt ihnen schriftlich eine Meinung zugehen. Wenn man
schon mit ihnen spricht, dann höchstens mit einem Band, wo
man jederzeit beweisen kann, dass ganz etwas anderes gesprochen
wurde und wenn sie nicht entsprechend wahrheitsgetreu berichten,
dann macht man eben Presseklagen, wo man sie entsprechend zur
Wahrheitsberichtserstattung verpflichtet. Wie mir Tommy Lachs
anschliessend bei unserem Mittagstreffen mitteilte, war er in der
Früh bei Benya als ununterbrochen Anrufe von Ministerkollegen aber
auch von Gewerkschaftsobmännern kamen, die ununterbrochen natürlich
kritisierten über die Pressekonferenz. Ich befürchtete deshalb,
dass damit die gesamte Wirkung, die wir mit dieser ersten Presse-
besprechung mit Benya im Institut erzielten, nicht nur materiell
verlorengeht, sondern dass wir – was noch viel schlimmer wäre –
Benya derartig verstört wird, dass er sich in Zukunft wieder in
das Schneckenhaus zurückzieht, wie das scheinbar im Präsidium
des Gewerkschaftsbundes immer als richtig gefunden wurde. Ich er-
suchte Tommy, dass er auf alle Fälle mit Benya reden sollte, ob es
nicht zielführend ist, dass ich mit Kreisky Besprechungen aufnehme,
damit man die ärgsten Eindrücke wegbringen kann. Falls Tommy mit
dieser Aktion erfolglos gewesen wäre, hätte Koppe mit dem Presse-
referenten des Kreisky, Dr. Mussi, gesprochen und dort deponiert,
dass wenn Kreisky wollte, ich jederzeit als Teilnehmer an der Presse-
konferenz mit ihm Details besprechen könnte. Benya rief mich gegen
Mittag an und meinte, "na, Du hast mich da in was Schönes eineteifelt."
Diese Einleitung war allerdings nur ironisch gemeint, denn er sagte
mir sofort, er stehe auf dem Standpunkt, dass er mit dieser Presse-
konferenz der Partei geholfen hätte und keinesfalls in irgendeiner
Weise die Meinung der Leute teilt, die jetzt immer zu ihm kommen
und ihn beschwören, was denn hier von ihm beabsichtigt sei und
welche Folgen dies haben müsste. Da ich seine Meinung ja hundert-
prozentig deckte, bestärkte ich ihn natürlich in dieser Auf-
fassung. Da er damit einverstanden war, rief ich auch Kreisky
in Strassburg an, um ihn über den wahren Sachverhalt zu informieren.
Kreisky war über die Information sehr dankbar, denn er sagte mir,
ich habe sowieso, als ich die ersten Mitteilungen von Wien bekam,
erklärt, das müsste ich mir erst anschauen, was Benya wirklich gesagt
hat und ich könnte mir nicht vorstellen, dass dies die Absicht von
Benya gewesen ist. Kreisky meinte auch, er mache sich viel weniger


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Sorgen, dass in der Öffentlichkeit jetzt ein Gegensatz zwischen
ihm und Benya konstruiert wird, der in diesem Masse überhaupt nicht
besteht, sondern dass nur innerhalb der Partei jetzt wird heissen,
na also die beginnen zwischen Partei- und Gewerkschaftsbundspitze
wieder einen Krieg. Ich vereinbarte mit Kreisky, dass er unmittelbar
nach seiner Rückkehr aus Strassburg mit mir über dieses Problem
im einzelnen noch wird eine Besprechung abhalten.

Die Ministerratsvorbesprechung war nur von einer einzigen Diskussion,
die von Interesse wäre, überschattet. Weihs hatte, als seinerzeit
vom Katastrophenfonds 8 % für Lawinenverbauung an Strassen abgezweigt
wurde, angenommen, dass er über diese Gelder verfügen kann. Androsch
hat ihm angeblich auch diesbezügliche Zusagen gemacht. Jetzt sagt
Weihs hat er ein Lawinenverbauungsprogramm aufgestellt, wonach in
den Höhen oberhalb der Bundesstrassen eben die Lawinenverbauung durch-
geführt werden soll. Insgesamt möchte er dafür 96 Mill. S ausgeben.
Damit könnten 300 Beschäftigte bezahlt werden, Nun hat Moser ein
Lawinenverbauungsprogramm erarbeitet, wo u.a. die Flexenstrasse
und Strassen in OÖ im Gesamtausmass von 1 Milliarde Schilling ver-
baut werden müssten. Heuer will nun der Bautenminister von Finanz-
minister 58 Mill. S dafür abberufen. Dieses Geld fehlt nun natür-
lich bei Weihs. Moser steht auf dem Standpunkt, die Lawinenverbauung
muss auf den Strassen erfolgen, Weihs steht auf dem Standpunkt, die
Lawinen sind oben im Gebirge zu verbauen, dann braucht man über die
Strassen keinerlei aufwendige Lawinenverbauungen. In Wirklichkeit
geht es aber primär darum, wer kann über das Geld disponieren. Androsch
selbst steht auf dem Standpunkt, ihm persönlich ist es ganz egal, er
kann nur einmal zahlen und die beiden Minister werden jetzt versuchen
Weihs und Moser - eine gemeinsame Lösung zu finden. Der Sozial-
minister hat einen Bericht vorgelegt, wonach die bundesstaatliche
bakteriologische und serologische Untersuchungsanstalt als natio-
nales Zentrum für Luftverunreinigung durch die Weltgesundheitsorgani-
sation anerkannt wird. Weihs wies darauf hin, dass doch ein nationales
Zentrum für Luftreinhaltung gegründet werden sollte und nicht für
Luftverunreinigung. Wir einigten uns daher sehr bald,
dieses nationale Zentrum für die Kontrolle der Luftverunreinigung zu
benennen. Nicht einigen konnte sich Häuser und Weihs über den Wunsch
des letzteren, in diesem nationalen Zentrum mitzuwirken, d.h. dafür
zuständig zu sein, weil auch eine Luftverunreinigung für die Tiere
und Pflanzen von Bedeutung sei. Häuser wies mit Recht darauf hin,


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dass dies doch erst in zweiter Linie kommen könnte. Wenn Weihs
sich unbedingt an dem nationalen Zentrum beteiligen will, dann
müsste er Geld dafür aufbringen und hätte dann etwas mitzureden.

Häuser teilte mir auch nach der Sitzung mit, dass er mit Weissenberg,
dem Präsidenten des Hauptverbandes der Sozialversicherungsträger
gesprochen hätte und unseren Wunsch, durch Information und vor allem
durch entsprechende Koordination unserer Beamten vor Aussendung
eines sozialpolitisch bedeutenden Gesetzes eine Abstimmung zwischen
Handelsressort und Sozialressort herbeizuführen, besprochen hat.
Er selbst ist sehr negativ, da er sich weder von seinen Beamten
noch geschweige denn noch von einem ressortfremden Beamten auch nur
das Geringste dreinreden lassen will. Er ist noch immer der Meinung,
das Handelsressort kann jedwede Stellungnahme abgeben, da man ja
sowieso weiss, dass dies ein Beamter macht und nicht von mir meine
Intention ist. Wenn dies auch nachher im Parlament zur Sprache kommt,
stört ihn dies überhaupt nicht. Ich versuchte ihm auseinanderzusetzen,
dass diese Auffassung für das Image der Regierung sehr schlecht sei.

Die Investitionskredit AG hat ihre zweite Anleihe aufgelegt. Wirlandner
ersuchte mich, ob ich nicht doch zu dieser Pressekonferenz einen
Sprung kommen könnte. Androsch hätte angeblich zugesagt. Androsch
hat mir allerdings vor dieser Investitionskredit-AG-Pressekonferenz
bereits mitgeteilt, dass er auf gar keinen Fall hingeht,
obwohl der Ministerrat nur sehr kurz dauerte, da er bei jeder Anleihe
dann gehen müsste und er natürlich nur für die Anleihen Pressekonfe-
renzen im Hause macht, die ihn selbst betreffen und wo er natürlich
dann auch bei den Bundesanleihen anwesend sind. Ich hatte für diese
Stellungnahme sehr viel über und ging daher ausnahmsweise zu dieser
Pressekonferenz. Veselsky war übrigens auch anwesend. Der Hinweis
von Gen-Dir. Teufenstein, dass die Investitions-Kredit AG jetzt in
den 13 Jahren ihres Bestehens so erfolgreich gewesen ist, den
kann ich eigentlich nicht teilen. Sicher hat die Bank so wie jede
andere Bank hier Gelder zweckmässige verwaltet und die Investitionen
auch sicherlich gefördert. Wenn man sich aber vorstellt, dass diese
neue Bank ausgebaut wurde mit der Idee, die gesamten Investitionen
der Industrie einmal nach objektiven Gesichtspunkten zu überprüfen
und zu finanzieren und insbesondere vielleicht vom Sicherheitsdenken
der Banken zu einem Risikodenken als eben reines Investitionsinstitut
überzugehen, so glaube ich, wurde erst ein ganz ganz kleiner Schritt
in dieser Richtung gemacht. Ich gebe auch zu, dass wahrscheinlich


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die Konstruktion, weil alle Konkurrenzbanken im neuen Aufsichts-
rat der Investkredit vertreten sind und nicht gerne ihr derzeitiges
Geschäft gestört wissen wollen, nicht sehr glücklich ist. Bei der
Pressekonferenz traf ich auch Ockermüller und erklärte ihm, dass
er bezüglich der Perlmooser Zementfabrik keine Sorge haben müsste.
Die Informationen, die Gehart ihm gegeben hat, wonach ich beab-
sichtigte, durch Importe die österr. Zementindustrie in ihrer Aufbau-
phase zu stören, sind vollkommen falsch. Ich habe auch Gehart von
dieser Tatsache informiert und er hat mir versprochen, er wird
mir seine Informanten jetzt, wenn er von Budapest zurückkommt –
mitteilen, wer ihm gesagt hätte, dass Zusagen vom Handelsminister
vorliegen und die tschechischen Exportstellen angeblich bereits dies-
bezüglich Schritte unternehmen wollten, dass billige Zementimporte
nach Österreich kommen könnten. Ich glaube, dass man sofort einer
solchen Aktion entgegentreten muss, d.h. dass nicht jemand in meinem
Namen irgendwo Erklärungen abgeben sollte, von denen ich
nicht nur nichts weiss, sondern die überhaupt nicht meinen Intentionen
entsprechen.

In der Partei hatten Zöllner, Uher und Lachs mit den Pressereferenten
der Ministerien, die bei der Ökonomischen Versammlung Bericht er-
statten wollten, eine Koordinationsaussprache. Fischerlehner, der
diese einberufen hatte, ist natürlich nicht der starke Mann, der
über die Ministerien hinaus eine wirklich koordinierende Tätigkeit
erfüllen könnte. Deshalb wurden die divergierenden Auffassungen
nur konstatiert. Z.B. hat das Landwirtschaftsressort eine ganz be-
stimmte Vorstellung von dem zukünftigen 10-jährigen Investitions-
programm, es will 6,2 Mia. S bereits jetzt grössenordnunsmässig
nennen, ohne dass diese Ziffer mit dem Finanzministerium abgestimmt
wurde. Selbstverständlich wehrt sich daher der Finanzvertreter
Mauhart ganz entschieden gegen eine solche weitgehende Erklärung.

Weitere Schwierigkeiten mit der Löwelstrasse gibt es beim Bürger-
Komitee, welches für die Wahl Jonas' eintreten sollte. Nach Mitteilung
von Heindl versucht z.B. Ing. Dorn, ein junger Mitarbeiter Kreiskys,
der die Leute anruft und sie ganz einfach fragt, ob er sie auf
die Liste Jonas setzen kann. Dorn glaubt, weil er seinerzeit beim
Rundfunk, als er sich sehr ungeschickt benommen hat, entfernt wurde,
dass er jetzt als Märtyrer jede Möglichkeit hat, die Leute so ein-
zusetzen, wie er es für zielführend hält. Die Löwelstrassen-Vertreter
dürften scheinbar überhaupt sehr wenig koordinieren und vor allem
sehr selbstherrlich irgendwelche Aktionen starten.



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Die Diskussion mit den Sektionsleitern im dritten Bezirk
bestärkte mich in meiner Auffassung, dass die Pressekonferenz
sehr zielführend gewesen ist und daß vor allem die objektive Bericht-
erstattung der Arbeiterzeitung mit den Erklärungen Benyas im Fernsehen
vollkommen übereinstimmt, wurde von unseren Funktionären positiv
aufgenommen.

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Tagesprogramm, 26.1.1971

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Tabellen Verteilung Totogelder 1969

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Tagesordnung 38. Ministerratssitzung, 26.1.1971


Tätigkeit: Sekr. JS, ab 1973 GF VKI


Einträge mit Erwähnung:
    GND ID: 121097781


    Einträge mit Erwähnung:
      Tätigkeit: Sozialminister
      GND ID: 118806904


      Einträge mit Erwähnung:
        Tätigkeit: [1971 als junger Mitarbeiter Kreiskys genannt; Ing.; lt. weiterem Text offenbar früher beim Rundfunk; erneut am, 21.7.1971, wieder eine Telefonaktion; ev. ident mit späterem Dorn, B?]


        Einträge mit Erwähnung:
          GND ID: 13892421X


          Einträge mit Erwähnung:
            Tätigkeit: Bautenminister


            Einträge mit Erwähnung:
              GND ID: 125462697


              Einträge mit Erwähnung:
                Tätigkeit: [unklar, beruft 1971 eine Ökonomsiche Versammlung in der Partei ein; es gäbe einen Franz Fischerlehner, aber unsicher, ob er gemeint sein könnte; Name hs. mit Fragezeichen markiert]


                Einträge mit Erwähnung:
                  Tätigkeit: Bundespräsident bis 1974


                  Einträge mit Erwähnung:
                    Tätigkeit: Landwirtschaftsminister bis 1976
                    GND ID: 130620351


                    Einträge mit Erwähnung:
                      Tätigkeit: SChef HM
                      GND ID: 12195126X


                      Einträge mit Erwähnung:
                        Tätigkeit: 1970-1973 Büro Staribacher, SPÖ-NR-Abg., stv. Vors. SPÖ-Landstraße
                        GND ID: 102318379X


                        Einträge mit Erwähnung:
                          Tätigkeit: ÖGB-Präs., NR-Präs.
                          GND ID: 119083906


                          Einträge mit Erwähnung:
                            Tätigkeit: AR-Vors. Austria Tabak


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                                GND ID: 138375976


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                                  Tätigkeit: Bundeskanzler
                                  GND ID: 118566512


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                                    Tätigkeit: Vizekanzler, Sozialminister


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                                      Tätigkeit: AK


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                                        Tätigkeit: Finanzminister
                                        GND ID: 118503049


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                                            Tätigkeit: Staatssekr. a.D., Vorstandsvors. Perlmooser Zementwerke AG


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                                              GND ID: 12254711X


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