Dienstag, 23. Feber 1971
Die Fachgruppe Tankstellen und Garagen hatte mit den Mineralöl-
gesellschaften einen Verhandlungstermin, um das Problem der Pro-
visionen in Angriff zu nehmen und womöglich zu lösen. Der Vorsteher
Uthe und eine Delegation kam deshalb zu mir, um sich zu versichern,
dass ich sie unterstützen würde. Scheinbar haben sie bis jetzt von
niemand anderem eine wirkliche Unterstützung gehabt, denn sie erklärten
mir sofort, dass sie grosse Hoffnung auf das Handelsministerium
setzen. Nachdem ich nach ihrer letzten Aussprache bei mir sofort mit
Gen.Direktor Bauer und für die internationalen Mineralölgesellschaften
Dr. Mieling gesprochen hatte, waren sie von diesen überhaupt erst zu
Besprechungen eingeladen worden. Dies betrachteten sie als einen
grossen Erfolg, der ausschliesslich auf meine Intervention zurückzu-
führen sei. Ich erklärte der Delegation, so wie ich das auch den
Mineralölgesellschaften mitgeteilt hatte, sie sollten nicht versuchen,
auf Kosten oder zu lasten dritter, in dem Fall der Konsumenten, irgend-
eine Vereinbarung zu schliessen. Wann und ob und in welcher Höhe ge-
gebenenfalls die Vergaserkraftstoffe erhöht werden, steht noch nicht
fest. Das Ziel ihrer Verhandlungen müsste deshalb sein, ein länger-
fristiges Übereinkommen mit den Mineralölgesellschaften zu erzielen.
Die Absicht der Mineralölgesellschaften, ein Drittel aus dem Ver-
gaserkraftstofferlös, ein Drittel aus der Serviceleistung und ein
Drittel der Einnahmen aus dem Verkauf von Waren jeglicher Art zu er-
lösen, wie dies heute in Amerika bei den Tankstellen der Fall ist.
halte ich für sehr zielführend. Wenn auch der Vergaserkraftstoff, ob
Benzin oder Dieselöl, nicht als sozial kalkulierter Preis, wie sie
glaubten, zu rechnen ist, so wird doch immer auf diesem Sektor eine
sehr strenge Kalkulation massgebend sein.
Im Ministerrat berichtete ich ausserhalb der Tagesordnung in einem
mündlichen Bericht über die Interimsverhandlungen in Brüssel. Ich
mache dies immer sehr kursorisch, weil es erstens die andere ja
doch nicht sehr interessiert und zweitens, weil ich nicht besonders
interessiert bin daran, eine Diskussion zu entfachen. Diesmal aber
griff Kreisky das Problem auf und meinte, man müsste doch versuchen
so schnell wie möglich in der Interimslösung einen Abschluss mit
Brüssel zu erzielen. Kirchschläger teilte allerdings meine Meinung,
dass es nicht sehr zielführend gewesen wäre, jetzt vielleicht das
Mandat auszunützen, das die Kommission gehabt hat und gar abzuschliessen
04-0237
ohne dass für die Landwirtschaft und für Papier und Stahl doch versucht
wurde, ein besseres Ergebnis zu erzielen. Kreisky meinte allerdings,
dass Lipkowski, der französische Staatssekretär, bei seiner Anwesenheit
in Wien, es war die Gemischte österreichisch-französische Kommission
tätig, ihn wissen hat lassen, dass für das Interimsabkommen
eine schnelle Lösung anzustreben sei, denn hier würde Frankreich uns
sehr unterstützen, Die Meinung der Kommission ist aber, dass zuerst
die Grundzüge des Globalabkommens glatt zu erkennen sein müssen,
erst dann würde die einem Interimsabkommen ihre Zustimmung geben.
Hauptsprecher für diese Auffassung ist der niederländische Aussen-
minister Luns. Kreisky meint nun, dass Luns in den nächsten Wochen
als Generalsekretär der NATO ausscheiden wird und dann sei der Zeit-
punkt gekommen, wo man auf diplomatischem Wege bei den einzelnen
Regierungen intervenieren sollte. Frankreich müsste zuerst nach
her Italien, Belgien, Niederlande, Luxemburg und zuletzt die BRD
ersucht werde, das Interimsabkommen schnell vorwärtszutreiben. Ich
glaube kaum, dass uns dieser Politikzeitplan wesentlich viel helfen
wird und habe sogar mit Kirchschläger gewettet. Kirchschläger meint,
dass wir im September bereits mit dem Interimsabkommen grünes Licht
haben werden. d.h. dass wir spätestens bis Jahresende abgeschlossen
haben könne. Ich selbst glaube, dass frühestens mit Jahresende konkrete
und endgültige Verhandlungen beginnen werden. Die Wette lautet sogar,
dass bis November ein Abschluss bereits getätigt ist. Wir wetteten
um einen Liter Milch, als Kreisky dann davon erfuhr, ihn dazu veran-
lasste, Staribacher hat sich hier wieder sehr verausgabt, da ja bereits
wieder eine Milchpreiserhöhung bis zu diesem Zeitpunkt sicherlich zu
erwarten ist. Ich erklärte dagegen, dass ich um Wein nicht wette,
da ich den überhaupt nicht trinke. Kreisky regte dann auch noch an,
dass wenn es zu harten Auseinandersetzungen wegen Papier und Stahl
kommen sollte, könnte man gegebenenfalls mit Kontingenten versuchen,
über die Schwierigkeiten hinwegzukommen. Ähnlich wäre dann die Rege-
lung für diese beiden Ausnahmen, die die EWG will wie bei der zu
erwartenden Kontingentfestlegung für Rinder und Molkereiprodukte.
Kreisky berichtete dann über die gescheiterten Verhandlungen mit den
Parteien über die Herabsetzung der Wehrdienstzeit von 9 auf 6 Monate.
Einleitend stellte er fest, dass sich die Bundesregierung ganz ent-
schieden gegen die Interventionsversuche von Schmidt in dieser Frage
ausspricht. Es dürfte sich hier allerdings nicht nur um eine Sonder-
aktion von Schmidt allein handeln, denn auch Leber soll unserem Bot-
schafter bei einem Gespräch unter vier Augen auf dieses Problem hin
angesprochen haben. Die Verbindungen zwischen der Dominikanerbastei
04-0238
und Bonn sind nach Auffassung Kreiskys sowieso derzeit als zu
eng zu betrachten. Auch hier wird Lütgendorf sicherlich neue Wege
gehen. Bei der Tschechenkrise hat ja bereits der deutsche General-
stab vermutet, dass die SU über Österreich auch Jugoslawien angreifen
würde. Ein Planspiel, was sich als Gott sei Dank vollkommen unbegründet
und falsch erwiesen hat. Kreisky hofft, dass die Bonner Regierung
sich wegen der Entgleisung Schmidt entschuldigen wird. Ich bin neu-
gierig, was hier die sogenannten gutnachbarlichen Beziehungen oder
wenn man in diesem Fall sogar will, die parteipolitischen Verbindungen
zwischen Kreisky und Brandt wert sind. Am Abend bei einer Besprechung
im Bezirk wies Günther Sallaberger, ein Genosse der SJ der in den
vergangenen Jahren viel in Deutschland gewesen ist, daraufhin,
dass er glaubt, Schmidt wird so angefochten in Deutschland, dass
er wahrscheinlich sein Mandat verlieren wird. Wenn dies der Fall sein
sollte, müsste dies JUSOS schon sehr starken Einfluss auch in Bonn
haben. In diesem Fall könnte Brandt, wenn er will, mit einer Zangen-
bewegung die JUSOS, die Schmidt weghaben wollen, die die Regierung,
die erklärt, so kann man gegen einen befreundeten Staat nicht vor-
gehen, Schmidt zu einer Erklärung zumindestens zu einer Zustimmung
für eine Erklärung der Bundesregierung in Bonn gewinnen. Wir werden
ja sehen. Lütgendorf wird für die nächste Ministerratssitzung eine
Regierungsvorlage ausarbeiten, wo die Herabsetzung der neuen Wehr-
dienstzeit auf sechs Monate vorgeschlagen wird. Über die Wieder-
holungskurse wird nichts gesagt, um der FPÖ Möglichkeit im Parlament
zu geben, mit uns zu stimmen. Eine automatische Herabsetzung von den
derzeitigen 124 Tagen ergibt sich schon daraus, dass das Alter, das
derzeit 51 Jahre beträgt auf maximal 35 Jahre festgelegt wird.
Dadurch ergäbe sich auf Grund der Rechtslage eine Herabsetzung der
124 Tage auf 16 Jahre mal 4 Tage ist gleich maximal 64 Tage.
In einem Motivenbericht wird aber Lütgendorf nur nicht dieses
hauptsächlichste aber doch immerhin nur Einzelproblem erörtern, sondern
auch die Struktur der Armee, die Umrüstung mit anderen Worten die
gesamte neue Wehrpolitik skizzieren. Dadurch hat er Gelegenheit,
seine seinerzeitigen Ideen, die die ÖVP jetzt immer wieder herausstreicht,
zu modifizieren. wobei er insbesondere als Politiker eben die Prioritä-
ten festlegt. Als reiner Militär, wie Kreisky sich in der Vorbe-
sprechung ausgedrückt hat, konnte er natürlich andere Forderungen
aufstellen und Kreisky verglich mit Recht der Verhältnis zwischen
seiner bisherigen Position und der jetzigen, mit einem Gewerkschafter
der auch zuerst als reiner Gewerkschafter sehr viel verlangt, und
04-0239
auch verlangen kann, aber dann in den Verhandlungen halt doch irgend-
wie nachgehen müsste, um zu einem Kompromiss zu kommen.. In dieser
Hinsicht muss man Kreisky bewundern, wie er hier versucht. Lütgendorf
offiziell auch im Ministerrat und bei jeder Gelegenheit zu helfen,
um aus seiner Dilemma herauszukommen. Ob Lütgendorf eine solche Hilfe
will und braucht, wird sich allerdings erst in Zukunft erweisen.
Broda wurde von der NDP sehr hart angegriffen. In einem Plakat wird
dargestellt, dass er zuschaut, wie in Österreich Mord, Sex und
und Rauschgift um sich greift. Broda wird nun, wenn die Staatsan-
waltschaft ihn fragt, die Zustimmung auf Strafverfolgung geben.
Kreisky begrüsst eine solche Politik, da er glaubt, man könnte
bei diesen Leuten nicht mit unseren Ehrbegriffen rechnen, Die
Mentalität dieser verkappten Nazis ist eine andere als die unsere
und deshalb müsste man mit Härte gegen sie vorgehen. Jedwede Strafe,
die sie insbesondere wegen Beleidigung in Form einer Geldstrafe
sich ausdrückt, ist für sie ein finanzieller Nachteil, der sich be-
merkbar macht. Ich weiss nicht, ob er in diesem Punkt recht hat.
Aber ich war persönlich noch nicht in so einer Situation wie Kreisky
und jetzt Broda.
In der anschliessenden Besprechung über das grosse Kompetenzgesetz
wurde insbesondere der Landwirtschaftsminister in der Abgabe seiner
Kompetenzen hart bedrängt. Das Landwirtschaftsministerium war bis
jetzt als einziges Ministerium vertikal organisiert, d.h. er hat
alle Kompetenzen, die irgendwie die Landwirtschaft berühren, in seinem
Haus wirklich selbst gehabt. Z.B. war das landwirtschaftliche Schul-
wesen eben von ihm organisiert. Nun soll eine Organisatorische Umän-
derung dahingehend getroffen werden, dass Schulfragen im Unter-
richtsministerium konzentriert werden. Ebenso sollen Aussenhandels-
fragen im Aussenhandel, d.h. bei uns im Handelsministerium konzen-
triert werden. Dadurch muss er Kompetenzen abgeben, man konnte sich
mit Weihs über alle Fragen einigen, nur bei den Aussenhandelsumfang
meint Kreisky unterstützt von Häuser, dass Weihs noch viele Produkte
an das Handelsministerium abgeben muss. Häuser will ausserdem, da ihn
die Ärzte bedrängen, dass die Veterinärfragen bei ihm im Sozial-
ministerium im Sinne des Humanprogrammes ressortieren müssten. Erst-
mal kam hier auch von Kreisky klar und deutlich zum Ausdruck, dass
er doch, wenn eine Koalition kommen sollte, daran denkt, insbesondere
das Landwirtschaftsministerium natürlich abgeben zu müssen. Dies sei
letzten Endes auch mit ein Grund warum hier die derzeit starke Über-
macht des LWM einer organisatorisch richtigen Auflösung unterzogen
04-0240
werden müsste. Persönlich tut mir Ossi wirklich leid, denn ich kann
mir vorstellen, wie es ihm in seinem Ministerium ergeht. Nur abgeben
müssen, ohne auch nur ein Stück dazuzubekommen, ist eine sehr sehr
harte Sache. Im Handelsressort hatte ich mich im Prinzip ja bereits
mit Kirchschläger, der die Integration bekommen sollte, geeinigt.
Interessanterweise haben nur die anderen Minister eine Art Meist-
begünstigung verlangt. Da Kirchschläger bereit war, dem Handelsmini-
sterium eine besondere Vormachtstellung zu geben, haben nun auch
alle anderen Ressorts die internationale Verbindung pflegen – und das
sind fast alle – ebenfalls eine Sonderstellung verlangt. Wir werden
uns – wenn die endgültigen Formulierungen dann bei den Ministerien
in Begutachtung sein werden, noch sehr hart tun. Ich muss schauen,
dass ich Kirchschläger deshalb auf alle Fälle als einen Verbündeten
auf meiner Seite behalte. Ansonsten sehe ich keine Möglichkeit,
das Kompetenzgesetz einigermassen über die Bühne zu bringen. Wenn man
nun bedenkt, dass dieses Gesetz wahrscheinlich kaum Chance hat, im
Parlament durchzugehen, dann frage ich mich, wozu wir so viele
Sitzungen und so viele Kraftanstrengungen dafür aufgewendet haben.
Waldbrunner selbst hat unmittelbar nach der Regierungsbildung
einmal zu mir gemeint, wir sollten doch mit allen diesen Fragen sowie
mit jedweden Gesetzesvorschlägen sehr vorsichtig vorgehen, weil wir
doch damit rechnen müssen, dass wir im Parlament kaum eine Chance
haben, mit revolutionären Ideen durchzudringen. Wenn es eine Materie
gibt, wo er, glaube ich, recht hat, so ist dies bei diesem grossen
Kompetenzgesetz. Wenn ich bedenke, was wir in den Ministerien
wahrscheinlich für eine Unruhe bei den Beamten ausgelöst haben,
so fragte man sich, ob dies im Verhältnis, dass die Regierung damit
beweist, dass sie eine organisatorisch richtige Lösung anstrebt,
sich ausgezahlt hat. Auf alle Fälle habe ich das Gefühl, sind alle
Minister über diese Verhandlungsrunden sehr ermüdet und wollen dieses
Problem, wenn es irgendwie geht so bald wie möglich vom Tisch
haben.
Bei der Kremation für Stadtrat a.D. Thaller musste ich für die
Partei die Trauerrede halten. Slavik sprach für die Gemeinde Wien
als Bürgermeister. Ich hatte vorher bereits Kreisky und auch
Waldbrunner gefragt, ob nicht doch lieber sie die Ansprache halten
möchten. Kreisky kennt Thaller viel länger als ich, er meinte aber,
es wäre zielführender, dass ich als Bezirksobmann dies machen möchte.
Waldbrunner selbst meinte, es wäre ihm sehr sehr schwer gefallen,
04-0241
diese traurige Pflicht zu erfüllen. Ich habe für beide Argumente
vollstes Verständnis, glaube aber, dass es dennoch für die Frau
nicht richtig war, dass ich diese Ansprache gehalten habe, die,
nebenbei bemerkt, eine meiner schlechtesten war.
In der ÖGB-Fraktion berichtete Kreisky über die Regierungsarbeit und
ich hörte deshalb zum halbdutzendsten Male dieselbe Probleme. Es
muss für Kreisky furchtbar ermüdend sein, wenn er in so vielen
Gremien immer wieder über die Probleme sprechen muss. Es wäre des
Schweisses der Edelsten wert, hier eine bessere Lösung zu finden.
Ich weiss allerdings keine. Anschliessend an die Fraktion hatte ich
mit Hofstetter und Tommy Lachs eine Aussprache, wie wir zielführend
die Probleme der Regierung unseren Funktionären am besten mitteilen
könnten. An Hand der Überstunden-Steuerbelastung und der Mehrwert-
steuer-Problematik diskutierten wird- den zielführendsten Weg.
Tommy Lachs wird im Rednerdienst des Gewerkschaftsbundes jetzt eine
Arbeit über die Mehrwertsteuer erscheinen lassen. Er hat sie Bundy
vom Finanzministerium noch einmal zur Überarbeitung geschickt. Ich
glaube, dass er hier wirklich als Interpret dieser schweren Materie
sich einen Verdienst für die Aufklärung unserer Funktionäre erworben
hat. Er versteht es trotz allen Konkurrenzneides der AK-Leute, diese
Probleme vereinfacht darzustellen. Die Ministerien aber auch die AK-Leute
sind hier viel zu bürokratisch und viel zu ins Detail gehend.
Da wir Veselsky mitteilte, dass sich jetzt die Edelstahlindustrie
für Treibach interessiert, nützte ich die Gelegenheit, bei Anwesen-
heit der Spitzenfunktionäre der Metallarbeiter, um mit Benya deren
Auffassung zu erfahren. Benya reagierte genauso wie ich indem er
erklärte, AMAX würde Geld zur Verfügung stellen und das Werk entsprechend
ausbauen, was bei der Edelstahlindustrie, auch wenn sich Böhler be-
teiligt, kaum zu erwarten ist. Dies veranlasste Wille zur Behaup-
tung, dass Benya jetzt schon so weit sei, wie ich seit Jahrzehnten,
nämlich dass die Edelstahlindustrie oder die verstaatlichte Industrie
keine Präferenzen mehr erwarten könnte. Ich erörterte ihm sowie
allen anwesenden Metallarbeitern, dass ich gar nichts gegen die ver-
staatlichte Industrie habe, aber dass in einem kapitalistischen Staat
eben kapitalistische Methoden herrschen. Karl Marx, sagte ich, hat
in einem Punkt auf alle Fälle recht gehabt, die Konzentration des
Kapitals schreitet weiter fort. die österr. Kapitalisten werden eben
04-0242
von den deutschen und die deutschen Kapitalisten von den amerikani-
schen Kapitalisten aufgesogen. Vielleicht werden wir sogar noch
erleben, dass die Amerikaner dann von den Asiaten z.B. den Japan-
Unternehmungen zuerst durchsetzt und letzten Endes dann auch ge-
schluckt werden.
Bundesrat standen Novellen des UWG und die Herkunftsbezeichnungen
von Griechenland im Wirtschaftsausschuss zur Diskussion. Er hat
sich überhaupt niemand zu Wort gemeldet und die Verhandlung ging
glatt über die Bühne. Da kein anderer Minister erschienen war, blieb
ich auch nicht die anderen Tagesordnungspunkte. Zu meiner grössten
Verwunderung wurde bei dem Schiffahrtspolizeigesetzen von einem
ÖVP-Bundesrat, der gleichzeitig Gendarm ist, sehr detaillierte Fragen
an mich gerichtet. Da aber die Beamten des Verkehrsministeriums an-
wesend waren, konnte ich natürlich diese Fragen, nachdem ich ein
Stichwort bekommen habe, entsprechend beantworten.
In der Sektionsleiterbesprechung haben wir erstmalig eine Verhandlungs-
vorbereitung durchdiskutiert. Es soll am nächsten Tag im Bundeskanz-
leramt das Forderungsprogramm der Bundesländer über die Kompetenzabtre-
tung diskutiert werden. Die entsprechenden Vorschläge der einzelnen
Sektionen wurden nun in der Sektionsleiterbesprechung diskutiert.
Ausser Jagoda beteiligten sich die anderen nur sehr sporadisch.
Ich habe fast den Eindruck, dass man vor Übernahme der Amtsgeschäfte
durch uns sich verbündet hat, indem man erklärte, wir können zwar
nichts dagegen unternehmen, aber mitarbeiten wollen wir auch nicht.
Erst langsam brechen wir diese Front auf. Wanke teilt diese Meinung
nicht. sondern glaubt nur, dass sie aufeinander wie Hund und
Katze sind und schon deshalb nicht an Diskussionen sich beteiligen,
die sie nicht unmittelbar betreffen. Beweis für diese Theorie
könnte ja wirklich sein, dass sie jetzt in der Kooperationsfrage
wieder keinen Akkord zwischen der ersten und dritten Sektion her-
gestellt haben. Zum Grundsatz hatten wir uns an einem Samstag
mit Reiterer und Römer über dieses Problem geeinigt und nun ist
wieder über die Detailfrage eine verschiedene Meinung zutage-
getreten. Prinzip der Bürokratie dürfte sein, unter allen
Umständen die Kompetenz zu kriegen und sie dann still und leise zu
bearbeiten, ohne mit den anderen Kontakt zu halten oder sie zu
informieren.
Bei der Österreichischen Fremdenverkehrswerbung fand ein Hausball
statt. Ich bin zwar erst um 9 Uhr erschienen, wurde dort aber sehr
freudig mit Heindl begrüsst. Ich muss sagen, die gesellige Art von
Langer-Hansel mit seinen Leuten zu feiern, hat mich beeindruckt.
Er versicherte mir, dass ein Minister an dieser Veranstaltung noch
niemals teilgenommen hat.
Tagesprogramm, 23.2.1971
Tagesordnung 42. Ministerratssitzung, 23.2.1971