Montag, 1. März 1971
Ein Gespräch mit Direktor Löw von der Gaskoks und ein Telefonat
mit Direktor Mattes von der VÖEST bereinigten das Problem der
Koksversorgung mit Hüttenkoks aus Linz für die Wiener Kohlen-
händler. Komm.Rat Steidl hatte sich als Sprecher und gleichzei-
tiger Obmann des Grosshandels beschwerte, dass die VÖEST jetzt
Hüttenkoks nicht mehr ausliefert sondern grösstenteils lagert.
Diese Behauptung wurde als falsch bezeichnet und auch von Löw
angeblich dann Steidl vorgehalten, der sie dann auch entsprechend
abschwächte. Ein Hinweis, dass wir die Gaskoks vor etlichen Wochen
als sie den Koks nicht absetzen konnte durch indirekte Propaganda
geholten haben, führte dazu, dass Löw am Abend dann sogar Koppe
ersuchte, zu ihm ins Büro zu kommen und die offenen Fragen noch
mit ihm zu besprechen. Er selbst war über die Angriffe, wie mir
Koppe am Abend dann mitteilte, als ich ebenfalls zu dieser Bespre-
chung erschien, sehr erschüttert, weil er ein enges Einvernehmen
mit uns immer halten will. Es zeigt sich, dass es oft zielführender
ist, entsprechend auch unsere Genossen und Firmen anzugreifen, nicht
in der Öffentlichkeit aber intern, um dann wirklich zweckmässige Lö-
sungen durchzusetzen. Die Gaskoks Vertriebs AG wird also in Hinkunft
im März alle Anforderungen, die von Kohlenhändlern an sie gestellt wer-
den, insbesondere wenn Interventionen des Ministerium erfolgen, versu-
chen zu erfüllen.
Im Unterausschuss über die Kraftfahrgesetznovelle kam das erste Mal
Luczensky von der Arbeiterkammer dazu. Ich glaube, er war über die
schleppende Vorgangsweise bei dieser Diskussion genauso erschüttert,
wie ich es gewesen bin. Der Vorsitzende NR Dr. Fiedler lässt ja
die Diskussion immer in voller Breite zu, SPÖ-NR Hobl zweifelsohne
ein Fachmann für dieses Gebiet, er war ja lange Zeit Prüfer bei der
Führerscheinkommission, diskutiert alle Probleme äusserst inten-
siv und bis ins letzte Detail. So wurden z.B. Überlegungen angestellt,
was geschehen wird, wenn jetzt bei der Führerscheinprüfung auch
ein Nachweis erbracht werden muss über eine Unterweisung in Erster
Hilfe. Vertreter des Justizministerium wurden geladen, um eventuelle
strafrechtliche oder zivilrechtliche Folgen dem Ausschuss zu erklären
denn es wären nach Auffassung Hobls, da diese Leute dann entsprechend
besser geschult seien als bisher und sich eventuell wenn dann eine
Fahrerflucht stattfindet, sie noch mit grösseren Straffolgen zu
rechnen haben. Der Ärztekammervertreter wurde gefragt, ob er in
zehn Jahren, wenn ein Mann diese Unterweisung dann nicht mehr weiss,
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sich nicht mehr erinnern kann, ob dies ausreicht und dann noch
irgendwelche Folgen vielleicht wirksam werden könnten, usw. Dazu
dann noch Min.Rat Steinhart, der nach jeder Grundsatzdebatte,
wenn er dann irgendwelche gesetzliche Formulierungen machen soll,
vom Ausschuss dann ganz ins Detail gehende Weisungen erwartet.
Ich erklärte ihm im Nachhinein und während der Sitzung schon, ohne
dass die anderen es hörten, er sollte doch mehr selbstständige Ent-
würfe ganz einfach ausarbeiten, denn der Unterausschuss hat sich
doch in den seltensten Fällen bis ins letzte Detail festgelegt.
Aber natürlich zieht sich diese ganze Frage wie ein Strudelteig.
Da wir eine Statistik vorlegen konnten, aus der ersichtlich war,
dass hunderttausende Kraftfahrzeuge auf Grund des Gesetzesauftrages
zu prüfen wären, aber tatsächlich nicht geprüft werden, schlug ich eine
Änderung dieses jetzigen Systems vor. Der Unterausschuss stimmte mir
nach eingehender Debatte zu, dass wir jetzt eine Änderung dahin-
gehend vorschlagen sollten, dass nicht mehr die Vereine allein mit
den staatlichen Prüfungsanstalten diese Pflichtprüfung, die jährlich
erfolgen soll, nur bei neuen Autos muss sie erst nach dem dritten
Jahr das erste Mal erfolgen, sondern auch autorisierte Werkstätten,
wie das in England der Fall ist, dafür herangezogen werden können.
Ich schlug ausserdem vor, dass es nicht zielführend ist, hier
durch kompliziertes Vorladen und entsprechendes Überprüfen der Vor-
ladungen und der Akte die Leute festzustellen, die zur Prüfung kom-
men müssen, sondern durch Ersichtlichmachen an der Windschutzscheibe
mit einem kleinen Pickerl jährlich festgestellt wird, wer zu einer
Prüfung kommen muss. Die Kontrolle würde dann durch die Strassenauf-
sichtsorgane erfolgen. Da die Vertreter der Verbindungsstelle der
Bundesländer aus Verwaltungsvereinfachungsgründen dieser Regelung
im Prinzip auch zustimmten, hoffe ich, dass es mir gelingen wird,
sie wirklich durchzusetzen. Steinhart hat bei einer Vorbesprechung
mir allerdings schon wissen lassen, dass dies unmöglich sei und
man vor allem, wenn der Ausschuss so etwas beschlossen würde, er
dann wochenlange Zeit braucht, um mit den einzelnen Stellen die Detail:
zu besprechen. Der jetzige Zustand, dass hunderttausende Kraftfahr-
zeuge nicht überprüft werden können und damit ein Gesetzesauftrag
nicht erfüllt wird, stört ihn weniger, weil der Norm-Adressat – wie
er sich ausdrückt – die Behörde ist und die halt aus budgetären
Gründen nicht so viel Prüfanstalten zur Verfügung stellen kann.
Rechtlich ist seiner Meinung nach alles in bester Ordnung und des-
halb sollte man auch an diesem Zustand nichts ändern. Die Ministerial-
räte Metzner, Storek und auch Haselberger sind ganz anderer Meinung.
Sie glauben nämlich – so wie ich – dass dies unbedingt geändert
gehört. Wir werden sehen, wieviele Schwierigkeiten rechtlicher Art
Steinhart noch finden wird, sicherlich nicht in böser Absicht, um
das Vorhaben doch noch vielleicht zum Scheitern zu bringen.
Die Zentrale SPÖ – Frauenorganisation hat einen Kurs von Funktionä-
rinnen Spitzenfunktionärinnen nach Neuwaldegg einberufen. Von vier
Ministern, die am ersten Tag erscheinen sollten, war ich der einzige,
der auch wirklich gekommen ist. Nur Firnberg kam als Obmännin der
sozialistischen Frauen, sowohl Gratz, Weihs und Rösch waren durch
parlamentarische Arbeit oder sonstige Umstände, Weihs war angeblich
nicht verständigt worden, nicht erschienen. Ich muss allerdings sagen,
dass es ganz sinnlos gewesen wäre, am Nachmittag z.B. Weihs, Rösch
und mich gleichzeitig zu diesem Funktionärinnen-Kurs zu bestellen.
Die Fragen, die dort auftauchten: Funktionärinnen fragen – Minister
antworten, war das Thema, konnte ich wirklich allein befriedigt
beantworten. Zeitökonomie wird hier nur sehr sehr wenig beachtet.
Eine wirklich interessante Diskussion ergab sich unter den Teil-
nehmern und teilweise mit mir über die Frage der Politikerbesteuerung.
Da die Abgeordnete Herta Winkler als Teilnehmerin sich auch in diese
Anfrage einmischte, entwickelte sich eine sehr interessante Dis-
kussion. Während ich mit dem Wiener Schmäh: Ihr braucht keine Kollek-
te jetzt für die notleidenden Abgeordneten veranstalten, meine
Meinung zum Ausdruck brachte, dass schon jetzt entsprechende Leistun-
gen der Abgeordneten an Parteisteuern usw. erbracht werden, psycho-
logisch aber sicher dieses Problem irgendwann einmal gelöst werden
muss und dafür die Klubs zuständig wären, versuchte Winkler durch
Nachweis, was sie nicht alles finanziell leisten muss, die Mitglieder
davon zu überzeugen, dass es hier eine noch aufklärungsbedürftige
Öffentlichkeit gibt. Die dortige Funktionärinnen, insbesondere von
den Gewerkschaften, die sind ja bei dem Kurs sehr stark vertreten,
meinten aber, dass in Wirklichkeit dieses Problem in den Betrieben
viel mehr diskutiert wird als wir vermuten. Es kommt auch gar nicht
so sehr auf die Höhe der Bezüge der Abgeordneten an als dass eben
die Arbeiter auch wollen, dass alle gleichmässig behandelt werden.
Die Propaganda von Kreisky und der Partei, die hier immer erklärt
hat, die Privilegien werden fallen, ist halt jetzt nicht nur in
den Funktionärsschichten, sondern auch in der Bevölkerung gut ange-
kommen und dort gut verankert.
Vor der Ministerratsvorbesprechung konnte ich noch mit Koppe
über das vorgelegte Lebensmittelgesetz kurz sprechen. Koppe hatte
sich den Entwurf, den wir erst mittags erhalten haben, flüchtig an-
gesehen. Insbesondere war ihm aufgefallen, dass das Handelsministerium
kein wie immer geartetes Mitspracherecht mehr hat. Alles macht das
Sozialministerium allein und wo er nicht auskann, hat er höchstens
bei der Einfuhr mit dem Finanzministerium bei Verordnungen das Ein-
vernehmen und so weit es sich nicht umgehen liess, auch das Landwirt-
schaftsministerium ein gewisses Mitwirkungsrecht eingeräumt. Nur
das Handelsministerium scheint bei einem einzigen Punkt, wo nämlich
ein Vertreter in der Kodex-Kommission zu entsenden ist. Da es sich
hier um einen Gesetzentwurf handelt, der als Reaktion auf den ÖVP-
Initiativantrag des Dozenten Barfuß ausgearbeitet wurde, habe ich
nicht die Absicht mich dagegen zu wehren. Wenn die Handelskammer zuerst
durch Wochen hindurch mit dem Sozialministerium nicht zuletzt durch
meine Intervention verhandelt, dann kann nicht straflos die ÖVP her-
gehen und einen Initiativantrag auf mit Zustimmung der Handelskammer
– denn Mussil hat davon gewusst und hat letzten Endes auch zugestimmt –
einen Entwurf vorlegen, der alle Verhandlungen, die bis jetzt geführt
wurden, ad absurdum führte. Durch die Diskussion, die monatelang ge-
führt wurde, vor allem aber durch die sachlich verhältnismässig ge-
schickten Entwurf des Doz. Barfuß, nicht zuletzt aber vor allem durch
die intensiven Informationen des Sozialministeriums durch Koppe wurde
in den neuen Entwurf, ohne dass mit ihm eigentlich konkret Fühlung
aufgenommen wurde, die ärgsten Fehler, die in dem ersten Entwurf drin-
nen wären, verhindert. Ich erklärte in der Sitzung Häuser meine Ent-
täuschung, dass er nicht Koppe mehr herangezogen hat. Er selbst
sagte, er hätte doch die Information, dass Reichard mit Koppe über
dieses Problem eingehend gesprochen hat. Der Auftrag, den er schein-
bar seinen Beamten gegeben hat, war unter allen Umständen bis heute
einen Entwurf vorzulegen. auch die Staatssekretärin Wondrack, die
bei der Besprechung, die ich mit Koppe hatte, zufällig vorbeikam,
erzählte, dass sie gar nicht weiss, wie und wer diesen Entwurf aus-
gearbeitet hat. Sie selbst wurde vollkommen ausgeschaltete, da –
wie sie sich ausdrückte – Häuser auf dem Standpunkt steht, sie hätte
in dieser Frage versagt. Da in dem Entwurf – entgegen der seiner-
zeitigen Vereinbarung – auch die Täuschungsabsichten für Nicht-Lebens-
mittel vom Sozialministerium geregelt werden sollte, erklärte ich
Häuser, dass ich dem unter gar keinen Umständen zustimmen könnte.
Er hat deshalb für Kosmetika und für Gebrauchsgegenstände die Täuschungs-
bestimmung herausgenommen. Dadurch bleibt nur mehr für diese Artikel
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die Gesundheitsschädlichkeit beim Sozialministerium, alles andere
kommt selbstverständlich wie das jetzt der Fall ist zu mir auf Grund
des Unlauteren Wettbewerbsgesetzes. Kreisky berichtete, dass die Kon-
sumgenossenschaften einen Brief an die Minister und auch an ihn
gerichtet hatten, wo sie unverzüglich die Verabschiedung einer Genossen-
schaftsnovelle durch den Ministerrat erwarten. Broda informierte den
Ministerrat über die Vorbesprechung, die Androsch, Weihs, Broda und ich
geführt haben und teilte mit, dass wir übereingekommen waren, die Genos-
senschaftsfraktion zu einer Besprechung zu laden. Er hätte unverzüglich
mit Schmidt über dieses Problem gesprochen, der erklärte ihm allerdings,
dass er jetzt 14 Tage wegfährt. Broda wird nun versuchen, einen fraktio-
nelle Besprechung zwischen uns vier Ministern und den Genossen der
Konsumgenossenschaftsbewegung herbeizuführen. Kreisky teilte mit,
dass Galbraith am 1. April zu den Experten der soz. Programme sprechen
wird und aus einer Bemerkung konnte ich entnehmen, dass Czernetz mit
diesem Referenten gar nicht einverstanden ist. Über die Kassettenpro-
duktion, d.h. die Filmwiedergabe von Kassetten über Fernsehapparate
soll nach Meinung Kreiskys in Österreich begonnen werden, zu diesem
Zweck will er mit dem Finanzministerium, Unterrichtsministerium, Wis-
senschaftsministerium und er selbst eine Besprechung über wissenschaft-
liche Filme abhalten. Gratz teilte mit, dass seine Anfragebeantwortung
was die Regierung bis jetzt vom Regierungsprogramm erfüllt hat, bereits
fertig ist und er nun wissen will, wie die Absprache bei Bundeskanzler
in dieser Frage erfolgen soll. Gegenüber der bisherigen Meinung hat
sich allerdings jetzt die Situation geändert. Es wird nicht mehr zwischen
den einzelnen Ministern bei Bundeskanzler abgesprochen, wie die Beant-
wortung aussehen soll, sondern ein jeder kann so umfangreich wie mög-
lich beantworten und der Klub wird dann in Abständen von zwei Tagen
die Antworten jedes einzelnen Minister-s verlautbaren. Dadurch soll
durch ein ganzes Monat hin, die Öffentlichkeit mit Informationen aus
den Ministerien versorgt werden. Kein Feuerschlag auf einmal, wie ur-
sprünglich beabsichtigt, sondern ein monatelange Trommelfeuer. Lütgen-
dorf teilte mit, dass die Handelskammer von ihm die Befreiung der
Arbeitskräfte vom Wehrdienst verlangt hat, um die Abwanderung nach
München insbesondere im westlichen Raum durch entsprechende Zurückstel-
lung von Arbeitskräften vom Wehrdienst zu erreichen. Ich bat ihn um
eine Abschrift dieses Briefes. Die Anfrage Kirchschlägers, ob wir dem
Verein Rettet das Kind, Vorsitzende Kyrle, 300.000 S geben könne, um
die Kinderzusammenführung in Nigeria fortzusetzen, beantwortete Androsch
dass es unmöglich sei, sich einzelner Vereine zu bedienen. Wenn die
Bundesregierung etwas spendet, dann nicht über einzelne Vereine, weil
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ansonsten eine Schleuse geöffnet wird, die nicht mehr zu
schliessen ist. Eine Diskussion entspann sich über das Problem,
dass im BKA der Verfassungsdienst beim Filmgesetz Bedenken äussert,
die oft an den Haaren herbeigezogen sind. Zur Regierungszeit Klaus
wurde Loebenstein von unseren Abgeordneten oft gefragt, ob diese
Bestimmung mit der Verfassung übereinstimmt, worauf er unter vier
Augen meistens antwortete, fragen sie mich nicht. D.h. er hat eine
Stellungnahme abgeben müssen, auf Grund einer Weisung, die gegen
seine Auffassung war. Dies ist jetzt nach Kreiskys Meinung anders,
zum Betriebsrätegesetz z.B. hat er eingewendet, dass das Eigentum
gefährdet werde. Kreisky hätte ihm dann auseinandergesetzt, dass
er die Verfügung über das Eigentum etwas anderes ist wie der
Schutz des Eigentums. Nach seiner Auffassung kann es ruhig Diffe-
renzen innerhalb der Regierung in diesen Fragen geben. Die Beamten
sollen so formulieren, wie sie es meinen. Man befürchtet, dass z.B.
Neisser, der ehemalige Staatssekretär, der derzeit im Verfassungs-
dienst arbeitet, sich zu seinem Gutachten bekennt und dann im
Parlament eine diesbezügliche Anfrage kommen könnte. Der Minister
müsste halt nur seine ergänzenden Bemerkungen gegebenenfalls zu
dem Gutachten hinzufügen. Ich teile diese Meinung nicht. Ich
glaube, dass wir am Beispiel des Betriebsrätegesetzes gezeigt haben,
dass unsere Lösung zielführender ist.
ANMERKUNG für WANKE: Bitte, Gutachten Sozialministerium verschaffen.
Tagesprogramm, 1.3.1971