Donnerstag, der 11. März 1971

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Donnerstag, 11. März 1971

Der Wiener Ausschuss, dem ich als Bezirksobmann des III. Bezirkes ange-
höre, und die Vollversammlung des Klubs der soz. Gemeinderäte wurden
mit dem Problem der Fernheizwerke beschäftigt. Schweda hat hier ein
trauriges Erbe übernommen. Die Gemeinde hat vor Jahren die Fernheizwerke
geschaffen, mit der Idee, in Gemeindebauten aber auch in Spitälern und
sonstige öffentliche Gebäude mit Fernwärme zu versorgen. Vom städte-
baulichen Standpunkt ist die Zentralisierung der Heizungsanlagen dringend
erforderlich, die Umweltverschmutzung der einzelnen Öfen kann nur auf
diese Weise eingeschränkt werden. Leider ist man scheinbar an dieses
Problem nicht mit einem entsprechenden Konzept herangegangen. Die einzelnen
Häuserblocks haben ganz verschiedene Berechnungsmethoden entwickelt. Teil-
weise wurden sogar Anschlusskosten, wie z.B. im 19. Bezirk im Heimhof in
der Höhe von 1,3 Mill. S verrechnet und vom Mieter auch bezahlt. In Kagran
wieder gibt es Mietverträge, die auf einer Höhe Heizungskosten vereinbart
haben, die einen jährlichen Verlust von 4,8 Mill. S für die Fernheizwerke
bedeuten. Es gibt darüber hinaus einige hunderte Extremfälle, die irrsinni-
ge Heizungskosten haben. Die Gemeinde hat ausserdem Vorschläge über Wärme-
dämmung bei der Erstellung von Gebäuden, insbesondere von Eckwohnungen,
unberücksichtigt gelassen, sodass dadurch in diesen Wohnungen bei tieferen
Temperaturen oft nur 6–7 Grad plus trotz voller Heizung erreicht werden
können. Die ursprüngliche Idee, durch Pauschalierung der Heizungskosten eine
gleichmässige Verteilung auf alle zu erreichen und auch dann gleichzeitig
durch das ganze Jahr hindurch eine Belastung der Mieter zu erreichen, hat
sich nicht bewährt. Durch die Neueinführung von Messegeräten, sogenannte
Verdunstungszähler, glauben die Leute nun, es wird dort manipuliert, resp.
diese Zähler, die nicht geeicht sind, geben kein genaues Bild. Die finan-
ziellen Verluste der Fernheizwerke selbst gehen in die hundert Millionen,
incl. des verlorenen Bauaufwandes. Schweda hat als erstes einmal mit den
betroffenen Bezirken zu diskutieren begonnen und eine wie die sich aus-
drückten erträgliche Regelung gefunden. Wichtig erschien mir, dass überhaupt
mit den Leuten jetzt gesprochen wurde. Vor Monaten noch waren sie zu mir
gekommen, weil niemand sie angehört hat. Die neue Regelung sieht nun
vor, dass ein gespaltener Tarif eingeführt wird. Auf der einen Seite
wird jede Wohnung ein Grundgebühr von 150 S zu bezahlen haben und darüber
hinaus wird nach cal. auf den Verdunstungszählern jeder Strich 151.– S
kosten. Wo Verträge bestehen, die eine andere Lösung haben, wird ver-
sucht werden, ein Gutachten von Dr. Schönherr und von Sekt.Chef. a.D. Hoyer
vom Justizministerium zu bekommen, ob diese Verträge ohne bei Gericht zu


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verlieren, gekündigt werden können. Da die Kosten 50 % über dem durch-
schnittlichen Verbrauch liegen, wird diese Menge vom Heizwerk übernommen.
Das Ungute an dieser Regelung ist, dass z.B. von Kagran in 4.700 Fällen
2.900 eine Ermässigung bekommen, die werden sich sicherlich überhaupt
nicht rühren, aber 1.800 werden Erhöhungen verrechnet bekommen. Hier wird
es sicherlich eine Unruhe geben.

Koll. Lackner, der Bezirksvorsteher von Liesing, erklärte, wenn er mich
schon bei einer Vollversammlung hat, möchte er fragen, ob wir nichts
dagegen unternehmen können, dass in der Breitenfurterstrasse so viele
Tankstellen errichtet wurden. Ich erklärte, ihnen die Tankstellenpolitik
der Ölgesellschaften und habe anschliessend und Beiziehung von Lackner
Stadtrat Hintschig befragt, ob er bereit ist, keinen Gemeindegrund mehr
den Ölgesellschaften zur Verfügung zu stellen. Unter diesen Bedingungen
wäre ich nämlich imstande gewesen, mit den Ölgesellschaften härter zu
verhandeln, dass sie so schnell wie möglich einen Ausbauplan und eine
Koordinierung vornehmen. Hintschig erklärte, dass dies unmöglich sei,
da er mit Hilfe der Tankstellen sich die Tiefgaragen finanzieren lässt.

Im Institut kam ich mit Zöllner und Lachs überein, dass wir in der Pari-
tätischen Kommission den Antrag der ÖMV auf Erhöhung des Heizölpreises
um 175.– pro t, das sind bei Heizöl schwer, derzeit 610.- Kosten fast
an die 30 %, unter der Bedingung zustimmen werden, dass die Benzin-
preiserhöhung, wenn überhaupt, zu einem möglichst späten Zeitpunkt
erfolgen soll. Die ÖMV stellt sich unter spät Ende April, die AK und der
ÖGB höchstens Ende des Jahres vor. Die Erhöhung des Heizölpreises muss
meiner Meinung nach schon deshalb vorgenommen werden, weil die westlichen
Bundesländer sonst keine Lieferungen mehr aus Italien und Deutschland er-
warten können. Da die ÖMV maximalst 50 % des Heizölbedarfes befriedigen
kann, müssen Importe aus dem Weste getätigt werden. Die Zollfreistellung
dieser Importe wird notwendig sein.

Grünwald war wirklich erschüttert, als er mir mitteilte, dass auch nun
Smolka, d.h. die Tyrolia-Bindung-Erzeugung in amerikanische Hände über-
gehen wird. Der Besitzer, ein ehemaliger oder vielleicht auch jetzt noch
Angehöriger der kommunistischen Partei hat also auch vor dem amerikani-
schen Kapitalismus die Flagge gestrichen. Ich selbst kriege nur meine
Theorie, die ich vor Jahrzehnten aufgestellt habe, bestätigt. In einem
kapitalistischen System gelten die kapitalistischen Gesetze und Karl Marx


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hat in einem Punkt vollkommen recht behalten als er die Konzentration
des Kapital vorausgesehen hat. Diese Konzentration erstreckt sich aber
nicht nur im nationalen Grenzen sondern greift jetzt in weltweitem
Massstab um sich. Die österreichischen Unternehmer werden von deutschen
oder amerikanischen aufgefressen. Die deutschen Unternehmungen auch von
amerikanischen, das ist gar nicht so sicher, ob nicht auch die amerika-
nischen früher oder später den japanischen zum Opfer fallen werden.
Bei der wirtschaftlichen Expansion Japans mit jährlichen Brutto-
nationalproduktsteigerungen von 11 und 12 % ist eine solche Entwicklung
fast mit Sicherheit für die nächsten Jahrzehnte vorauszusagen.

Im Parteivorstand sollte die Delegierung von Uher in die CA besprochen
und beschlossen werden. Benya hat sich allerdings gegen die Bestellung
ganz entschieden ausgesprochen. Er selbst möchte unbedingt Schneider
von der ÖCI, den er von der Gewerkschaftsbewegung – wie er sagt – gut
kennt, auf alle Fälle auf diesem Posten haben. Ich kam einmal zu einer
Besprechung, wo Androsch Benya unter vier Augen versuchte zu überzeugen,
dass Uher das Vertrauen vom Ressortminister, d.h. von ihm geniesst,
während er Schneider als nicht richtig auf diesem Platz bezeichnete.
Die Eventuallösung, dass wir beide in die CA geben, erscheint Androsch
nicht als Zielführend, wie er mir nachher mitteilte, da dann nur Strei-
tigkeiten zwischen den beiden von vornherein immer gegeben wären.
Diese ganze Frage sollte im erweiterten Präsidium von Benya
gründlichst diskutiert werden. Scheinbar war dies aber nicht der Fall,
denn unter den Delegationen wurde dieses Problem nicht berichtet. An-
stelle des verstorbenen Stadtrates a.D. Thaller, der als Kassier
in der SPÖ fungierte, wurde Metallarbeitersekretär Wiltschek vom
Präsidium vorgeschlagen und vom Parteivorstand genehmigt. Daraus entnehme
ich, dass Kreisky Benya nicht verärgern will und auch deshalb einen
weiteren Metallarbeiter in eine Funktion gebracht hat. Die Kassier-
stelle ist zwar eine mehr formelle Funktion, da natürlich die Kassier-
geschäfte von hauptamtlichen Angestellten gemacht werden. Auch an
Stelle des Ossi Grünwald, der Mitglied des Aufsichtsrates der ÖIAG
war, und nun Generalsekretär wird, wurde ein Metallarbeiter von OÖ,
Kammerpräsident der AK, Schmidl, berufen. In den Alpine-Aufsichtsrat
wird VÖEST-Direktor Koller durch den Arbeiterkammerpräsident Stecher
ersetzt. Die Verschränkung der Aufsichtsräte zwischen Schiffswerft
Korneuburg und Schiffswerft Linz wurde ebenfalls weiter ausgebaut.
Kreisky versuchte hier, ohne dass er auch nur ein Wort zu diesen Proble-
men gesagt hat, scheinbar die richtige Taktik, um Benya und die Ge-
werkschaft nicht zu sehr zu verärgern. Die Gewerkschaften müssen erstens


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als Fraktion ja doch noch immer sehr viel Geld der Partei geben
und es ist deshalb sehr zielführend, wenn ein Kassier von den Metall-
arbeitern nominiert wird. Androsch dürfte sich also mit seinem Wunsch
obwohl auch Heinzi Kienzl Uher sehr unterstützt und auch ich glaube
eigentlich, dass er der bessere Mann auf diesem Platz wäre, nicht
durchgedrungen sein. Er hat zwar das letzte Mal sein ganzes Prestige
in die Waagschale geworfen, indem er erklärt hat, wenn man ihm Leute
versetzt, die nicht sein Vertrauen haben, dann müsste er Konsequenzen
ziehen. Ich glaube, dass man in solchen Angelegenheiten doch ver-
suchen muss, zu einem Arrangement zu kommen und nicht mit schweren
Geschützen auffahren sollte. Den politischen Bericht konnte ich nicht
mehr ganz hören, da ich zur Vorstandssitzung der Lebensmittelarbeiter
fahren musste. Kreisky wies nur einleitend schon darauf hin, dass
man damit rechnen muss, gegebenenfalls bereits im Herbst mit Neuwahlen
zu rechnen. Ich persönlich glaube, dass die Hauptschwierigkeit darin
den Zeitpunkt zu erraten, wo keine weiter Zunahme mehr an Sympathie
bei der Bevölkerung zu erreichen ist. Derzeit liegen wir angeblich
sehr gut und unsere Anteile steigen noch. Der Nachteil einer Demo-
kratie liegt darin, dass man selbst in einer so straffen zentralistisch
geführten Partei wie der sozialistischen nicht mit Überraschungsmomenten
arbeiten kann. Kreisky muss deshalb, wenn er erst in drei Monaten Neu-
wahlen beabsichtigt, bereits jetzt systematisch die Öffentlichkeit aber
auch die eigenen Parteikreise auf diese Taktik festlegen.

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Tagesprogramm, 11.3.1971


Tätigkeit: Rechtsanwalt


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    Tätigkeit: GD Wr. Messe, Wr. SPÖ-GR-Abg., Stadtrat


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      GND ID: 121097781


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        Tätigkeit: Wr. Stadtrat a.D. (SPÖ)


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          Einträge mit Erwähnung:
            Tätigkeit: ehem. Sektionschef Justizministerium [soll 1971 ein Gutachten erstellen]


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              Tätigkeit: Präs. AK OÖ, BRO Steyr-Daimler-Puch


              Einträge mit Erwähnung:
                Tätigkeit: ktn. AK-Präs.


                Einträge mit Erwähnung:
                  Tätigkeit: Büro Staribacher; ÖIAG
                  GND ID: 1053195672


                  Einträge mit Erwähnung:
                    Tätigkeit: Bezirksvorsteher von Liesing, SPÖ
                    GND ID: 116640618


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                      GND ID: 119100339


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                        Tätigkeit: GD VÖEST


                        Einträge mit Erwähnung:
                          Tätigkeit: ÖGB-Präs., NR-Präs.
                          GND ID: 119083906


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                              Tätigkeit: Bundeskanzler
                              GND ID: 118566512


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                                Tätigkeit: Metallarbeitersekretär [1971 Nachfolger von Thaller als Kassier der (Wiener?) SPÖ; Vorname und Schreibung unklar, vorerst nicht gefunden]


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                                  Tätigkeit: CA


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                                    Tätigkeit: AK


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                                      Tätigkeit: Finanzminister
                                      GND ID: 118503049


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                                        GND ID: 127033629


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                                          Tätigkeit: Inh. Fa. Tyrolia [Skibindungen; 1971 offenbar verkauft]


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