Freitag, 19. März 1971
Traktorendemonstration verlief sehr ruhig. Die Wiener Kraft-
fahrer haben sich äußerst diszipliniert benommen und es waren
mindestens die Hälfte weniger Fahrzeuge auf der Straße als
sonst. Noch nie konnte ich so schnell mein Büro erreichen.
Vor dem Amt waren bereits die Traktoren aufgefahren. Ich wußte
aber nicht, daß rückwärts das Haustor offen war und daher alle
Autos ohne weiteres reinfahren konnten. Ich selbst ging ja
zu Fuß und das Fernsehen wollte unbedingt daß ich so lange
warte, bis sie mit ihrem Team hier wären, damit mein Durch-
gang durch die Traktoren gefilmt werden kann. Ich lehnte
dies selbstverständlich ab, denn ich betrachte solche De-
monstrationen nicht allein als Hetze, wo man die
entsprechenden Bilder und Filme macht. Protestresolution
wurde von LR Bierbaum und NR Hofstetter und drei anderen
Herren überreicht. Die Diskussion war verhältnismäßig sehr
kurz soweit sie ihren Zeitplan einhalten wollten. Erweiterte
ihnen die Stellungnahme zur Ablehnung der Abgabe von ver-
billigtem Heizöl an die Dieseltraktorenfahrer. Ich verwies
insbesondere darauf, daß Tankstellen ganz entschieden gegen
diese Maßnahme aussprechen und da ich ja jetzt die Ehre
habe Handel, Gewerbe und Industrie zu vertreten, könnte
ich schon allein aus diesem Grund ihrer Idee nicht näher
treten. Die Ertragslage der Bauern entwickelte sich inso-
ferne ein Gegensatz, als die Bauernvertreter meinten, sie
müßten doch auf höhere Preise unbedingt drängen. Ich er-
klärte, daß selbst wenn alle das wollen, die die Überproduktion
sofort dazu führen würde, daß sie ihre Preiserhöhungen in
Wirklichkeit in nichts auflösen würde. Um aber den Menschen
im ländlichen Raum, inkl. den Bauern, ein höheres Einkommen
zu sichern, verwies ich auf die Möglichkeit des Gelderwerbes.
Vergleichsziffern, wonach in Großbritannien 19.000,–– S in
Österreich aber nur 1.600,–– pro Bauer Subvention gezahlt
wird, hoffe ich dahingehend ariieren , daß ich eben erklärte,
daß in Großbritannien nur 5 % der Bevölkerung in der Land-
wirtschaft tätig sind, während bei uns die dreifache Anzahl.
Beim Bundeskanzler, vor dem Ballhausplatz, ging es schon
wesentlich hektischer und lauter zu. Koppe erklärte dies
dahingehend, daß, wenn man auch einen Traktor fährt ist man
viel zu weit vom Nachbarn entfernt, daß eine Kampfstimmung
oder überhaupt eine emotionelle Bewegung kaum entstehen kann.
Anders dagegen natürlich wenn immerhin tausende Demonstranten
Kopf an Kopf geschlichtet sind. Als ich mich vom Ring dem
Ballhausplatz her näherte, sagten einige Passanten: "gehns
nicht hin". Sie müssen mich also erkannt haben und waren
sicher Genossen oder Sympathisanten. Ich konnte allerdings
beim Haupttor nicht mehr hinein und mußte über den Minoriten-
platz ins Bundeskanzleramt. Als ich den Ballhausplatz nach
Ende der Demonstration wieder überquerte, waren noch einzelne
Gruppe die lebhaft mit Passanten diskutierten. Einige riefen
da ist er, aber kein einziger stellte mich oder verwickelte
mich auch nur in eine Diskussion. Der größte Fehler wäre ge-
wesen, wenn man diese Demonstration verboten hätte. Auch nur
die von Wondrack herbeigeholten Argumente, daß Luftverpestung
der Traktoren sehr stark sein würde, war glaube ich nicht
sehr einsichtsvoll und würde nur an den Haaren herbeigezogen
beurteilt werden.
Der Antidumping-Beirat empfahl den Industrievertretern alle
Vorkehrungen zu treffen, daß mit dem Inkrafttreten des neuen
Antidumping-Gesetzes, welches jetzt allerdings erst im Begut-
achtungsstadium ist, die notwendigen Kontinuität des Schutzes
für DIE DERZEIT im Antidumping-Gesetz und auch nach dem neuen
Gesetz beschützt werden können, sicherzustellen. Die Handels-
kammervertreter erklärten, daß sie noch immer Diskussion
in ihrem Haus führen, ob ein Marktstörungsgesetz und in welchem
Ausmaß bei uns Vorschläge unterbreitet werden sollen. Koppe
und Wanke sind der Meinung, daß am Stubenring Mitterer als
Handelsvertreter immer stärker durchsetzt und deshalb die
Industrie ihren Forderungen auf Schutz in den Hintergrund ge-
drängt wird.
Von Intersport Russ, einer Villacher Firma, kam der Besitzer
Prohaska, um mir seinen biologischen Plan, modernes Verkaufen,
erklären. Er hätte mit seinen 15 Beschäftigten das beste Ein-
vernehmen und würde sie wie ein Familienvater betreuen. Aber
auch mit den Kunden sei auf einer ganz neuen Verkaufsbasis.
Mit seiner romantischen Idee versuchte er Gegensatz zwischen
den Kunden, der so billig wie möglich und dem Händler, der so
teuer wie möglich verkaufen will, zu überbrücken. Er meint,
es müßte das Gewinnstreben des Handels endlich aufhören.
Gleichzeitig sprach er sich gegen die Nettopreise aus, weil
insbesondere er bis jetzt überhaupt keinen Rabatt auf Schi ge-
geben hat. Ein romantischer Tor, der die moderne verkaufs-
aggressive Handelspolitik ablehnt. Ich wünschte ihm viel
Glück, bin aber überzeugt, daß er früher oder später zu
Grunde gehen muß. Sicherlich kann man durch entsprechende
Betreuung des Kunden auch auf einige Zeit Preisdifferenzen
gegen andere Geschäfte überbrücken, d. h. der Kunde wird
nicht ausschließlich nach dem billigsten Produkt Ausschau
halten, aber früher oder später werden die Diskonter und
die anderen Fachgeschäfte die aggressive Verkaufspolitik
betreiben die Kunden wegschnappen.
Direktor Apfalter und Reiter von der VÖEST waren aus National-
China gekommen und wollten erreichen, daß wir unsere Aner-
kennungsverhandlungen mit Volkschina entweder zurückschrauben
oder womöglich überhaupt nicht weiter betreiben. Wir hatten
zwar in National-China ein LD-Stahlwerk für 15 Mio. Dollar
errichtet, jetzt aber könnten sie in Taiwan ein Stahlwerk für
30–50 Mio. Dollar, im Rahmen eines Gesamtprojektes von
200 Mio. Dollar anbahnen. Sie befürchten nun, daß, wenn
Nationalchina erfährt, daß mit der Volksrepublik ein ent-
sprechender Vertrag abgeschlossen ist, dann aus diesem Ge-
schäft herausgeworfen werden. Bei aller Anerkennung von
Einzelinteressen der Firmen erklärte ich ihnen, daß die
Außenpolitik sich doch nicht nach der VÖEST richten kann.
Kirchschläger, mit dem ich telefonisch sprach, erklärte
mir, daß wahrscheinlich bis spätestens Mitte des nächsten
Jahres der Vertrag perfekt sein wird. Ein weiteres Problem
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für die VÖEST ist die Rückstufung der Exportförderung oder
Umsatzsteuerrückvergütung. bei Lieferung über Zollfreizonen.
Nach Information vom Finanzministerium sollten sie um 2 Stufen
alle rückgestuft werden. Die VÖEST-Vertreter teilten meine
Auffassung, daß es zielführender ist zu untersuchen, ob wir
nicht eine Kombination anstreben sollten. Derzeit genügt es,
wenn in den Zollfreizonen ein Wertzuwachs von 33 % erfolgt.
Ich glaube, daß es zielführend ist, diese Grenze zu erhöhen.
Die VÖEST meint sogar, man könnte auf 100 % gehen und dann
entsprechend weniger Rückstufungen vornehmen. Da über die
Zollfreizonen auch Bekleidungsveredelung, Knopfannähen an
Hemden, usw. durchgeführt werden, ist eine Erhöhung auf 100 %
wie Apfalter vorschlug, kaum möglich, Auf alle Fälle sollte
man jetzt schnellstens ein diesbezüglich Elaborat von Seiten
der Sektion I ausarbeiten.
Anmerkung an Dr. Wanke:
Bitte Entsprechendes veranlassen, damit ich dem Finanzminister
die Vorschläge zeitgerecht unterbreiten kann. Noch besser
wäre es, wenn unsere Herren mit dem Finanzministerium einen
gemeinsamen Vorschlag erarbeiten würden.
Ich bat Apfalter zu untersuchen, ob die VÖEST gegebenenfalls
an der Hirtenberger Munitionsfabrik Interesse hätte. Er wird
mir Montag sofort, nach Rücksprache mit dem Vorstand, davon
Mitteilung machen.
Dr. Jungbluth von der Stadthalle, der sich für die Lösung
des Filmproblemes sehr einsetzt, hat alle bedeutenden Leute
zu einem Heurigen eingeladen. An und für sich bin ich ja
gegen solche Veranstaltungen, denn ich sage Arbeitsgespräche
soll man in Ministerien oder in entsprechenden Büroräumen
führen. In dieser Branche herrscht aber vielleicht doch andere
Sitte. Auf alle Fälle gelang es ihm sowohl Antel als auch
Kammel, dem Vorsteher des Fachverbandes für Filmindustrie,
KzlRat Hermann, Kinovertreter, und Blechinger, den Verleih-
vertreter, an einen Tisch zu vereinigen. Die Partei wollte
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noch das Wahlteam von der AZ und Sterk sowie Sekretär
Bernegger dazukommen sollte. Nach dem üblichen Lamento
von Kammel und Hermann einigte man sich dann doch darauf
eine Punktation zu versuchen. Androsch, den sie um eine
entsprechende Reduzierung der steuerlichen Belastung, Kinos
zahlen 42 Mio. Vergnügungssteuer und 12 Mio. Kriegsopfer-
abgabe, beknieten, sagte seine Unterstützung zu, wenn ein
entsprechendes Konzept vorliegt. Von den 780 Kinos haben
der größte Teil nur einen Umsatz von 100.000 – 400.000,–– S.
Über die durchschnittlichen Preise mit S 10,–– annimmt,
so gibt das 10.000 bis höchstens 40.000 Besucher pro Jahr.
Die Belastung dieser Theater ist aber sehr gering. Maximal
2–3 % selbst wenn man jetzt die gesamte Belastung steuerlich
zum Verschwinden bringt, so ergibt dies noch immer keinen
Betrag, den diese Filmtheaters samt einen Fonds Filmförderung
zahlen könnten. Man wird deshalb wahrscheinlich auf die
150 potenten großen Kinos zurückgreifen. Der Verleih hat
jetzt eine Aktion gestartet, wonach die Kinos ca. 80 Stück
Kredite über das Bankhaus Preußer , die BAWAG hat angeblich
abgelehnt, bekommen können. Wenn sie sich bereit erklären
1 S pro Eintrittskarte zurückzubezahlen. Da die Filmförderung
die wir anstreben nicht nur allein die Produktion unterstützen
soll, sondern auch zum Ausbau der Filmtheater verwendet werden,
müßte oder könnte diese Aktion ebenfalls eingebaut werden.
Antel ist daraufhin das wenn wir nicht bald etwas zustande-
bringen, in Österreich sowieso niemand mehr einen Film drehen
kann. Es würden dann alle Facharbeiter bereits in andere
Berufe verlaufen haben. Kammel meinte, daß in Österreich
noch kleine acht Ateliers gibt, 240 Schneidetische und
435 mm Kameras. Ich glaube nur daß man damit keine Filme
machen kann, sondern entscheidend ist, nicht wieviel Kameras
man hat, sondern wieviel Arbeitskräfte, Tischler, Elektriker,
Bühnenbildner, Maskenbildner, usw. einem zur Verfügung stehen.
Was die Frage der Ateliers betrifft, wies Antel darauf hin,
daß die Wien–Film jetzt 3 Monate leer gestanden ist und
natürlich pro Monat 2,6 Mio. Schilling dem Staat Kosten ver-
ursacht. Alle Anwesenden kamen aber drin überein, daß jedwede
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Filmförderung sich ausschließlich auf ein wirtschaftliches
Konzept aufbauen dürfte. Für ein romantisch ethischer moralisch
hochstehendes Konzept fühlten wir uns alle nicht zuständig.
Kulturfilme bleiben ja auf alle Fälle beim Unterrichts-
ministerium, welches ja im Budget 12,5 Mio. S hat, wovon
allerdings nur 6 Mio. S, wenn man die Schulfilme abzieht,
für die kulturelle Betreuung der Filmwirtschaft zur Ver-
fügung stehen. Darüber hinaus wird ja in Zukunft noch das
Wissenschaftsministerium den wissenschaftlichen Film för-
dern. Ich kann nur sagen viel Glück für Vamp . Wenn wirklich
bei uns etwas zustande kommt, so muß es sich ausschließlich
nach kommerziellen Gesichtspunkten ausrichten. Krass ausge-
drückt, mir ist auch ein Mutzenbacher-Film recht, wenn er
sich nur einspielt. Ich kann mir vorstellen, wie viele
Moralinsozialisten mich in diesem Fall verdammen. Ich aber
halte das Prinzip vom italienischen Regisseur de Sica als
das einzig Richtige. Auch er dreht eine Unzahl von flachen
Filmen um so viel Geld zu verdienen, damit er dann wieder
einmal einen fantastischen Experimentierfilm finanzieren
kann.
Die erste Wahlversammlung in Niederösterreich bestätigte mir
meine alte Theorie. Sie war wie der Veranstaltungsleiter mir
mitteilte, nicht überwältigend besucht und vor allem waren
lauter Genossen anwesend. Wenn ich an die Oberndorfer-Ver-
sammlung beim Tiroler Landtagswahlkampf denke, kann ich nur
bedauern, daß wir nicht im Stande sind, auf so einer Basis,
d.h. bei Gelegenheiten wo andere sich fürchten würden oder
diese Methode ganz entschieden ablehnen an indifferente oder
sogar Gegner heranzutreten, da ich zwar auch keinen systematischen
Weg weiß, wie man, um dieses Ziel zu erreichen, beschreiten
müßte, aber ich glaube, daß man doch vereinzelte Möglichkeiten
besser nützen sollte.
Tagesprogramm, 19.3.1971
hs. Notizen (Tagesprogramm Rückseite)