Samstag, 3. April 1971
Die Fraktionsvorbesprechung des Vorstandes in der Wiener AK hat
mir neuerdings gezeigt, dass über das Gastarbeitergesetz sehr ge-
teilte Meinung herrscht. Benya befürwortete eine solche Regelung,
da er auf dem Standpunkt steht, den ich dort auch vortrug, dass
Häuser unbedingt eine solche gesetzliche Regelung jetzt in Angriff
nehmen muss. Die Sozialpartner kommen insoferne nicht weiter, als
die Bundeskammer jetzt den Weissenberg als Vertreter des ÖGB einen
Gesetzentwurf überreicht hat, wo die unbefristete und unbeschränkte,
d.h. keine Kontingentierung, mögliche Fremdarbeiterregelung vorgesehen
ist. Gegen diese Art sprach sich ganz besonders Millendorfer von der
Bau-Holz-Arbeitergewerkschaft aus. Die anderen Vertreter trauten sich
scheinbar nicht mehr dagegen Stellung nehmen, da Benya sich positiv
für eine Regelung ausgesprochen hat. Im Grunde genommen aber bin ich
überzeugt, sind auch sie der Meinung, man sollte unter allen
Umständen die Gast- oder Fremdarbeiter nicht nach Österreich herein-
lassen.
Ein weiterer Diskussionspunkt war die Vorbereitung der Resolution
für die nächste Wiener AK-Vollversammlung. Bis jetzt hatte ich als
Kammeramtsdirektor immer versucht, eine einstimmige Resolution zustande-
zubringen, da ich auf dem Standpunkt stand, die ÖVP-Fraktion ist in
der Öffentlichkeit viel mehr gebunden, wenn sie doch einer Resolution
zustimmt. Wenn auch die ÖAAB-Vertreter im Nationalrat dann andere
Beschlüsse fassen, so kommen sie in ein richtiggehendes Dilemma bei
ihren Wählerinnen und Wählern. Den Funktionären kann man noch erklären,
dass man als Interessensvertretung in der Kammer anders stimmt als
Abgeordneter zum NR, den Mitgliedern gelingt es vielleicht auch noch,
diese zweispältige Haltung auseinanderzusetzen, den unbeeinflussbaren
Wählerinnen und Wählern aber ist das fast unmöglich, denn diese urtei-
len nicht nach parteipolitischen Gesichtspunkten sondern stehen sicher-
lich auf dem Standpunkt, was einmal irgendwo als richtig erkannt
hat, muss man dann auch in allen Gremien, d.h. auch im NR durchsetzen.
Zu meiner grössten Verwunderung dürfte sich nun doch die Meinung
ein wenig geändert haben, denn Benya erklärte, man könnte nicht auf
die ÖAAB-Wünsche bei Abänderung der Resolution Rücksicht nehmen,
wenn sie eben nicht dafür sind, dann sollten sie eben von mir aus
wie er sich ausdrückte, dagegen stimmen. Zweifelsohne will Benya
05-0430
hier die grosse Parteilinie auch in der Arbeiterkammer durch-
setzen. Er glaubt, dass es zielführend ist, wenn man den ÖAAB
jetzt aus seiner zweispältigen Haltung herauslässt, aber dafür
in der Öffentlichkeit erklären kann, dass die ÖVP heute mehr denn
je gegen berechtigte Interessen der Arbeiter verstösst. Er kündigte
ja auch in seinen Versammlungen bereits an, dass auf dem sozial-
politischen Sektor nach Ostern die Regierung und die soz. Klub-
fraktion grössere Initiative entfalten wird. Sollte die ÖVP dann
diese berechtigten Forderungen des ÖGB resp. der soz. Fraktion
ablehnen, dann muss sie auch in der Öffentlichkeit dafür die Verant-
wortung tragen, wenn eine Neuwahl deswegen kommen muss.
Die Samstag-Veranstaltungen in Kärnten begannen in Bleiburg. Da der
Bundespräsident den nächsten Tag Bleiburg einen Besuch abstattete,
hatte ich nicht erwartet, dass sie für mich eine grosse Partei-
veranstaltung arrangieren werden. Ich hoffte aber, dass ich wenig-
stens in eine Diskussion mit Gegnern, d.h. in einem kleinen Kreis,
sei es vor Unternehmern, oder gegebenenfalls vielleicht sogar vor
Bauern diskutieren würde. Zu meiner grössten Verwunderung wurde
ich in eine Jahresversammlung der Konsumgenossenschaft Bleiburg
geführt. Die Bundesrätin von Kärnten Tschitschko, die das Referat
hielt, berichtete über die zukünftige Arbeit der Konsumgenossen-
schaft insbesondere, dass es auch in Bleiburg möglich sein wird,
einen Frauennähkurs und einen Sandwich-Kurs und andere praktische
Arbeiten zu machen. Die anwesenden Kinder und vor allem alten Frauen
aber auch doch einige jüngere waren an dieser Frage natürlich wahr-
scheinlich mehr interessiert als an meinen politischen Ausführungen.
In der Diskussion meinte Tschitschko dann noch, dass jetzt endlich
ein Handelsminister da ist, der die berechtigten Wünsche der Konsum-
genossenschaft durchsetzten wird. Ich erklärte zwar auch in dieser
Versammlung, dass es nicht allein darauf ankommt, die berechtigten
Wünsche der Konsumbewegung zu erfüllen, sondern gleiche Konkurrenz-
startbedingungen für alle Gewerbetreibenden zu schaffen. Der Vorredner
LAbg. Lubas, der gleichzeitig Bürgermeister von Eisenkappel ist, wo ich
die nächste Versammlung hatte, kam nicht als Vorredner sondern er-
klärte, als er dann doch herkam, er hätte nur die Aufgabe gehabt,
mich von dort abzuholen. Wenn ich später gekommen wäre oder gar
nicht geredet hätte, glaubt er, hätte das überhaupt keinen Einfluss
gehabt. In Eisenkappel empfing mich die Werkskapelle, er, Lubas,
der dort ein ausgesprochener Kaiser ist, hat sie hinbestellt.
Zum Glück hielt ich mich nicht an seine Empfehlung, er meinte
nämlich ich müsste unter gar keinen Umständen dieser Kapelle
etwas geben, sondern erklärte, dass sie doch ein Fassel Bier sich
verdient hätten, worauf sie ziemlich im Chor antworteten, das
haben sie sich schon erwartet. Man sieht daraus, dass bedeutende
ortsmächtige Personen, wie z.B. Lubas natürlich alles anordnen
können, dass aber dann doch die Nachred' für den Wiener sehr schlecht
ist, wenn er sich an die Anordnungen des Betreffenden Ortspaschas
hält. Der Kinosaal war verhältnismässig sehr gut besucht, dafür
aber eiskalt. Einleitend sang ein slowenischer und ein deutscher
Chor, die Slowenen sangen wesentlich besser, und mein Schwager
Mayerhofer erklärte mir, dass die Hälfte wahrscheinlich meine Aus-
führungen sowieso nur halb verstanden hatten, denn dort wird
normalerweise noch windisch geredet. Der Vertreter der Tageszeitung
der SPÖ erklärte mir, dass durch die Landegger Stillegungsabsichten
für das Grossprojekt sehr beunruhigt ist, da in der nächsten Ver-
sammlung und in dieser die Rechberger Arbeiter teilweise vertreten
waren, ging ich auf dieses Problem eingehend ein. Lubas war
sehr erstaunt, dass ich diesem heissen Eisen nicht ausgewichen bin
sondern wie ich es ja gewohnt bin, dieses Problem sofort anpackte.
Ich erklärte ihnen, wie es zu diesem Projekt gekommen ist und dass
es die Bundesregierung unter allen Umständen prüfen muss, bevor sie
sich entscheidet, welche Zellulose- und Papierpolitik sie in Hin-
kunft betreiben will.