Mittwoch, 2. Juni 1971
Durch die UNIDO-Tagung sind sehr viele Handelsminister oder
Staatssekretäre in Wien. Nicht zuletzt, um einen entsprechenden
Nachweis für ihre Reise führen zu können, besuchen sie selbstver-
ständlich den Handelsminister Österreichs. Bei einem Gespräch mit
dem tunesischen Handelsminister Chelli war auch Dr. Geist und
Dr. Grünwald von der ÖIAG anwesend. Da man den Übersetzer Wessely nicht
zeitgerecht verständigt hatte, war er weder zuerst im Haus, noch
kam er nachher zu der Besprechung, weil er, wie er mit Recht behauptet,
vorher informiert sein muss. In Hinkunft soll man unbedingt Wessely
von jedem ausländischen Besuch verständigen, damit er diese Ausrede
nicht gebrauchen kann. Der Tunesier wies darauf hin, dass sie In-
vestitionsunterstützung wünschen. Im Norden Tunesien hätten sie
grosse landwirtschaftliche Projekte über Entsalzung und Bewässerung.
Masmudi hätte mit Kreisky dieses Projekt besprochen. Das seinerzeit
überreichte Projekt der VÖEST – Schwefelsäure auf Gipsbasis – zu
errichten, sei infolge der sinkenden Weltmarktpreise zurückgestellt
worden. Im Fremdenverkehr hätten sie mit Unterstützung der Öster-
reicher 800 Betten neu geschaffen, insgesamt hätten sie derzeit
2.000. Die Investitionen könnten leicht in Tunesien durchgeführt
werden, denn es seien für Maschinen und Geräte keinerlei Einfuhr-
abgaben zu errichten, die Zahlung könnte in Produkten erfolgen,
wenn diese keine Zölle in Österreich zu entrichten hätten. Ähnlich
lauten die Forderungen aus den Oststaaten, eine Erfüllung war bis
jetzt nicht möglich. Das Hauptproblem ist aber die finanzielle
Hilfe und für eine solche, erklärte ich, sei nur das Finanzmini-
sterium zuständig, der Botschafter hätte ja diesbezüglich bereits
einige Mal mit den österreichischen Stellen, u.a. auch ja mit
mir darüber verhandelt.
Der indonesische Minister Jusuf wurde, wie sein Begleiter uns mitteil-
te, in Rotterdam unterrichtet, dass Österreich eine Werkshalle in
Indonesien errichten würde. Gleichzeitig sollte auch ein Know-how
und ein Joint Venture zwischen einer österreichischen Elektro-
firma und einer indonesischen Firma in Arbeit sein. Peschke in-
formierte sich eingehend, konnte aber keine einzige Firma in Er-
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fahrung bringen, die diese Projekte tatsächlich derzeit be-
arbeitet. Die Indonesier konnten nämlich nicht einmal einen
Namen nennen.
Der kuwaitische Minister Aladasani war von der Handelskammer
eingeladen worden. d.h. die Einladung habe zwar ich ausgesprochen,
aber die Handelskammer übernimmt die Kosten. Die Handelskammer
will in den nahen Ostraum die Exporte wesentlich vergrösseren
und wird deshalb in Kuwait eine Ausstellung veranlassen, an der
sich 70 Firmen beteiligen werden. Schoeller wird mit einer grossen
Delegation nach Kuwait fahren. Kuwait ist durch seinen Ölreichtum,
welches zweifelsohne grosse Exportmöglichkeiten noch bietet,
die Einfuhr ist vollkommen frei, deshalb eine sehr starke Konkurrenz
zwischen den einzelnen Staaten, da die Zölle auch nur 4 % betragen.
Der Aussenhandelsstellenleiter in Beirut, Dr. Schneider, der an-
wesend war, hat auf mich einen sehr guten Eindruck gemacht, er
spricht nicht zuletzt auch Arabisch.
Der indische Minister Choudhury kam mit dem Gesandten, aber nicht
um mit mir Wirtschaftsprobleme zu besprechen, sondern um primär
einen Brief, den er von Frau Ministerpräsident Gandhi erhalten
hat, für Kreisky bei mir zu deponieren. Er hat angenommen, dass
er persönlich Kreisky den Brief übergeben könnte, da dieser aber
im Spital liegt, hat er ersucht, ich sollte das übernehmen. Der
Brief beinhaltet die Situation zwischen Indien und Pakistan. Da
der Minister aus dieser Gegend ist, schilderte er mit bewegten
Worten, wieso es zu dieser Entwicklung gekommen ist und dass
die 4 Mill. Flüchtlinge für Indien ein grosses Problem darstellen.
Ich ersuchte Wessely, gleich bei Beginn der Ausführungen sich
Notizen zu machen, da ich für diese Frage ja gar nicht zuständig
bin und den Aussenminister deshalb verständigen werde.
In der argentinischen Botschaft war ein Empfang für den Staatssekretär der Industrie, General Chescotta. Der Gastgeber kam
argentinischen Sitten entsprechend um 1 Stunde später als die
ganzen Gäste bereits anwesend waren. Ich benützte die Besprechung
um darauf hinzuweisen, dass Argentinien jetzt mit der Zollindex-
preiseinführung für Edelstähle die immerhin mit 67 Mill. fast
ein Drittel unserer Exporte nach Argentinien ausmachen, derzeit
eine Zollbelastung von 175 % ergeben. Der General versicherte mir,
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dass in den nächsten Tagen eine Verordnung erscheinen wird,
wonach in Hinkunft alle nicht in Argentinien erzeugten Stahl-
sorten zollfrei gestellt werden. In Argentinien wird nur derzeit
eine Stahlindustrie aufgebaut, deshalb würden sie diese entsprechend
schützen. Die Rohstahlerzeugung soll von einigen Hunderttausend
ich glaube 2–300.000 auf 3 Mill. t erhöht werden. Die Produktion
wird sich allerdings nur auf nichtlegierte Stähle beschränken.
Mein Hinweis, ob die argentinische Regierung beabsichtigt, in
dieser Stahlproduktion auch das LD-Verfahren einzuschalten,
ergab, dass er von diesem überhaupt nichts wusste. Er wird aller-
dings in kürzester Zeit die Leitung der Stahlwerke übernehmen.
Ich versprach ihm, dass die VÖEST sich mit ihm ins Einvernehmen
setzen wird.
Die Firma Berghofer hat einen Prototyp eines City-Loaders ent-
wickelt. Ursprünglich hätte ich durch den Brandt-Besuch dieser
Veranstaltung gar nicht beiwohnen können. Da aber Brandt abge-
sagt hat, ersuchte die Firma, ob ich nicht doch jetzt kommen
könnte und ich bin diesem Wunsch nachgekommen. Ich hielt mich
zwar nur 10 Minuten bei dieser Vorführung auf, konnte aber fest-
stellen, dass man sehr grosse Publicity dadurch erreicht. Da
ich bereit bin, dem Fernsehen und den Fotoreportern alle ihre
Wünsche zu erfüllen, kriegt man nicht nur ein sehr gutes Images,
sondern was noch wichtiger ist, man hat wirklich dort eine Massen-
wirkung, die in 10 Minuten Aufenthalt sonst nirgends zu erreichen
ist. Ich lege zwar keinen Wert darauf, aber Koppe wird eine
höllische Freude haben. Komm.Rat Piech, dem Besitzer von Berg-
hofer, hatte ich dann eine kurze Aussprache, indem ich ihn fragte,
ob man beim Handel doch so viel verdient, dass man das Geld in
eine Projekt hineinsteckt, von dem doch im Vorhinein man nicht
weiss, welchen Erfolg es tätigen wird. Piech meinte, dass man
halt Geld irgendwo zuerst investieren muss, um in Hinkunft Gewinne
zu machen. In Wirklichkeit dürfte er doch so gut verdienen, dass
er aus steuerlichen Gründen schon entsprechende Abschreibungsmög-
lichkeiten suchen muss.
Bei der vereinbarten Aussprache mit Sallinger und Mussil in
der Handelskammer war nur Mussil anwesend. Sallinger dürfte
mit den Parteitagsvorbereitungen sehr beschäftigt sein. Ich
erklärte Mussil die neue Änderung in unserer Geschäftseinteilung
und er versicherte mir, er würde dies nur durch Dr. Reiger, der
die Herren des Handelsministeriums sehr genau kennt, überprüfen
lassen und mir dann Bescheid sagen. Ich weiss, dass er mit meinen
bisherigen Entscheidungen personalpolitischer Art im Grunde genom-
men zufrieden war, auch dann wenn er natürlich wie z.B. beim Sekt.
Chef Jagoda, der als einzige Sozialist bis jetzt ins Ministerium
kam, nicht zustimmen würde. Die Handelskammer hat keine besonderen
persönlichen Beziehungen zu den einzelnen Beamten, weshalb ich
annehme, dass auch das neue Revirement die stillschweigende Dul-
dung bekommen wird. Ich verwies insbesondere darauf, dass die
ganze Angelegenheit kein Politikum ist, da ja alle davon Betrof-
fenen der ÖVP angehören. Sicherlich werden einige Beamte jetzt
sofort zu Mitterer laufen, der ja noch einen wesentlich besseren
Kontakt zum Handelsministerium hält, als irgendwer anderer.
Schwarz ist nicht nur ein fähiger Jurist, sondern auch ein Mann
mit grösster Loyalität dem die Interessen des Hauses über die
parteipolitischen Interessen gehen.
Da sich in der Osthandelspolitik insbesondere die Vorbehalte
mit dem Polen-Vertrag noch immer keine Übereinstimmung mit der
BHK und Min.Rat Fälbl erzielt werden konnten, schlug ich vor,
dass Gleissner mit Fälbl gemeinsam nach Polen zu den weiteren
Vorbesprechungen fahren sollte. Mussil war mit diesem Vorschlag
sehr einverstanden. Betreffend seines Wunsches, einen noch nicht
50-jährigen Kommerzialratstitel für einen Unternehmer, der nur
200 Leute beschäftigt, aber in seinem Wahlkreis domiziliert, will
ich ihm mitteilen, dass das Bundespräsident nur bei aussergewöhnli-
chen Umständen von der Altersgrenze absieht. Er nahm diese Ent-
scheidung zur Kenntnis, ersuchte nur um eine schriftliche Mittei-
lung.
Das Österreich-Haus in New York wird von ihm positiv befürwortet.
Ich wies nur darauf hin, dass man für die Übergangszeit ja
immerhin noch Jahre brauchen wird und daher doch das Lokal in
der Fünften Strasse weiterhin mieten sollte. Er wird neuerdings
mit Dr. Zedek sprechen.
In der Gewerbeordnungsfrage kommen – wie er sich ausdrückte –
die Fachgruppen jetzt alle einzeln ins Ministerium um ihre
Wünsche zu deponieren. Ich versicherte ihm, dass alle diese
Wünsche bei Jagoda abgegeben werden können und auch mit diesem
diskutiert werden. Jagoda selbst hat mir aber schon erklärt,
dass er die koordinierte Stellungnahme der BHK abgewartet wird, be-
vor die endgültige Regierungsvorlage ausgearbeitet werden wird.
Komm.Rat Fröhlich hat Mussil jetzt die Schweizer Regelung zuge-
schickt. Danach gibt es in 6 Kantonen jetzt einen Numerus clausus
im Gast- und Schankgewerbe. Doch die Hotels hätten eine freie
Entfaltungsmöglichkeit. Scheinbar ist Mussil mit den Gastwirten
unter einem sehr starken Druck und versucht jetzt von seinem
Konzept dass auch in dieser Sparte der Lokalbedarf wegfallen soll
Einschränkungen zu machen. Ich erklärte ihm, dass eine solche
Möglichkeit derzeit nicht besteht, sondern dass ich höchstens
bereit bin, durch Verschärfung des Befähigungsnachweises wirk-
lich nur tüchtige Leute in dieser Branche sich selbständig machen
können.
Mussil urgierte das seinerzeitige Verlangen, wonach am 20.6.
1970 vom Fachverband verlangt wurde, dass die Herrenhüte aus
der Vertragszollregelung für GATT gekündigt werden sollten.
Ich hatte damals darauf hingewiesen, dass eine solche Forderung
im GATT nur grossen Unwillen auslösen wird und ich deshalb nicht
von vornherein bereit sei, diese Forderung zu erfüllen. Mein
Verlangen, dass man zuerst in Italien und der BRD, wo die Haupt-
interessenten sitzen, vorfühlen sollte, hat nun ergeben, dass
diese beiden Staaten nach Auskunft der AH-Stellen nichts gegen
eine solche Forderung im Rahmen des GATT einzuwenden haben. Ich
bin nicht sicher, dass dies zutrifft und eigentlich sehr abgeneigt,
eine Zollkündigung im GATT anzustreben. Willenpart, soviel ich
weiss, teilt diese Meinung.
ANMERKUNG FÜR WANKE: Bitte, Willenpart davon verständigen.
Mussil wollte wissen, wann endlich die Benzinpreisregelung von
mir erfolgen wird und hat aber angenommen, dass dies frühestens im
Herbst der Fall sein wird. Ich wies darauf hin, dass ich auf die
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gesetzliche Ermächtigung warte, bleiärmeres Benzin zu verordnen,
wobei ich als Seitenhieb gleich darauf hinwies, dass ich die
Forderung der Frau Dr. Hubinek, die im NR immer wieder entsprechende
Anfragen richtet, nicht erfüllen werde, sondern eine Regelung an-
strebe, die auch die Ölindustrie für möglich betrachtet. Ich würde
also Qualitätsverbesserungen mit einer eventuellen Preisregulierung
verbinden. Darüber hinaus erklärte ich ihm, dass ich ein Tankstellen-
konzept von den Tankstellen erwartet habe, es aber bis heute noch
nicht gekommen ist. Ich werde deshalb diesen Firmen ein eigenes
Tankstellenkonzept übermitteln. Mussil meinte, dass man seinerzeit
daran gedacht hätte, den Tankstellen einen ähnlichen Gebietsschutz zuge-
ben wie es die Filialen der Kreditinstitute derzeit haben. Man wollte
damals die Tankstellen konzessionieren und mit Lokalbedarf eine ent-
sprechende Regulierung herbeiführen. In einzelnen Bundesländern wird
mit verkehrspolitischen Vorschriften ein ähnliches Konzept verfolgt.
Meine Absicht, erklärte ich Mussil, besteht nicht darin, durch admini-
strative Massnahmen hier etwas zu erzwingen, wozu ich gesetzlich gar
nicht die Möglichkeit habe, sondern dass ich durch Überredung und
durch Überzeugung glaube, dass man ein Konzept festlegen sollte.
Letzten Endes würde, wenn Übereinstimmung zwischen den derzeitigen
Tankstellenpächtern und -haltern und den Ölfirmen und dem Handelsmini-
sterium erreicht wird, das Image der Ölfirmen wesentlich besser werden.
Derzeit habe sie ungefähr schon dieselben Eindrücke in der Öffent-
lichkeit gemacht wie die Kreditinstitute, von denen man sagt, auf jedem
schönen Platz wird eine neue Filiale errichte, hier eine neue Tank-
stelle errichtet, und ein Bedarf besteht dafür nach Auffassung der
Bevölkerung auf gar keinen Fall. Der Wettbewerbsausschuss wird derzeit
nach Auffassung von Mussil viel zu aktiv und progressiv gearbeitet.
Welser filzt die Firmen, meinte er. Er betätigt sich als ein Wirt-
schaftsspitzel und veranstaltet Hearings. Welser würde deshalb auf
die schwarze Liste gesetzt werden. Der Vorsitzende des Wettbewerbs-
ausschusses und Obmannstellvertreter des Vereins für Konsumenten-
information und gleichzeitig auch Vorsteher der Sektion Handel in
der Wiener Kammer Dr. Ebert, sei von der Bundeskammer bereits
zurückgepfiffen worden. Die Handelskammer führt jetzt – wie das jetzt
auch in Frankreich und Amerika üblich ist – sogenannte Good-will-Ge-
spräche zwischen den Handelsvertretern und den Produktionsbetrieben
um hier zu einer einvernehmlich friedlichen Lösung der Probleme zu
kommen. U.a. hat sich Unilever und auch Persil, Lobner, bei mir be-
schwert, dass die Billa, d.h. die Handelsketten so progressive und
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aggressive Einkaufspolitik betreiben. Sie erklären der Waschmittel-
industrie, aber auch anderen Produzenten, dass sie bereit sind,
ihr ganzes Lager aufzukaufen, wenn sie einen 40 %-igen Rabatt darauf
bekommen. Die Industrie nützt natürlich solche Geschäfte, um ihr
Lager loszuwerden und dann haben diese Diskonter entsprechend billige
Einstandspreise. Ich schlug Mussil vor, zu diesen Besprechungen
Welser einzuladen, auf alle Fälle werden wir mit unserer bisherigen
Arbeit fortfahren.
Da bis jetzt die Ski-Nettopreisverordnung nicht erschienen ist, hofft
er, dass diese auch nicht kommt. Ich erwiderte sofort, dass ich ihn bei
der letzten Paritätischen Kommission bereits mitgeteilt habe, dass ich
nur noch den Abverkauf der derzeitigen Lager zuwarte, da die BHK
mich darum ersucht hat, aber jetzt nachdem die Skiproduzenten die
Handelsspannen von 32 auf 34 % erhöht haben, auf alle Fälle eine
Nettopreisverordnung in Kürze erscheinen wird.
ANMERKUNG FÜR KOPPE: Bitte, feststellen, wieso eine solche bis
jetzt noch nicht auf meinem Schreibtisch zur Unterschrift liegt.
Mussil urgierte auch, wann endlich der neue Tarif für den Strassen-
güterverkehr von mir unterschrieben wird. Ich verwies darauf, dass
der ÖBB-Vorstand eine Tariferhöhung beschlossen hat und ich erst
bereit sein werden, den Strassengütertarif zu unterschreiben, bis
der neue Tarif von der ÖBB in Kraft tritt. Ich glaube nämlich, dass
es ganz sinnlos ist, wenn nicht beide gleichzeitig vorgehen, dass
der Strassengütertarif erhöht wird, weil er doch nur dann so wie bis
jetzt bereits von den Fuhrwerkern unterfahren wird. Ich kenne keinen,
der nach dem Strassengütertarif derzeit seine Frachtsätze berechnet,
sondern jeder unterfährt bereits jetzt den niedrigen Tarif. Mussil
wies darauf hin, dass die ursprüngliche Forderung von 30 % durch die
BHK schon wesentlich reduziert wurde. Die Forderung der Spediteure,
die Verlader an den Tarif zu binden durch eine eigene Kontrollkommis-
sion zu kontrollieren, wird von der BHK nicht gutgeheissen, obwohl
sie sich öffentlich noch nicht dagegen ausgesprochen hat. Mussil ist
der Meinung, dass wir beide, das Handelsministerium und die Bundes-
handelskammer, mit den Spediteuren ganz grosse Schwierigkeiten haben
werden.
Mussil nahm mit Befriedigung zur Kenntnis, dass wir gegen die
deutsche Weinmarktordnung protestiert haben. Er ersuchte aber auch
gleichzeitig, dass wir die Stellungnahme des Handelsministerium
zum österreichischen Weinhandelsgesetz ihm übermitteln sollten.
Die Vertreterin des Fessel-Institutes, Dr. Moser, hat sich bei ihm
beschwert, dass wir derzeit nur dem IFES Aufträge erteilen. Ich
erklärte sofort, dass dies nicht stimmt, sondern dass wir auch andere
Institute einschalten. Wie er mir versicherte, und seine Sekretärin
bestätigte dies, sollte ich die Vertreterin unbedingt empfangen,
denn diese sei eine bildhübsche Frau und es sei sehr angenehm,
sich mit ihr zu unterhalten. Ich habe Dr. Wanke ersucht, Frau
Dr. Moser entsprechend aufzuklären.
In Zwettl will Ergee einen Zweigbetrieb errichten und ausserdem
soll eine Munitionsfabrik mit einer Schweizer Firma gemeinsam
am Truppenübungsplatz Allentsteig errichtet werden. Die Gemeinde
müsste 3 Mill. S Investition bereitstellen und ersucht um einen
diesbezüglichen Zuschuss. Mussil wird einen Brief an mich schreiben.
Er erkundigte sich auch, wie weit die Ehrenzeichenverleihung an
Komm.Rat Herber bei uns gediehen sei. Der Versuch, die zuständigen
Beamten zu fragen, scheiterte daran, dass sie bereits ausser Haus
waren.
Komm.Rat Rabus, der Generaldirektor von Steyr-Daimler-Puch, hat
mich ersucht, ich sollte mich bei der Präsidentschaftskanzlei ein-
setzen, dass der ungarische Ministerpräsident, der vom Handels-
minister begleitet wird, bei seinem Staatsbesuch nicht nur die
VÖEST sondern auch die Steyr-Werke besucht. Die Steyrer-Werke haben
eine grosse Kooperation mit den ungarischen Ikarus-Werken und er-
zeugen im Joint venture die Autobusse. Rabus beschwerte sich,
dass immer nur die VÖEST besichtigt wird und die Steyr-Werke
doch immerhin auch Steuerzahler sind. Er erklärte mir, dass ich
der einzige Mann sei, der hier vielleicht noch etwas ändern könnte.
Ich setzte mich sofort mit der Präsidentschaftskanzlei ins Einverneh-
men und Dr. Trescher rief mich spät abends an, um mir zu erklären,
warum Steyr nicht auf dem Besuchsprogramm steht. Ich wies darauf
hin, dass ich grössten Wert darauf lege, dass Steyr aufgenommen
wird, denn die Kooperation sei für uns ein mustergültiges
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Beispiel und würde noch weiter ausgebaut werden. Ausserdem verwies
ich darauf, dass der ungarische Handelsminister wahrscheinlich gröss-
ten Wert darauf legen würde, mit dem Präsidenten zu zeigen, mit welchen
Firmen Kooperationen und Verhandlungen bestehen. Der Hinweis Treschers,
dass auch die VÖEST nach Ungarn verkauft, konnte insofern von mir ent-
kräftet werden, dass ich erklärte, dass die VÖEST ja in die ganze
Welt verkauft. Ausserdem wird die VÖEST ja fast bei jedem Besuch
immer wieder als Demonstrationsobjekt herangezogen. Ich hoffe, dass
es mir gelungen ist, Trescher zu überzeugen, dass doch alles daran
gesetzt wird, um den schon abgegebenen Programmentwurf zu ändern
und die Steyr-Werke noch einzubauen. Als ich von dieser Besprechung
die Steyr-Werke verständigen wollte, war auch kein Mensch mehr anwesend.
Ich habe wirklich das Gefühl, dass Politiker und insbesondere Spitzen-
politiker verhältnismässig am längsten am Tag arbeiten und dafür,
abgesehen von der verhältnismässig nicht sehr überwältigenden Bezahlung
auf die Stunde gerechnet, noch immer Schimpfer einstecken müssen. Dies
sage ich nicht, um mich zu beklagen, sondern nur um festzustellen, wie
ich die derzeitigen Verhältnisse wirklich sehe und wie sie glaube ich
auch wirklich sind.
Tagesprogramm, 2.6.1971
hs. Notizen (Tagesprogramm Rückseite)
Unterlage für Gespräch mit Gen.Sekr. Mussil