Dienstag, 22. Juni 1971
Im Unterausschuss des Handelsausschusses über die KF-Gesetznovelle
wurde materiell nur mehr der Meißl-Antrag behandelt. Meißl wollte
bereits beim letzten Mal einen Antrag einbringen, wonach für Regierungs-
fahrzeuge, aber auch für die Fahrzeuge der Hohen Gerichtshöfe und der
Landesregierungen keine Decknummer mehr abgegeben werden darf. Ich
selbst finde es ja für vollkommen blöd, dass wir für diese Autos zwei
Nummern haben, eine sogenannte Regierungsnummer, meistens eine einstellige,
maximal zweistellige Zahl und eine Decknummer, die meistens eine vier-
stellige Zahl hat. Ursprünglich hat sich der Vorstand des Klub gegen
einen solchen Antrag ausgesprochen, aber im Laufe er Zeit hat es sich
scheinbar dann gewandelt, denn Hobl erklärte dann namens der soziali-
stischen Fraktion, dass sie im Prinzip dem Antrag Meißls zustimmt.
Nur aus Sicherheitsgründen müsste der Innenminister darauf bestehen,
dass Decknummern auf alle Fälle existieren. Angeblich würde ansonsten
die Gefahr bestehen, dass irgendein Querulant oder Psychopath erkennen
könnte, dass es sich hier um ein Regierungsauto handelt und den Insassen
entsprechend attackieren könnte. Andererseits müsste bei dienstlichen
Fahrten die Polizei oder Gendarmerie die Möglichkeit haben, zu erkennen,
dass es sich hier um ein Dienstauto handelt und den Betreffenden dann
in die Absperrungen oder Zufahrten zu besonderen Anlässen passieren las-
sen. Meißl selbst änderte seinen Antrag entsprechend ab und es wurde
beschlossen, dass die Regierungsautos so wie bisher Decknummern haben
können, dass aber auf die Autos sowie auf alle anderen Autos, die dem
Staat gehören, das Pickerl "Dienstfahrzeug" angebracht werden muss. Nur
bei Benutzung der Regierungsnummer kann eine diesbezügliche Kennzeichnung
für diesen Zweck entfallen.
In der Ministerratssitzung wurde dann beschlossen, dass die Bundesregierung
auf alle Fälle, bevor das Parlament noch diese Regelung, die mit 1.1.1972
in Kraft tritt, sowie die gesamte Kraftfahrzeug-Gesetznovelle ab sofort
und in jedem Fall das Fahrzeug als Dienstfahrzeug kennzeichnen wird.
Hannes Androsch kam wieder mit seinem vernünftigen Vorschlag, dass man
überhaupt die Dienstfahrzeuge abgeben sollte und ein jeder Minister – so
wie er heute eine Wohnungspauschale hat – eine Autopauschale erhalten soll.
Er könnte dann sich ein Fahrzeug beilegen, das ihm entspricht und voll-
kommen unabhängig sein von den Anschaffungen des Amtes. Im Hinblick aber
darauf, dass dann neuerdings erklärt würde werden, wieviel steuerfreie
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Bezüge die Minister haben, wurde dieser Vorschlag von fast allen abge-
lehnt. Ich habe mich bereits bei unserem Amtsantritt für diesen Vorschlag
Androsch's ausgesprochen. Auch in dem höchsten Gremium der Republik,
nämlich in der Bundesregierung, gibt es – ohne dass es darüber einen Streit
gegeben hat – das Problem, das ich bis jetzt in jeder anderen Institution
auch kennengelernt habe. Die Dienstautos und die Dienstreisen und die Dienst-
bezüge werden ganz besonders immer behandelt, da sie in der Öffentlichkeit
ja auch wahrscheinlich am meisten Aufsehen erregen. Ob gut gearbeitet wird
oder schlecht gearbeitet wird, ob jemand vielleicht sogar Milliarden Schil-
ling unzweckmässig verwendet, d.h. also durch falsche Entscheidungen einen
ungeheuren Schaden macht, das ist nicht so entscheidend. Entscheidend ist
ob er ein Dienstauto fährt, wieviele Dienstreisen er macht und ob seine
Dienstbezüge nicht vielleicht zu hoch liegen. Wenn man bedenkt, dass aber
von der Diskussion nicht nur primitive Menschen aufgewühlt werden, sondern
auch z.B. von der Arbeiterkammer Dr. Zöllner, ein genauso heftigster Ver-
fechter der Theorie, die Politiker müssen sich einschränken, d.h. voll-
kommen gleichgestellt werden mit den anderen Menschen, dann kann man sich
über eine solche Einstellung nur wundern. Nicht dass ich besonderen Privi-
legien das Wort sprechen möchte, ganz im Gegenteil glaube ich also doch,
dass hier an dem wirklichen Problem und an der Sache vorübergeredet resp.
vorübergedacht wird. Ich sehe in dieser Entwicklung eine gewisse Gefahr.
Im Ministerrat teilte in mündlichen Berichten der Finanzminister Androsch
seine grundsätzlichen Richtlinien für das Budget 1972 mit, das Defizit
soll sich in der Grössenordnung des Defizits 1971 halten und über die
Schwerpunkte werden die Minister im September Einzelbesprechungen noch füh-
ren. Das 10-jährige Investitionsprogramm, das nach den Richtlinien der
Ressorts erstellt worden ist und mit dem Wasserwirtschaftsfonds und der
Wohnbauförderung 304 Mia. real in 10 Jahren ausmachen sollte, wurde von
ihm berichtet und zur Kenntnis genommen.
Kirchschläger berichtete, dass die Vermögensverhandlungen mit der CSSR,
die Wien hätten beginnen sollen, auf unbestimmte Zeit vertagt wurden.
Angeblich ist der AZ-Artikel über den Zick-Zack-Kurs Husaks schuld. Tat-
sächlich ist es immer – wenn es zu konkreten Verhandlungsergebnissen in
der Vermögensfrage gekommen wäre – von den Tschechen die Verhandlungen
abgebrochen worden. Kirchschläger wird deshalb den csl. Botschafter zu
sich bitten und ihm sein tiefstes Befremden über diese Vorgangsweise aus-
sprechen. Ich berichtete über den Vertrag mit Iran, wobei ich insbesondere
darauf hinwies, dass eine Ausdehnung des Handels überhaupt nur möglich ist
wenn es zwischen der ÖMV und der iranischen Nationalölgesellschaft zu einem
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Arrangement kommt. Nur dann, wenn die ÖMV grössere Ölmengen abnimmt.
kann es zu einer Ausdehnung des iranisch-österreichischen Handels kommen.
Frühbauer berichtete über die Verkehrsminister-Tagung in Madrid, wo insbeson-
dere die Diskussion über die Geschwindigkeitsbeschränkung eine Rolle ge-
spielt hat. Belgien wird jetzt 90 km einführen, weil man mit einer Geschwin-
digkeitsbeschränkung angeblich sehr gute Erfahrungen bei der Verminderung
der Verkehrsunfälle gemacht hat. Auch die Schweiz, die BRD, Grossbritannien
Schweden, Irland und Frankreich stehen einer solchen Geschwindigkeitsbe-
schränkung positiv gegenüber. Eine Diskussion hat es auch gegeben, ob man
den seinerzeitigen Beschluss, eine Achslast von 13 t auf den Strassen zu-
zulassen, nicht wieder auf die seinerzeitige Höchstanzahl von 10 t zurück-
kehren sollte.
Ein schriftliche Bericht über die Verlegung des Güterbahnhofes von Bregenz
nach Wohlfurt, der 1 Mia. S kosten wird, wurde zur Kenntnis genommen. Die
Bundesregierung investiert verhältnismässig sehr viel im Bundesland Vorarl-
berg. Kreisky verspricht sich nämlich ein Mandat und möchte deshalb in
diesem schwarzen Ländle beweisen, dass die jetzige Regierung mehr macht und
aufgeschlossener ihren Wünschen gegenübersteht, als die jemals eine an-
dere Regierung gewesen ist. Ich fürchte, dass es zusammengefasst eines
der teuersten Mandate sein wird. Vom Verkehrspolitischen Standpunkt sind
diese Investitionen sicher langfristig positiv zu beurteilen, ebenso
wie ein beabsichtigtes Arlberg-Tunnel-Projekt. Vom kurzfristigen Standpunkt
allerdings frage ich mich, ob wir nicht andere Investitionen in Österreich
dringender benötigen würden.
Anschliessend an die Ministerratssitzung fand eine neuerliche Minister-
ratsbesprechung ohne die Beamten des BKA statt und Kreisky schlug vor,
dass wir jetzt mit der ÖVP im Parlament über das Budget Verhandlungen
führen werden. Er schlug diese Verhandlungen ein kleines Komitee vor,
das den Kanzler, den Vizekanzler, den Finanzminister und den Handels-
minister umfassen sollte. Ich bin neugierig, wenn es zu diesen Besprechungen
kommt, ob es dann tatsächlich zu dieser Zusammensetzung kommen wird.
Die zu erwartende Wirtschaftsdebatte, wenn die Bundesregierung einen Bericht,
der von ihr mit einem Entschliessungsantrag verlangt wird, muss von der
gesamten Regierung geführt werden, d.h. es werden nicht nur die Wirtschafts-
minister sich einschalten. Die Überlegung geht dahin, dass – wenn man z.B.
über zu hohe Ausgaben des Staates klagt, dass dann der Unterrichtsmini-
ster ebenfalls in die Debatte ganz kurz eingreift und fragt, ob z.B. seine
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Schulbauten nicht durchgeführt werden sollten. Der Juli wird vielleicht
kein heisser Monat, aber sicherlich heisse Debatten im Parlament ergeben.
Kreisky ersuchte mich, bei einer Vorsprache des Bundes demokratischer
Frauen bei ihm zu bleiben. Die Delegationen aus 5 Frauen hatte 10.000
Unterschriften vorgelegt. Am Ballhausplatz demonstrierten ich glaube un-
gefähr 30 Frauen. Sie hatten an die Unterschriftgebenden Karten ausge-
teilt, auf denen draufstand, dass sie sich für einen Preisstopp gegen Kar-
telle und Preisabsprachen für eine gesetzliche Einsicht in die Preis-
kalkulationen und für eine gesetzliche Beschränkung der Handelsspannen
aussprechen. Die Diskussion verlief genau so wie die in meinem Ministerium
bei solchen Vorsprachen. Kreisky agierte sehr geschickt, in dem er auf
die persönlichen Verhältnisse einer jeden einzelnen Debattenrednerin ein-
ging, und ich ergänzte seine Ausführungen sachlich. Wenn dies nicht alles
so gewiegte kommunistische Funktionärinnen wären, bin ich überzeugt,
würden sie zurückgehen und sagen, dass Kreisky wirklich alle die Probleme
nicht nur mit ihnen besprochen hat, sondern sie selbst den Eindruck haben,
dass wirklich diese Regierung alles macht und insbesondere durch seinen
Charme, mit dem er die Diskussion führte, dann die begeistertsten Prediger für
ihn wären.
Zur Durchführung der Industriestudie des Wirtschafts- und Sozialbeirates
habe ich alle Stellen, die mit Finanzierungsfragen sind, auch die Arbeitsmarkt-
verwaltung, den gewerblichen Forschungsfonds, die Interessensvertretung
eingeladen zu einer Sitzung. Das erste Mal ist wirklich die erste
Garnitur erschienen, sowohl vom ERP-Fonds, als auch vom E+E-Fonds und
auch von der Investitionskredit AG als auch von der Kommunalkredit AG
und von den Sozial- und Finanzministerium kamen die höchsten Beamten,
resp. Direktoren. Minister a.D. Korinek, der die Bürges vertrat, teilte
mit, dass in unserer Zusammenstellung einige Fehler sind. Ebenso hat
Dr. Staringer vom FM für die Exportförderungkredite einige kleinere Fehler
entdeckt. Ich dankte für diese Aufmerksamkeit und habe ersucht, man möge
uns alle Wünsche diesbezüglich mitteilen, die in diese neue Publikation
aufgenommen werden sollen. Die Bundeskammer hat bis jetzt ein Ring-Buch heraus-
gegeben, wo alle Kreditaktionen angeführt wurden, aber doch nur sehr unzuläng-
liche Erklärungen zu finden sind. Wir werden deshalb mit der Bundeskammer,
Dr. Klose hat einen solche Wunsch geäussert, gemeinsam diese Publi-
kation herausgeben.
ANMERKUNG FÜR KOPPE: Bitte Überlegungen anstellen, wie weit wir propagan-
distisch die enge Verbundenheit zwischen BHK und HM durch eine gemeinsame
Herausgabe nützen können.
Die Wünsche, die
Dr. Klose zu den einzelnen Referaten der Institute anmeldete, resp.
in seinem eigenen Referat dann stellte, gipfelten darin, dass er
gegen eine weitereichende Kontrolle bei der Kreditvergabe sich ausge-
sprochen hat. Unser Vorschlag, die Anmeldeformulare zu vereinfachen
und womöglich einheitlich zu gestalten, fand die Zustimmung. Allerdings
wurde festgehalten, dass man nicht vergessen darf, dass es vereinzelte
Richtlinien und in den einzelnen Instituten den Organen nach wie vor
möglich sein muss, aus dem Fragebogen die entsprechenden Entschlüsse
fassen zu können, ob und inwieweit der Werber einen Kredit bekommen kann.
Das Ergebnis dieser zweieinhalbstündigen Aussprache bestand darin,
dass wir einen Arbeitsausschuss einsetzen, der diese Problem studieren
soll und diesbezügliche Vorschläge für die nächste Sitzung vorbereiten
soll. Einen genauen Termin für.die nächste Sitzung habe ich deshalb nicht
festgelegt, weil es sich ja wahrscheinlich auf so lange Frist überhaupt
kein Termin finden lässt. Für die erste Sitzung war dies ein grosser
und gewaltiger Auftakt, ich glaube aber, dass wir auch auf die Dauer
kaum werden auf diesem Niveau weitere Besprechungen führen können. Ich
glaube überhaupt, dass es notwendig sein wird, auf diesem Sektor ganz
konkrete Unterlagen zur Diskussion zu stellen. Die Hauptschwierigkeit
wird aber darin liegen, dass natürlich das Finanzministerium mit Recht
sagen wird, dass 99 % der besprochenen Fragen in ihre Kompetenz fällt.
Ich habe deshalb Neudörfer sofort angeboten, bei ihm im FM eventuell
die nächste Sitzung abzuhalten. Er hat dies allerdings glaube ich als
Geste akzeptiert, aber im Prinzip gemeint, wir könnten selbstverständlich
bei uns im Handelsministerium diese Sitzungen weiter führen. Wenn es zwi-
schen Androsch und mir nicht ein so gutes Einvernehmen gäbe, glaube ich,
wäre dies ein ausgesprochener Kriegsgrund über die Kompetenzfrage der
beiden Ministerien. In der Diskussion fragte insbesondere Kottulinsky
welchen konkreten Absichten diese Besprechung hat und wie es in Hinkunft
weitergehen soll. Ich glaube, dass er als erster, andere vielleicht dann
auch, aber sie haben sich nicht zu Wort gemeldet, erkannt hat, dass
wir hier in Wirklichkeit nur rumreden. Sicherlich konnte ich die Angriffe
bezüglich der Branchenreferate leicht parieren, wobei allerdings Grumbeck
von uns den Fehler machte, dass er darauf hinwies, dass Branchenreferate
notwendig sind, aber in Wirklichkeit alles über die Koordinationsstelle
bei ihm laufen müsste. Der Wunsch Kloses, dass man hier an die Betriebe
als Branchenreferate nicht herantreten sollte, sondern nur eine makro-
ökonomische Industriepolitik betreiben sollte, replizierte Grumbeck
ganz geschickt, dass dies in der OECD in allen Staaten geschieht, dass
die Betriebe nicht belästigt werden. Klose konnte dann einen Brief vom
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16. Juni also ganz neuen Datums vorweisen, wo Fragen an Unter-
nehmungen gerichtet werden. Grumbeck, der eigentlich die Koordi-
nierung durchführen müsste, hat davon überhaupt nichts gewusst.
ANMERKUNG FÜR WANKE: Bitte, in Hinkunft trachten, dass solche faux
pas nicht mehr passieren, nämlich dass im Hause nicht richtig koor-
diniert wird.
Die Verbändebesprechung im Finanzministerium benützte ich dazu, um
die Liberalisierungsabsichten, die mit 1. Juli in Kraft treten soll-
ten, den Verbänden zur Kenntnis zu bringen. Mussil reagierte
natürlich wie erwartet ausgesprochen sauer und erklärte, dass es
noch niemals der Fall war, dass aus politischen Gründen im Verbände-
komitee die Interessensvertretung nicht einmal Gelegenheit hat zu den
Vorschlägen Stellung zunehmen. Er erbat sich eine 48-stündige Begut-
achtung. Wir einigten uns dann, dass ich den Erlass erst am nächsten
Tage weiterleiten würde und er noch Gelegenheit haben wird, in der
Paritätischen Kommission am Mittwoch über dieses Problem zu sprechen.
Ich glaube wirklich, dass wenn wir den Erlass, ohne ihn zur Kenntnis
zu bringen, wie sogar teilweise von Koppe und Wanke beabsichtigt,
wenn wir diesen Erlass, ohne ihnen eine Stellungnahme zu ermöglichen,
hinausgehen, dass es sich dann um einen echten Kriegsgrund handeln
würde. Ich habe zwar abgelehnt, dass meine Entscheidung auf ein ÖVP-,
nämlich das Antiinflationsprogramm zurückgeht, doch haben natürlich
die anderen dies herausgestrichen und die Handelskammer war in dieser
Frage in einer unguten Situation. Mit Recht hat Mussil darauf hingewie-
sen, dass bis jetzt immer in den Verbändebesprechungen aber auch
in den Interessensvertretungsbesprechungen innerhalb der PK Wünsche
resp. Angriffe von Parteien niemals die Grundlage von Verhandlungen
bildeten. Ich war deshalb sehr froh, dass ich diesen ÖVP-Hinweis
aus dem Papier entfernt habe. Ich glaube auch, dass es zielführender
ist, wenn wir am Mittwoch in der PK über diese Probleme verhandeln.
Natürlich fürchte ich, dass ich dann in einer gewissen Beziehung in
dem einen oder anderen Punkt werde nachgehen müssen. Da ich aber
von den Massnahmen nicht sehr überzeugt bin, dass sie wirklich eine
grosse Preisdämpfung ausüben, glaube ich müsste uns in der Erhaltung
des Klimas zwischen Handelskammer und Ministerium mehr liegen als
ein rein optischer und vielleicht höchstens Teilerfolg in der Preis-
bekämpfung.
Die vom Finanzminister vorgeschlagenen Punkte betreffend die Schil-
lingaufwertung, insbesondere die damit im Zusammenhang gar nicht stehen-
den Erhöhungen der Abschreibungsmöglichkeiten wurde von der HK und
der Industriellenvereinigung aber auch von der Landwirtschaftsseite
als positiver bezeichnet und akzeptiert. Natürlich hätte die BHK, es
war sogar VP Seidl anwesend, gerne noch für die Industrie eine bessere
Lösung gehabt. Seidl hat insbesondere darauf hingewiesen, dass diese
Massnahmen für alle Industriebetriebe Vorteile bringen, d.h. nicht
nur für die Exportindustrie und dass daher die letztere, die eine
dringendere Unterstützung erfährt, gar nicht zu gut abschneidet.
Bei einer Vorbesprechung hat der Gewerkschaftsbund – Tommy Lachs war
ganz bescheiden nur angekündigt, dass er im Zuge der sozialen Symmetrie
in der Sitzung verlangen wird, dass auch für die Lohnsteuerpflichtigen
etwas geschehen muss. Androsch hat in der Presse gerade vom heutigen
Tage eine Tabelle veröffentlicht, wo ersichtlich ist, dass die Lohn-
steuer natürlich wesentlich mehr gestiegen ist als alle anderen Steuer.
Lachs hat dann akzeptiert, dass er eine solche Symmetrie als Gutpunkt zu-
mindestens anmelden wird. Wenn ich mir vorstelle, dass früher ein
Finanzminister aus verständlichen Gründen der Industrie mehr Zusagen
machte und Entlastungen gibt, dann der ÖGB und die AK aufgeführt
hätten, dann glaube ich, dass man wirklich sagen, auch für die Industrie
ist in der sozialistischen Regierung ein wesentlich besseres Klima
und es sind Teilerfolge zu erzielen, ohne dass andere Gruppen wie z.B.
die Arbeitnehmer automatisch dafür etwas anderes dafür etwas verlangen.
Die BHK rechnet, dass ihnen durch die Zollfreizonen-Regelung ein Ver-
lust von 400 Mill. S Umsatzsteuervergütungen entgeht. Durch die Auf-
wertungsverluste rechnet sie, dass sie 280 Mio. S bei Verrechnungs-
dollar zu verzeichnen hat. Demgegenüber würde die Erhöhung des Satzes
für vorzeitige Abschreibungen für unbewegliche Güter von 20 auf 25 %,
die Androsch mit einem Steuerausfall von 420 Mill. S schätzt, sowie
aus den betriebseigenen Wohnstätten die von 20 auf 50 % die vorzeitige
AfA erhöht werden soll, sowie der 20 %-ige Investitionsfreibetrag
also diese 3 Massnahmen nur 700 Mill. S bringen. und kann in Wirklichkeit
natürlich ausrechnen auf die Million genau, wieviel Profit bei dieser
Regelung für die Unternehmungen drinnensteckt. Da die Bundesregierung
in der Nacht bei der Aufwertung versprochen hat, die Industriewünsche
in diesen Fragen zu berücksichtigen, muss nun ein Kompromiss gesucht
werden. Ich gebe zu, dass mich das massvolle Verhalten von AK und ÖGB
in dieser Frage sehr überrascht hat. Ich bin noch nicht ganz sicher,
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ob nicht im Laufe der Parlamentsdiskussion oder im Laufe von
Besprechungen zwischen Regierung und Gewerkschaftsbund auf höchster
Ebene andere Forderungen noch kommen werden. Ich kann mir sehr
gut vorstellen, dass Lachs im Gewerkschaftsbund einen diesbezüglich
schweren Stand hat und er wirklich bestrebt ist, Benya von der Not-
wendigkeit dieser Massnahmen zu überzeugen. Da der ÖGB aber an
einer vernünftigen Industriepolitik auch interessiert ist, müsste
es doch gelingen, einen Akkord in dieser Frage herbeizuführen.
Beim Empfang anlässlich der Verkehrssicherheitskonferenz, den ich
im Palais Pallavicini geben musste, hatte ich Gelegenheit mit Sekt.Ch.
Jagoda und Min.Rat Metzner über die Verkehrsprobleme im einzelnen zu
reden. Insbesondere war Metzner sowie Jagoda davon überzeugt, dass
es uns gelingen müsste im Gelegenheitsverkehrsgesetz den Initiativ-
antrag von Mussil die Zähne entsprechend zu ziehen. Metzner hofft
noch immer, dass bei der neuen Kompetenzverteilung doch die Fragen des
Güterwesens der Strasse und insbesondere jetzt auch des Personenver-
kehrs der Strasse, soweit sie die gewerberechtliche Seite betrifft, bei
uns bleiben sollte. Ich habe ihm zwar auseinandergesetzt, dass wir
alles daran setzen werden, dass er bei uns im Ministerium bleibt, aber
in der Kompetenzfrage wird sich kaum etwas ändern, es sei denn, im
Parlament wenn es zu einer diesbezüglichen Verhandlung kommen wird, wer-
den andere Beschlüsse gefasst.
Tagesprogramm, 22.6.1971
hs. Notizen (Tagesprogramm Rückseite)
Tagesordnung 58. Ministerratssitzung, 22.6.1971
Inf. Rückzug TOP 19