Dienstag, 20. Juli 1971
Die ÖVP-Belangsendung bringt wieder das Interview mit der Abgeord-
neten Hubinek. Am Mittwoch früh um 6 Uhr d.h. eine Wiederholung: –
"Sicher war dies mit ein Grund, denn die Preisentwicklung wächst ihr
einfach über den Kopf. Über diese Tatsache kann Dr. Kreisky auch
mit seinen preispolitischen Rösselsprüngen nicht hinwegtäuschen
wie etwa der von ihm praktizierten Indexkosmetik. Die Frauen haben
diese Taktik längst durchschaut und lassen sich damit nicht bluffen.
Nun aber versucht die Regierung, anstatt Massnahmen zu setzen, sich
der Verantwortlichkeit durch eine Flucht in Neuwahlen zu entziehen."
Sie hörten eine Sendung der Österreichischen Volkspartei. –
Hubinek hatte ich im Parlament über die Unrichtigkeit ihrer Argumen-
tation der 5,5 % Preissteigerungen und der Indexkosmetik aufgeklärt.
Die hat mir auch zu diesem Zweck nachher einen Zettel geschickt,
wo sie mir die Unterlagen retourniert und erklärt, sie wird in Hin-
kunft bei den Belangsendungen das berücksichtigen. Sie hat also
nicht Wort gehalten. Ich glaube, es ist zweckmässig, wenn wir ihr
diesbezüglich einen Brief schreiben. Allerdings dürfen wir dabei nicht
den Fehler machen, dass der Eindruck entsteht, dass wir ihre Belang-
sendung fürchten. Die ÖVP hat scheinbar nicht genug Geld oder Themen
dass sie das Problem variiert, sondern sie wiederholt ganz einfach
Belangsendungen, die sie bereits einmal gesendet hat. Koppe hat auch
schon gemerkt, dass die ÖVP jetzt auf der Preisseite aufhört, grössere
Angriffe zu starten. Ich führe dies darauf zurück, dass sie innerhalb
ihrer eigenen Organisation sehr zerstritten sind und über dieses
Problem keine einheitliche Meinung erreichen können. Zweifelsohne
haben meine ständigen Hinweise bei Mussil und Sallinger, dass man eine
solche Politik nur machen kann, wenn man dann auch selbst konsequent
gegen Preissteigerungen vorgeht, eine gewisse Wirkung erreicht. Trotz-
dem glaube ich, dass in dem bevorstehenden Wahlkampf insbesondere
unsere Vertrauenspersonen mit mehr Material ausgestattet werden müssen.
Als Erinnerungsstütze müssen wir unseren Vertrauenspersonen nicht
nur Gesetzestitel mitteilen bzw. an die Hand geben, sondern ein oder
zwei wichtige Bestimmungen schlagwortartig erwähnen. Der Tätigkeits-
bericht von Kreisky, den er bei der Pressekonferenz verteilt hat
und der so unvollständig ist, dass er mit unkorrigiertes Probe-Exemplar
überstempelt werden muss, zeigt, dass wir hier schlampig gearbeitet
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haben und viel Geld für eine unvollständige, teilweise unbrauch-
bare Aufzählung verwendet haben.
Im Ministerrat hat Kreisky das Ombudsmanngesetz neuerdings einge-
bracht und nur darauf hingewiesen, dass er es jetzt in die Begutachtung
ausschickt. Ich weiss nicht, ob er absichtlich diese Taktik verfolgt
aber er selbst macht sehr geschickt bei jedem Gesetzentwurf eigentlich
dreimal in der Öffentlichkeit entsprechende Propaganda. Erstens wenn
er die Idee hat, ein solches ausarbeiten zu lassen, zweitens wenn die-
ses Gesetz dann vorliegt und in die Begutachtung geht und drittens
wenn er es nachher im Ministerrat nach Begutachtung beschliessen lässt
und im Nationalrat einbringt. Damit ist dieses Thema in der Öffentlich-
keit derartig oft bereits behandelt worden, dass im Nationalrat kaum
noch – auch wenn diese Gesetze wesentlich abgeändert werden – ein
sehr starkes Echo für die ÖVP herauszuholen ist. Solange nämlich das Ge-
setz beim Bundeskanzler noch liegt, hat die ÖVP die Möglichkeit, es
zwar anzugreifen, aber immer wieder wird Kreisky dabei erwähnt und
seine Politik herausgestrichen. Zusätzlich hat er durch freie Abgabe
von Exemplaren durch die Staatsdruckerei noch eine Möglichkeit, einen
grösseren Kreis interessierter Staatsbürger mit dem Gesetz zu konfron-
tieren und verschafft sich dadurch auch gute Publicity. Ausserdem ver-
langt er vom Bundespressedienst, dass er eine Kurzfassung für die
Redaktionen erstellt und damit den Zeitungen Material schreibgerecht
zur Verfügung stellt. Diese ganze Methode ist an und für sich gar
nichts Neues, denn Koppe handhabt dieses System jetzt schon ein Jahr-
zehnt bei uns. Jeder hat halt eine eigene Arbeitsmethode und Arbeits-
weise. wenn alle Minister ihre Gesetzentwürfe im Ministerrat so be-
handeln würde, könnten wir kaum die expeditive Arbeit leisten, die
derzeit doch von den Ministerien geleistet wurde und noch geleistet
wird. Andererseits würde ich niemals eine solche Methode handhaben,
denn das bedeutet, dass nicht nur Kreisky sondern natürlich auch
andere Minister dann materiell in die Gesetzentwürfe eingreifen würden
und bevor noch in der Begutachtung ihre Beamten eine entsprechende
Stellungnahme abgeben, ich bereits meinen Gesetzentwurf den verschieden-
sten Wünschen anpassen müsste. Kreisky kann sich diese Methode deshalb
leisten, weil er doch als Bundeskanzler Anregungen, seien sie von Broda
oder sonst von irgendjemandem aufgreift oder nicht aufgreift. Anders
sieht es aus, wenn ein Gesetzentwurf so im Detail erörtert wird und
der Bundeskanzler dann irgendwelche Wünsche äussert. Hier müsste man
dann erst in stundenlangen Diskussionen entweder erst seine eigene
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Meinung versuchen durchzusetzen oder letzten Endes dann doch dem
Wunsch Kreiskys Rechnung tragen. Ich habe deshalb im Ministerrat
bis jetzt die kürzesten Berichte gegeben, die man sich überhaupt
vorstellen kann. Selbst bei mündlichen Berichten habe ich nichts
anderes gemacht als auf den mündlichen Bericht verwiesen, der be-
kanntlich ja schriftlich vorliegen muss.
Frühbauer hat Veselsky, den ÖIAG-Vorsitzenden Dr. Geist, Ranshofen-
Generaldirektor Wimberger und Verbund-Generaldirektor Hintermayer
und mich wegen der Ranshofener Strompreise zu sich gebeten. Bei
der letzten Besprechung, wo nur die drei Herren und Veselsky und
Frühbauer anwesend waren, hatten sie eine Vereinbarung abgeschlossen,
die aber nicht klar genug war und deshalb das Problem zwischen Rans-
hofen und Verbund bezüglich der Gleitung, d.h. eventueller Strom-
preiserhöhungen nicht befriedigend gelöst war. Die Verbund wollte in
einem vorgelegten Vertragsentwurf, dass alle Preiserhöhung in per-
zentuellem Ausmass automatisch auf den 16,5-Groschen-Elektrolyse-
Strompreis dazugeschlagen werden. Dies erklärte die Alu-Hütte als
unakzeptabel. Nach langer Diskussion einigten wir uns auf eine
Formel, wonach nicht automatisch der perzentuell von der Preisbehörde
genehmigte Industriepreis-Aufschlag automatisch auch für Ranshofener
gilt, sondern dass die Verbundgesellschaft entsprechenden Antrag stel-
len kann und es dann von der Preisbehörde abhängt, wieviel Zuschlag
eventuell für Ranshofen genehmigt wird.
Anschliessend konnte ich mit Gen.Direktor Geist wegen Mandl, Hirten-
berg sprechen. Mandl hat nun seinen Verkaufspreis wesentlich reduziert
man spricht nicht mehr von 100 Mill. sondern nur mehr von 60–70 Mill.
und Geist meint, dass nun die ÖIAG neuerlich überlegen könnte, den
Betrieb zu erwerben. Mein Hinweis, dass Buchner von den Stickstoff-
werken für die Dynamit Nobel ein Tochterbetrieb der Stickstoffwerke
an der auch die deutsche Degussa beteiligt ist, erwerben möchte, meint
Geist wäre nicht sehr sinnvoll. Die Hirtenberger ist eine Metallfabrik
und könnte deshalb höchstens von Berndorf erworben werden. Auf alle
Fälle wird Geist dies jetzt mit seinen Herren neuerdings besprechen
und mir resp. Lütgendorf entsprechende Mitteilung machen.
Die monatliche AEZ-Forumdiskussion war diesmal sehr hart. Durch die
Veröffentlichung des Staberl, wonach die Wiener Landesregierungsmit-
glieder 150 % mehr Pension kriegen, als sie Aktivbezüge haben, regt
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natürlich die Gemüter auf und kann auch von Neutralen in solchen
Diskussionen sehr gut als Angriff gegen die Sozialisten gestartet
werden. Ich war im Detail wirklich nicht informiert und habe mich
deshalb nicht herausreden wollen sondern nur sofort angegeben, was
ich wirklich nur auf Grund der Gesetzeslage weiss. Niemand hat mir
dies dort aber abgenommen. Ich glaube, eine Verwaltung könnte den
grössten Unsinn machen und Milliarden Schilling verpulvern oder
ganz einfach falsch anlegen, würde dies die Gemüter nicht so sehr
erhitzen wie das Problem der Dienstauto, das selbstverständlich auch
zur Debatte kam und Bezüge.
Im Bezirksausschuss, wo wir über die politische Situation eine
sehr eingehende Diskussion hatten, wurde mit Recht erklärt, dass
die Politik der SPÖ-Regierung ar nicht derzeit zur Debatte steht,
sondern ausschliesslich der Grund der Neuwahlen. In der jetzigen
Phase überschattet das "mutwillige Herbeiführen der vorzeitigen
Wahlen" jede andere Diskussion. Ich glaube, hier bleibt als einziges
Gegenargument, dass dies sozialistische Regierung zwar natürlich
noch weiter im Amt hätte tätig sein können, dass aber im Herbst
sicher die ÖVP einem Budget nicht zugestimmt hätte und dadurch die
Wahlen im März erst möglich gewesen wären. Es hätte dann ein perma-
nenter Wahlkampf stattgefunden und das Parlament hätte jetzt nicht
nach den Ferien, wenn es neugewählt wird, dann sofort zu arbeiten
beginnen können, sondern hätte vom Oktober bis März untätig verharrt.
Ausserdem hätte der Wahlkampf dann nicht nur 5 Wochen maximal ge-
dauert sondern sicherlich 5 Monate.
Tagesprogramm, 20.7.1971
Tagesordnung, 20.7.1971