Sonntag, 12. September 1971
Bei der Brünner Messe hatte ich vereinbart, den Kooperations-
vertrag zu unterzeichnen. Nur unter dieser Bedingung war ich
überhaupt bereit, nach Brünn zu fahren, weil ich ja bisher immer
abgelehnt hatte, alle Messen, insbesondere des Ostens wo ich
eingeladen wurde, zu besuchen. Außenhandelsminister Dipl.Ing.
Andrej Barčák ist ein neuer Mann, möchte aber politisch
nicht zu sehr engagiert sein. Erst jetzt erzählte er mir müßte
er ebenfalls ein Mandat im Nationalrat annehmen, wurde ganz
überraschend von seinem bisherigen Posten als Generaldirektor
Magnesitbetriebes abberufen. Bei unseren ersten Kontaktgesprächen
konnte ich mit ihm allein die wichtigsten Fragen Österreichs
anschneiden. Die Schilling-Fakturierung sagte er mir sofort
alle neu abzuschließenden Verträge, die über den 1.1.1972
eintreten, daß neu zu vereinbarende langfristige Handelsab-
kommen in Kraft. Alle Verträge die derzeit abgeschlossen und
über den Zeitraum mit der Bezahlung und der Auslieferung hinaus-
reichen. Die Verträge die jetzt sofort noch abgeschlossen
werden konnten und heuer ausgeliefert werden, erklärt er sich
bereit, nochmals mit der Nationalbank zu sprechen, damit auch
ev. hier eine Möglichkeit für Schilling-Fakturierung oder andere
konvertible Währung gefunden wird. Der Verrechnungsdollar scheidet
auf alle Fälle in Hinkunft aus. Zweite Frage war, daß die Tschechen
unsere selbstständigen Vertretungen von Böhler, Schoeller-Bleckmann
und Alpine, die seit dem Jahre 1948 durch ein Gesetz geregelt sind,
auflösen wollen. Nicht daß sie die Firmen liquidieren wollen, sondern
sie wollen ihnen nur die Vertretungsbefugnis entziehen. Grund dafür
ist, daß die Staaten insbesondere Japan aber auch Jugoslawien
drängen, neue Vertretungen zu errichten und sich wahrscheinlich
immer auf das Beispiel der österreichischen Firmen berufen.
Diese drei Firmen sind deshalb für die CSSR sehr unangenehm.
Trotzdem erklärte sich Barčák bereit, daß man den jetzigen
Zustand sich nichts ändern soll. Eine weitere Frage war die
Möglichkeit von Consultingbüros der CSSR mit Unternehmungen zu
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Vereinbarungen von Lieferungen von Maschinen und Anlagen
aus nichtösterreichischen Staaten zu ermöglichen. Die Firmen
behaupten, daß den tschechischen Unternehmungen verboten ist,
mit ihnen Verhandlungen zu führen, resp. Geschäfte abzuschließen,
sondern daß die tschech. Unternehmungen direkt kaufen müssen,
obwohl Barčák als auch Vizeminister Peter und insbesondere Sekt.
Chef Kilian erklärten, eine solche Weisung existiere nicht und
die Behauptung der einzelnen tschech. Firmen seien falsch.
Wenn die Consulting an Ingenieurbüros preiswerte Angebote machen
und wenn das Unternehmen nicht ev. durch einen Direktbezug wirklich
einen solchen Kaufabschluß nichts im Wege. Für Waagner-Biro inter-
venierten wir, damit Preßburg die Müllverbrennungsanlage von Waagner-
Biro kauft.
Sekt.Chef Kilian wies darauf hin, daß eigentlich der derzeit
in Verhandlung stehende langfristige Handelsvertrag, der ab 1.1.72
gelten soll, doch noch sehr umständlich und eigentlich nicht den
modernen Bedürfnissen des Handelsverkehrs und Kooperation und Be-
schränkung der einzelnen Staaten dient. Er verwies darauf, daß
die CSSR mit der Schweiz einen wesentlich fortschrittlicheren
Vertrag hat. In diesem wird ganz kurz nur vereinbart, daß beide
Staaten bestrebt sind, den Handel wesentlich auszuweiten, da
beide GATT-Staaten sind haben sie keinerlei Beschränkungen mehr
und sind der Meinung, es sollte in jeder Währung ihre Unternehmungen
für Verkäufe abgeschlossen werden können. Insbesondere wies Kilian,
ohne daß er es ausdrückte auf unsere komplizierte Hardcore-Fall-Re-
gelung mit Aufzählung von Listen hin. Kilian aber auch die anderen
Herren waren deshalb sehr erfreut, als wir ihnen erklärten, daß
in Hinkunft wir eine bessere Regelung wollten, als die bisher be-
sprochene. Wir haben mit den Polen eine Preisklausel vereinbart,
die Fälbl im einzelnen erörterte und den neuen Formulierungsvor-
schlag übergab. Bis zum 1.1.72 werden Negativlisten überreicht,
und bis spätestens 31.12.1974 wird die Totalliberalisierung
eingeführt. Gegen Marktstörungen sollen in dem Vertrag Möglichkeiten
vorgesehen werden, daß bei gegenseitiger Konsultation entsprechende
Endliberalisierung durchgeführt werden können. Fälbl wollte ur-
sprünglich nicht diese Regelung, da er eben mit Kilian bereits eine
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heute längst überholte Formulierung mit Listen usw. vereinbart
hat. Es zeigt sich, daß auch hier die Beamten ein gewisses
Prestige an den Tag legen und natürlich selbst wenn Fälbl er-
kannt hat, und ich bin überzeugt, dies hat er, daß die poln.
Formulierung die zielführende und zweckmäßigere ist, da sie
nicht von ihm stammt, wollte er sie nicht in der CSSR vertreten.
Ich ließ ihn aber durch Wanke wissen, daß ich dann desavouieren
müßte und er hat sich mehr oder minder akkommodiert. Er erklärte
er hätte mit Kilian bereits dieses Problem besprochen. Ich mußte
aber feststellen, daß Kilian erst zu dem Zeitpunkt, als ich ihm
den Vorschlag erläuterte und Fälbl dann ergänzte zum ersten Mal
davon hörte. Kilian meinte, ohne die Details geprüft zu haben,
daß ihm wieder Weg als wesentlich zielführend erscheint.
Da die CSSR ein GATT-Mitglied seit deren Bestehen ist, hätte ge-
rade sie eine leichte Möglichkeit Hardcore-Listen beim GATT anzu-
fechten. U.a. will auch Polen, daß eigentlich erst jetzt GATT-
Mitglied wurde, die Diskriminierung einzelner Staaten, die noch
immer nicht die volle Liberalisierung gewährt haben und Abschluß-
listen anwenden, diese beim GATT angreifen und den Abschaffung
dieser Diskriminierung verlangen. Wenn Österreich nicht diese
neue Formulierung, die meine Anregung und Formulierung von Dr.
Gleister der Handelskammer zurückgeht, eingeführt hätte, resp.
vereinbart hätte, dann wären auch wir in das Schußfeld der Polen
gekommen. Ich bin überzeugt, daß die CSSR sich dem sehr bald an-
schließen wird. Politisch kann ich jetzt sogar noch mit ruhigem
Gewissen gegenüber den Wirtschaftstreibenden erklären, daß wir
nicht in Wortflanke, wie Mussil sich ausdrückte, aufgerissen wird,
sondern ganz im Gegenteil, daß das Handelsministerium Verträge
abschließt, die den Wünschen der Handelskammer 100 %-ig entsprechen.
Unser Warenverkehr mit der CSSR zeigt also, außer im Jahre
1966 und 67 ein schweres Passivum. So wurde 1969 299 Mio. S und
1970 147 Mio. S Saldo verbucht. Im ersten Halbjahr 1971 haben
wir bereits 172 Mio. Passivum gegenüber 1. Halbjahr 1970 164 Mio.
Ein Hinweis, daß Österreich erwartet, daß die CSSR von uns mehr
Güter kauft, um diesen Saldo abzudecken, wurde von Barčák dahin-
gehend beantwortet, daß sich die österr. Firmen nur bemühen müssen,
dann können sie alle Waren in der CSSR verkaufen. Die CSSR kauft
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heute viel zu viel Waren in der BRD und Ing. Bittner, unser
Handelsdelegierter, hat mir vertraulich mitgeteilt, daß er er-
fahren hat, offizielle Mitteilungen sind ja in der CSSR nicht
üblich, daß die Unternehmungen angewiesen wurde, wenn irgendwie
möglich anstelle in der BRD in Österreich Waren zu beziehen.
Da die Tschechen in ihren Statistiken nicht nur die Waren er-
fassen die nach Österreich gehen, sondern alle Waren die Transit
über Österreich exportiert werden, ergibt sich, daß im Jahre
1968 145 Mio. Tschechenkronen die Tschechen aktiv waren. 1969
132 Mio. Tschechenkronen und 1970 sogar 206 Tschechenkronen
als Aktivum aufscheinen. Nur in den ersten fünf Monaten
1971 hat der Handelsverkehr inkl. der Transitlieferungen aller-
dings mit 42 Mio. Tschechenkronen passiv. Sekt. Chef Kilian meinte,
es wäre ganz unmöglich den Handel immer so auszugleichen, daß die
Exporte und Importe sich die Waage halten und zu diesem Zwecke
wird ja im neuen Handelsvertrag die Multilateralisierung verein-
bart, damit eben ein Ausgleich über frei konvertible Währung
dann erfolgt. Die österreichischen Firmen können aber in die
CSSR jede Ware liefern, wenn sie preiswerte Angebote machen.
In Wirklichkeit hatte ich dann Gelegenheit auf der Messe mit
allen unseren Ausstellern zu sprechen und diese erklärten mir,
daß immer wieder die Unternehmungen gerne kaufen würden, daß
sie aber keine Devisen zugeteilt bekommen. Bei diesem Messerund-
gang konnte ich den drei Stahlfirmen erklären, daß ihre Vertretungen
unangefochten bleiben, was von diesen mit Begeisterung zur Kennt-
nis genommen wurde und allen Firmen teilte ich die Schilling-Fak-
turierungsmöglichkeit mit. Auch hier hatte ich das Gefühl, daß
man mir wirklich vom Herzen dankte. Dieser Rundlauf durch die Messe
hat sich glaube ich optisch sehr rentiert. Ich glaube nicht, daß
jemals ein Minister so viele Firmen besucht hat und bei dieser Ge-
legenheit ihnen noch so freudige Botschaften mitteilen konnte.
Die härteste Arbeit aber bei diesem Treffen waren die gesellschaft-
lichen Versdichtungen, die Essen, die Empfänge und sonstiges.
Ich erfuhr, der Aussenhandelsminister noch für seinen mongol. Amts-
kollegen ein Essen hat und erst nach diesem Essen erst zu unserem
kommen würde, konnte ich mir ausrechnen, daß wir wahrscheinlich
erst um 11, 11.40 von Brünn wegfahren konnten. Ich ersuchte ihn
deshalb, ich hoffe, er ist nicht böse, daß wir uns gleich beim
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Empfang bei der österr. Handelskammer verabschieden und da-
durch konnten wir doch schon um 21.30 von Brünn wegfahren.
Da wir die ganze Zeit mit einem Polizeiauto mit Blaulicht durch
die Stadt und im ganzen Land begleitet wurden, ging die Fahrt
verhältnismäßig für die CSSR schnell. Hätten wir allein fahren
können, wären wir wahrscheinlich allerdings schneller an die
Grenze gekommen. Unserer Fahrer, Koll. Reiss, hätte aber aller-
dings ein Erlebnis nicht gehabt. Dort hat die Polizei noch sehr
viel zu reden und fährt deshalb in jede Kreuzung, auch wenn sie
rot ist, ein, schaltet ihr Horn einen aufdringlichen Ton ein und
schert sich überhaupt nicht über den anderen Verkehr. Wenn
bei uns ein Polizeilotse vor einem ausl. Minister fährt, habe
ich schon bemerkt bleibt er nicht nur selbstverständlich bei rot
stehen, sondern ersucht die anderen Fahrzeuge sie mögen ein bißchen
warten, bis die Kolonne vorgefahren ist. In diesen kleinen Details
zeigt sich der große Unterschied zwischen unseren beiden Systemen.
Reiss meinte nur zum Schluß, da habe ich wieder etwas zu Hause zu
erzählen.