Mittwoch, der 29. September 1971

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Mittwoch, 29. September 1971

Stephani teilt mit, dass Buchner von den Stockstoffwerken nach
wie vor brennend interessiert ist, die Hirtenberger Fabrik zu er-
werben. Angeblich ist Buchner bereit, bis zu 45 Mill. S zu bezahlen.
Mandl hat seine ursprüngliche Forderung von 75 Mill. auf 55 Mill.
reduziert. Verhandlungen sollen heute geführt, um noch einen Kauf-
abschluss zu ermöglichen. Die Hirtenberger Fabrik hat kaum mehr
die Möglichkeit, die Löhne aufzubringen. Das Landesverteidigungs-
ministerium hat 5 Mill. S, ich glaube Vorleistung für Lieferung,
überwiesen. Die CA hat aber diesen Betrag übernommen, dann aber
gesperrt. Sie verlangt von Mandl, dass er unbedingt die Aktien
des Betriebes für die Schulden, die er bereits hat, deponieren
müsste. Mandl hat aber lieber von der Schweiz ein Darlehen von
400.000 sfr. dem Betrieb gegeben. Ich kann mir sehr gut vorstel-
len, dass Stephani hier unter allen Umständen eine positivere Dar-
stellung gibt, als es tatsächlich in Wirklichkeit der Fall ist.
Rimski, der Vertreter der Stickstoffwerke in Wien, hat nämlich
Heindl gegenüber geäussert, dass kaum eine Chance besteht, die
finanzielle Lage von den Stickstoffwerke ist allerdings so
gespannt, dass ich mir nicht vorstellen kann, dass Buchner noch
eine weitere Verpflichtung von doch immerhin 45 Mill. S eingehen
kann.

Bei der Überreichung des Ordens an den brasilianischen Bergbau-
minister hat Jonas, der sich dies vorbehalten hat, besonders auf
die wirtschaftlichen Beziehungen zwischen Österreich und Brasilien
hingewiesen. Leite soll sich dafür grosse Verdienste erworben haben,
weshalb Jonas bereit war, ihm einen höchsten Orden der Republik
zu verleihen. Lt. Protokoll gibt es nämlich für ausländische Mini-
ster entweder den höchsten Orden oder gar keinen. Darin spiegelt
sich die Sinnlosigkeit unserer Ordensregel. Ich kann mir nicht
vorstellen, dass Leite überhaupt einen bedeutenden Verdienst an den
brasilianischen-österreichischen Beziehungen hat. In Wirklichkeit
war es die VÖEST, die, um ihre Geschäfte im Brasilien besser unter-
bringen zu können, die Idee gehabt hat, Leite auszuzeichnen. Ich
selbst finde daran gar nichts. Mein Sohn Wolfgang allerdings hat
am Abend mir gesagt, er findet dies als einen Skandal, dass Öster-
reich einen Minister auszeichnet, wo in einem Staat noch weder


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demokratische Zustände herrschen, noch zumindestens die persönliche
Sicherheit des Einzelnen gewährleistet ist. Er hat Berichte gelesen
in Zeitungen, die als objektiv gelten müssen, wo Folterungen und
sonstige Verfolgung der Menschen in Brasilien geschildert wurden.
Sicherlich kann man die Auszeichnung nicht nach dem Gesellschafts-
system der einzelnen Länder stufen, Andererseits aber wieder ist
es nur eine Bestätigung für mich, wieviel Orden, die man bekommt,
wert sind oder besser gesagt, wie ungerecht die Auszeichnungen,
so glaube ich, in 99 % der Fälle sind.

Die Pressekonferenz im Ministerium betreffend die Tätigkeit des
Konsumentenbeirates war von Journalisten sehr schwach beschickt.
Einerseits wollten sie immer wieder Fakten haben, um die jetzige
Wahlzeit nicht nur allein mit Wahlpropaganda resp. Berichte über
die Wahlkampfauseinandersetzung führen zu müssen, andererseits
aber steht ihre Berichterstattung doch primär natürlich aus Wahl-
kampfauseinandersetzungen. Ich bin sehr froh, dass wir uns dazu
entschlossen haben, das Konsumentenforum nicht durchzuführen, da
die BHK dieses boykottiert hätte. Wir hätten zwar dann einen poli-
tischen Gag oder vielleicht dann auch dramatisiert eine politische
Bombe platzen lassen können, doch hätten wir damit die Zusammen-
arbeit auf lange Zeit belastet. So haben wir in der Pressekonferenz
alles erreicht, was wir in Wirklichkeit wollten. Wir konnten der
Bevölkerung nachweisen, dass im Handelsministerium auf Sektoren,
die gerade für tausende Konsumenten von Bedeutung sind, Fortschritte
erzielt wurden, andererseits aber wurde die Handelskammer mit einge-
spannt, da sie durch die Anwesenheit aller Ausschussvorsitzender,
die grösstenteils aus der Handelskammer delegiert wurden, und sogar
durch den zweiten Referenten Dr. Dolinay über die Warenkennzeichnung
und über den Kundendienstpass aktiv bei der Pressekonferenz mitarbeite-
ten. Da für die anderen Ausschussvorsitzende, die ich nur vorstellte,
es keine Möglichkeit gab, sich zu Wort zu melden oder, da keine
Frage an sie gestellt wurden, auch nur zu antworten, ausser für
Catharin vom Textilverband, wird eine solche Tätigkeit für sie in
Hinkunft bei einer Pressekonferenz nicht sehr anregend sein.

ANMERKUNG FÜR KOPPE: Ich glaube, ich sollte den Vorsitzenden einen
Dankesbrief für ihre bisherige Tätigkeit schreiben. Bitte mit Welser
einen solchen Brief vorbereiten


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Die sozialistischen Frauen haben seit Jahren Theaterveranstal-
tungen im Volkstheater. Bei diesen Nachmittagsvorstellungen kom-
men sicherlich auch einige Frauen, die nicht sozialistisch wäh-
len. Ich betrachtete deshalb die Idee, mich vorher 15 Minuten
maximalst reden zu lassen, als sehr günstig. Ich konnte ins-
besondere auf die gute wirtschaftliche Lage, auf die neuestens
Prognosen des Wirtschaftsforschungsinstituts und ganz besonders
natürlich auf die Preisentwicklung eingehen. Ich glaube, dass
es zielführend ist, überall dieses heisse Eisen, das die Angriffs-
spitze der ÖVP-Propaganda derzeit ist, anzufassen.

Auch bei der Diskussion im AEZ war das Preisproblem immer wieder
im Vordergrund. Am Vortag hat die ÖVP eine solche Passagendis-
kussion geführt und Abgeordneter König wurde sehr hart attackiert.
Unter anderem wurde auch ich sofort als erstes gefragt, dass
König erklärt hat, er könnte und dürfte hier nicht zwischen den
Wahlzeiten diskutieren. Da wir auch niemals eine Genehmigung hat-
ten, habe ich diese Behauptung weder bestätigt noch bestritten,
sondern sofort dadurch abgebogen, dass ich erklärte, ich hätte
am Abend gestern noch mit König in der Handelskammer mich getroffen
und dort vereinbart, wenn die ÖVP ihren seinerzeitigen Beschluss,
dass mit der gegnerischen Partei keine gemeinsame Veranstaltung
gemacht wird, kann aufhebt, ich sofort bereit wäre, mit ihm so wie w:
wir ja mit allen ÖVP-Mandataren in der bisherigen Zeit bestrebt wa-
ren, gemeinsame Diskussionen beim Bezirksvorsteher im dritten Be-
zirk durchzuführen. Nach den Wahlen werden wir eine solche offi-
zielle Aufforderung wieder an die ÖVP-Landstrasse ergehen lassen.

ANMERKUNG FÜR HEINDL: Bitte, ja nicht darauf vergessen!

Die anderen Anfragen und Diskussionen bewegten sich in einem
sehr sachlichen Rahmen. Wenn heisse Eisen angepackt wurden, so
blieben sofort mehrere Zuhörer stehen, wenn es flau wurde, schwoll
der Zuhörerkreis ein bisschen ab. Immer aber waren mindestens 100
Leute versammelt. Jede Bemerkung, dass der Betreffende zum Bei-
spiel ein Schwarzer oder ein Sozi sei, der aus der Masse kam, wurde
sofort als äusserst negativ von den Zuhörern kritisiert. Die Hörer
wollten also tatsächlich eine objektive Information, harte Anfragen,
aber keinesfalls eine Klassifikation in Schwarze oder Rote oder
gute oder schlechte Diskutanten. Ich war über das Niveau dieser
Diskussion sehr verwundert. Ich hatte mir eigentlich vorgestellt,


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dass ich viel härter gerade knapp vor den Wahlen angepackt
werde. Ich habe in der letzten Zeit viele Passagendiskussionen
durchgeführt, aber keine war so sachlich, aber so einfach für
mich. Sicher hat die Junge Generation, dass sie vielleicht den
einen oder anderen Redner, ich kannte sie zumindestens nicht
persönlich, abstellte, dass dieses hohe Niveau und für mich so
leichte Fragenbeantwortungen zustandegekommen sind.

Der Freie Wirtschaftsverband der Landstrasse hat einen Vortrags-
und Diskussionsabend mit mir, Frau Stadtrat Jacobi, Bez.Vorsteher
Seitler und Vizepräsident der Wiener Handelskammer Jodlbauer
organisiert. Leider haben sie vergessen, dass zu diesem Zeit-
punkt auch die Diskussion im Fernsehen zwischen Schleinzer und
Kreisky abgeführt wurde. Um den Zuhörern dies zu ermöglichen,
wurde ein Fernsehgerät im Saal aufgestellt. Auch hier zeigt
sich das Organisationstalent von Jodlbauer. Gleichzeitig wurden
auch die bekannten Genossen des Freien Wirtschaftsverbandes tele-
fonisch davon verständigt, dass sie eine Möglichkeit haben, die
Diskussion zwischen Kreisky und Schleinzer zu verfolgen. Mein
Referat konnte ich noch vor der Fernsehübertragung halten. Eine
Diskussion daran hat sich nicht angeschlossen und ich bin über-
zeugt davon, dass anschliessend nach diesem Streitgespräch haupt-
sächlich wahrscheinlich die Diskussion mit den anderen Genossen
sich um diese Probleme, die im Fernsehen angeschnitten wurden,
gehandelt hat.Diese Fernsehdiskussion wird scheinbar eine stän-
dige Einrichtung zwischen den beiden grossen Parteien. Ich
halte sie für sehr wirkungsvoll, weiss allerdings nicht, ob sie
wirklich auf die Bevölkerung einen wahlentscheidenden Einfluss
ausübt. Der letzte Mal hat Klaus Kreisky ununterbrochen unterbrochen
und dies hat dazu geführt, dass er wahrscheinlich die Sympathien
der Zuhörer gehabt hat. Diesmal hat Schleinzer diesen Fehler
nicht begangen und Kreisky vor allem hat ebenfalls sich sehr
an die Spielregeln einer solchen Fernsehdiskussion gehalten.
Vom Optischen her kann deshalb wahrscheinlich kein Pluspunkt
jemandem zugeteilt werden. Entscheiden würde also hier nur mehr
der sachliche Inhalt der Diskussion. Während ich beim letzten
Kreisky sofort nach der Diskussion versicherte, dass er durch
die Ungeschicklichkeit Klaus' auf alle Fälle die Runde gewon-
nen hatte, auch dann wenn er scheinbar nicht so gut mit Argumenten


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ausgerüstet war wie sein Gegner, kann ich diesmal nicht beur-
teilen, ob hier ein solcher optischer Vorteil für ihn heraus-
geschaut hat. Ich glaube eher nein. Das stereotype Wiederholen
von Schleinzer, der immer wieder nur dieselben Argumente ins
Spiel gebracht hat, ohne auf die sachlichen Erwiderungen von
Kreisky einzugehen, mag vielleicht für Intellektuelle und
für Sympathisanten von Kreisky ein bisschen negativ gewirkt haben.
Ich glaube aber, dass das immer wiederholen der Forderungen und
Anschuldigungen der ÖVP dazu geführt haben, dass diese bei den
Zuschauern stärker untermauert wurden. Kreisky hat auf alle
Angriffe eine verhältnismässig gute Antwort bereit gehabt. Ja
selbst auf die Verstaatlichung angesprochen, konnte er auch
hinweisend auf die Enzyklika die Hauptspitze gerade einer christ-
lichen Partei nehmen. Glücklich war er sicherlich über die Äusserun-
gen von Häuser so knapp vor der Wahl nicht gewesen. Andererseits
wieder gab es ihm die Möglichkeit, zu erklären, dass die soz.
Regierung in den nächsten vier Jahren nicht beabsichtige, eine
Verstaatlichung auch nur in Erwägung zu ziehen. Häuser hätte
allerdings mit seiner Forderung und seinen Überlegungen zuminde-
stens bis nach den Wahlen warten können. Er hat mich bei einer
Gelegenheit, nachdem er diese Äusserung schon getan hat, gefragt,
wie ich dazu stehe und ich habe sofort erklärt, ich würde diese
ganze Sache erst prüfen. Ich bin seit 1945 zumindestens in engeren
Kreisen bekannt, dass ich für die Verstaatlichung weiterer Indu-
strien keinesfalls zu haben bin. Nicht die Erfahrungen, die wir
in den letzten Jahren in der Proporzregierung mit der verstaat-
lichten Industrie gemacht haben, veranlassen mich zu so einer
Haltung, sondern im Prinzip glaube ich, dass ausser dieser jetzt
bereits nationalisierten Unternehmungen kaum es zweckmässig ist,
neuere zu verstaatlichen und zwar auf Grund von gesetzlichen
Massnahmen. Ich halte den Weg, dass gesunde verstaatlichte Indu-
strien gegebenenfalls Firmen wie z.B. die Fa. Binder in Gleisdorf
aufkaufen als den zielführenderen Weg und es entwickelt sich dann
eine wirklich gesunde verstaatlichte Industriegruppe.

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Tagesprogramm, 29.9.1971




Einträge mit Erwähnung:
    Tätigkeit: Sekr. JS, ab 1973 GF VKI


    Einträge mit Erwähnung:
      Tätigkeit: ÖVP-NR-Abg., Personalchef Unilever


      Einträge mit Erwähnung:
        Tätigkeit: BK 1966-70, ÖVP


        Einträge mit Erwähnung:
          Tätigkeit: Sts. im Verteidigungsministerium 1956-1959 (SPÖ), Beauftragter Verkauf Hirtenberger Patronenfabrik


          Einträge mit Erwähnung:
            Tätigkeit: GD Hirtenberger Patronenfabrik


            Einträge mit Erwähnung:
              Tätigkeit: Chemie Linz


              Einträge mit Erwähnung:
                Tätigkeit: Bundespräsident bis 1974


                Einträge mit Erwähnung:


                  Einträge mit Erwähnung:
                    Tätigkeit: Sekr. Fachverband Elektroindustrie [1971]


                    Einträge mit Erwähnung:


                      Einträge mit Erwähnung:
                        Tätigkeit: Dir. Chemie Linz


                        Einträge mit Erwähnung:
                          Tätigkeit: 1970-1973 Büro Staribacher, SPÖ-NR-Abg., stv. Vors. SPÖ-Landstraße
                          GND ID: 102318379X


                          Einträge mit Erwähnung:
                            Tätigkeit: Büro Staribacher, HM; Pro-Zwentendorf-Kampagne


                            Einträge mit Erwähnung:
                              Tätigkeit: Fachverband Bekleidungsindustrie


                              Einträge mit Erwähnung:
                                Tätigkeit: BV Landstraße bis 1973


                                Einträge mit Erwähnung:


                                  Einträge mit Erwähnung:
                                    Tätigkeit: Bundeskanzler
                                    GND ID: 118566512


                                    Einträge mit Erwähnung:
                                      Tätigkeit: Vizekanzler, Sozialminister


                                      Einträge mit Erwähnung:
                                        Tätigkeit: brasilian. Bergbaumin. bis 1974


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