Montag, der 6. Dezember 1971

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Montag, 6. Dezember 1971

Min.Rat Metzner hat den Aufenthalt von Dr. Strasser benützt, um mir
ihn vorzustellen. Strasser ist derzeit bei der ECE unter einem
Dreijahresvertrag und wollte wissen, wie er, wenn das Ministerium
jetzt die Kompetenz für Verkehrsfragen abgibt, in Hinkunft behan-
delt wird. Metzner sagt, dass Strasser nicht nur ein guter Freund von
ihm ist, sondern auch ein äusserst tüchtiger Beamter. Strasser will
auch dann, wenn die Kompetenz für die Verkehrsfragen an das Verkehrs-
ministerium geht, unbedingt im Handelsministerium bleiben. Ich ver-
sicherte ihm, dass wenn sich eine Möglichkeit ergibt und Metzner
die mir vorschlägt, ich ihn auf alle Fälle behalten möchte.
Metzner hat bereits darauf hingewiesen, dass Strasser, bevor er in
Verkehrsfragen bei uns beschäftigt wurde, auch im Fremdenverkehr ge-
arbeitet hat.

ANMERKUNG FÜR HEINDL: Bitte mit Metzner bereits jetzt die Vorgangs-
weise besprechen, da Frühbauer sicher darauf drängen wird, diesen
tüchtigen Beamten zu bekommen.

Präsident der Berliner Handelskammer Konsul Cobler in Begleitung
von Herrn Granser, deutsche Handelskammer in Wien, erzählt, dass
er die Wirtschaftslage in der BRD für sehr ernst sieht. Er meint,
es müsste, so wie dies in Österreich seit eh und je geschieht,
die Unternehmer und die Arbeitnehmer sich mit der Regierung zusammen-
setzen, um dieses Problem zu meistern. Der schwache Punkt ist nicht
die Autoindustrie, sondern die Maschinenindustrie und insbesondere
die Stahlindustrie. Die Konsumindustrie dürfte einigermassen über
die Runden kommen. In der Elektroindustrie aber hat man sich bereits
mit Billigimporten abgefunden und erzeugt in Deutschland keine Produk-
te mehr, die unter 200 DM liegen. Die grossen internationalen oder
deutschen Konzerne erzeugen deshalb solche Produkte im Ausland ins-
besondere geht man jetzt nach Portugal. Damit will man auch ein
weiteres Ansteigen von Gastarbeitern, die bereits jetzt 2,5 Mill.
erreichen, verhindern. In Westberlin gibt es offiziell 50.000 Gast-
arbeiter, aber illegal sind mindestens 40.000 noch hineingewandert,
die heute, ohne dass man sie erfassen kann, in Berlin arbeiten. Bei
einer Zahl von 900.000 Beschäftigten ist das eine erkleckliche
Dunkelziffer. Westberlin ist heute noch immer die grösste Industrie-


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stadt, denn von den 900.000 Beschäftigten sind 270.000 in der
Industrie beschäftigt. Bei den neuen Verträgen zwischen West- und
Ostberlin wurden weitgehend alle Wünsche der deutschen Bundeshandels-
kammer verwirklicht. Vor etlichen Monaten hat noch der Unterhändler
Bahr erklärt, dass dies vollkommen unmöglich sei und jetzt hat sich
im Zuge des Wunsches der Sowjetunion, einen Vertrag abzuschliessen,
eine weitgehende Berücksichtigung dieser wirtschaftspolitischen For-
derungen ermöglicht. Westberlin wird aber in Hinkunft als ein dritter
Staat zwischen Westdeutschland und Ostdeutschland existieren. Die
Hauptstadtfunktion musste aufgegeben werden. Auch Cobler ist allerdings
der Meinung, man sollte jetzt noch nicht durchstarten. Der Berater
von Schiller, Noe, hat hier am Samstag ebenfalls erklärt, dass es
noch zu früh sei. Zuerst müssten die Streiks und die Lohnverhandlungen
abgeschlossen sein und eine gewisse Beruhigung in der Wirtschafts-
entwicklung eingetreten sein. Ich persönlich wundere mich nur immer,
wie diese Leute mit scheinbarer äusserer Ruhe, vielleicht haben sie
sie auch innen nicht, das kann ist nicht feststellen, diese Wirt-
schaftsentwicklung betrachten. Wenn sie nämlich 6 Mia. DM als Konjunk-
turreserve auf der hohen Kante haben, dann würden wir wahrscheinlich
diese längst eingesetzt haben, damit wir nicht eine derartigen Rück-
gang des Bruttonationalproduktes und der Konjunktur zu verzeichnen
hätten. Wenn Deutschland wirklich im nächsten Jahr nur 1 % reales Wachs-
tum hat, dann glaube ich müssten sie die Konjunktur schon längst an-
kurbeln. Sie haben aber immer noch Kurs auf Restriktionspolitik, ob-
wohl sie sich, wie Cobler sich ausdrückte, in der Stagflation befinden.
Ohne dass ich mich natürlich in innerdeutsche Angelegenheiten drein-
mischte, habe ich doch meine Meinung klar und deutlich zum Ausdruck
gebracht. Voraussetzung für eine vernünftige Politik wäre aber, dass
so wie in Österreich die Wirtschafts- und Sozialpartner viel enger
zusammenarbeiten. Wenn man die Folgen sieht, die eine andere Politik
in einem Land bedeutet, so stärkt das in mir die Meinung, dass wir
alles daran setzen müssen, insbesondere glaube ich meine einzige
Funktion darin besteht, diese Sozialpartnerschaft unter allen Um-
ständen zu erhalten.

Bei der Verleihung der Ehrenzeichen haben wir jetzt wieder eine
Musik bestellt. Dadurch ergibt sich ein feierlicherer Rahmen.
Trotzdem ist es nicht möglich, eine Liste mit den stichwortartigen
Bemerkungen zu bekommen, obwohl ich jetzt schon einige Male demon-


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striert habe, wie ich die Auszeichnungen vornehme, ist dies nicht
möglich. Der Grund ist für mich auch jetzt vollkommen klar. Diejenigen,
die diese Liste anlegen müssten, die in Wirklichkeit die Arbeit
leisten, sind bei dieser Auszeichnung nie dabei. Anwesend sind nur die
Sektionschefs, Ministerialräte und sonstige Leute, die nur den anderen
anschaffen, wie sie eine solche Liste zu erstellen haben. Schipper
erzählte mir, dass die vorhergehenden Minister immer von jedem ein
Blatt bekommen haben, wo sie heruntergelesen haben, was der Be-
treffende geleistet hat. Dies ist natürlich sehr fad, wie er selbst
zugab, und vor allem sehr unpersönlich

ANMERKUNG FÜR HEINDL: In Hinkunft, wenn der Akt von mir unterschrieben
wird und die Auszeichnung damit erledigt ist, bitte ich einen Bericht
von jedem Ausgezeichneten schriftlich zu verlangen. In diesem Bericht
soll auch drinnenstehen, was seine Arbeitskollegen sagen. Dies kann
man über den Betriebsrat oder die Abteilungsleiter, bei Direktoren
über seinen Mitdirektor erfahren. Dieser Zettel wird dann von mir ge-
lesen und ich werde die Stichworte anzeichnen, die man mir dann auf
eine grosse Liste zusammenstellt. Diese Zettel müssen unbedingt zwei
Tage vor der Auszeichnung in meinem Besitz sein. Anders kann man
scheinbar dieser Desorganisation im Hause nicht beikommen. Diesmal
hat nicht einmal die Reihenfolge der Ausgezeichneten mit den Spick-
zetteln, die man mir gegeben hat, übereingestimmt.

Der rumänische Botschafter schlug vor, dass im Feber die erste Ge-
mischte Kommission auf Grund des neuen Vertrages in Wien stattfinden
sollte. Alle Vorbereitungen in Rumänien zwischen Fälbl und ihren
Leuten wurden so positiv erledigt. Ich erinnerte an den fehlenden
Briefwechsel, wonach nach Möglichkeit auch in Hinkunft mit freien
Devisen bezahlt werden kann. Darüber hinaus war auch vereinbart wor-
den, dass man mit der Liberalisierung mit 1.1.1975 ähnliche wie es
im polnischen Vertrag vorgesehen ist eine Escape-Klausel vereinbaren
müsste. Ich wies darauf hin, dass die Oststaaten nicht über einen
Kamm geschoren werden, sondern dass man selbstverständlich bei diesen
Verhandlungen und bei diesem Wunsch Österreichs ganz besonders die
rumänische-österreichischen Probleme berücksichtigen müsse. Der Bot-
schafter stimmte aber mit mir überein, dass man diese beiden Probleme


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ehestens regeln sollte. Der tiefere Grund seiner Vorsprache war
aber, dass Minister Burtica in aufgefordert hat, dass Österreich
noch einmal daran erinnert werden soll, dass Rumänien die 30 %-ige
Zollpräferenz bekommen sollte. Frankreich, Italien, Dänemark und Gross-
britannien haben sich – wie er mir mitteilte – auch bereits positiv
für diesen Wunsch Rumäniens ausgesprochen. Ich wies darauf hin, dass
ich bereits dem Sonderkurier voriges Jahr erklärt habe, dass Österreich
– wenn sich Rumänien selbst als Entwicklungsland bezeichnet – auf
alle Fälle die 30 %-ige Zollsenkung in Anspruch nehmen könnte.

Im Handelsausschuss des Parlaments – und deshalb mussten alle diese
Besprechungen im Parlament erfolgen – wurde das Rohstofflenkungs-
gesetz und das Aussenhandelsgesetz behandelt. Sicherlich hätte ich
könne, so wie das vielleicht auch andere Minister machen, da es sich
um unwesentliche Materien handelt, mich durch Beamte vertreten lassen.
Beim Rohstofflenkungsgesetz fragte z.B. aber der FPÖ-Abgeordnete, ob
nicht doch eine längere Wirksamkeit des Rohstofflenkungsgesetzes ziel-
führend sei und ob nicht Fragen der wirtschaftlichen Landesverteidigung
ebenfalls in diesem Gesetz Berücksichtigung finden könnten. Ich erwider-
te, dass ich im Vorjahr mit Genehmigung der Bundesregierung und den
Kompetenzen der anderen Minister durch Monate hindurch im vorparlamen-
tarischen Raum verhandelt hatte und dass leider diese Verhandlungen
nicht positiv abgeschlossen werden konnten. Hier wurde vorgesehen auch,
dass das Rohstofflenkungsgesetz wesentlich verbessert werden sollte.
Ich bin überzeugt, dass im nächsten Jahr ebenfalls solche Verhandlungen
stattfinden werden. Betreffend die Wirtschaftliche Landesverteidigung
ist das Hauptproblem über die Bevorratungsfrage, wer die entsprechen-
den Mittel aufbringt. Auch hier zeichnen sich vielleicht neue Wege
ab und ich werde nicht versäumen, diese natürlich in einem entsprechen-
den Gesetzesantrag dann dem Hohen Hause vorzuschlagen. Der ÖVP-Abge-
ordnete Zittmayr fragte an, ob auch Öl und Derivate berücksichtigt
werden. Dies veranlasste den ÖVP-Vorsitzenden Staudinger zu der
Bemerkung, dass Zittmayr immer nur fragt, damit er im Protokoll
aufscheint. Das Ganze spielte sich in einer lustigen Art ab, ist aber
in Wirklichkeit ein typisches ÖVP-Problem. Die Oppositionspartei
müsste in Wirklichkeit – ich selbst habe das in der Koalitions- und
in der ÖVP-Alleinregierung jahrelang praktiziert – immer wieder
durch Anfragen, Bemerkungen und Hinweise ihr Interesse an den
Gesetzen aber vor allem auch ihre Kritik anbringen. Wenn nun die


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eigenen Kollegen auf dem Standpunkt stehen, dass dies nur dazu
dient, um sich ins Rampenlicht zu setzen, dass lähmt dies die
Angriffskraft. Ich kann mir sehr gut vorstellen, dass man in so
einem Fall dann sagt, na schön, dann werde ich keinerlei Bemerkungen
oder Kritiken mehr anbringen. Beim Aussenhandelsgesetz wollte
Zittmayr, dass man von Ausschuss her klarstellt, dass unter
"gefroren" auch tiefgekühlt zu verstehen ist. Schwarz meinte, dass
wir dies zwar nicht brauchen, aber es ist sicherlich gut, wenn eine
identische Interpretation klarstellt, dass unter "gefroren" auch
"tiefgekühlt" zu verstehen ist. Der Ausschuss war, wie ich prophe-
zeit hatte, in 10 Minuten mit seiner Arbeit fertig.

Der neue russische Botschafter Aristow und Handelsrat Karmasin
machte nicht nur seinen Antrittsbesuch, sondern wies auch darauf
hin, dass der Gasminister Kortunow nach Österreich kommen möchte.
Aristow sagte wortwörtlich: Er hätte von der Sowjetregierung die
Genehmigung erhalten, in Österreich vier Tage zu verweilen. Er würde
sich jetzt für die Trasse der Erdgasleitung zwischen CSSR und Italien,
über die Supertiefbohrungen im Erdgasfehler, über die Schwerarmatu-
ren und insbesondere über eine Aussprache mit Minister und General-
direktor Bauer sehr interessiert sein. Zum Glück hat mich Bauer auf
diesen Besuch bereits aufmerksam gemacht und ich konnte deshalb mit
ruhigem Gewissen antworten, dass ich mit dem Gen.Direktor Bauer
von der ÖMV bereits im Kontakt bin und dass wir uns sehr freuen,
dass Minister Kortunow nach Österreich kommt. Aristow hat nämlich
angedeutet, dass wenn der Besuch nicht erwünscht ist, so müsste man
dies sagen. Fälbl meinte, dass Aristow sehr formell ist und ich habe
deshalb gar nicht meinen Vorbehalt bezüglich der Parlamentstätig-
keit angebracht. Es muss sich eine Zeit erübrigen lassen, damit
man mit diesem Gasminister die Verhandlungen führen kann. Der
russische Botschafter bezeichnete ihn als einen Gasmagnaten.

ANMERKUNG FÜR HEINDL: Bitte sofort mit Fälbl und der ÖMV abstimmen,
wer ihn einlädt, wer es bezahlt und welches Geschenk man ihm geben
muss. Ich fürchte, dass die Russen grössten Wert darauf legen, dass
wir Ministerium den Mann betreuen. Da wir dazu aber momentan kein
Geld mehr haben, müsste man eventuell von der ÖMV, so wie das auch
bei der VÖEST geschehen ist, entsprechende Rückvergütung bekommen.
Dieses Problem muss man aber äusserst delikat behandeln, weil ja
nichts den Russen bekannt werden darf.



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Der tunesische Geschäftsträger hat neuerlich darauf gedrängt, dass
die Gemischte Kommission unter höchster Patronanz, das ist unter
Anwesenheit der beiden Minister starten müsste. Fälbl und auch
Wessely, der als Übersetzer beim Besuch des Ministers Chelli anwesend
war, versicherte mir, dass ich zwar keine konkrete Zusage gemacht
hätte, dass ich aber den Wunsch, einmal Tunesien zu besuchen, durch
eine allgemeine Floskel, dass ich mich sehr freue und sicherlich ein-
mal kommen werde, meine Bereitschaft zum Ausdruck gebracht habe. Der
Geschäftsträger Bouzayen hat nun bestätigt. dass die ÖIAG, Gen.Dir.
Geist mir einigen Herren nach Tunesien fahren wird. Darüber hinaus
werden Reisebürovertreter nach Tunesien reisen, ausserdem sei im
April vorgesehen, dass Kirchschläger seinen tunesischen Amtskollegen
mit Halusa gemeinsam besucht. Eine diesbezügliche Anfragen an Kirchschlä-
ger
bei der Ministerratsvorbesprechung ergab, dass Kirchschläger vorerst
nicht daran denkt, nach Tunesien zu reisen. Ich ersuchte Fälbl, man
sollte auf höchster Ebene zwischen ihm und Bouzayen die eventuelle
Tagesordnung vereinbaren und insbesondere Wünsche Tunesiens ganz klar
und deutlich herausarbeiten. Ich fürchte nämlich, was wir ansonsten,
wenn wir wirklich nach Tunesien fahren, dann überrascht werden von
einem richtigen Forderungskatalog, den wir sicherlich nicht erfüllen
können. Solange das Parlament tagt, sehe ich mich ja überhaupt ausser-
stande, meinen Besuch in Tunesien zu machen, erklärte ich Bouzayen.
Er meinte, ich könnte ihm ruhig mehrere Termine mitteilen und dann
würde man sicherlich einen gemeinsamen herausfinden können.

Bei der Ministerratsvorbesprechung berichtete Androsch über die
Zehnerkonferenz. Die USA erwarten, dass die OECD-Länder um durch-
schnittlich 11 % ihre Währung aufwerten. Japan sollte mit 20 % an
der Spitze, die BRD mit 15 %, Schweiz 13–14 %, Frankreich, Italien
Schweden, Grossbritannien 10 % und die sonstigen mit 5 % aufwerten.
Darüber hinaus müsste die EWG insbesondere die Agrarimporte von
Amerika ermöglichen lassen. Hier denkt man vor allem an Zitrusfrüchte
Getreide und Tabak. Ausserdem müsste der Kapitalexport liberalisiert
werden. In der Diskussion ergab sich dann, dass die USA eine Abwertung
von 5 % machen sollten, was wieder bei den USA sofort die Reaktion aus-
löste, dann würden sie eventuell 10 % abwerten, die Japaner sollten
13–14 % aufwerten und Frankreich, Schweden und Grossbritannien
ca. 5,5 %. Österreich wird versuchen, so wie die Schweiz und Androsch
hat mit Celio darüber gesprochen, dass eine Vorleistung im Mai be-


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reits erfolgte und keinerlei neue Aufwertungsschritte in beiden
Ländern, insbesondere in Österreich, unternommen werden.

Um die Bürokratie zu zwingen, dass sie nächstes Jahr während des
ganzen Jahres Bestellungen vornimmt, will Androsch morgen einen
Antrag stellen, dass Bestellungen über 5.000 S aus Ermessenskrediten
dem Finanzminister zur Genehmigung vorgelegt werden müssen. Dadurch
meinte er, würden die Ressortchefs in die Lage kommen, zu sehen,
ob die einzelnen Abteilungen erst jetzt im letzten Moment die Be-
stellungen vornehmen ohne dass dafür sogar eine Notwendigkeit ist
nur damit die Gelder im Budget ausgegeben werden. Androsch sicherte
zu, dass er alles genehmigen wird. Kreisky war von diesem Vorschlag
begeistert, da er angeblich jetzt auch wissen wird, wie seine Büro-
kratie arbeitet und dass man Beamten jetzt zeigt, dass eben nicht
zum Schluss alles Geld noch mit Gewalt hinausschmeissen müssen. Ich
glaube, dass die Finanzbürokratie bei Androsch sich hier eine
neue Einflussmöglichkeit schaffen will. Da es wirtschaftspolitisch
aber wirklich ein Blödsinn ist, wen man in den letzten Tagen alles
bestellt, so kann dieser Beschluss den Vorteil haben, dass man in
den nächsten Jahren während des Jahres bereits die Budgetmitteln
entsprechend verwendet. Ich bin neugierig wie die einzelnen Mini-
sterium, insbesondere solche mit vielen nachgeordneten Dienststellen
auf diese neue Aktion reagieren werden.

Über die österr. Staatsbürgerschaftsansuchen entspann sich eine
grosse Debatte und Kreisky meinte, dass wir insbesondere in der
Gemeinde Wien dieses Gesetz zu restriktiv auslegen. Kokoschka
z.B. sei, weil er 1938 die Staatsbürgerschaft verloren hat, nach
seiner Auffassung österreichischer Staatsbürger und Kokoschka
beabsichtigt nicht, einen diesbezüglichen Antrag zu stellen. Kreisky
wird nun für ihn ex officio einen solchen bei der Gemeinde Wien
stellen, um damit einen Musterprozess gegebenenfalls zu führen, wenn
er abgelehnt wird. Rösch wies darauf hin, dass 1945 bis 1952 nur
eine Mitteilung auf Grund des damaligen Staatsbürgerschaftsgesetzes
notwendig war, es war nicht einmal ein Antrag zu stellen. Trotzdem
wird das jetzige Staatsbürgerschaftsgesetz immer insbesondere von
der Gemeinde Wien als sehr reaktionär gehandhabt.

Kirchschläger berichtete, dass die Absicht bestand, in indisch-paki-


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stanischen Krieg eine gemeinsame Demarche der Schweiz und Öster-
reichs vorzunehmen. Da nun aber Indien die Schweiz ersucht hat,
und ebenfalls glaube ich Pakistan, die Interessen ihrer Staaten
von der Schweiz wahrnehmen zu lassen, ist sie nicht mehr bereit,
eine solche gemeinsame Demarche vorzunehmen. Darüber hinaus hat
man sogar in Bern verlautbart, dass dies an den Bedenken Österreichs
gescheitert ist. Kirchschläger will diese Vorgangsweise nicht akzep-
tieren. Darüber hinaus ist es sehr verärgert, weil Indien zwar das
letzte Mal bei der Anwesenheit von Frau Ministerpräsident Gandhi
Österreich so als neutralen Staat herausgestrichen und seine positi-
ven Leistungen anerkannt hat, und jetzt aber nicht daran gedacht hat,
auch nur im entferntesten Österreich der Schweiz als Schutzmacht vorzu-
ziehen. Ideal wäre nach seiner Auffassung eine Demarche aller
vier neutralen Staaten Europas gewesen, doch Finnland weiss
noch nicht, was die SU will und hat daher abgelehnt und Schweden
wieder hat aus Rücksicht auf Finnland sich nicht dazu bereit erklärt,
dies ist zumindestens dazu die Meinung von Kreisky. Kirchschläger be-
richtet auch von dem Hirtenbrief Mindszentys, wo er von der gefähr-
lichen provisorischen Grenze spricht. Die burgenländische Landes-
regierung, LH Kery, hat sofort heftigst dagegen protestiert. Ich
hatte Gelegenheit, bei dem Empfang von Kardinal König für die
internationale Caritasorganisation Mindszenty selbst kennenzulernen.
Ich erzählte aber freimütig allen, die es hören wollten und die
mit mir sprachen, u.a. auch dem Weihbischof von Linz, Wagner, dass
wir jetzt mit diesem Hirtenbrief ganz grosse Schwierigkeiten be-
kommen.

Ausserhalb der Tagesordnung hat mir Androsch mitgeteilt, dass er zwar
imstande wäre, eine Gesellschaft für Aichfeld-Murboden sofort zu er-
richten, dass dies aber keinen Sinn hat. Er meint, wir müssten unbe-
dingt die Gemeinde und besonders das Land mitnehmen und deshalb sei
eine Gesellschaftsgründung ohne deren Zustimmung ganz wertlos. Ich
wies darauf hin, dass ich in diesem Fall am letzten möglichen Termin
der Bürges die notwendigen Mittel überwiesen würde im nächsten Jahr
könnte ich dann, wenn diese Mittel benötigt werden, der Bürges ent-
sprechend weniger zuweisen. Ich habe also recht gehabt, das niemand
imstande war, in so kurzer Zeit das seit Monaten schwelende Problem
zu lösen. Kreisky hat sich auch weder in der Vorbesprechung noch
ausserhalb dieser im Konkreten damit beschäftigt oder sich geschweige
denn dafür eingesetzt. Diese ganze Entwicklung ist nicht sehr günstig


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für uns, denn man wird mir mit Recht vorwerfen, dass wir die 20 Mio.
S für die Industrieförderung nicht verwenden konnten. Ich glaube
allen Ernstes, dass wir im nächsten Jahr wirklich bereits im Früh-
jahr entsprechende Konzepte erarbeiten müssen und sie auch in Angriff
nehmen. Dies gilt sowohl für die Patentverwertungsgesellschaft
als auch für die Fulpmeser und Aichfeld-Murboden-Gesellschaft. Das
letztere trifft primär das BKA, Veselsky, doch wird niemand in der
Opposition diese feinen Unterschiede machen, sondern uns natürlich ge-
nauso der Unfähigkeit beschuldigen.

ANMERKUNG FÜR WANKE: Zu unserer Abdeckung ist es sinnvoll, der Bundes-
kammer jetzt betreffend der Patentverwertungsgesellschaft jetzt einen
Brief zu schreiben, wo wir ihr prinzipielles Zugeständnis, dass wir
unter paritätischer Aufteilung deren Mittel in Hinkunft gemeinsam vor-
gehen wollen, dies bestätigen. Den ersten Schritt werden wir im näch-
sten Jahr eine gemeinsame Studiengesellschaft und sie auch finanzie-
ren. Im Brief sollte zum Ausdruck kommen, dass wir das Verlangen der
BHK von etlichen Jahren, wonach eine Patentverwertungsgesellschaft er-
richtet werden soll. im Laufe des Jahres bereits nachkommen wollten,
aber dass widrige Umstände dies eben erst nicht zuletzt auch durch
die Finanzknappheit der BHK im nächsten Jahr erst werden erreichen
können. Damit sind wir glaube ich gegen Oppositionsangriffe weitge-
hendst abgeschirmt. Dieses Schreiben könnte auch zum Ausdruck bringen,
dass Fulpmes in jeder Beziehung von uns unterstützt werden würde.

Mit Brugger hatte ich ein Telefongespräch, wo ich auf unsere
Absichten, das Interimsabkommen abzuschliessen, hinwies. Er sieht
darin kein Präjudiz, auch dann, wenn die sensiblen Güter bis dahin
natürlich noch nicht geklärt werden können. Die Schweiz ist über
die Verzögerung in Brüssel sehr verärgert, da sie wegen ihrem
Referendum in Terminschwierigkeiten kommen wird.

08_1438_01

Tagesprogramm, 6.12.1971

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hs. Notizen (Tagesprogramm Rückseite)


Tätigkeit: GD ÖMV


Einträge mit Erwähnung:
    Tätigkeit: Referat Übersetzungen HM


    Einträge mit Erwähnung:
      Tätigkeit: ECE


      Einträge mit Erwähnung:
        Tätigkeit: Beamter HM


        Einträge mit Erwähnung:
          Tätigkeit: bgld. LH


          Einträge mit Erwähnung:
            Tätigkeit: Maler


            Einträge mit Erwähnung:
              Tätigkeit: Kardinal


              Einträge mit Erwähnung:
                Tätigkeit: Schweizer BR f. Finanzen


                Einträge mit Erwähnung:
                  Tätigkeit: VM (Ministerienneuorganisation 1974)


                  Einträge mit Erwähnung:
                    Tätigkeit: ÖVP-NR-Abg.


                    Einträge mit Erwähnung:
                      Tätigkeit: Außenminister, Bundespräsident
                      GND ID: 118723189


                      Einträge mit Erwähnung:
                        Tätigkeit: ung. Kardinal, ab 1971 im Exil in Wien


                        Einträge mit Erwähnung:
                          Tätigkeit: sowj. Gasmin. bis 1972


                          Einträge mit Erwähnung:
                            Tätigkeit: Linzer Weihbischof


                            Einträge mit Erwähnung:
                              Tätigkeit: Präs. IHK West-Berlin


                              Einträge mit Erwähnung:
                                Tätigkeit: Verkehrsminister, LH-Stv. Ktn.
                                GND ID: 12053536X


                                Einträge mit Erwähnung:
                                  Tätigkeit: SChef HM
                                  GND ID: 12195126X


                                  Einträge mit Erwähnung:
                                    Tätigkeit: 1970-1973 Büro Staribacher, SPÖ-NR-Abg., stv. Vors. SPÖ-Landstraße
                                    GND ID: 102318379X


                                    Einträge mit Erwähnung:
                                      Tätigkeit: Stv. GS im Außenministerium [1971]


                                      Einträge mit Erwähnung:


                                        Einträge mit Erwähnung:
                                          Tätigkeit: [sowj.?] Botschaftsrat


                                          Einträge mit Erwähnung:
                                            Tätigkeit: sowj. Botsch. 1971-73


                                            Einträge mit Erwähnung:
                                              Tätigkeit: tunes. Wirtschaftsminister [1970-1972]


                                              Einträge mit Erwähnung:
                                                Tätigkeit: ind. Premierministerin


                                                Einträge mit Erwähnung:
                                                  Tätigkeit: Berater BRD-Min. Schiller; Falschschreibung?


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                                                    Tätigkeit: Schweizer BR f. Wirtsch.


                                                    Einträge mit Erwähnung:
                                                      Tätigkeit: Innenminister bis 1977, danach Verteidigungsminister


                                                      Einträge mit Erwähnung:
                                                        Tätigkeit: SPD-Politiker


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                                                          Tätigkeit: tunes. Botschafter


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                                                            Tätigkeit: Bundesfinanzminister, BRD, SPD


                                                            Einträge mit Erwähnung:
                                                              Tätigkeit: rumänischer Vizeminpräs. und Außenhandelsminister


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                                                                Tätigkeit: Bundeskanzler
                                                                GND ID: 118566512


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                                                                  Tätigkeit: Sekt.R HM


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                                                                    Tätigkeit: dt. HK in Wien


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                                                                      Tätigkeit: ÖVP-NR-Abg.; Bgm. Schwanenstadt, OÖ


                                                                      Einträge mit Erwähnung:
                                                                        Tätigkeit: Finanzminister
                                                                        GND ID: 118503049


                                                                        Einträge mit Erwähnung:


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