Mittwoch, 15. Dezember 1971
Die Parlamentsdebatte über die Wirtschaftsgesetze entwickelte sich
genauso wie ich sie vermutet hatte. Die ÖVP erkannte ihre grosse
Chance und schickte deshalb alle ihre besten Redner in die Schlacht.
Ich wollte zuerst überhaupt nicht sprechen, denn die Debatte verlief
so, dass insbesondere natürlich Frühbauer und in weiterer Folge dann
Rösch antworten mussten. Die ÖVP konzentrierte und auch die FPÖ war
in dieser Hinsicht natürlich auf derselben Linie ihre Angriffe auf
die Regierung als Preistreiber. Der Hauptsprecher der SPÖ, Marsch, versuch-
te deshalb diesen Angriff abzuwehren, indem er erklärte, die Mehrein-
nahmen aus der Tabakerhöhung dienten dazu, um den Gesundheitsschutz
zu finanzieren. Natürlich replizierte die ÖVP sofort, dass hier ein
Irrtum oder eine bewusste falsche Information von ihm vorliegt, denn
es handelt sich nicht um gebundene Einnahmen. Androsch hätte bei der
Erhöhung der Tabakpreise in irgendeiner Form die eingenommenen 500
Mill. S Ausgaben für den Gesundheitsschutz gegenüberstellen sollen.
Ich weiss, dass er ja dieses Geld dazu braucht, um überhaupt der Budget
einigermassen im nächsten Jahr über die Runden zu bringen. Optisch aber
ohne dass eine Zweckbindung deshalb hätte ausgesprochen werden müssen,
wäre es gut gewesen, wenn man einzelnen Budgetposten und wenn nicht
anders so z.B. für die Reinhaltung des Wassers oder ich weiss nicht
irgendetwas als Gesundheitsschutz hätte deklarieren müssen, um zu
zeigen, dass man dieses Geld in Summe für solche Massnahmen
verwendet. Der Schilling hat ja kein Mascherl und deshalb wäre es
doch möglich gewesen, eine solche Politik damit einzuleiten. Vielleicht
wollte aber Androsch nicht und dafür habe ich auch Verständnis sich in
irgendeiner Weise binden und hat deshalb immer nur von "auch für Gesund-
heitsschutz" gesprochen. Insbesondere natürlich waren die härtesten
Angriffe auf die Regierung wegen der gestern verkündeten Eisenbahntarif-
erhöhungen. Ich hatte mit Frühbauer schon vorher gesprochen und ihn
gefragt, ob es denn unbedingt dieses Timing machen muss. Nachdem die
Tarife erst im März in Kraft treten hätte man doch können wenigstens
eine Woche oder vielleicht sogar bis Anfang nächsten Jahres zuwarten.
Frühbauer meinte, er hätte dies mit Kreisky so besprochen und in seiner
Wortmeldung drehte er den Spiess dann geschickt um, er erklärte, wenn
die Regierung, insbesondere er zugewartet hätte, dann hätte man ihm
den Vorwurf gemacht, er hätte das Haus zu spät und vor allem vor
der entscheidenden Debatte nicht informiert und insbesondere griff er
überhaupt an, dass sowohl der Finanzminister dem Haus bei einer Anfrage-
beantwortung erklärt hat, dass im Jahre 1970 nicht beabsichtigt sei,
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Zigarettenpreise zu erhöhen und dass ebenfalls der Verkehrsminister
erklärt hatte, dass in diesem Jahr keine Erhöhung der Tarife geplant
sei. Beide bezogen sich entweder auf das Vorjahr oder soweit sie
gefragt wurden heuer auf dieses Jahr und in diesem Fall wurde tatsächlich
eine genaue Auslegung dieser Auskunft ja die Preise nicht erhöht.
Mock meldete sich sogar ein zweites Mal. Rösch, der davon am meisten
betroffene Minister, da er ja die Preisregelung in seiner Kompetenz
hat, antwortete auf die diversen Angriffe sehr geschickt. Er sagte
mir allerdings nachher, er hätte dann seine Antworten im Stenogra-
phischen Protokoll gelesen und hier ergäbe sich also ein konfuses Bild.
Ich beruhigte ihn und erklärte ihm, dass ich die Antworten resp. meine
Debattenbeiträge aber auch seinerzeit als ich noch vom Pult sprechen
konnte, meine Diskussionen nie las, denn ich weiss, dass wenn man frei
spricht und wenn man vor allem einmal auf die einzelnen Zwischenrufe
und Gedankengänge der Kritiker eingeht, dann sich eine richtige parla-
mentarische Debatte aber ein furchtbares stenogr. Protokoll sich er-
gibt. Broda, der wegen des Preistreibereigesetzes sehr hart angegriffen
wurde, meldete sich zu meiner grössten Verwunderung nicht zu Wort.
Ich glaube, dass dies hauptsächlich darauf zurückzuführen ist, dass
seine Verschärfungen, die er aufgenommen hat, vom juristischen
gesetzgeberischen Standpunkt wahrscheinlich auch er nicht als sehr
glücklich bezeichnet. Die Änderung, dass Preistreiberei vorliegt,
wenn sie nicht nur erhebliche, sondern bereits die nicht nur ganz
unerhebliche Überschreitung bereits bestraft werden soll, ist wirklich
nicht sehr glücklich, sie dürfte übrigens von der Arbeiterkammer stammen.
Noch härter war aber der berechtigte Angriff, dass wenn jemand Netto-
preise auf Grund der Nettopreisverordnung erstellt, kann er sehr leicht,
wenn nicht alle gleichmässig wieder dann den neuen Nettopreis in ein
ähnliches Niveau kalkulieren und festsetzen, mit dem Preistreiberei-
gesetz in Konflikt kommen. Wenn er nämlich seine Nettopreise nach
seinen Kalkulationsgrundlagen erstellt und dieser differiert gegen die
anderen ortsüblichen, dann wird er auf Grund des Preistreibereigesetzes
bestraft. Wenn er dagegen sich abspricht, oder wenn er gar die Brutto-
preise, wie er sie bis jetzt gehandhabt hat, weiter fortsetzt, dann
verstösst er gegen das Nettopreissystem und wird hier straffällig. Broda
hat diese Schwäche natürlich schon längst erkannt und mich nach der
Sitzung sofort ermächtigt, wenn ich nun in Verhandlungen mit der ÖVP-
Seite, d.h. insbesondere mit der Handelskammer eintrete, dass ich
für jedwede Änderung seiner Vorschläge freies Pouvoir habe. Ich
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selbst wollte mich in der Debatte gar nicht mehr einschalten.
Koppe selbst meinte, am besten ist, wir stellen uns tot oder
wenn ich einsteige, dass müsste ich dies mit der ganzen Kraft
tun. Da die Debatte bereits 6 Stunden dauerte, wollte ich mich
eigentlich überhaupt nicht melden. Zu meiner grössten Überraschung
aber meldete sich dann sogar Schleinzer und er griff insbesondere
die Regierung auch an, dass sie die 10 Punkte der ÖVP, die sie zur
Stabilisierung vorgeschlagen hat, negiert hat. Heinz Fischer kam
und fragte, ob ich der grosse Schweiger bei dieser Debatte sein
möchte. Durch diese Aufforderung und vor allem durch die Tatsache,
dass Schleinzer behauptete und wieder der SPÖ vorwarf, dass sie kein
einziges Mal die Möglichkeiten des Preisregelungsgesetzes versucht
hat, veranlasste mich dann doch, mich in die Debatte einzuschalten.
Der härteste Angriff war immer von Seiten der ÖVP, dass ja wir
noch niemals versucht hätten, den § 3a der novelliert werden sollte,
in der jetzigen Form anzuwenden. Nachdem ich das Verfahren in der
Paritätischen sehr gut kenne, konnte ich darauf replizieren, dass
die Handelskammer ja nach unseren Vereinbarungen, wenn ein Unter-
nehmen sich nicht an die Spielregeln hält, diesem zuerst
einen blauen Brief schicken müsste. Die Handelskammer hat dies aber
nie getan. Mussil meldete sich dann aber noch einmal zu Wort hat
in keinem Satz diesen schweren Vorwurf entkräften können und über-
haupt nicht einmal erwähnt. Die Behauptung Schleinzers, dass sich
die Regierung mit den Vorschlägen der ÖVP nicht auseinandersetzt,
konnte ich insofern entkräften, als er zuerst von den 10 Punkten
sehr kurz auf 5 Punkte abgerückt sind, und diese 5 Punkte hatte ich
schon im Wahlkampf durch hieb- und stichfeste Beweise entkräften
können. Es war mir deshalb verhältnismässig leicht, dies auch im
Nationalrat frei aus dem Gedächtnis zu wiederholen. Withalm, der
sich anschliessend dann meldete, meinte, ich hätte als Zahlen-
Rastelli dem Hohen Haus was vorgegaukelt. Er meinte hier aller-
dings nicht Gaukeln im negativen Sinne, sondern im Sinne, dass
ich hier als Akrobat aufgetreten bin, wie er mir nachher
versicherte. Als wichtigsten Punkt meines Debattenbeitrages aber
wollte ich andeuten, dass die Behauptung, dass die SPÖ nicht verhand-
lungsbereit sei und wie Schleinzer sich ausdrückte, nicht kooperieren
will, durch meinen Hinweis auf monatelange Verhandlungen im Vorjahr
mit der Handelskammer entkräftete. Ich liess auch durchblicken,
dass das Klima dieser Debatte und vor allem die Erklärungen von allen
Seiten doch erwarten lassen, dass wir in unverzüglichen Verhandlungen
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versuchen werden oder sollten zumindestens, dieses Problem zu
lösen. Wäre ich im einzelnen durch einen Zwischenruf oder durch
eine weitere Wortmeldung konkrete gezwungen worden Stellung zu nehmen,
hätte ich auf die Besprechungen die ich im Auftrage von Rösch und vor
allem einmal im vorjährigen Auftrag im Namen der Bundesregierung mit der
Handelskammer geführt habe, hingewiesen. Am Schluss der Debatte kam
Gratz zu mir und er ersuchte mich, nachdem wir ja irgendwie aus dem
Dilemma herauskommen müssen, ich sollte mit der andren Seite, in dem
Fall war selbstverständlich Sallinger und Mussil gemeint, Kontakt auf-
nehmen, wie es weitergehen sollte. Ich informierte sofort Rösch darüber
und wollte ihn fragen, ob er mit mir diese Kontaktgespräche aufnehmen
will. Er lehnte dies allerdings ab, nicht aus Böswilligkeit oder aus
Desinteresse oder gar, um mich vielleicht irgendwie allein zu lassen
sondern ausschliesslich deshalb, weil er so wie Broda vollstes Vertrauen
zu mir hat und erklärte, mach das nur, Du hast sowieso alle Möglichkeiten
von mir ebenfalls in der Hand. Sallinger und Mussil erklärten, dass sie
glaubten, die beste Lösung wäre, wenn wir dies auf die Sozialpartner-
schaftsebene zurückspielen könnte. Die Voraussetzung dafür aber wäre, dass
Kreisky doch mit Schleinzer über dieses Problem spricht. Ich berichtete
dann sofort Gratz über diese Aussprache, in der Zwischenzeit hat aber
Benya mit Gratz und Fischer über dieses Problem ebenfalls diskutiert
und Fischer erzählt mir, dass Benya gemeint hat, na ja, jetzt müssen
wir halt diesen Weg bis zu Ende durchstehen. Er erinnerte an die Aus-
sprache, die wir seinerzeit im Gewerkschaftsbund zwischen Regierung
und Gewerkschaftsfraktionspräsidium gehabt haben, wo die andere weiche
Linie, die ich ja damals vorschlug, von Kreisky ganz entschieden abge-
lehnt wurde. Fischer meinte, ihm imponiere das Verhalten von Benya
der eben erklärte hätte damals, Staribacher – und er war sicher auch
für diese Linie – hat sich damals nicht durchgesetzt und man müssten eben
den anderen Weg bis zum bitteren Ende gehen. Da ich keinerlei Wert auf
Prestigegewinn und -verlust legte, habe ich mit Kreisky über das
Ergebnis meiner Besprechung eingehend diskutiert. Kreisky meint allerdings,
dass vom politischen Standpunkt es unmöglich sei, dass er jetzt mit
Schleinzer Besprechungen aufnimmt, denn das würde sofort heissen, dass
die SPÖ zu Kreuze gekrochen ist. Er hätte auch vorher bereits mit Sal-
linger geredet und Sallinger hätte übernommen mit Schleinzer zu sprechen.
Ich bin überzeugt davon, dass meine Aussprache nach dieser Aussprache
Sallinger–Schleinzer schon stattgefunden hat und deshalb eben von
Sallinger erklärt wurde, wenn wir auf Sozialpartnerebene irgendetwas ver-
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handelt und herausbringen sollen, müsste eben vorher Kreisky mit
Schleinzer sprechen. Da morgen eine Diskussion im Rahmen der
Paritätischen möglich ist, wird sich zeigen, wie die weitere
Vorgangsweise sich abzeichnet. Die Paritätische wurde nämlich
von heute auf morgen verschoben, weil eben die Debatte über die
Preise und Preistreiberei so lange gedauert hat. Dies war wieder
ein positiver unbeabsichtigtes Ergebnis der langen Debatte, denn
damit ergibt sich die Möglichkeit, im Rahmen der Paritätischen
Kommission doch noch einmal den Faden aufzunehmen. Withalm steht
auf dem Standpunkt, wie er mir gegenüber ausdrückte, wir sind
die Regierungspartei, wir sind die Regierung und wir müssten daher
eine Lösung für dieses Problem suchen und finden. Die Opposition
kann unter allen Umständen warten, denn sie braucht ja nicht dieses
Problem zu lösen. Die harte Welle und das Pokerspiel geht also
lustig weiter. Vielleicht ein treffender Vergleich: Ich hatte
nie Poker gespielt, weil ich zwar die Regeln kenne und weiss,
dass es ausschliesslich darauf ankommt, wieviel Geld man hat
und einsetzen will. Ich kenne aber ein anderes Glücksspiel, näm-
lich Die Rote gewinnt oder Kümmelblättchen, auch das habe ich natür-
lich nie um Geld gespielt, aber es kommt dabei darauf an, den
Gegner zu täuschen, durch eine ungeheure Geschicklichkeit, in
meiner Jugend hat mir dies sehr imponiert und ich habe deshalb
mich in stundenlangen Übungen in diesem Spiel zu einer Perfektion
entwickelt, die alle, denen ich bis jetzt das zeigte, überraschte.
Bei den letzten Wahlen habe ich nach einem System, wenn einer
gewinnt, krieg er von mir den Einsatz in Schillingen ausbezahlt,
wenn er verliert, kriegt er für seinen Einsatz Wahlfondsmarken,
einer Frau die Sektionskasse sehr gut aufgefüllt. Der Vergleich
soll sagen, wenn man schon hasardiert, dann aber bitte bei einem
System, wo man wie bei Kümmelblättchen auch tatsächlich immer nur
durch Übungen und Perfektion gewinnen kann.
Bei den anderen fünf Wirtschaftsgesetzes sollte die Marktordnung- und
das Landwirtschaftsgesetz an den Ausschuss zurückverwiesen werden.
Gratz begründete den Zusammenhang zwischen der Preisregelung und
diesen Marktordnungsgesetzen sehr geschickt, Die SPÖ lehnt
also nicht die Marktordnungsgesetze und das Landwirtschaftsgesetz
ab, muss nur auf die Verquickung mit dem Preisregelungsgesetz
das jetzt abgelaufen ist, hinweisen und würde das im Landwirtschafts-
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ausschuss noch im Detail tun und wahrscheinlich auch entsprechende
Vorschläge unterbreiten. Bei der Abstimmung über die Rückverweisung,
hatte Gratz schriftlich den Präsidenten ersucht, auch die anderen
Gesetze, Rohstofflenkung, Lastverteiler, Lebensmittelbewirtschaftung,
zurückzuverweisen, um nicht eine Einseitigkeit, die sich insbesondere
die Opposition scheinbar bei Besprechungen mit ihm ausgesprochen
hat, zu dokumentieren. Ich hatte mir vorgenommen, bei allen
Gesetzen, die mich betreffen, ganz besonders aufzupassen. Kroki
war nur die Rückverweisung des Landwirtschaftsgesetzes und der
Marktordnungsgesetze vorgesehen. Ich bin überzeugt und Blecha be-
stätigte mir dies sofort, dass die Rückverweisung vom Rohstoff-
lenkungsgesetz nicht erfolgt ist. Ich meldete mich deshalb zur Geschäfts-
ordnung und machte auf diesen Zustand aufmerksam. Die ÖVP rief aber,
wir haben schon abgestimmt und der Präsident schritt in der Tages-
ordnung weiter. Koren als Klubobmann sagte mir nachher, er hätte
mit Gratz vereinbart, dass alle 5 Gesetze als rückverwiesen gelten.
Das Protokoll wird nach dem verbesserten Kroki gemacht. Ich
sollte nicht rechthaberisch auf meinem Standpunkt beharren. Selbst-
verständlich akzeptierte ich diesen Vorschlag. Benya meinte, dass
die Presse jetzt erklärt, es würde hier von seiner Seite, resp.
von den beiden Klubs aus manipuliert werden. Ich ärgerte mich deshalb
nachher sehr, dass ich überhaupt dieses Problem aufgerollt habe.
Kreisky meinte nämlich auch bei der Diskussion, die ich dann über
die ganzen Gesetze mit ihm führte und wo ich erklärte, ich könnte
auf meine unmittelbare Kompetenz nämlich das Rohstofflenkungs-
gesetz leichter verzichten, warum ich dann mich so eingesetzt habe,
dass es ebenfalls rückverwiesen wird. Vielleicht sollte ich wirklich
in der grossen Politik mehr nach der grossen Linie mich richten und
weniger auf Details und Detailinformationen auf die ich ganz be-
sonderen Wert immer legen – ich mische mich sehr ungern in andere
Kompetenzen ein und vor allem möchte ich nicht als der grosse
Politiker gelten, der ich nebenbei bemerkt ja auch wirklich nicht bin,
sondern kümmere mich um meinen Kleinkram. Aus den ganzen Diskussionen
aber auch aus den Härten der beiderseitigen Angriffe der Klubs und
insbesondere von gewissen Zwischenrufern aus beiden Seite sehe
ich nämlich eine Entwicklung kommen, dass die Zusammenarbeit immer
schwieriger werden wird. Vielleicht ist meine Koalitionsbereitschaft
oder wenn man auch so sagen will, meine weiche Welle derzeit nicht
mehr gefragt. Vielleicht ist sie aber auch wirklich falsch.
Beim Aussenhandelsverkehrsgesetz gab ich das Statement ab. Es
war das erste Mal, dass ich eine solche Erklärung im Hohen Haus
abgegeben habe. Trotzdem konnte ich mich nicht dazu entschliessen,
nebenbei bemerkt es wäre zeitlich auch gar nicht fertig geworden,
eine Erklärung herunterzulesen. Ich sprach deshalb ohne irgendeine
Aufzeichnung. Hoffentlich erklärt nicht jemand, dass dies die Über-
heblichkeit des Staribachers ist. Der grosse Vorteil, der aus einer
Freien Rede mich zumindest entspringt, dass ich jederzeit sagen kann,
wenn ich wirklich einen Schnitzer mache, dass ich eben als frei
Sprechender auf die Einzelheiten nicht so aufpassen konnte und ein
diesbezüglicher Vorwurf einmal in der späteren Zeit durch diesen
Umstand versuchen könnte, zu entkräften. Hoffentlich täusche ich
mich da nicht und man wird mir sagen, dann hätten Sie eben eine
andere Erklärung vorgelesen. Sallinger war mit dieser Erklärung und
auch Mussil, wie er mir nachher versicherte, sehr einverstanden und
hat nur bemängelt, dass ich über die Details der Verhandlungen, näm-
lich, dass die Bundeshandelskammer und die Industriellenvereinigung
und die Landwirtschaftskammer gegen eine sofortigen Abschluss sich
ausgesprochen hatten, protestiert. Er meinte allerdings erklärte es
dies sehr vorsichtig in freundlicher lächelnder Miene, man dürfe doch
nicht die Ergebnisse der Abstimmung aus einer Besprechung öffentlich
mitteilen. Es war also klar ersichtlich, dass ihnen meine Aussage,
dass sie an dem Scheitern des Interimsabkommens damit ausschliesslich
die Verantwortung tragen, die aus meiner Erklärung doch irgendwie
herauszuhören war, sehr unangenehm ist. Da ich aber ganz klar und deut-
lich ihnen dies bei der Verhandlung zu verstehen gegeben habe, sehe ich
nicht ein, warum nicht auch in der Öffentlichkeit diese mehr oder
minder zum Ausdruck gebracht werden soll.Wenn ich schon, um nicht
den Vorwurf zu kriegen, dass ich um einen persönlichen Erfolg zu haben,
das Interimsabkommen durchgepeitscht habe, einen Prestigeverlust
in Kauf nehme, ich glaube allerdings, dass dieser Prestigeverlust
nicht sehr gross ist, dann muss wenigstens festgestellt werden, wer
die Verantwortung dafür klar zu tragen hat. Ich werde vor allem
die Exportindustrie in Hinkunft, wenn sie kommen wird, um sich
über die mangelnde Unterstützung zu beschweren, wie sie es auch in
der Vergangenheit gemacht hat, darauf hinweisen, dass sie ja selbst
die Chance eines grösseres Exportes in die EWG durch die Ablehnung
des Interimsabkommens vertan hat. Peter hat sich überhaupt nicht zu
Wort gemeldet, er dürfte sich scheinbar die ganze Angelegenheit für
die Budgetdebatte Handel am Montag aufheben.
Tagesprogramm, 15.12.1971
hs. Notizen (Tagesprogramm Rückseite)