Dienstag, 21. Dezember 1971
Die Einigung über das Preisregelungsgesetz kam so überraschend, dass
selbst im Handelsausschuss, wo wir dann das Rohstofflenkungsgesetz zu
beschliessen hatten, nicht einmal Beamte des Parlamentes anwesend waren.
Ich glaube, dass insbesondere im Parlament die schematische Arbeit so
stark ist, dass wenn wirklich überraschend irgendwelche Änderungen Platz
greifen, sie dies kaum bewältigen können. Im Landwirtschaftsausschuss ver-
suchte Minkowitsch wieder seine unbefristete Verlängerung des Markt-
ordnungsgesetzes, resp. des Landwirtschaftsgesetzes. Die Folge davon
war, dass auch in der Haussitzung dann trotzdem alles andere einstimmig
ging, hier eine entsprechende Präsenz sein musste, um die unbefristete
Verlängerung ablehnen zu können. Dies sollte sich aber für mich äusserst
günstig auswirken. Der sowjetische Botschafter Aristow war nämlich mit den
erst Zugeteilten Avramow und Handelsrat Karmasin ins Parlament gekommen.
Zuerst ersuchte er, ob – wenn der Planungsminister Baibakow, der eine
Kur durch oder nach Österreich kommt und den Wunsch äusserte die
Tiefbohrsonde zu sehen – er dazu die Genehmigung gekommen könnte.
Botschafter Aristow meinte, er würde aber erst Baibakow fragen müssen,
denn die Empfehlung, ihm dies zu zeigen, sei von dem sowj. Gasminister
bei seiner Abreise ihm Mitgeteilt worden. Ich sagte nicht nur sofort
zu, sondern organisierte auch mit der ÖMV sofort einen entsprechendes Be-
suchsprogramm. Dann meinte der Botschafter, ob ich ihnen eine Information
über die EWG-Verhandlungen geben könnte. Ich tat dies in epischer Breite
und ohne allerdings Details zu sagen und meinte nachher ich stünde
also für Detailfragen gerne zur Verfügung. Botschafter Aristow erteilte
darauf dem Botschaftsrat Karmasin das Wort und dieser begann damit,
dass sich die Sowjetunion – wenn Österreich der EWG beitritt, was
ich sofort als falsch bezeichnete – dann meinte er, es sei vielleicht
ein Übersetzungsfehler, wenn wir also ein Arrangement mit der EWG
bekommen, dann würde sich die SU diskriminiert fühlen. Ich replizierte
sofort, dass dies nicht der Fall sein kann, weil ja auch die SU als
wir den EFTA-Vertrag abgeschlossen haben, nicht diskriminiert wurde und
daher auch nicht als in Hinkunft durch die EWG sich diskriminiert
betrachten kann. Da ich aber bereits wusste, dass Karmasin einen Plan
entwickelt hat, er hat ihn ja Fälbl schon mitgeteilt, dass durch
diese Diskriminierung die SU jetzt bereits Zugeständnisse will, dass
sie dann dieselben Zollermässigungen bekommen kann, war ich inter-
essiert, jede einzelne Behauptung von Karmasin sofort zu widerlegen.
Er begann allerdings dann darauf hinzuweisen, dass die Diskriminierung
durch die EWG eine andere ist als bei der EFTA, da nämlich in der EFTA
nur Neutrale und sogar Alliierte waren, die gegen Deutschland gekämpft
hatten, während bei der EWG die BRD Mitglied ist und damit indirekt
der Staatsvertrag verletzt wird. In diesem Moment wurde zur Ab-
stimmung eingeläutet und ich musste mich entschuldigen. Ich traf
dabei Kreisky und erzählte ihm von dem Wunsch resp. jetzt offiziellen
Vorbringen von der sowj. Seite. Kreisky meinte, er kenne dieses Problem
schon seit 1955 und er würde daher gar nicht darauf besonders reagieren,
sondern ich sollte ihnen, wenn ich es für zweckmässig finde, nur
sagen, dass der Bundeskanzler dieses Problem kennt. Kreisky meinte auch.
dass es kaum eine wirtschaftspolitische Frage ist, sondern dass diese
Probleme ausschliesslich vom politischen Standpunkt aus von den Russen
beurteilt wird. Als ich zu der Besprechung wieder erschien und mich bei
Aristow entschuldigte, erklärte diese, dass er Verständnis dafür hätte
wenn eine Arbeit im Parlament jetzt durch ihre Anwesenheit gefährdet
sei, dass sie selbstverständlich ein andermal kommen könnten. Ich
selbst erwiderte nur, dass ich diese Besprechung jetzt für wichtiger
als jede Arbeit im Parlament betrachte und erwähnte nur nebenbei, ich hät-
te mit dem Bundeskanzler über den letzten Teil unseres Gespräche gesprochen
und er hätte nur gesagt, er kenne dieses Problem. Aristow meldete sich
dann sofort und gab Karmasin nicht mehr das Wort. Aristow war nun äusserst
freundlich und erklärte, ihm sei es nur darauf angekommen, die wirtschaft-
lichen und politischen Beziehungen zwischen der SU und Österreich zu
verbessern. Karmasin hätte vielleicht eine gewisse Angst, dass sich durch
die EWG dieser Wirtschaftsverkehr nicht mehr so gut entwickeln würde.
Er selbst aber sei davon überzeugt, dass Österreich das Beste auch in die-
ser Hinsicht wünsche und die SU voll Vertrauen auf die weiter wirtschaft-
liche Entwicklung den wirtschaftlichen Handel zwischen den beiden Ländern
rechnen könne. Ich hätte nun auch noch den Bundeskanzler mit einer
solchen Frage belästigt und er meinte nur, dass die sowj. Seite und
das hätte doch auch der Ministerbesuch in den letzten Tagen gezeigt,
alles daran setzt, um zwischen der SU und Österreich die Wirtschafts-
beziehungen zu verbessern. Die SU könne natürlich Öl und Gas und
sonstige Produkte wo anders hin verkaufen, aber sie wünschen gerade
dass Österreich die Wünsche, die sie auf diesem Gebiet gezeigt haben,
auch tatsächlich erfüllen, was dem sowj.-österr. Handel nur weiter
förderlich sein könnte. Ich bestätigte ihm diese Absicht und er liess
mich fast gar nicht mehr zu Wort kommen, sondern wünschte mir in einer
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so freundschaftlichen und herzlichen Art gute Feiertage und Gesundheit,
umarmte mich noch zu allerletzt, um mir zu beweisen, seine tiefe Freund-
schaft, die er zum Ausdruck bringen wollte. Es war deutlich sichtbar,
dass dies ein Versuch von Karmasin war, seine Idee, die ich ja von
Fälbl schon kannte, auch bei mir zu lancieren. Da der Botschafter
aber sofort als Politiker erkannte, dass hier auf Granit stossen würde.
und vielleicht sogar befürchtete, dass in diesem Falle eine Ver-
stimmung entstehen könnte, hat er Karmasin, der wütend sein Buch zusammen-
klappte und sicherlich über diesen Ausgang mehr als unzufrieden war,
zurückgepfiffen.
Herr Schuster von der Fa. Schukra bestätigte mir, wie zielführend unsere
Politik bezüglich einer Patentverwertungsgesellschaft für die Industrie
wäre. Zufällig kam auch Mussil dazu, ich stellte ihm ihn vor und
Mussil konnte hören, dass es für Firmen lebenswichtig wäre und insbe-
sondere aber für Erfinder, eine solche Patentverwertungsgesellschaft
so schnell wie möglich in Angriff zu nehmen. Schuster meinte allerdings,
dass Schukra aus dem heurigen Budget noch nichts bekommen habe und ob
nicht eine Möglichkeit bestünde, eine Unterstützung wieder zu erhalten.
Ich verwies ihn auf die Wifi, denn auch im Vorjahr hätte Wifi auf einen
Teil verzichtet, wodurch ich imstande war, ihm eine Subvention zu gewähren.
Wenn Wifi dieselbe Haltung wieder einnimmt, bestünde eine solche Mög-
lichkeit, ich bezweifelte allerdings und sagte ihm dies deutlich,
dass die Wifis kaum neuerlich verzichten würden.
ANMERKUNG FÜR WANKE: Ich habe ihn an Marhold resp. die Abteilung 24
verwiesen, die eine entsprechende Umschichtung vornehmen müssten, wenn
eine Zustimmung der Wifi zu erreichen wäre.
Min.Rat Pelzl und Gasser wollten eine Aussprache mit mir um mir nach-
her eine informative und umfassende Information schriftlich zu geben,
ob es zielführend ist, die Bergbaubehörde zu schwächen, indem man
den Arbeitnehmerschutz dem Sozialministerium, dem Arbeitsinspektorat
überträgt. Bei dieser Gelegenheit erklärten sie, dass es seinerzeit
einen Streit zwischen Bock und Pittermann gegeben hat, wo sie
fürchten, dass auf Grund meiner negativen Stellungnahme zur Bergbehörde sei.
Ich war sehr froh, dass ich diese Aussprache mit ihnen hätte, denn ich
konnte diese Befürchtung, die durch wirklich nichts begründet ist
zerstreuen. Bock hat seinerzeit dem Vizekanzler geschrieben, dass die ÖMV
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um 600 Personen zu viel beschäftigt und er deshalb als Oberster Bergherr
gegenüber Pittermann als berechtigt ansieht. Pittermann schrieb ihm dann
zurück, dass dies eine ausschliesslich Kompetenz von der ÖMV resp. von
ihm als Verstaatlichungsminister sei und er sich mehr oder minder ver-
biete, dass sich das Handelsministerium dreinmischt. Das Ganze hat mit
Arbeitnehmerschutz gar nichts zu tun, aber die Arbeiterkammer hat auch
dann diesen Vorwurf mehr oder minder in ihren Stellungnahmen als Grund
genommen der OB Objektivität abzusprechen. Ich versicherte beiden, dass
sie diesen Vorfall, obwohl ich Kammeramtsdirektor gewesen bin, gar
nicht gekannt habe und dass er daher für mich überhaupt nicht als Ent-
scheidungsgrund dienen könnte. Ich habe nur als prinzipiellen Überlegungen
dass niemand gleichzeitig Dienstnehmerschutz und Aufsichtsbehörde sein
kann, seinerzeit gemeint, ob es nicht wirklich zielführender ist, die
Dienstnehmerschutzagenden dem Sozialministerium, Arbeitsinspektorat zu
übertragen. Was ich aber damals nicht beachtet , aber wo ich jetzt
mehr zu der Überzeugung komme, ist, dass dann das Arbeitsinspektorat um etli-
che Dienstposten mehr kriegen müssten, denn wir selbst würden ja kaum
irgendwelche Leute abtreten können. Die OB und insbesondere die einzelnen
Berghauptmannschaften haben ja keine einzelnen Referenten für diese
Agenden sondern dies machen die Berghauptleute mit. Ihre grosse Sorge
glaube ich, liegt eben jetzt bei diesen Beschäftigten, dass sie damit
eine Grossteil ihrer Agenden verlieren würden. Da nun überhaupt der Bergbau
sehr zurückgeht, würden sie noch weniger zu tun haben- als dies heute
schon im einzelnen der Fall ist. Da dieses Problem nicht aktuell
ist, erklärte ich, dass die Unterlagen, die er zu seiner Rede sich stich-
wortartig zusammengestellt hat, genau die Form ist, die die zweckmässig-
ste Information für mich darstellt und er bräuchte deshalb überhaupt
keine umfangreiche Information mehr schreiben.
Rat Marsch sprach als Fraktionsmann der soz. Bundesangestellten, Wirt-
schaftsverwaltung, über ihre Wünsche. Sie möchten, dass erstens in der
Löwelstrasse, in der SPÖ-Zentrale, eine Personalstelle für Beamte errichtet
wird. Dort könnten z.B. die beiden soz. Personalchefs Fischer im Ver-
kehrsministerium und Weiss im Innenministerium damit den einzelnen
Vertreter beraten, ob und inwieweit es möglich ist, durch entsprechende
soz. Personalpolitik in den anderen Ministerien zu machen. Er könnte sich
z.B. sehr gut vorstellen, wenn Pultar jetzt in ein paar Jahren in Pension
geht, dass Singer, der in früheren Jahren der Gegenspieler im Innenministe-
rium gegen PuLtar gewesen ist und daher die Materie von dieser Seite her
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sehr gut kennt, sein Nachfolger werden könnte. Er erklärte mir sofort,
er hätte mit Singer über dieses Problem noch nie gesprochen und
hätte auch keine Ermächtigung von ihm mir gegenüber einen solchen Vor-
schlag zu machen. Ich versprach ihm nur, mit Weiss dieses Problem ein-
mal zu besprechen. Im Haus, meinte er, müssten wir auch versuchen,
dass die Personalakte von einem Mann von uns bearbeitet werden können.
Heindl könnte sich noch so bemühen, er müsste doch immer schon auf
die entsprechend abgefassten Akte – wenn er sie überhaupt sieht –
bezugnehmen. Dort würden Vorschussprobleme , Wohnungszuteilungen uns
so dargestellt, wie es Schipper resp. Böhm für zielführend und zweck-
mässig erachten. Darüber hinaus meinte er, es müsste eine Reorganisation
bei uns im Hause vor sich gehen, und zwar vorsichtiger. Er hat mir
Wanke schon öfters über Probleme in dieser Hinsicht gesprochen und
er bittet nur, dass auch ich Verständnis für die besonders schwierige
Situation habe. Bei ÖVP-lern hat man oft Rücksicht genommen, dass
die Rangfolge von eminenter Bedeutung für einen Beamten ist. Er z.B.
aber musste ablehnen das Branchenreferat 3 zu übernehmen, weil er dadurch
unter einem schwarzen Grumbeck als Ranghöherer zu stehen gekommen
wäre. Er hat gar nichts dagegen einzuwenden, dass er, obwohl er ranghöher
ist unter einem Roten, eben Gehart arbeitet. Aber gegenüber der ÖVP
müsste man doch mehr auf die Rangfolge achten. Ich erwiderte, dass
dies ja auch für die ÖVP-ler gilt und dass wir allerdings uns schon
vorgenommen hatten, die Reorganisation jetzt momentan vorsichtiger
vorwärtszutreiben. Zuletzt führte er noch aus, dass wenn das grosse
Kompetenzgesetz kommt, wir doch fast 50 Genossen in unser Ministerium
übernehmen. Er meinte, wir müssten alles daran setzen, dass wir diese
dann auch integrieren und diese nicht in einem Ghetto verbleiben,
um, wenn wirklich einmal wieder ein FPÖ-Minister oder ein ÖVP-Minister
kommt, dann dieses Ghetto sofort isoliert wird. Ich versicherte, dass
ich selbst grössten Wert daran legen würde, so schnell wie möglich
diese Genossen dann in unseren Apparat zu integrieren, da wir nur
so die Gewähr hätten, endlich die ÖVP ein bisschen aufzuspalten.
Im Stillen dachte ich mir aber, dass es ganz grosse Schwierigkeiten
mit unseren Genossen geben wird, wenn wir eine tatsächlich solche
Integration vornehmen werden. Ich fürchte, dass nämlich gerade die
Leute, die – sei es vom Innenministerium oder vom Verkehrsministerium
kommen, wie ein Block zusammenbleiben wollen, um sich gegenüber den
schwarzen Beamten einigermassen behaupten zu können.
Tagesprogramm, 21.12.1971
hs. Notizen (Tagesprogramm Rückseite)
Tagesordnung 8. Ministerratssitzung, 21.12.1971
08_1526_03Nachtrag TO 8. Ministerratssitzung, 21.12.1971
Liste der zur Gegenzeichnung am 22. Dezember 1971 bestimmten Gesetzesbeschlüsse
Typoskript betr. Danksagungen Weihnachtsglückwünsche
Sektionsleiterbesprechung, 21.12.1971
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