Mittwoch, der 19. Jänner 1972

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Mittwoch, 19. Jänner 1972

Kreisky hat von der Einladung Schleinzers für Montag schon gewusst.
Kreisky hat deshalb Hofstetter ersucht, er soll die Betriebsräte
verständigen, dass sie an dieser Sitzung nicht teilnehmen sollten.
Gleichzeitig wird er die Direktoren verständigen lassen, dass
sie an dieser Besprechung, die als reine Gschaftelhuberei bezeichnet,
nicht teilnehmen. Damit ist dieses Problem für mich gelöst, denn
ich brauche mir nicht mehr den Kopf zu zerbrechen, ob wir jemanden
hinschicken, der uns entsprechende Informationen gibt. Ich bin
neugierig, ob die Direktoren vor allem wirklich jetzt nicht zu der
Veranstaltung Schleinzers gehen, obwohl sie wahrscheinlich meistens gar
nicht Sozialisten sind. Mussil und Sallinger werden ja daran teilnehmen,
und haben mir versprochen, einen entsprechenden Bericht zu geben.

Mit Baumann, dem einzigen, der sich bis jetzt als Gewerkschafter, d.h.
als Zentralbetriebsratsobmann gemeldet hat, dass er von Schleinzer
eingeladen wurde, habe ich im Institut über die Stillegung von
Fohnsdorf gesprochen. Baumann meint, dass in Wirklichkeit alles falsch
angelegt wurde. Wenn jetzt die Aichfeld-Murboden-Planungsgesellschaft
dort in Fohnsdorf beabsichtigt, Wohnblöcke zu errichten und etliche
hundert Wohnungen zur Verfügung zu stellen, dann werden die Leute nur
neuerdings veranlasst werden, in der Gegend zu bleiben. Er meint,
dass es sinnvoller wäre, jetzt zu versuchen, die Bergleute auf die
Alpine-Betriebe aufzuteilen. Seiner Meinung nach könnten in Zeltweg
ca. 150, in Judenburg ca. 200 und der Rest in Donawitz beschäftigt
werden. Nach Donawitz gäbe es – sie haben es ausprobiert – eine
Schnellverbindung über die Bahn, wonach sie 45 Minuten mit einem
eigenen Zug transportiert werden könnten. Wenn die Bergleute in Dona-
witz einige Monate und dann maximal ein Jahr gearbeitet haben, werden
sie wahrscheinlich sogar das Bedürfnis haben, sich in Donawitz
anzusiedeln. Dann müsste man ihnen in Donawitz Wohnungen beschaffen
und nicht jetzt in Fohnsdorf solche errichten. Die Schwierigkeit
der Umschulung von Bergarbeitern sieht er hauptsächlich darin, dass
sie bereits Bergleute aus stillgelegten Gruben bis jetzt beschäftigt
haben und feststellen mussten, dass diese die Arbeitsbedingungen vor
allem als drückend empfinden. Sie können durch entsprechende Ent-


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lohnung auf demselben finanziellen Niveau gehalten werden wie
bisher. Was man aber nicht kann, ist, dass man sie in Wirklichkeit
den Arbeitsrhythmus selbst bestimmen, wie sie das unter Tag als
Hauerpartie immer gemacht haben. Ein Bergmann hat ihm gesagt,
der an einer Schaltstelle für eine Walztrio eingeschult wurde,
ihm ist so furchtbar, dass er mir seinem Kumpel, der etliche
10 Meter entfernt ebenfalls arbeitet, nicht sprechen kann. Wenn
er nämlich da auf Klosett gehen will, so muss er dem Ablöser deuten
und bis jetzt war es üblich, dass wenn er mit dem Kumpel reden
wollte, ist er ganz einfach vor Ort zu ihm hingegangen oder sie
haben die Arbeit ganz einfach unterbrochen, haben am Nachmittag dann
mehr geleistet, mit einem Wort, sie konnten sich die Arbeit selbst
einteilen. Dies ist aber über Tag und in einer Fabrik nicht möglich.
Die Gemeinde selbst, also Fohnsdorf insbesondere, ist wieder des-
halb gegen die Vergabe der Arbeitskräfte woanders hin, weil sie da-
durch einen Verlust von ca. 3 Mio. S im Jahr an Steuereinnahmen
haben. Hier müsste das Land verpflichten, ihnen sagen wir durch
10 Jahre hindurch diese 3 Mill. jährlich zu ersetzen. Das Hauptprob-
lem – und Grünwald, der von der ÖIAG dabei war, meinte, das könnte
weder die ÖIAG noch sonst wer lösen – liegt aber darin, dass die
Partei und die Gewerkschaft und die Betriebsräte an einem einheit-
lichen Ziel festhalten müssten und sich alle dafür einsetzen.
Wenn nämlich nur die Betriebsräte zum Beispiel sich für die Still-
legung entscheiden, dann würden diese als verfemt und als
politisch geächtet in der Fohnsdorfer Gegend nicht einmal mehr
leben können. Baumann hat ein Beispiel, wo der BRO von Ratten,
der der Stillegung einmal zugestimmt hat, nicht einmal jetzt
in sein Heimatdorf kommen kann, denn es werden ihm dort die Pneus
aufgeschnitten und er hat alle Unannehmlichkeiten, die ein Geäch-
teter in einem solchen Dorf zu spüren bekommt, am eigenen Leibe
miterlebt. Bei mir verfestigt sich immer mehr die Überzeugung,
dass an eine Stillegung für den ganzen Fohnsdorfer Bereich in
der ersten Phase auf keinen Fall zu denken ist. Ich ventiliere und
habe deshalb vor längerer Zeit schon vielleicht eine Schnapsidee
vorgeschlagen: Man soll jetzt einmal den Rosnitzky-Schacht
stillegen, dort wird die schlechtere Kohle und die schwieriger
zu fördernde Kohle gefördert und dadurch den Belegschaftsstand um
ca. 300 Beschäftigte verringern. Damit wird zwar das Defizit


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von Fohnsdorf nicht kleiner, da die Fix-Kosten auf den
Karl-August-Schacht umgelegt werden müssen, doch es werden
weniger Beschäftigte dann in Fohnsdorf in der Kohle verbleiben.

Von der österreichischen Draukraftwerke AG kam Direktor Werner,
um von mir den endgültigen Umstellungstermin von Kohle für
Zeltweg auf Gas zu erfahren. Da ihm niemand die steirische
Erdgas genau sagen konnte, wann diese Mehrgasmengen zur Verfügung
stehen, wollte er wissen, ob ich als Gasminister konkrete
Angaben machen könnte. Ich schilderte ihm zwar den genauen
Fortgang unserer Verhandlungen mit der Sowjetunion, konnte
ihm aber auch keinerlei befriedigende endgültige Antwort
geben, da dies ganz davon abhängt, wann die steirischen Erdgas
mit der ÖMV diesbezüglichen Vertrag abschliessen kann. Da aber
das Dampfkraftwerk Zeltweg, das derzeit statt 350.000 t
285.000 t Kohle beziehen kann, in Hinkunft aber sicherlich
Gas zusätzlich brauchen wird, wird jetzt notwendig sein, eine
Ausschreibung vorzubereiten. Von diesem Zeitpunkt bis zum end-
gültigen Beginn mit einer Gasheizung vergehen 26 – 33 Monate.
Die ÖDK wird deshalb ohne eine endgültige Zusicherung zu ha-
ben die Gasumstellung mit einem gemischten Brenner – Kohle
oder Gas - vornehmen. Die ÖDK bezahlt derzeit für die Kohle
aus Fohnsdorf 92 S 10^6, die Importkohle aus Jugoslawien
stellt sich nur auf 80 S 10^6, die auch probeweise in Zeltweg
verfeuert wurde und deshalb grosse Unruhen in der Fohnsdorfer
Gegend ausgelöst hat.

Gen.Direktor Rabus hat mich ersucht, ich möge den griechischen
Industrieminister auf seine Kosten einladen, weil sie jetzt
hoffen, endgültig den Auftrag zur Errichtung eines Werkes
in Griechenland, Thessaloniki, zu bekommen. Ich habe, nachdem
ich für die VÖEST den brasilianischen Bergbauminister, für
die ÖMV den sowjetischen Gasminister eingeladen habe, selbstver-
ständlich auch zugesagt, der Privatindustrie, Rabus, diesen
Gefallen zu tun. Schwierigkeiten kann es nur dadurch geben,
dass vielleicht doch einzelne Genossen meinen, es wäre
nicht zielführend, wenn ich den griechischen Industrieminister
der Militärdiktatur einlade. Kreisky, der aber vor längerer
Zeit mich einmal in diese Frage, wie weit wir Griechenland


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als Wirtschaftseinheit und Wirtschaftsfaktor betrachten, unterstützt
hat, wird hoffe ich auch dafür Verständnis haben. Da Rabus und ich
übereingekommen sind, dass wir diese Aktion still und leise mache
wollen, wird vielleicht überhaupt niemand davon erfahren.

Eine grosse Anzahl von höheren Beamten haben sich am ÖPZ-Führungs-
modell-Kurs beteiligt. Zwei Wochen waren sie am Semmering und 1 Woche
wurden in Wien die Modelle eins, zwei und drei von Schweizern
und auch deutschen Vortragenden erörtert. Nun haben sie eine Bestätigung
vom ÖPZ erhalten und ich habe veranlasst, dass ich diese persönlich
überreichen will. Bei dieser Gelegenheit habe ich die Aktivität
dieser Leute herausgestrichen, gleichzeitig darauf hingewiesen, dass
dies auch in den Personalakten vermerkt wird und meiner Hoffnung
Ausdruck gegeben, dass eine solche Schulung auch in Hinkunft von
den Leuten genützt wird. Ich habe ganz besonders darauf hingewiesen,
dass dies als der erste Schritt und wahrscheinlich in einem Minis-
terium bis jetzt der einzige gewesen ist, wo moderne Management-
Schulung auch von Beamten positiv in Anspruch genommen wird. Bei diese
Gelegenheit konnte ich sowohl Min.Rat Gröger herausstreichen als
auch die Gründung der Arbeitsgemeinschaft Managementschulung, die
ich am Vortrag vorgenommen hatte, den gesamten Beamten in Erinnerung
rufen und darauf hinweisen, dass das Ministerium auf diesem Sektor
neue Wege beschreitet.

Im Kautsky-Kreis hat Philipp Rieger einen sehr interessanten Vor-
trag über die internationalen Währungsprobleme gehalten. Sowohl
Wanke als auch ich sind dann beim anschliessenden Nachhausefahren
zur Überzeugung gekommen, dass der Kautsky-Kreis eigentlich von
Denkern dominiert wird. Vranitzky hat uns vorher mitgeteilt, dass
mir Androsch jetzt einen Brief schreiben wird, weil er in der wirt-
schaftspolitischen Arbeitsgemeinschaft eine Diskussion über die Mass-
nahmen im Zuge der Mehrwertsteuer und der Stabilisierung haben möchte.
Ich habe Vranitzky sofort zugesagt, dass wir selbstverständlich diese
Arbeitsgemeinschaft sofort einberufen werden.

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Tagesprogramm, 19.1.1972


Tätigkeit: MR HM


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      Tätigkeit: Gen.Sekr. HK, ÖVP-NR-Abg., später AR-Präs. Verbund


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          Tätigkeit: SChef HM
          GND ID: 12195126X


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            Tätigkeit: Büro Staribacher; ÖIAG
            GND ID: 1053195672


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              Tätigkeit: Bundeskanzler
              GND ID: 118566512


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                  Tätigkeit: ÖDK


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                    Tätigkeit: Leitender Sekretär ÖGB, SPÖ-NR-Abg.
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                      Tätigkeit: GD Steyr-Daimler-Puch


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                        Tätigkeit: ZBO Alpine Fohnsdorf, AR ÖIAG; evtl. Falschidentifikation


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                          Tätigkeit: Handelskammer-Präsident


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                            Tätigkeit: Finanzminister
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