Freitag, der 19. Mai 1972

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Freitag, 19. Mai 1972

Überraschend hat Kreisky zu einer Vorbesprechung über die nächste
Paritätische Kommission, wo die Mehrwertsteuer-Vorbelastungsproblematik
verhandelt werden soll, einberufen. Rösch wurde beauftragt, ein Preis-
regelungsgesetz vorzulegen. Reiter hätte grosse Bedenken, dass der letzte
Entwurf nicht nur nicht die Dienstleistungen beinhaltete, sondern auch
den Firmen überlässt, Mehrwertsteuerbelastungen abzusetzen oder nicht.
Da auch ich diese Bedenken seit eh und je hatte, insbesondere aber die
Arbeiterkammer – Reiter stützte sich auf einen Brief von Reithofer
grosse Bedenken hat, gab Rösch dann bei einer Besprechung zwischen
Reiter und mir und ihm nach. Es werden nun ausser Preissenkungen, die
möglich wären durch einen grösseren Mehrwertsteuervorbelastungsabzug
alle Preiserhöhungen durch das Gesetz erfasst. Ich nehme allerdings
nicht an, dass die ÖVP einem solchen Gesetzentwurf zustimmt. Sollte dies
der Fall sein, würde es Rösch kaum administrieren können. Er dele-
giert zwar die Überwachung an die Landesregierungen, doch werden auch
diese sich ausserstande erklären, die umfangreichen Preismeldungen zu
bearbeiten. Damit werden automatisch nach 6 Wochen spätestens alle
Preisanmeldungen rechtswirksam und als genehmigt gelten. Die 6 Wochen,
sagt Rösch, musste er deshalb einführen, weil ansonsten leicht verderb-
liche Waren bis zu diesem Zeitpunkt, wenn sie keine Preisgenehmigung hät-
ten, nicht auf den Markt gebracht werden könnten.

Der Finanzminister wird bei der Paritätischen Kommission einen Bericht
vorlegen, was bereits alles zur Stabilisierung geschehen ist. Er baut ins-
besondere auf die Studie des Beirates für Wirtschafts- und Sozialfragen
auf und wird Reithofer mit der Ausarbeitung eines Berichtes beauftragen
resp. hat ihn schon beauftragt und hofft, dass er bis Mittwoch zur Vor-
lage fertig sein wird.

Bei der Diskussion über den Vorsteuerabzug meinte Kreisky, es müsste halt
zwischen Androsch und mir die Kompetenz geklärt werden, wer die Emir
zu leisten hat. Androsch hat aber unverzüglich erklärt, dass die ent-
sprechenden Arbeiten im Handelsministerium durchgeführt werden. Wer
letzten Endes die Arbeit machen wird, wird sich allerdings dann erst am
Mittwoch entscheiden. Die Handelskammer möchte, dass die Vorarbeiten
über einen Unterausschuss der Paritätischen Kommission geleistet werden.
Benya aber, Kreisky wollte insbesondere die Stellungnahme von mir


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kennenlernen, hat sich mehr oder minder dafür entschieden, dass
die Regierung diese Arbeit leisten müsste. Wenn Benya an dieser
Stellung festhält und sie insbesondere gegenüber der Handelskammer
durchsetzt, dann ich gar kein Zweifel, dass dieses Problem im Handels-
ministerium landen wird. Ich habe bis jetzt die Vorarbeiten deshalb
bei uns machen lassen, weil sich überhaupt niemand dafür auf Re-
gierungsseite konkret gekümmert hat und weil vor allem mir sonst
jemand den Vorwurf hätte machen können, dass wir die aber auch die
Dienstleistungsbetriebe hängen liessen. Diese müsste nämlich auf
alle Fälle spätestens mit Anfang Winter genau ihren Vorsteuerabzug wis-
sen. Ob diese Prozentziffern sich dann ändern werden im Laufe des
Jahres 1973 ist uninteressant. Wenn der Vorsteuerabzug nicht bekannt
wäre, könnte nämlich niemand auch nur annähernd richtig kalkulieren.
Momentan kennen sich aber mit dem Vorsteuerabzug nicht einmal die
Spitzenpolitiker und die Hochbürokratie geschweige die kleinen Unter-
nehmungen sich genau aus. Androsch teilte mit, er wird mit dem ORF
seine diesbezügliche Vereinbarung treffen, mit den Präsidenten der
Institution einen gemeinsamen Film zur Ausstrahlung bringen. In einer
Serie von einigen Informationssendungen wird er das Programm mit
den Präsidenten besprechen.

Kreisky greift auch in bereits abgewickelte Preisverfahren ein. Dies-
mal hat er eine ganz gute propagandistisch auswertbare Idee. Da
die ÖVP jetzt besonders hart die Strompreiserhöhung in Angriff nimmt,
schlägt er vor, man möge ein Telegramm an alle Elektrizitätsgesell-
schaften richten, wo diese unmittelbar mitteilen, ob sie einer Ver-
schiebung der Preisanträge, resp. eine Herabsetzung der 14 % zu-
stimmen würden. Da am Dienstag Preiskommission sein soll, die letzten
Endes die Genehmigung auszusprechen hätte, wird vorgeschlagen, dass
bis zu diesem Zeitpunkt, wenn die Telegramme, die eine Antwort auf
die Fragen beinhalten, nicht eintreffen, dieser Punkt von der Tages-
ordnung angesetzt werden wird. Dadurch entsteht ein Druck auf die
Elektrizitätsgesellschaften, ihre Telegramme zu schicken, die garantiert
nur negativ sein können. Mit diesen Telegrammen will dann allerdings
Kreisky im Parlament oder bei sonstigen Gelegenheiten hinweisend
dokumentieren, dass auch die von ÖVP geführten Gesellschaften für
die Preiserhöhung gewesen sind. Ich teile mit, dass Wenzl und die
OKA-Leute bei mir gewesen sind und erklärt haben, dass die 14 % über-
haupt nicht ausreichend wären und wesentlich erhöht werden müssten.



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Dieser Meinung hat sich allerdings auch Prof. Demuth, der SPÖ-
LH-Stv. angeschlossen.

Kreisky teilt auch mit, dass jetzt eine Kampagne für die Preis-
stabilisierung von unparteiischen oder überparteilichen Organisationen
starten will. Er meint, dass Vorbereitungsarbeiten von Regierungs-
seite getroffen werden und dann durch ein Plakat der SPÖ die
Kampfergebnisse für die SPÖ ausgeschrotet werden können. Eine solche
Kampagne wird ca. 4 Mill. S kosten und er hätte mit den entsprechenden
Werbegesellschaften schon einen Plan besprochen. Ausserdem hätte
ihm der ÖGB einen Brief geschrieben, dass für den Verein für Konsumen-
teninformation mehr Geld zur Verfügung gestellt werden soll, was
er absolut unterstützt. Darüber hinaus schwebt ihm vor, dass mit der
Konsumgenossenschaft aber auch mit der AK, ÖGB, vielleicht sogar
mit den SPAR-Organisationen und anderen Grosseinkaufsstellen entspre-
chende Verhandlungen geführt werden sollen. Es hat bei ihm Direktor
Drexel von der Vorarlberger Spar-Organisation vorgesprochen und
ihn scheinbar für irgendwelche Aktionen begeistert. Kreisky wird
zu dieser Besprechung mich noch entsprechend einladen.

Bei der ersten Sitzung des Ausschusses, der sich mit der Umsatzsteuer-
vorbelastung beschäftigen soll, trennen sich schon die Geister.
Hecke von der Handelskammer gibt zwar im Prinzip die Zustimmung,
dass eine solche Arbeit geleistet werden muss, die Handelskammer selbst
hat auch schon riesige Vorarbeiten geleistet, doch meint er, dass
dies ja noch nicht entschieden ist, ob die Arbeit auch im Handelsmi-
nisterium in Angriff genommen werden soll. Der FM-Vertreter Dr. Daume
wieder glaubt, dass es nicht zielführend ist, wenn wir jetzt auf
Grund des Zolltarifes vorgehen, sondern meint, man sollte nur
die Artikel, die im Lebenshaltungskosten-Index sind, einer genauen
Analyse über die Umsatzsteuervorbelastung unterziehen. Aus diesen Äus-
serungen ist schon klar erkennbar, dass FM ausschliesslich sich auf
den Lebenshaltungskostenindex orientieren will. Sicherlich können
wir nicht alle Positionen, die es im Zolltarif gibt, durcharbeiten,
und auch dann wäre die Arbeit noch unbefriedigend. Die Zolltarifposi-
tionen beinhalten oft in einer Position z.B. Textilien, die man
unbedingt aufgliedern müsste. Andererseits wieder werden oft Detail-
positionen vorhanden sein, die vollkommen uninteressant sind und die


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man gar nicht einzeln durchrechnen könnte und bräuchte. Wenn
Mittwoch in der PK entschieden wird, dass die Arbeit von der
Handelskammer mit Mitwirkung der anderen Interessensvertretungen
und sicherlich auch dann der Ministerien durchgeführt werden soll,
sollte wir diese Entscheidung nicht entgegentreten. Auch bei dieser
Arbeit wird der, der dafür verantwortlich ist, nur entsprechende
Kritik ernten. Ein einfaches Beispiel: Der Finanzminister möchte
für Benzin keine besondere Regelung. Andererseits wieder hat er
die Meinung, dass die Mineralölfirmen, die ca. 50 Groschen errechnet
haben, mindestens 20 Groschen jetzt in diese Berechnung einbauen, die
sie seinerzeit durch meine Preisgenehmigung nicht erhalten haben.
Überall wird jetzt von seinen Leuten erzählt und ich glaube, er hat
es offiziell auch schon einmal getan, dass der Benzinpreis maximal
um 30 Groschen steigen dürfte. Wie immer man die endgültige Be-
rechnung wird durchführen und mit 30 Groschen nicht durchkommen wird,
wird im Schussfeld der öffentlichen Meinung als der Weichling gegen
über der Ölindustrie dastehen. Eine genau umgekehrte Situation,
wie sie sich seinerzeit bei der Kraftfahrzeughaftpflichtversicherungs-
prämienerhöhung ergeben hat.

Die ganze Preissituation ist total verfahren. Auf der einen Seite
kommt es zu dem ununterbrochenen Preisauftrieb, der meiner Meinung
nach eben durch gar nichts aufzuhalten ist. Auf der andren Seite
gibt es die Wünsche der breiten Masse der Bevölkerung, es sollte
etwas geschehen und die Idee Kreiskys durch entsprechenden propa-
gandistische und optische Mitteln in Erscheinung zu treten. Ausserdem
gibt es derzeit noch eine total zersplitterte Kompetenz, ein jeder
hat irgendeinen Teil und arbeitet auf diesem ziemlich autonom, ohne
auf den anderen Rücksicht zu nehmen, was letzten Endes auch nur dazu
führt, dass die Übersichtlichkeit mehr oder minder total verloren-
geht. Zuletzt versucht noch Kreisky durch Einschalten seines ganzen
Prestiges irgendwelche Detailergebnisse zu erzielen. Bei der seiner-
zeit beabsichtigten Margarinepreiserhöhung, wo an dessen Stelle
er dann durchgesetzt hat, dass der Finanzminister die Umsatzsteuer
wieder reduziert hat, ist es ihm geglückt, diese Erhöhung tatsäch-
lich zu verhindern. Dies schwebt ihm als die idealste Lösung für einige
wichtige Produkte vor, ohne dass aber jetzt der Finanzminister
bereit wäre, zumindestens hat er sich mir gegenüber noch nie so
geäussert, entsprechende Abgabenreduktionen vorzunehmen. Bei Benzin


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ist er im Gegenteil der Meinung, den vollen Mehrwertsteuersatz auf
den vollen Preis incl. der Mineralölsteuer wirken zu lassen. Um
dieser chaotischen Entwicklung zu entgehen, sollten wir glaube ich
die Arbeit über den Abzug der Vorsteuerentlastung auf alle Fälle
mit aller Vehemenz fortsetzen. Wenn unsere Haus dann in dieser
Beziehung in Erscheinung tritt, können wir die folgende Argumenta-
tion verwenden: Auf der einen Seite soll der Konsument durch den
möglichen Vorsteuerabzug vor Preiserhöhungen in vielen Fällen aber
und die müsste man einzeln ganz genau dann aufführen, auch durch
Preissenkungen in den ihm zustehenden Genuss kommen. Auf der anderen
Seite aber wird durch diese Arbeit endlich erreicht, dass die Unter-
nehmungen einen festen Boden in der Kalkulation wieder bekommen. Hier
könnte man propagandistisch entsprechend wieder darauf hinweisen,
dass sowohl im Interesse der Konsumenten als auch der Unternehmungen
eine Aktion des Handelsministerium gestartet wurde. Natürlich kann
Koppe erst in Erscheinung treten, bis endgültig eine Entscheidung,
wer die Arbeit machen soll und wie sie durchgeführt wird, gefallen
ist. Ich hoffe, dass dies am Mittwoch der Fall sein wird. Bis
dahin allerdings müssen wir entsprechende Vorarbeiten geleistet
haben.

Die Spielbanken AG hat eine Roulette-Rallye veranstaltet, deren
Preisverteilung ist dann durchführte. Ausländische Journalisten
aber auch inländische wurden von der Spielbanken AG eingeladen,
eine Woche in Österreich kreuz und quer zu fahren. Das amerika-
nische Team hat den Hauptpreis – zwei Schmalfilmkameras – gewonnen.
Jeder Teilnehmer hat aber irgendeinen Preis bekommen. Ich weiss
nicht, ob Spielbanken AG – der Gen.Direktor hat mir dies nicht
gesagt und ich wollte nicht fragen – tatsächlich alle Preise
bezahlt oder ob sie sie nicht auch von den Firmen geschenkt be-
kommen. Auf alle Fälle gibt es hier eine Möglichkeit, propagandi-
stisch in Erscheinung zu treten, ohne dass uns dies etwas kostet.
Die Firmen und ganz besonders eben z.B. die Spielbanken AG aber auch
andere, die mit Fremdenverkehr viel zu tun haben, werden sicherlich
daran interessiert, wenn ich mich als Handelsminister stärker be-
teiligen würde, ohne dass wir finanzielle Aufwendungen haben, könnte
man hier nicht nur die entsprechende Beeinflussung des Programmes
sondern darüber hinaus wesentlich stärker gegenüber der Öffentlich-
keit in Erscheinung treten. So wie wir für einzelne Firmen heute


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die Minister ausländischer Staaten einladen und dann für diese
Firmen eigentlich eine Arbeit leisten, die in der Öffentlichkeit
vielleicht noch viel zu wenig unterstrichen wird, könnten wir
bei entsprechender Firmenfinanzierung bei Veranstaltungen stärker
in Erscheinung treten.

ANMERKUNG FÜR KOPPE: Bitte überleg Dir, ob wir nicht Aktionen von
Privatfirmen und Institutionen d.h. deren Geld und deren Ideen für
uns nützen könnten.

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Tagesprogramm, 19.5.1972

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hs. Notizen (Tagesprogramm Rückseite)


Tätigkeit: Innenminister bis 1977, danach Verteidigungsminister


Einträge mit Erwähnung:
    Tätigkeit: Landesrat, LH-Stv. OÖ, SPÖ


    Einträge mit Erwähnung:
      Tätigkeit: Sekr. JS, ab 1973 GF VKI


      Einträge mit Erwähnung:
        Tätigkeit: Kabinettschef Kreisky [ident mit Reiter, C; 3.11.1971 Fredi Reiter genannt]]


        Einträge mit Erwähnung:
          Tätigkeit: Bundeskanzler
          GND ID: 118566512


          Einträge mit Erwähnung:


            Einträge mit Erwähnung:
              Tätigkeit: Finanzminister
              GND ID: 118503049


              Einträge mit Erwähnung:
                Tätigkeit: Leiter wirtschaftspolit. Abt. HK [1971 zuerst in einer Enquete; im Juni 1971 als Referent und Verantwortlicher f. Statistik und Wirtsch.pol. nach Klose bez.]


                Einträge mit Erwähnung:
                  Tätigkeit: oö. LH (ÖVP), GD OKA
                  GND ID: 119017555


                  Einträge mit Erwähnung:
                    Tätigkeit: ÖGB-Präs., NR-Präs.
                    GND ID: 119083906


                    Einträge mit Erwähnung: