Dienstag, 30. Mai 1972
Min.Rat Schulze-Niestroy aus Bonn wurde von uns eingeladen,
über die Klein- und Mittelbetriebe und vor allem über die Tätigkeit
der deutschen Bundesregierung auf diesem Sektor zu referieren. Er
war seinerzeit beim Verbraucherkongress in Baden und damit das
erste Mal im Kontakt mit unserem Ministerium und hat auf die Klein-
und Mittelbetriebe umgeschaltet. Sein Minister, Schiller, hat ihm nicht
nur für diese Reise freigegeben, sondern bezahlt auch den Aufenthalt.
In dieser Beziehung sind die Deutschen sehr grosszügig und ich
glaube wir sollten überhaupt viel mehr Kontakt auf Beamtenebene mit
Bonn suchen. Besonders auf Gebieten, wo wir nicht die Mittel haben,
um Untersuchungen anzustellen und wo wir insbesondere
aus optisch-politischen Gründen aber eine Tätigkeit nachweisen müssen,
ist eine solche Lösung ideal. Z.B. haben sie von Prognos ein Gut-
achten über die Unternehmerqualifikation, die an die Spitze bei
Kleinstbetrieben gestellt werden muss, neben der Investitions- und
Unternehmungsplanung. Keinesfalls ist allein die Kreditgewährung und
die Bürgschaft das Entscheidende. Für dieses Gutachten mussten sie
80.000 DM bezahlen. Jetzt haben sie ein Gutachten vor, welches
sich mit der Steuer- Patent- Wettbewerbspolitik der Kleinstbetriebe
beschäftigen wird. Dieses Gutachten wird ein wissenschaftlicher Pool
vornehmen und ca. 600.000 bis 1 Mill. DM kosten. Unsere Aufgabe müsste
es dann sein, auf Grund dieser Gutachten und Erkenntnisse für Öster-
reich Ergänzungsberichte auszuarbeiten und dadurch wissenschaftliche
allumfassende Tätigkeit zu entwickeln. Hier könnte man Prof. Heinrich
mit seinem Institut für Gewerbepolitik heranziehen. In Deutschland
wird Kredit- und Bürgschaftsgewährung nach dem Windhundprinzip abge-
wickelt. Nach drei vier Monaten sind die Mittel erschöpft und werden
ganze einfach im nächsten Jahr neuerdings dann erst wieder zur Ver-
fügung gestellt. Trotzdem ist der Rahmen irrsinnig hoch, 1,2 Mia. DM
stehen für Kredit und Bürgschaften zur Verfügung. Von ERP stehen
360 Mill. zur Verfügung, da aus ERP-Mitteln auch Berlin-Hilfe
mit 390 Mill. Abwässerung und Umweltschutz mit 159 Mill. und Entwicklungs-
hilfe mit 707 Mill. finanziert werden. Den Hauptanteil hat die
Kreditanstalt und der Lastenausgleichsfonds, welche Kredite um 7 % und
98 Zuzahlung geben. Hier werden eigentlich schlechtere Kreditkondi-
tionen für das Gewerbe als bei uns in Österreich gegeben.
ANMERKUNG FÜR WANKE: Bitte Detailuntersuchung anstellen. Ideal wäre,
wenn es uns gelänge nachzuweisen, dass in der BRD auch für das Klein-
gewerbe nicht mehr geschieht als bei uns.
Bei der Einführung hat Min.Rat Schulze im kleinen Diskussions-
kreis von hohen Beamten und vor allem auch von hohen Kammerleuten
erwähnte ich, dass die Beiratsarbeitsgruppe für das Kleingewerbe
derzeit ansteht, da überhaupt keine konkreten Aussagen jetzt und
in nächster Zeit von dieser Arbeitsgruppe zu erwarten sind. Ich
wollte damit zum Ausdruck bringen, dass das Ministerium in diesem
Fall nicht kapituliert sondern aus der BRD und eben auch vielleicht
von anderswo Referenten holt, um neue Erkenntnisse auf diesem für die
Kleinbetriebe so wichtigen Sektor zu bekommen.
ANMERKUNG FÜR KOPPE: Wie werden Aktivitäten und eventuelle Angriffe
der anderen Seite in Evidenz gehalten?
Im Klub gab es ausser dem Bericht von Kreisky, der sich insbesondere
mit dem Nixon- und Brandt-Besuch beschäftigte nur eine einzige
Diskussion und Angriff auf den Unterrichtsminister. Tull und Winkler
beschwerten sich, dass für die Schulen zu wenig Geld zur Verfügung
steht und andererseits der Maler Hausner für ein Linzer Mittelschule
einen 1,9-Mill.-S-Auftrag für ein Gemälde Technik und Mensch bekommen
hat. Sinowatz erklärte, dass der Bau allein 140 Mill. S gekostet
hat, 40 Mill. S die Einrichtung und dass doch der Grundsatz gilt,
1 % ungefähr für die künstlerische Ausgestaltung aufzuwenden. Kreisky
meinte, dass die Künstler, die sich für uns entschieden haben und
Propaganda machen nicht jetzt mit einem Regierungsauftragsverbot
belegt werden dürfen, nur deshalb, weil die Opposition vielleicht
so etwas gerne sehen würde oder erwartet.
Im Ministerrat berichtete Kreisky über den Landesverteidigungsrat
und stellte fest, dass die ÖVP sich mit der Stimmenthaltung, als es
um die 2 mal 3 Monate Dienstzeit der Maturanten ging, sich klar
und deutlich gegen die Forderung der von der ÖVP geführten Studenten-
Verbände gestellt hat. Kirchschläger teilte mit, dass Scrinzi an
der Umweltschutzkonferenz in Stockholm aus Termingründen nicht
teilnehmen kann. Kreisky meinte, in einem solchen Fall müsste eben
der Stellvertreter des Gesundheitsausschusses eingeladen werden.
Frühbauer berichtete über seine Reise zur Eröffnung des E-Werkes
Eisernes Tor, wo Waagner-Biro und Elin Ausrüstungen geliefert
haben. Ein zweites Donau-Kraftwerk wird von den Rumänen errichtet
ein drittes von den Rumänen und den Bulgaren gemeinsam. Die Strom-
exporte von Rumänien bis 1976 sind für österlich äusserst günstig.
Firnberg fährt von 6.-10.6. nach Bonn und nimmt so wie immer
Sekt.Chef. Brunner, Sekt.Chef Grimburg und ihren Sekretär mit.
Firnberg reist immer mit grossem Gefolge. Kirchschläger be-
richtete, dass der rum . Botschafter ihm mitgeteilt hätte, dass
42 Härtefälle mit 141 Personen nun nach Österreich auswandern
können. Der Botschafter hat erklärt, dass dies der Ausdruck unserer
guten Beziehungen zwischen den beiden Staaten sein soll und dass
dies daher auch von Österreich hoch angerechnet werden muss.
Androsch wies darauf hin, dass er gehört habe, dass im Haushalts-
recht einige Wünsche noch offen seien. Er selbst hätte es, als
die bilateralen Besprechungen mit den Beamten abgeschlossen waren,
als beendet betrachtet. Trotzdem müssten die Minister, wenn sie
irgendwelche Detailwünsche noch hätten, ihm dies brieflich mit-
teilen.
ANMERKUNG FÜR HEINDL: Bitte ein solches Schreiben unverzüglich
zu veranlassen.
Da Sallinger über die Beamten anfragen liess, ob er bei der
Fremdenverkehrstagung eine Eröffnungsansprache halten darf, stellte
ich ihn sofort und erklärte, dass er in einem solchen Fall sich
doch nur an mich wenden braucht. Er war einesteils über diese meine
Stellungnahme sehr erfreut, andererseits aber einigermassen betroffen,
dass ich ihm sozusagen zuvorgekommen bin und ihn persönlich ein-
geladen habe. Vorher hatte ich mit Benya bereits abgeklärt,
dass auch von der Arbeitnehmerseite jemand sprechen sollte und er
meinte, dass jemand sprechen sollte und er meinte auf meinen
Vorschlag, dass Hrdlitschka am besten geeignet sei.
Peter von den Freiheitlichen hat einen Brief an Kreisky gerichtet
wo er um Intervention wegen Kommerzialratstitelverleihungen an
seine Parteiangehörige bei mir ersucht. Als ich Peter, Sallinger
und Mussil beisammenstehen sah, bin ich ganz einfach hingegangen
und habe erklärt, dass ich keine Möglichkeit habe, Kommerzialräte
zu ernennen, ohne dass ich einen diesbezüglichen Vorschlag von Seite
der Handelskammer erhalte. Wenn aber Funktionäre der Freiheitlichen
in den Handelskammerorganisationen mitarbeiten und die Voraussetzungen
für einen Kommerzialratstitel gegeben sind, bin ich überzeugt, wird
die Bundeskammer mir entsprechende Vorschläge machen. Sollte
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dies nicht der Fall sein, bin ich gerne bereit, solche Einzel-
interventionen, wie dies z.B. auch bei dem Kommerzialratsfall
jetzt in Kärnten gewesen ist, als Schiedsrichter zwischen dem Wunsch
und der Ablehnung der Bundeskammer zu fungieren. Peter meinte, dass
doch bisher Bock und Mitterer 10 Kommerzialratstitel selbst
verliehen hatten und ich erklärte gleich frei weg, dass ich diese
Möglichkeit nicht mehr habe, da 60 Kommerzialratstitel, die pro Jahr
verliehen werden alle durch mich beantragt werden müssen, dass
ich andererseits aber durch eine Lösung innerhalb der Kammerorgani-
sation für zweckmässig halte. Peter meinte in diesem Fall, verzichte
er auf alle Fälle auf eine Intervention durch mich, er bräuchte
keinen Schiedsrichter, sondern er wird so wie bisher seine Wünsche
direkt mit der Bundeshandelskammer verhandeln. Diese Lösung
ist mir persönlich auch am liebsten und ich habe damit einen
Wunsch Kreiskys erfüllt, ohne von meinem Prinzip abzurücken.
In der Personalfrage Wanke habe ich ein Antwortschreiben, das von
der Schiedskommission gewünscht wurde, Sekt.Chef Schipper vorgelegt
um seine Meinung resp. Zustimmung zu erhalten. Bei einer stunden-
langen Aussprache, die wir abends mit Heindl und Dr. Karny hatten,
habe ich die Überzeugung gewonnen, dass wir viel stärker als bisher
den Sekt.Chef Schipper als Leiter der Präsidialsektion heranziehen
sollten. Nur unter diesen Umständen werden wir die Angriffe, die
auf alle Fälle im Parlament kommen werden, parieren können. Der
Hauptangriff wird werden, dass ich Wanke bevorzugt behandelt habe.
In diesem Fall wird es äusserst wichtig sein nachzuweisen, dass
keinerlei Protektion vorliegt und dass die Präsidialsektion sogar
mir dies bestätigt hat. Alles, was wir ausserhalb der Präsidial-
sektion an Personalaktivitäten für Wanke entfaltet haben, wird
nämlich den Eindruck erwecken, dass wir hier entgegen den Gebräuchen
und gegen das eingefahrene System gehandelt haben. Ich bemerke
auch in jeder Ministerratssitzung, wo wir eine Unzahl von Personal-
fragen entscheiden, dass diese meistens in den Schemata und in
der bisherigen Vorgangsweise seine Deckung findet und deshalb
auch immer ohne Diskussion ja selbst ohne Erwähnung über die Bühne
geht.
ANMERKUNG FÜR HEINDL: Bitte also so viel wie möglich Schipper ein-
binden.
Die Vorbesprechung für unsere Möbelenquete verlief eigentlich
verhältnismässig sehr negativ. Die Industrievertreter, Komm.Rat
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Effenberg und Dr. Benky konnten nicht kommen, da sie mit dem Streik
der Holzarbeiter beschäftigt sind. Dr. Behn, ihr Vertreter war zwar
einigermassen kooperativ aber hatte keinerlei Pouvoir, um wirk-
liche Aussagen und Zusagen zu machen. Er wies nur darauf hin, dass
in den internationalen Fachverbänden jetzt über ein Möbelsiegel ver-
handelt wird. Sowohl der seinerzeitige Verein für die Möbelproduzenten,
der jetzt in den Fachverband aufgegangen ist, und der Fachverband selbst
machen Marktforschung und stellen fest, dass über die Bauzeit
kaukasisch Nuss, die soziale Wohnbau, die funktionelle Möbelproduktion
zum derzeitigen Elementsystem geführt hat. Wohnwände von 27–60 cm Tiefe
d.h. zur Schaffung von Stauraum für die ungeheuren Massen von
Büchern und Magnetophonen und sonstigen Einrichtungen sind jetzt gefragt.
Die Innung, Innungsmeister Edelmann und Dkfm. Schirmer, erklärten,
dass sie seit 1967 schon eine Möbeldeklaration haben. Das Gremium,
Komm.Rat Weinberger und Dr. Ronzoni wiesen darauf hin, dass die SW
keinesfalls von der Arbeitermasse sondern von einigen Intellektuellen
bevorzugt wurden. In Zukunft spielt aber jetzt wieder der Rundbau und
die bombastischen Möbeln eine grosse Rolle. Heute heissen sie Softline
und werden eben von den Konsumenten gewünscht. Frau Ing. Zotter, die
von seiten des Ministeriums mit dieser Aufgabe beauftragt ist, hat
eine gute Zusammenfassung unserer Forderungen gebracht und Koppe
ergänzte, dass die Warendeklaration die Information die Geschäfts-
und Lieferbedingungen, das Problem der Nettopreise, die Abstimmung der
Möbelteile auf die Raumgrösse, die Forschung über Wohnbedürfnisse und Mö-
bel und insbesondere das gute Design doch auch mit einem Staatspreis
über zweckmässige Möbel ergänzt werden könnten. Diese Probleme sollten
bei der Enquete zur Sprache kommen. Die Unternehmerseite, selbst
Dr. Christian, war nicht sehr begeistert von dieser umfangreichen Aufgabe,
die wir uns hier gestellt haben. Auf den Hinweis, dass Christian mir
bestätigen wird, dass wir bisher in Zusammenarbeit mit der Handels-
kammer doch auch im Konsumentenforum und im Konsumentenbeitat in
den Arbeitsgruppen gute Erfolge auch im Interesse von Handel, Gewerbe
und Industrie erzielen konnten, waren sie glaube ich überhaupt nur bereit,
eine Mitarbeit bei der Enquete zuzusagen. Der Hinweis von Koppe, dass
zuerst die Elektroindustrie nur lauwarm mitgearbeitet hat und jetzt
in der Warendeklaration an erster Stelle sehr konkreter Vorschläge macht
und die Durchführung übernommen hat, die Möbelseite nicht überzeugt.
Zuletzt verblieben wir aber doch so, dass wir in Arbeitsgruppen nach
der Enquete die Einzelprobleme weiterbehandeln wollen.
ANMERKUNG FÜR KOPPE: Unbedingt für die Enquete bereits die Vorsitzenden
von den einzelnen Arbeitsgruppen festlegen, damit ich dann als Enquete--
Ergebnis diese verlautbaren kann.
Tagesprogramm, 30.5.1972
hs. Notizen (Tagesprogramm Rückseite)
Tagesordnung 28. Ministerratssitzung, 30.5.1972