Freitag, 21. Juli 1972
Die Besprechung zwischen Sekt.Chef Madai, Min.Rat Hillebrandt,
Aussenhandelsstellenleiter von Ungarn, Kuzmich, ich weiss nicht,
wer sonst noch alles dabei war, gab die erwarteten Schwierigkeiten.
Madai war nicht die Punkte, die die Handelskammer in den Vertrag
einbauen wollte, zu akzeptieren. Insbesondere wendete er sich dagegen,
dass Ungarn bereits jetzt erklären, wenn sie dem GATT beitreten,
durch diesen bilateralen Vertrag sie die GATT-Vorteile von vornherein
verzichten, es geht insbesondere über die gewünschte Entliberalisierungs-
möglichkeit Österreichs. Die Verhandlungsrunde wollte nach der Unter-
zeichnung des Vertrags über den Schutz der einzelnen Marken und
Wortbezeichnungen weiter verhandeln. Aussenhandelsminister Bíró hatte
aber einen Schwächeanfall und konnte sich vom Hotel nicht ins Mini-
sterium begeben. Im Gegenteil, ich fuhr sofort ins Hotel hin und Prof.
Fellinger, den wir bestellten, stellte fest, dass es Gott sei Dank
kein Herzinfarkt war, wie anfangs befürchtet wurde.
ANMERKUNG FÜR HEINDL: Bitte Dankschreiben an Fellinger schicken.
Die Unterzeichnung erfolgte dann im Hotelzimmer und Madai führte
natürlich keinerlei andere Verhandlungen mehr.
Der Integrationsausschuss im Parlament begann ein wenig verspätet,
da Schleinzer und Kreisky noch Parteibesprechungen führten. Wie mir
Kreisky nachher versicherte, hat er keinerlei Zusagen gemacht, aber
Schleinzer selbst hat durchgesetzt, dass am 5. September die Partei-
verhandlungen über das Begleitprogramm der ÖVP zur Integration Verhandlungen
führen wird. Kreisky gab eine kurze Erklärung im Integrationsausschuss
und ich selbst erörterte die letzte Verhandlungsrunde. Mussil eröff-
nete die Diskussion und stellte Fragen, als ob er den Vertrag und
das Ergebnis überhaupt nicht kennen würde. In Wirklichkeit wollte
er nur entsprechende Informationen von mir offiziell bekommen, um
dann aus der Formulierung, wie ich sie bringe, seine Diskussions-
rede im Plenum vorzubereiten. Ein Angriffspunkt wird die nicht volle
Symmetrie bei den sensiblen Produkten und bei den Ursprungszeugnissen
die nicht dezidierte Erklärung des kumulierten Ursprungs sein.
Weiters griff er ganz besonders an, dass die Regierung Dienstag den
Beschluss gefasst hatte, zu unterzeichnen, ohne dass der Vertrag end-
gültig bis in die letzten Details ausgehandelt war und auch kein end-
12-0949
gültiger deutscher Text vorlag. Kirchschläger replizierte wunder-
bar, indem er erklärte, dass erstens im italienisch-österreichischen
Südtirol-Vertrag nach dem Krieg überhaupt nur englisch als Vertrags-
text vorlag und dass zweitens auch beim Staatsvertrag, wo er mitge-
wirkt hat, keine endgültige Fassung bei der Unterzeichnung vorlag.
Mussil glaubte replizieren zu müssen, indem er darauf hinwies, dass
wir den Staatsvertrag unter Besatzungsmacht unterzeichnen mussten,
währenddem wir jetzt ein freier Staat sind. Da war er nun total gefan-
gen, denn Kirchschläger wies darauf hin, dass doch unsere Theorie
immer gegolten hat, dass wir als freier Staat freiwillig den Staats-
vertrag geschlossen und auch unterfertigt haben. Lanner wieder meinte,
dass nach Gerüchten ein Briefwechsel über die Landwirtschaft existie-
ren sollte. Da ich wusste, dass er diesen Brief tatsächlich besass,
konnte ich leicht in der Antwort ihn fangen, indem ich erklärte,
in dem Brief steht ja eine Verordnung und zwar über 800, ich wusste
genau, dass es 805 war, und er möge doch vor sich nachschauen, ob
ich recht habe mit der 800-Nummer. Schleinzer wollte teils über den
Beschluss im Ministerrat und dann vor allem, warum es nicht geglückt
ist, die Ursprungsregelung, die sich in der EFTA bewährt, auch in die
EG zu übernehmen. Karasek kam auf die Gefahr der SU zu sprechen und
unsere Leute, Gratz – die Folgen, wenn nicht unterzeichnet wird
wegen Nichtvorliegen den endgültigen Textes und Fischer - die Zwei-
drittelmehrheit einzelner Bestimmungen zu sprechen. Teschl inter-
essierte sich für die Papierfrage und meinte, es müsste ein Papier-
konzept im Rahmen der Begleitmassnahmen dann von der österreichischen
Regierung akzeptiert werden. Hier richtete er mehr oder minder indirekt
einen Appell an den Finanzminister, die Wünsche der Papierindustrie
zu akzeptieren, was dieser bis jetzt immer abgelehnt hat. Koren ging
dann insbesondere auf die wirtschaftliche strukturellen Auswirkungen
und Fragte, wie weit die Regierung gegen eine Verschlechterung der
Wettbewerbssituation für die Unternehmungen Vorbereitungen betroffen
hätte. Hier konnte ich natürlich auf seine seinerzeit übernommene
Arbeit im Rahmen des Wirtschafts- und Sozialbeirates wie Koordinierung
der Integrationsuntersuchung durchzuführen, hinweisen, ohne ihn eigent-
lich anzugreifen, da er diese Arbeit ja dann letzten Endes nicht weiter-
geführt hat. Dies werde ich vielleicht im Haus machen, wenn er sich
als der Retter der österr. Industrie herausstellen möchte, indem er
jetzt aufzeigt, was alles nicht geschehen ist. Das Begleitprogramm
der ÖVP betreffend konnte und wollte ich mich ja gar nicht auf Einzel-
heiten festlegen und habe mich deshalb auf die Regierungserklärung
12-0950
zurückgezogen. Lanner wollte eine sehr dezidierte Mitteilung über
die Agrarfragen und Weihs, der replizierte, war scheinbar nicht bereit,
ihm diese Detail selbst zu sagen. Da er aber letzten Endes und dessen
muss man sich doch klar sein, die Details sehr genau kannte, ich habe
dann doch auf die Fragen dezidiert geantwortet. Dabei ist mir ein
grosser Fehler unterlaufen. Über die Zollsenkung bei Wein von 630
auf 300 S pro hl habe ich angenommen, dass es sich nur um Wein in
Fässern handelt. Da eine Unterlage, die mir Pultar seinerzeit gegeben
hat, die er auch dem Landwirtschaftsministerium zustellte, für mich zu
mindestens nicht ganz klar, dass dadurch auch die Zölle für Flaschenweine
gesenkt wurden. Als Lanner den grossen Fehler beging und anfragte, damit
sind nur die Fasswein-Zölle ermässigt worden, habe ich sofort bemerkt, dass
hier ein Hund von mir drinnen liegen muss und begann die gesamte Zoll-
position zu verlesen. Damit hatte ich den Fehler ausgebügelt, allerdings
war klar und deutlich zu erkennen, dass meine erste Auskunft falsch war.
Da Lanner in der Begleitung nach Brüssel vorgesehen war, und dann tat-
sächlich auch mitfuhr, hat er mir dann zugesichert, er hätte im Haus
niemals das Argument ausgespielt, dass ich ihm die Auskunft gegeben
hätte, dass nur Fasswein eine Zollsenkung erfährt und nicht Flaschen-
weins. Ich gebe mich keiner Illusion hin, dass er natürlich auch dann
wenn er immer erklärt und das glaube ich, dass er mich gut leiden kann,
weil die ganze Art ihm sehr gefällt, natürlich dieses Argument im Haus
ausgespielt hätte.
Androsch replizierte auf die Angriffe von Koren sehr geschickt, indem
er die gesamten Massnahmen, die in der letzten Zeit von ihm getroffen
wurden, in die Debatte warf und sie alle als integrationsbewusst und
vor allem auf das Ziel zu einer Assoziation mit der EG zu kommen ausge-
richtet erklärte. Das trifft vielleicht für die Mehrwertsteuer zu, sicher-
lich aber nicht für die vielen anderen Punkte, die er erwähnt hat. Trotz-
dem glaube ich, hätte ich auch diese Taktik schon bei der Koren-Antwort
einschlagen müssen. Hier sieht man, dass ich an Schlagfertigkeit in der
letzten Zeit einiges eingebüsst habe.
Tagesprogramm, 21.7.1972