Freitag, 1. September 1972
Die Ankündigung von Sekretär Loidolt vom Finanzminister, daß alle
Durchführungsverordnungen in den nächsten Ministerrat kommen sollen,
war ein Mißverständnis. Androsch bestätigt mir auf meinen Anruf, daß
er nur, z. B. das Abschöpfungsgesetz nicht bringen will, weil am
Nachmittag doch erst die Verhandlungen über ihr EWG-Begleitprogramm
beginnen. Es wäre daher nicht opportun, bereits am Vormittag, wenn auch
schon eine vereinbarte Gesetzesmaterie im Ministerrat durchgehen würde.
Es hat Androsch mit Kreisky vereinbart, aber unser Interimsvertrag
bereits fertig ist, wird natürlich dieser und seine Durchführungsver-
ordnungen im nächsten Ministerrat von uns eingebracht und sicherlich
auch anstandslos passieren. Bei dieser Gelegenheit erkläre ich Androsch
unsere Situation bezüglich aufwendiger Budgetmaßnahmen. Für das Jahr
1972. Ich setze ihm auseinander, daß wir für die Kleinkreditaktion
5,5 Mio. und für die Komfortzimmeraktion 20 Mio. für das Preisbestimmungs-
gesetz 1,3 Mio. S und für die Bergbauförderung noch einen unbestimmten
Betrag, der zwischen Sterk und den Vertretern des Finanzministeriums
in der kommenden Woche errechnet wird, dringendst brauchen. Die Forderung
der Finanzministervertreter, daß diese Ansuchen unverzüglichst herüber-
kommen sollen, damit sie sie bei den Besprechungen über das Budget 1973
dem Finanzminister vorlegen können, halte ich für falsch. Ich setze
Androsch auseinander, daß in späterer Folge dann die ÖVP offiziell
fragen wird, was ich unternommen habe, um diese Aktionen flott zu
machen und wenn er dann aus budgetären Gründen nein sagen muß, wir in
eine schlechte optische Situation kommen. Ich bitte ihn deshalb, er
soll sich überlegen, wie weit er mit Budgetanträgen von mir einverstan-
den ist, resp. zustimmen kann und mir diesbezüglich Bescheid gibt.
Erst in diesem Zeitpunkt werde ich dann ein offiziellen Antrag zu einem
2. Budgetüberschreitungsgesetz stellen. Androsch stimmt mit mir im
Prinzip überein, sagte er habe vollstes Verständnis für diese Aktion,
muß sie aber natürlich erst budgetär überprüfen und meint, es genügt
vollkommen, wenn ich zum Zeitpunkt unserer Budgetbesprechung für das
Jahr 1973 endgültig mit ihm dann vereinbare, was wir noch im Jahre
1972 erledigen können. Seine Bürokratie meinte er, möchte halt gerne
so schnell wie möglich die Unterlagen haben, damit das 2. Budgetüber-
schreitungsgesetz zeitgerecht ins Parlament eingebracht werden kann.
Ich verständige über die Möglichkeit zu einem späteren Zeitpunkt erst
unsere Budgetüberschreitungsgesetze dem Finanzminister vorlegen zu
können sofort die Budgetabteilung, Amtsdirektor Schütz. Ich weise ihn
darauf hin, daß eine Dringlichkeit wie sie die Budgetabteilung auf
Intervention des Finanzministeriums mir erklärt hat, nicht gegeben ist,
sondern daß daher die Abteilungen sich ruhig Zeit lassen können, bis
sie ihre Unterlagen betreffend des 2. Budgetüberschreitungsgesetzes
der Präsidialabteilung vorlegen müssen. Schütz meint,
daß die wenigen Anträge im Handelsressort kaum eine Rolle spielen, wohl
aber müßte er darauf bestehen, daß im Bautenministerium, wo Dutzende
Anträge kommen sollen, diese jetzt bereits dem Finanzministerium vor-
gelegt werden müssen. Ich kann mir sehr wohl vorstellen, daß wenn man
in einem großen Ressort tätig ist, natürlich nicht eine solche vorsichtige
diffizile Budgetpolitik machen kann, wie wir dies im Handelsressort
derzeit tun. Politisch-taktisch muß es natürlich bei den formellen Ab-
lauf dann zu Schwierigkeiten kommen, wenn die ÖVP an mich entsprechende
Anfragen richtet, was man durchgesetzt hat und was nicht.
Vizegouv. Fremuth, der sich noch immer mit Energiepolitik sehr inten-
siv beschäftigt, erzählte, daß MR Dipl.Ing. Abraschek oder so ähnlich,
bitte Fremuth fragen, ein tüchtiger Mann vom Energieministerium in
Pension gegangen ist. Fremuth und dieser Min.Rat haben auf Vorschlag
von Frühbauer und Moser ein Donauausbaugesetz ausgearbeitet. Fremuth
hat keinen Auftrag gehabt und deshalb weder mit Vranitzky noch mit
dem Finanzminister bei der Erarbeitung Fühlung genommen. Das
Endergebnis ist, daß bei der vorletzten Ministerratsbe-
sprechung Androsch dieses Gesetz entworfen hat. Androsch erklärte rund
heraus er könnte die Milliardenbindung für die nächsten Jahre nicht
jetzt bereits akzeptieren. Das neueste, daß Min.Rat Dipl.Ing. ........
der Schuldige sei und deshalb sei der tüchtige Mann jetzt ausgeschieden.
Ich erkläre Fremuth, daß der größte Fehler darin bestanden hat, daß
man nicht zeitgerecht mit dem Finanzminister kontaktiert hat. Fremuth
meinte, dies hätte sich Frühbauer vorbehalten, ohne es allerdings aus-
drücklich zu sagen. Für mich war diese Mitteilung nur wieder ein Be-
weis dafür, daß es vollkommen falsch ist, wenn man irgendwelche Ge-
setzesmaterien in Angriff nimmt und nicht zumindestens auf Beamten-
ebene mit Vranitzky und dem Sekretariat Kontakt aufgenommen wird,
um den Fortgang der Gesetzwerbung mit dem Finanzministerleuter abzu-
sprechen. Verständlicherweise muß ansonsten jeder Finanzminister da-
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gegen remonstrieren und irgendwelche weitgehenden Bindungen in Zu-
kunft ablehnen. Vielleicht hat Frühbauer ein oder das andere Mal irgend-
welche Andeutungen Androsch gegenüber gemacht, ohne seine dezidiert
Stellungnahme aber zu bekommen. Vielleicht hat er sie allerdings bekommen
und hat nun zum Schluß aber, als sich herausstellte, daß dies Milliarden-
forderungen an den Haushalt sind, erst jetzt abgelenkt. Ich habe in dem
Beispiel wiedereinmal erkannte, daß unsere Politik und Verhaltensweise
gegenüber dem Finanzministerium besser ist.
In der 25jähr . Jubiläumsfeier der Firma Hoerbiger teilte mir Hrdlitschka
mit, daß er für das Institut für Gesellschaftspolitik noch keinen Ob-
mann für die wissenschaftliche Abteilung hat. Ausch lehnt ab und
Renner hat er noch nicht gefragt. Ich erkläre ihm, daß ich auf alle
Fälle zur Jahresversammlung kommen werde.
Sallinger setze ich auseinander, daß nun endgültig die Verhandlungen
über die Entlastungsliste scheinbar flott weiterlaufen und er resp.
Mussil seinen Leuten bestätigen muß, daß wir zu einem Kompromiß unbe-
dingt kommen müssen. Sallinger deklariert sich als Mann der sowieso
immer für einen Kompromiß in jeder Beziehung eintritt, wir auch z. B.
jetzt wieder bei der Baustoppdiskussion gezeigt hat. Sallinger genau
weiß, daß Kreisky sowieso keinen kompletten Baustopp, selbst wenn
er dies wollte, gar nicht durchführen kann, hat sofort eine Diskussion
über den Baustopp resp. über die tatsächlich verlangte Bremsung vorge-
schlagen. Sallinger liegt damit sehr richtig, denn auch die Industriell-
envereinigung meint, man müsse auf diesem Sektor etwas unternehmen und
hat sich gar nicht so energisch gegen Kreiskys Vorschlag ausgesprochen,
als dies die Bundesinnung des Baugewerbe z. B. getan hat. Ich bestätige
Sallinger seine Kompromißbereitschaft auf allen Gebieten, erkläre aber
gleichzeitig, daß er sich in dieser Frage halt noch mehr innerhalb der
Partei durchsetzen muß. Auch ich bemühe mich in allen Fragen einen
Kompromiß zu erzielen.
Direktor Matthes von der VÖEST setzte auseinander, daß sie keinesfalls
irgendwelche Minderlieferungen von Koks in Österreich wegen der durchge-
führten Exporte vornehmen. Ganz im Gegenteil. Sie haben noch immer
tausende Tonnen auf Lager, die sie gerne absetzen würden. Die angebliche
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Knappheit im Welser Raum ist ihm unverständlich. Er vermutet, daß
Händler im Welser Raum auf Importkoks sitzen und deshalb erklären,
damit sie diesen verkaufen können, die VÖEST liefert nicht. Wenn
sich die Arbeiterkammer Wien, die sich bei mir beschwert hat, an
die VÖEST gewendet hätte, oder wenn die ÖRPIG zuständige Arbeitnehmer-
vertreter ihn gefragt hätten, wäre eine Aufklärung sofort erfolgt.
Ich vereinbare mit Matthes, daß er seinen Verkaufsleiter entsprechend
instruieren wird und diese Frage mit den örtlichen Kammern entsprechen-
den Kontakt halten und auch Aufklärung geben wird.
Der neue große 8-köpfige Vorstand von VÖEST und Alpine, der mit 1.1.
1973 bestehen soll, wird derzeit verhandelt, und bereitet natürlich
Schwierigkeiten. Gen.Dir. Sernetz von der Alpine, der über Binder Gleis-
dorf zuerst beim Verkauf von der VÖEST als Konsulent mitbeschäftigt
wurde, braucht die anderen Vorstandsmitglieder der Alpine außer von
Steflitsch machen, bezüglich der Ressortabgrenzung Schwierigkeiten.
Inwieweit Sernetz, der bis jetzt eigentlich immer nur ein Kleinunter-
nehmen, nämlich eben Binder in Gleisdorf, wo er der alleinige Besitzer
mit seiner Mutter war, geführt hat, jetzt in einem so großen Konzern
sich durchsetzten wird ist noch nicht sicher. Für mich ist es ganz
klar, daß man eben jahrzehntelang in einem Betrieb gearbeitet haben
muß, um alle Details zu kennen und ohne diese Detailkenntnisse
es sehr schwer hat, die anderen Vorstandsmitgliedern von Maßnahmen zu
überzeugen resp. sie ohne, daß man autoritär erklärt, so muß es sein,
von seiner eigenen Idee überzeugen kann und muß. Die VÖEST hat seiner-
zeit Binder-Gleisdorf nicht aufgekauft, weil es ein so sehr gut
geführtes Unternehmen, allerdings dringend braucht, sondern weil es
abstimmen wollte die Produktionen zwischen Krems, Liezen, Brückenbau
ihrer Konzernbetriebe mit Gleisdorf, weil hier einige Überschneidungen
in der Produktion und damit in der Konkurrenz festzustellen war. Nach
Meinung Matthes hätte dann Sernetz als Konsulent bei dem ÖVP-Vorstands-
direktor Schaden die techn. Abteilung und die techn. Seite sehr genau
kennengelernt und wäre damit automatisch in diese Funktion hineinge-
wachsen. Durch die Berufung zum Gen.Dir. von der Alpine durch Kreisky
hat er nun vorzeitig einen riesen Sprung gemacht und jetzt ist es
sehr schwer, beide Unternehmungen aufeinander abzustimmen und vor allem
einmal die Kompetenzen aufzuteilen. Der Vorstandsdirektor Otto Fabricius
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ist mit der alleinigen Übertragung der Bergbaukompetenzen nicht
zufrieden. Ursprünglich wollte sogar die VÖEST den Bergbau überhaupt
aus der neuen Gesellschaft ausgliedern und eine eigenen Gesellschaft
gründen. Dies ist zum Glück nicht durchgeführt worden. In diesem Falle
nämlich fürchte ich wäre das Problem Fohnsdorf überhaupt nie gelöst
worden. Die neue Gesellschaft hätte unter weiterer Verlustbildung ent-
sprechende Unterstützung durch den Staat kommen müssen und sicherlich
auch bekommen. Jetzt dagegen wird die VÖEST gemeinsam mit der Alpine
versuchen, den Verlustträger Fohnsdorf doch so schnell wie möglich los-
zuwerden. Die VÖEST hat bekanntlicherweise auch als man ihr mit Gewalt
das Kohlenbergwerk Grünbach übernehmen mußte, letzten Endes dafür
gesorgt, daß dieses geschlossen wurde. Pittermann, der damalige Vize-
kanzler und Ressortleiter von der "Verstaatlichten", hat bei der Über-
nahme noch den Gag geprägt, steht Gründbach auf VÖEST-Boden. Er wollte
damit ausdrücken, daß fest und VÖEST vollkommen gleich ist. Die Kompe-
tenz- und Personalschwierigkeiten der neuen Gesellschaft interessieren
mich nur am Rande, wohl aber interessiert mich sehr, daß so schnell
wie möglich das Problem Fohnsdorf wirklich gelöst wird. Landesrat
Peltzmann von der steir. L.Reg., der dafür zuständige Referent für Wirt-
schaft ist übrigens derselben Auffassung wie ich, daß es ganz sinnlos
ist in diesem Raum Aichfeld-Murboden von einem Arbeitskräfteüberschuß
zu sprechen. Ganz im Gegenteil es wird sich in kürzester Zeit sofort
ein Arbeitskräftemangel herausstellen. Wenn die Alpine, die auch in
Zeltweg bereits Arbeitskräfte dringend benötigt nicht sehr bald dazu-
schaut die entsprechenden Fohnsdorfer Knappen umzuschulen und für sich
zu gewinnen, fürchtet er und auch ich, daß dann überhaupt keine Arbeits-
kraftreserve in diesem Gebiet vorhanden sein wird. Unsere Reorganisati-
on der Bergbehörde in Kärnten, Steiermark, d.h. die Konzentration in
Leoben dieser drei Berghauptmannschaften wird ganz davon abhängen wie
stark Fabricius in Leoben dann selbst die Bergprobleme konzentriert
und sich dort entsprechend einsetzt. Wenn er andere Kompetenzen mitbe-
kommt, wird er sich natürlich viel weniger um die Bergseite kümmern
können und damit weniger um den Konzentrationspunkt Leoben. Trotzdem
denke ich gar nicht daran, denn ich bin auch dafür nicht zuständig,
mich in die Auseinandersetzungen einzumischen.
Anmerkung an WANKE:
Bitte aber Grünwald davon verständigen.
Beim Empfang des Direktor Gamsjäger von der Oper, nach der ersten
Aufführung nach dem Urlaub, verlangte ich ein alkoholfreies Getränk
und bekam auch dann tatsächlich ein Hohes C. Gamsjäger war ganz ent-
setzt, daß ich ein Hohes C trinke, da Fidelio bereits bei der ersten
Aufführung dieses hohe C nicht erreichte und deshalb Buh-Rufe im Steh-
parterre zu hören waren. Ebenso wurde das Orchester ausgebuht und dies
mit Recht. Die Philharmoniker die mir, wie Gamsjäger erklärte, war
vorgestern noch in Salzburg und München tätig. Sie sind jetzt vom
Urlaub ermüdet zurückgekommen und haben ganz einfach eben Fidelio
wirklich ohne Lust und Liebe runtergefiedelt. Krips hat ihnen noch
eine Probe geschenkt und dies hat man klar und deutlich sogar als
Laie gehört. Gamsjäger will dies alles reorganisieren und erklärt,
welche barocken Zustände, um das Lieblingswort Kreiskys zu gebrauchen,
in der Oper geherrscht haben. Ich erkläre ihm rundweg, daß meiner
Meinung nach kaum im Stande sein wird, diesen managermäßig aufs Verdienen
ausgerichteten manipulierten Kunstbetrieb wie er sich jetzt für die
Schallplatten-Orchester und Opernaufführungen abzeichnet, zu durch-
brechen. Er selbst hofft, daß er einen neuen Geist in die Oper tragen
kann. Wichtig ist, daß ein äußerst tüchtiger Manager ist, der als
längster sich im Musikerverein als Generalsekretär halten konnte.
Mit Manager Jungbluth müßte er es gemeinsam gelingen, wirklich
einen besseren Opernbetrieb auf die Beine zu stellen. Wenn ich mir
andererseits die Intrigenwirtschaft, die auf diesem Sektor vorstelle,
so zweifle ich, ob es jemals wirklich gelingen könnte, diese manipulierte
Methode zu durchbrechen. Ich erklärte ihm auf alle Fälle er würde nur
positiv berührt sein und wenn es ihm nicht gelingt sicher keinen Stein
auf ihn werfen, daß ich nicht erwarte, daß er diese Sisyphusarbeit
durchstehen kann. Jungbluth und insbesondere Gamsjäger stehen auf dem
Standpunkt, daß man sie ungeheuer unterstützten kann, je mehr man sich
für ihre Arbeit interessiert und durch Opernbesuche dies zum Ausdruck
bringt. Wenn dies tatsächlich für ihn eine Unterstützung sein soll,
werde ich ihm gelegentlich helfen können.
Tagesprogramm, 1.9.1972