Dienstag, 12. Dezember 1972
Der polnische Vizeaussenhandelsminister Karski und der Handelsattache
von Polen sowie Min.Rat Fälbl besprechen die Möglichkeit einer Erwei-
terung des österr.-polnischen Aussenhandels. Karski war wegen der 25-Jahr-
Feier Polkarbon nach Wien gekommen und ich hatte ihn doch auch ins
Ministerium eingeladen, um mit ihm Probleme zu besprechen. Meine Inter-
vention für die VÖEST, damit des Zementwerk von ihr gekauft wird, hat
gute Aussichten auf Erfolg. Die Polen exportieren zu uns wie Karski
sagt, nur 5 % Maschinen und Anlagen, während sie von uns Maschinen und
Anlagen mit einem Anteil von 30 % unseres Exportes beziehen. Zwei Proble-
me hat Karski von mir gelöst gewünscht. Erstens die Zollermässigung bei
Kooperationen. Mein Hinweis, dass dies GATT-widrig ist und hier erst
ein entsprechender Ausweg gesucht werden muss, hat er zur Kenntnis ge-
nommen, obwohl er erklärte, dass mit Frankreich und Italien Verträge
bestehen, die eine befriedigende Lösung für Polen darstellen. Konkret
hat er mir dann allerdings zugegeben, dass es sich hier nur um tempo-
räre Importlizenzen handelt Und diese Zollermässigungen dann gegeben
werden, weil es sich um Weiterlieferungen in Drittländer handelt.
Er meinte allerdings, dass man kaum prüfen könnte oder vielleicht Italien
oder Frankreich gar nicht prüfen wollen, ob alle Importanteile dann tat-
sächlich, nachdem sie zollermässigt für den Weiterexport nach Italien
und Frankreich besonders eingeführt wurden, dann in Drittländer exportiert
werden. Mit Frankreich gibt es jetzt einen solchen Vertrag, wo 5000
Busse in Kooperation hergestellt werden und insbesondere elektrische
Telefonanlagen von LNT, eine Tochterfirma von ITT. Mit Italien gibt
es einen solchen Kooperationsvertrag mit FIAT. In Brüssel werden von
der EWG diese Verträge mehr oder minder zur Kenntnis genommen. Die
Polen selbst haben eine Verordnung, wo zusammen erstellte Projekte
zu begünstigen sind. Auf Grund unseres Zollgesetze käme nur der § 6
in Frage, der Zollermässigungen bei nicht genügender Inlandserzeugung
oder wo überhaupt keine Inlandserzeugung besteht, vorsieht. Fälbl er-
klärte, dass wir dieses Problem eingehend studieren und versuchen, eine
positive Lösung mit dem Finanzministerium zu erarbeiten. Der zweite
Punkt war, ob Österreich mit Polen ein langfristiges Abkommen, wie
Polen derzeit mit Frankreich und Grossbritannien geschlossen hat,
bereits ist ebenfalls abzuschliessen. Ich verwies darauf, dass wir
derzeit ein 10-jähriges Abkommen mit der Sowjetunion paraphiert haben
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und ich demnächst unterzeichnen werde und dass ich mir sehr wohl
vorstellen könnte, ein solches ähnliche Abkommen auch mit Polen
abzuschliessen. Karski erbat den Text dieses Abkommens, welches wir
ihm sofort zusagte und Fälbl dann auch übergab. Nachdem ich im
nächsten Jahr auf alle Fälle nach Polen fahren muss, eine diesbezüg-
liche Einladung wurde schon einige Male ausgesprochen und von Karski
jetzt wiederholt, meinte ich, dass dies eine gute Gelegenheit sei,
dann den Vertrag zu unterzeichnen.
Im Ministerrat hat Kreisky nur noch einmal festgehalten, dass die
Bundesregierung keinerlei Aussendungen zu den Feiertagen macht und
vor allem einmal, dass sie keine Geschenke wünscht. Sollten Geschenke
aber kommen, werden sie, soweit sie nicht von Freunden und privater
Natur sind, nicht zurückgeschickt, sondern sollen weitergegeben werden.
Mein System, das ich vor Jahrzehnten schon eingeführt habe, nämlich
keine Beantwortung und vor allem keine Aussendung zu Weihnachtsgrüssen,
wird jetzt vielleicht von immer mehr Leuten praktiziert werden. Vor allem
wäre es günstig, wenn man die Institutionen dafür gewinnen könnte,
wie z.B. jetzt die Bundesregierung.
Über die Bauentlastung konnte bei einer Aussprache mit der Innung und
den Interessensvertretungen sowie dem Finanzminister und seinen Beamten
keine endgültige Lösung erzielt werden. Ich selbst hatte auch gar
nicht die Absicht, eine solche sofort abzuschliessen. Da ich nach
wie vor bestrebt bin, eine einvernehmliche Auffassung zu erzielen, muss
ich entsprechende Vorschläge erst fraktionell besprechen. Der Wunsch
der Bauinnung, den auch die Handelskammer jetzt sich angeschlossen hat,
wäre, dass die unfertigen Bauten bis zum 31.12.1972 mit 8,8 % ent-
lastet werden. Die Vorratsentlastung lt. Mehrwertsteuergesetz beträgt
4 %, davon kommen durch die Aktivierungspflicht nur 3,3 % zum Tragen
+ 5,5 % Umsatzsteuer, derzeit, ergibt 8,8 %. Demgegenüber steht im Ent-
lastungskatalog 11 %. Die Arbeiterkammer hat deshalb vorgeschlagen, um
diese 11 % zu erreichen, dass das Finanzminister die 4 % auf 5,5 % erhöhen
sollte. Dies hat Androsch mit aller Deutlichkeit abgewiesen. In diesem
Fall ist aber weniger die Arbeiterkammer der Initiator sondern der ÖGB.
Wehsely von der Arbeiterkammer hat nur diesen Vorschlag übernommen. Schmidt
vom ÖGB dagegen hat vorgeschlagen, es möge eine Teilabrechnung unter
allen Umständen mit 31.12.1973 erfolgen. Nach Unterbrechung der Sitzung
haben wir uns sofort fraktionell im Institut mit Gen.Freibauer von der
Universale und Witzmann von Porr getroffen. Dort stellte sich heraus,
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dass Tommy Lachs erklärt hätte, von seinem Präsidenten die
absolute Weisung, dass nur der Finanzminister nachgehen müsse.
Der ÖGB selbst lehnt jede Ermässigung des Entlastungssatzes ent-
schieden ab. Ich habe vergessen, zu dieser Sitzung auch Millen-
dorfer von der Bauarbeitergewerkschaft einzuladen. Es besteht da-
für keine Verpflichtung, denn ich stehe auf dem Standpunkt, dass
ich nur immer den Gewerkschaftsbund zu Sitzungen einladen muss und
soll, dann ist es dem ÖGB frei, wen er zu diesen Besprechungen mit-
nimmt. In diesem Fall aber hätte ich einen Verbündeten gehabt, denn
wie mir Millendorfer nachmittags dann im Parlament erklärt, wäre
die Innung sofort nach der Sitzung zu ihm gekommen und hätte ihm
die gewünschte Formulierung der Bundeshandelskammer mitgeteilt,
die er hundertprozentig deckt. Er hat diesbezüglich auch Bespre-
chungen mit Präs. Benya geführt und dem Gen.Sekretär Hofstetter,
die seine Meinung teilen. Ich ersuchte Millendorfer, auf alle
Fälle mit Dr. Lachs zu sprechen, um vielleicht einen Akkord herzu-
stellen. Die Formulierung, wie sie die Innung vorschlägt, würde
bedeuten, dass mit 8,8 % nur entlastet wird, während ich ja,
wenn der ÖGB zustimmt, bereit wäre, der Industrie 9,5 % aufzuzwingen,
die sicherlich auch von der Bauinnung akzeptiert werden. Ich wollte
und werde niemanden ausspielen und habe deshalb auch gar nicht die
Absicht, Benya oder Hofstetter in dieser Frage vor eine Entschei-
dung zu stellen, ohne dass man vorerst versucht hat, Lachs zu über
zeugen. Sein Hinweis nämlich, er hätte die Weisung von Benya, beruht
meistens darauf, dass selbstverständlich Benya nach seinen Vorschlä-
gen erklärt, so wie jeder Präsident, man könne diesen Weg gehen,
ist aber sicherlich auch für entsprechende Modifizierungen zu haben.
Dies gilt insbesondere dann, wenn bei einer entsprechenden Nicht-Modi-
fizierung und der Anerkennung der Stichtagabrechnung in Wirklichkeit
die Bauindustrie dann noch ein Geschäft um 0,7 % macht. Nur um
dem Finanzminister zu beweisen, dass er eine zu geringe Vorratsent-
lastung durchgeführt hat oder dass wie Androsch angeblich behauptet,
bei der Entlastung wir eben zu hoch gegriffen hätten, damit aller-
dings die Konsumenten mehr schützen und insbesondere bei 80 %
Bauanteil der öffentlichen Hand gerade diese, ist die starre Hal-
tung doch zu kostspielig für die öffentliche Hand resp. für die
Konsumenten. Ich habe über dieses Problem natürlich Moser genau in-
formiert. Moser selbst wird seine Beamten noch konsultieren, für
Donnerstag 14 Uhr wurde die Beamtenebene von Marsch ins Ministerium
resp. ins Finanzministerium eingeladen. Um 16 Uhr bin ich über-
zeugt wird in der Paritätischen Kommission von Mussil und Sallinger
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dieses Problem neben dem Bierpreis zur Sprache gebracht werden.
Im Parlament zieht sich die Budgetdebatte. Die ursprüngliche Idee,
in einem Tag drei Kapitel, z.B. Justiz Handel und Bauten zu machen,
ist in Nichts zerflossen. Justiz dauerte von Montag nachmittags
bis heute mittags, wobei dann Broda zur Anfragebeantwortung 1 1/4
Stunden brauchte. Gratz kam ganz verzweifelt dann zu mir, wenn ich
mir nicht ein gutes Renommee im soz. Klub zerschlagen will, dann
sollte ich keinesfalls so lange antworten. Ich selbst erklärte,
dass ich mich ganz kurz fassen will, als wir aber vor drei Uhr be-
gannen, war für mich klar, dass wir heute keinesfalls mehr fertig
werden. Die Diskussionsteilnehmer beschäftigen sich nämlich, wie ich
vermutete, mit allem möglichen. Die Angriffe richteten sich weniger
gegen mich als gegen Androsch und teilweise gegen andere Ressorts.
Der ÖVP-Abgeordnete Vetter erklärte rundwegs gleich bei Beginn, er
würde über die Raumplanung reden, die eigentlich nur indirekt in
mein Ressort gehört. Er kam dann auch in diesem Zusammenhang auf
die Verkehrsprobleme zu sprechen und meinte, da Frühbauer über-
haupt auf die Diskussion nicht geantwortet hätte, sondern flucht-
artig die Regierungsbank zur Abstimmung dann verlassen hätte, müsste
er jetzt dieses Problem neuerdings aufrollen. Frühbauer hat nur an
einem Abend, als sich niemand mehr melden wollte, und die Debatte nicht
auf den nächsten Tag hinübergezogen werden sollte, ohne dass die Haupt-
redner zu Kapitel Verkehr sprachen, die Debatte durch seine Nicht-
meldung auslaufen lassen. Eine solche Möglichkeit hätte es sicher-
lich auch im Kapitel Handel gegeben, wenn die ÖVP ihre Redner ge-
strichen hätte. Dies tat sie nicht und so geht die Debatte weiter.
Kein Mensch hört mehr zu, auch die Öffentlichkeit interessiert sich
glaube ich kaum mehr, was im Hohen Hause geschieht. Von Interesse
sind nur mehr die Tumulte und sonstige Krachs, eine Entwicklung
im Parlament, die mit persönlich überhaupt nicht gefällt. Ich habe
mit Blecha über meinen uralten Plan gesprochen, wieweit vielleicht
er einmal durch Meinungsumfragen ergründen könnte, ob die Bevöl-
kerung nicht ein System ähnlich der Schweiz lieber hätte als das
jetzige. Ich sagte im allerdings freimütig, dass Kreisky ein ent-
schiedener Gegner von diesem Konzept seit eh und je gewesen ist,
zumindestens als ich ihm einmal dieses vorgeschlagen habe.
Tagesprogramm, 12.12.1972
Tagesordnung 52. Ministerratssitzung, 12.12.1972
hs. Notizen (TO Ministerratssitzung Rückseite)
Tagesordnung 52. Ministerratssitzung, 12.12.1972 (Duplikat mit hs. Notizen)
hs. Notizen (Duplikat TO MR-Sitzung Rückseite)