Donnerstag, 1. Feber 1973
Ein Besuch von Patolitschew beim Bundespräsidenten konnte ich feststel-
len, dass alle Oststaaten einen ungeheuren Respekt vor dem Staats-
oberhaupt haben. Für sie ist eine grosse Auszeichnung, mit Jonas
sprechen zu können. Ich weiss nicht, ob Patolitschew kein Inter-
esse gezeigt hat, mit dem Bundeskanzler zu reden oder ob Kreisky
keine Zeit hatte. Auf alle Fälle ist für sie das Staatsoberhaupt
scheinbar eine bedeutende Persönlichkeit. Bevor sie eintreten habe
ich feststellen, dass sich alle Oststaatenvertreter kämmen und be-
sorgt sind, ob sie auch wirklich adrett gekleidet sind. Ich hatte
sofort in der Früh Jonas angerufen, über das VErhandlungsergebnis
und das freundschaftliche Klima ihn informiert und ganz besonders
auf die Zeitungspolemuik hingewiesen. Patolitschew kam aber dann
ganz von selbst auf die Gas-Problematik zu sprechen. Er wiederholte
die schon bekannten Thesen. Jonas interessierte sich für viele De-
tails. Insbesondere über die Möglichektien der sibirischen Wirtschafts-
erschliessung.
Beim Mittagessen des Präsidenten Sallinger wies ich auf die Verstim-
mung Patolitschews wegen der Zeitungsmpolemik hin. Sallinger war selbst
auch sehr empört und Mussil meinte, er hätte mit Schuhmeier gesprochen
von ihm aber seinen Informanten nicht erfahren. Bei der Tischrede hat
Patolitschew neuerdings auf die notwendige planmässige Durchführung
unseres 10-Jahresplanes hingewiesen.Die Firmen müssten jetzt die
konkreten Geschäfte abscliessen. BEsonders verwies er wieder auf
das finnische Beispiel.
Vor der Pressekonferenz mit Patolitschew machte mich Koppe darauf
aufmsekrsam, dass auf Grund von Informationen der Journalisten
mit Bestimmtheit sagen könne. dass die Kampagne von den internationale
Ölgesellschaften ausging. Bei der Pressekonferenz stellte ich einlei-
tend fest, dass ich für die österreichische innenpolitische Situation
und Kritik jederzeit Verständnis habe, dass ich aber erwartete, dass
sich die Presse bei Informationen doch eingehender an Tatsachen hält
und versucht, diese Tatsachen auch festzustellen. Patolitschew schilder-
te dann die Entwicklung seines Gas-Angebotes 1969 und die Ablehnung von
Österreich und der jetz9iden Forderung auf entsprechende Erhöhung
der Liefermengen. Eine ANfrge richtete sich danach, dass man sich
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nicht vorstellen kann, dass wenn das italienische Gas dann nach
Österreich zur Durchleitung käme, in Kärnten und Steiermark keines
zur VErfügung stehen würde.Hier würden doch die Länder das gar nicht
zulassen. Hier konnteich nur entgegnen, eine solche Vorgangsweise
sei unmöglich, da ja die Pipeline auf privatwirtschaftlicher Ebene
gebaut wird und die entsprehcnedne Baugenehmigungen bereits vor-
liegen, die übrigens Bundessache sind. Natürlich könnte man admini-
strative Schwierigkeiten machen aber es ist nicht anzunehmen, dass
dies der Fall sein wird. übrigens hoffe ich,dass bis zu diesem Zeit-
punkt die zusätzliche Gaslieferung der SU nach Österreich im Zusammen-
hand mit der italienischen Durchkehrmenge bereits erledigt ist.
Auf den Hinweis eine-s Journalisten, dass er sich nicht vorstellen
kann, dass man 1969 kein zusätzliches Gas genommen hat und es jetzt,
wo man es braucht, nicht bekommt, gab mir Gelegenheit zu erklären,
dass 1969 die andere Regierung – wir waren damals in Opposition –
und die ÖMV tatsächlich eine Mehrmenge abgelehnt haben. Überhaupt
konnten wir über die ANfragen der Journalisten ziemlich duetlich
unsere Handelspolitik erörtern. Patolitschew war mit der Presse-
konferenz sehr zufriedne. Nora Schuster von der Wochenpresse hat
unzählige Aufnahmen von ihm geknipst, er fragte beim Hinausgehen, ob
er von ihr Bilder haben könnte und ich habe sofort mit ihr vereinbart,
dass sie uns die SErie schicken soll.
ANMERKUNG FÜR KOPPE: BItte eventuell gegen BEzahlung die Bilder für
Patolitschew verlangen, ich wurde sie dann im
Sommer für ihn mitnehmen.
Bei der Schlussitzung und der UNterfertigung des Vertrages und des
Protokoll gab es keine neuen Gesichtspunkte. Patolitschew erwartet,
dass ich im September spätestens nach Moskau komme. Sallinger hat mir
erzählt, dass er ihn bereits driemal eingeladen hat und er dies
bis jetzt immer verschoben habe. Er selbst würde deshalb am leibsten
mit mir gemeinsam nach der SU reisen. Ich glaube, dass diese eine
gute Gelegenheit wäre, neuerdings zu dokumentieren, wie auf der
einen Seite die Kammern sich für dieses Problem interessieren und
ich andererseits die Kamern aber jederzeit bereit bin eben mitzu-
nehmen. Ich nämlich überzeugt, dass auch Hrdlitschka gerne wieder
mitfahren wird. Beider Schlussbesprechung habe ich noch Sallinger,
Mussil und Mayer-Gunthof aufmerksam gemacht, dass die Attacken in der
Presse auf die Informationen der internaitonalen Ölgesellschaften
zurückzuführen seien. Gen.Dir. Bauer, der dazukam, konnte sich gerade
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wehren, weil Mussil meinte, die ÖMV hätte diese Polemik gestartet.
Bauer kam zu mir und sagte mit dann unter vier Augen, dass noch
niemals ein Minister ihn so unterstützt hat und dass er sich dafür
herzlichst bedankt. Auch Botschafter Haymerle hat mir dann unter
vier Augen neuerdings versichert, dass es ungeheuer wichtig war,
den Vertrag zu unterschreiben und zuzusagen, dass jetzt die österr.
Seite alles daransetzen wird, um diesen Vertrag mit Leben zu erfüllen
Er glaubt, dass wir nur mehr einige Jahre haben, wo wir uns in der
sowj. Bürokratie und im Plangeschehen unseren Absatz sichern können.
Österreich ist nicht mehr der Liebkind in Moskau, welches man zum
Beweis aufpäppelt und immer wieder als Musterbeispiel dem Westen
gegenüber präsentiert. ICh kann mir lebhaftest vorstellen, wenn man
immer von Leuten umgeben ist, die nur jede Gelegenheit dazu benützen
um zu sagne, wie gut man ist, wie phantastisch man abgeschlossen
hat usw., dass man dann wirklich sehr bald hochnäsig wird und wo-
möglich sich dann einbildet, dass dies alles wahr sei. Ich kann mir
nicht vorstlelen, dass andere Minister vor mir dies nicht mindestens
auch so gut geamcht haben.Sollten sie es schlechter gemacht ahben,
bin ich überzeugt davon, haben die Bürokraten und die Firmen auch
nur immer behauptet, dass dies das Beste gewesen sei.
Heindl hat mit Sektionsrat Schwarz eine Lösung für die Grundsatz-
gruppe besprochen. Schwarz wäre bereit, wenn er mit Dekret stellv.
Leiter der Grundsatzgruppe wird, keinen Einspruch zu erheben, wenn
Wanke nachdem die Grundsatzgruppe von Meisl auf alle Fälle abgegeben
wird, diese führt. Damit würde eine gerechte Lösung gegenüber
Wanke gefunden werden. Wanke war bereits in der Arbeiterkammer der
Meinung, dass eine Führung einer Institution, ob Arbeiterkammer
oder auch Ministerium, auf das wir allerdings damals nicht im
entferntesten dachten, ausser der Tagesarbeit eben eine Grundsatzgrup-
pe haben müsse. In dieser sollten die Probleme genauest untersucht
werden und längerfristige Programme erarbeitet werden. Die Konzep-
tion ist deshalb immer von Wanke in diesem Punkt ausgegangen. Ich
glaube, es wäre wirklich die Krönung seines Lebens, wenn er jetzt
diese Konzeption nicht nur in der Tat verwirklicht sieht, sondern
auch Leiter dieser Konzeption wird.
Tagesprogramm, 1.2.1973