Sonntag, 25. Feber 1973
Bei den beiden Bezirkskonferenzen in Mattersburg und Oberwart
konnte ich wieder einmal die Disziplin der burgenländischen Or-
ganisation bewundern. Im Burgenland sagt man sich Diskussionen
sind nicht erwünscht, die Genossen sollten eigentlich mehr kommen
um informiert zu werden und nicht über Probleme zu diskutieren.
Da ich aber bei Vertrauensmännerkonferenzen immer die negativen
Seiten unserer Regierungspolitik, d.h. die Konfliktsituationen
besonders herausarbeite, begann ich mit den Lehrer-Streik. Ich ver-
trete denn Standpunkt, daß man nicht nur die positiven Seiten bei
solchen Konferenzen erwähnen soll, da gerade die Diskussion der
Funktionäre in den Betrieben und am Wohnort sich mit Argumenten
wappnen muß. die sie womöglich nicht in unseren Zeitungen lesen.
Anschließend bestätigt mir daher auch immer die Spitzenfunktionäre
daß ich mit dieser Methode recht habe. In Mattersburg meldete sich
dann auch zu meiner größten Verwunderung ein Landesschulinspektor,
Hofrat Dr. Paul, um von den Vertrauenspersonen Verständnis für die
Forderung der Mittelschullehrer von den Vertrauenspersonen zu er-
suchen. Der Vorsitzende der Konferenz, ein Hauptschuldirektor,
hat aber sofort dagegen vom Vorsitz aus dagegen polemisiert und
die Konferenz auf seine Seite gebracht, d.h. auf die Parteilinie
eingeschwenkt. Die Disziplin der Spitzenfunktionäre ist für mich
oft wirklich auch beängstigend.
Bei der Geburtstagsfeier für Harry Jodlbauer, Vizepräs. der Handels-
kammer Wien und Obmann des Freien Wirtschaftsverbandes und vor allem
des Zentralsekretärs dieser Organisation Swoboda, der gleichzeitig
auch Wiener Sekretär ist. hat mir andererseits auch wieder gezeigt.
wie diszipliniert diese kleine Organisation innerhalb der Soz. Partei
agiert. Das eingeladene Wiener Präsidium hat natürlich einige Wünsche
bezüglich der Gewerbeordnung geäußert. Insbesondere ist der Vertreter
des Handwerks sowie Jodlbauer ein Tapezierer, an mich herangetreten,
ob man nicht doch eine gewisse Schutzbestimmung für die Tapezierer
in die Gewerbeordnung einbauen sollte. Derzeit bilden sich in Wien
125 Lehrlinge aus und fürchten, daß, wenn Tapezierer und Maler als
eine Einheit betrachtet werden, diese Lehrlinge von den Malern ge-
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kapert werden, damit auch diese dann die Tapeziererarbeit ausführen.
In der Wiener Innung häufen sich Beschwerden der Konsumenten, weil
derzeit Malermeister schon Tapeziererarbeiten verrichten die sie nicht
können und deshalb eigentlich gerade die Konsumenten zu Schaden kommen.
Ihr Wunsch reduzierte sich dann auf eine Übergangsbestimmung, wo nach
eben Maler und Tapezierer zusammengelegt werden sollen, aber doch von
den Malern ein gewisser Befähigungsnachweis verlangt wird, wenn sie
Tapeziererarbeiten ausführen wollen. Mühlbacher, der Geschäftsführer
Vizepräsident sieht gewisse Schwierigkeiten in dem Unterausschuß für
die Gewerbeordnung der derzeitig im Parlament tagt, wie wir diese
Wünsche unterbringen können. Er wies dann ganz besonders darauf hin,
daß Monate, ja jahrelang zu diesen Problemen der Freie Wirtschafts-
verband geschwiegen hat. Dies stimmt allerdings nicht ganz, denn ich
kann mich erinnern daß Jodlbauer sehr wohl mir mitgeteilt hat, daß
eine gewisse Rebellion gerade bei den Tapezierern bereits bei unseren
ursprünglichen Entwürfen im Freien Wirtschaftsverband ausgebrochen
ist. Trotzdem war die Parteidisziplin stärker und man hat also so lange
geschwiegen und diese, wie die Tapezierer sicherlich überzeugt sind,
berechtigten Forderungen zurückgestellt.
Natürlich diskutierten wir vorher die Gemeinderatswahlergebnisse
von Graz, wo die soz. Partei beträchtliche Stimmenverluste erleiden
mußte. Die Gemeinderatswahlen lassen sich furchtbar schwer analysieren
wenn man nicht unmittelbar am Ort ist und die individuellen und ört-
lichen Probleme genau kennt. Scherbaum, der Bürgermeister, war fest
davon überzeugt, daß die 26 Mandate auf die 30 Mandate, d.h. durch
die Mandatsvermehrung, die absolute Mehrheit erhalten kann. Er führte
den Verlust, da er sagte, die Fraktion hat in der vergangenen Periode
positives für Graz geleistet, ausschließlich auf die Autobahntrasse
zurück. In Wirklichkeit glaube ich, daß die beiden anderen Kandidaten
sowohl Hasiba von der ÖVP, ein junger agiler Mann, als auch der
Vizebürgermeister der Stadt,der FPÖ Götz, ebenfalls ein junger und
aktiver Vertreter in der Gemeinde auf die Leute eben einen besseren
Eindruck gemacht hat, als der 67 jährige Scherbaum. Die Argumentation
von der SPÖ, Scherbaum ist furchtbar bekannt ist sogar im Wahlkampf
von der anderen Seite gar nicht angegriffen werden, war soweit ich dies
von der Ferne beurteilen kann, glaube ich, eine Fehlinterpretation.
Das Nichtangreifen von Scherbaum hat letzten Endes dazu geführt,
daß gewisse Sympathisanten mit der Person des Bürgermeisters über
die Sachprobleme dann doch sich entschieden haben, gegen die SPÖ
zu stimmen. Sicherlich hat auch der Bundestrend eine gewisse Rolle
gespielt. Dies war bereits bei den Burgenlandwahlen festzustellen.
Jodlbauer meinte dann bei seiner Tischrede er selbst hätte be-
schlossen, mit 65 auf alle Fälle in Pension zu gehen, d.h. alle
seine Funktionen zurückzulegen und er ist auch überzeugt, daß
dies auch für die Partei die beste Lösung in jeder Hinsicht und
für jede Person ist. Ich glaube auch, daß er in diesem Punkt voll-
kommen Recht hat.
Tagesprogramm, 25.2.1973
hs. Notizen (Tagesprogramm Rückseite)