Mittwoch, 4. April 1973
Die ÖVP hatte sich vorgenommen, bei einer dringlichen Anfrage über
das verfassungsmässig richtige Zustandekommen des Krankenpflege-
gesetzes die Demokratiefeindlichkeit der SPÖ insbesondere Kreiskys
zu diskutieren. Während früher bei dringlichen Anfragen unsere Redner
nur vereinzelt in Erscheinung traten, wurde jetzt die neue Taktik
angewendet, d.h. alle nur verfügbaren Redner zu allen Problemen, die
irgendwo angeschnitten wurden, ja selbst eigene Probleme anzuschneiden
in die Debatte geschickt. Dadurch wurde die zweite Sitzung, die im
11.15 Uhr beginnen sollte, erst um 1/4 11 Uhr begonnen. Alle waren
natürlich sehr ermüdet und wollten ihre Züge erreichen. Ich verbrei-
tete folgenden Gag, man soll sich nicht aufregen, wir haben sowieso
eine Stunde eingespart, denn die zweite Sitzung hätte doch erst um
1/4 12 Uhr beginnen sollen und wir haben doch jetzt schon um 1/4 11
begonnen. Die Überlegung, dass die ÖVP sich jetzt durch diese Tat-
sache, dass wir in Hinkunft auch bereit sind, die Sitzungen zu dehnen,
sich von dieser Taktik abbringen lassen, glaube ich wird nicht auf-
gehen. Trotzdem halte ich es für richtig, dass man sich nicht ununter-
brochen von dringlichen Anfragen attackieren lässt und selbst darauf
nur mit einigen Rednern antwortet. Der Vorteil, der dringlichen Anfrage
ist, dass jeder Redner nur 20 Minuten sprechen darf.
Bis die zweite Fragestunde begann und Kreisky, der die erste und
einzige einzige Frage hatte, warum die von ihm berufenen für die
Rundfunkkommission teilweise ablehnte, sich mit Glaser in eine
Viertelstundendebatte verstrickte, Zeillinger sich furchtbar aufge-
regt, dass eben solange Anfragebeantwortungen dauern, die eigenen
Leute dann wieder schrien, dass die Fragenden so abweichten und
lange brauchen, sodass zu mitternächtlicher Stunde eine sehr ge-
spannte Situation war. Ich selbst antworte prinzipiell immer
kurz, was glaube ich taktisch richtiger ist, weil man eventuelles
Pulver nicht bei der ersten Frage schon verschiesst. Bis jetzt ist
diese Kurz-Antwort noch sehr beliebt, ich bin mir allerdings nicht
ganz sicher, ob nicht früher oder später einer dagegen protestieren
wird, dass sie nicht genauer beantwortet wird. Dann kann ich aller-
dings darauf hinweisen, dass sich doch das Haus immer aufregt über die
langatmigen Beantwortungen. Ausserdem sind die Themen, die ich
gefragt wurde, äusserst uninteressant. Der Abgeordneten Pelikan
glaubt mit der Preisbestimmung d. h. mit der Bestellung von ÖGB-
Datenverarbeitung mich ins Bockshorn jagen zu können. Er stellte
sogar die gewagte Behauptung auf, dass diese Institution deshalb
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ein so billiges Offert gelegt hat, damit sie an die Daten heran-
kommt. Das ist so lächerlich, dass ihn glaube ich nicht einmal seine
eigenen Freunde in einem solchen Kampf unterstützen werden.
ANMERKUNG FÜR KOPPE: Ich glaube aber, dass man diese Polemik auch pro-
pagandistisch auswerten sollte.
Vertreter des Lebensmittelkleinhandels unter Führung von Komm.Rat
Zach und in weitere Folge ist sogar auch Gen.Sekr. Mussil dazugestossen,
waren sehr erstaunt, dass ich gar nicht beabsichtigte, die Verordnung
über das runde Gewicht, d.h. die Zweitauszeichnung des Preises pro kg
zu erlassen, ohne mit ihnen gesprochen zu haben. Mussil beschwerte
sich zu Recht, dass wir eigentlich alle unsere Aktivitäten auf konsumenten-
politischem Gebiet mit dem Beirat resp. mit dem Rechtsausschuss bis jetzt
abgesprochen hatten. In einem Brief hatte ich ihm aber schon vorher
zugesichert, das ich bereit bin, natürlich den Rechtsausschuss des Kon-
sumentenbeirates, der Vorsitzende ist Dr. Christian, von der Handels-
kammer einzuschalten. Wichtig erschien mir, dass Mussil zum ersten Mal
erklärte, dass er für die Zusammenfassung aller Preisgesetze und die
Preisbildung betreffenden Gesetze in ein Gesetz eingetreten ist, ja dass
dies eigentlich sein Gedanke war. Ich hatte bei allen Besprechungen mit
der Presse niemals behauptet, dass diese Idee von mir ist, was ich
Mussil auch sofort jetzt erklärte. Mit dieser offiziellen Erklärung aber
hat er sich endgültig identifiziert und ich habe deshalb sofort Ing. Zotter
ersucht, sie soll diese Details besonders im Protokoll vermerken.
ANMERKUNG FÜR KOPPE: Diese Protokollstelle wird von uns von grösster Be-
deutung sein. Bitte sie dir vorlegen lassen, bevor
sie im Akt festgehalten wird.
Durch reinen Zufall war ich informiert, dass diese Auszeichnungsvorschrift
in der Schweiz und in der BRD schon gehandhabt wird. Dadurch konnte ich
darauf verweisen, dass wir eben nicht als letzter Staat in Europa sondern
doch im Gleichschritt mit den anderen Staaten diese für die Konsumenten
wichtige Vergleichbarkeit der Preise auch regeln müssen.
Mussil und Gleissner intervenierten, das ich die Verhandlungen in Rumä-
nien weiterführen sollte und keinesfalls einen Vertrag unterzeichne,
der wie von rumänischer Seite gewünscht auch die GATT-Regelung, wenn
es zu differenten Auffassungen über die Liberalisierung kommt und vor
allem auch bei Entliberalisierungsmassnahmen sei ich expressis verbis
verpflichtet. Wenn Rumänien dem GATT beitritt, bleibt sowieso meiner
Meinung nach ihm unbenommen, auch auf Grund der Formulierung, die die
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Handelskammer vorschlägt, tatsächlich spielen werden. Gleissner
hat aber wieder aus Vorsichtsgründen einen Verweis auf die Verfah-
rensvorschriften ganz entschieden abgelehnt. Ich habe Mussil nur
versprochen, ich werde mit Gleissner und Fälbl bei der Unter-
zeichnung des Gaswerk-Vertrages von Integral mit der CSSR, wo ich
ihn treffe, abschliessende Gespräche führen. Dies habe ich mit Gleiss-
ner und Fälbl dann auch tatsächlich gemacht, ohne mich endgültig zu
binden, ob ich unterschreibe oder doch nur paraphiere, wenn es not-
wendig ist, entsprechende Verhandlungen noch zu führen. Fälbl hat
dann in einem Telefongespräch geklärt, dass die rumänische Seite
doch akzeptiert, nachdem er angeblich die Rumänen hat wissen lassen,
dass unsere Formulierung bereits im Ministerrat gewesen ist und
von dort ich ermächtigt wurde, nur diesen Text zu unterschreiben.
Wenn dies wirklich der Fall war, dann hat Fälbl ganz gut geblufft.
Auf alle Fälle ist die Handelskammer sehr zufrieden.
Die Direktion und die Betriebsräte der Firma Dynamit-Nobel aus St.
Lamprecht haben meinen Vorschlag, wenn die Jugoslawen tatsächlich das
Dynamit 1 kg 13.- S gegen den österreichischen Preis von 18.- S liefern,
das Antimarktstörungsgesetz anzuwenden, akzeptiert. Die Direktion
sieht keine Möglichkeit, dadurch die Importe tatsächlich zu verhindern.
Die Jugoslawen verkaufen derzeit bei einem Inlandsbedarf von 6.000 t
immerhin 500. Da die Fixkosten mit 63 Mill. derzeit auf die 6.000 t
umgelegt sind, ergibt sich, wenn Einfuhren getätigt werden, eine wesent-
liche Verschlechterung des Betriebsergebnisses. Meisl versprach ihnen,
dass wir Konsultationen aufnehmen mit den Jugoslawen, um ihre Einfuhr-
politik zu bremsen. Da Österreich an einer eigenen Sprengstoffproduk-
tion aus Neutralistätsgründen und insbesondere das Verteidigungsministe-
rium und Innenministerium daran interssiert sein müsste, empfahl ich
den Betriebsräten, sich mit dem Innenministerium ins Einvernehmen zu
setzen, ob nicht doch das Sprengmittelgesetz zu ihrem Schutz herange-
zogen werden kann. Aus aussenhandelspolitischen Gründen kann ich
die Einfuhr kaum verhindern. Der interessanteste Teil: Meisl erzählt
mir, dass die Handelskammer die Sprengstoffe als Liberalisierungs-
position für die Oststaaten-Verhandlungen vorgeschlagen hat.
Der Bürgermeister von Pöls, Gall, und ein deutscher Genosse, der dort
64 Häuser mit 34 Mill. S errichtet hat, wollen auch eine Türenfabrik
errichten. Insgesamt sollen 35 Arbeiter aus dem Kohlenbergwerk
Fohnsdorf dafür gewonnen werden. Derzeit arbeiten Pölser in Fohnsdorf.
Die Firma will 12 Mill. S investieren, möchte aber auch
österreichische Unternehmen daran beteiligen, da sie das Argu-
ment der Überfremdung des Gebietes befürchtet. Hier erklärte ich
mich sofort bereit, alle diesbezüglichen Angriffe auf mich zu
lenken, da ich auf dem Standpunkt stehe, das wir in Aichfeld-
Murboden-Raum jede Initiative von Unternehmen unterstützen müssen.
Derzeit erhalten die Tischler dort 22.- S und die Firma ist bereit
35.- S pro Stunde zu bezahlen. Ich empfahl ihnen, sich sofort mit
dem Landesarbeitsamt Ebner in Verbindung zu setzen, der die Um-
schulung von Bergarbeitern auf Facharbeiter durchführt. Die Gesell-
schaft möchte jetzt für die 64 Häuser über unsere deutsche Zweig-
stelle der Fremdenverkehrswerbung ihre Offerte, nämlich den Urlaub
in diesen Appartmenthäuser zu verbringen, vertreiben. Die Zweigstel-
lenleitung in Frankfurt hat ihnen schon positiv geantwortet.
ANMERKUNG FÜR HEINDL: Bitte dieses Projekt: Ferien in Appartement-
häuser zu propagieren, da durch bewiesen wird
dass Appartmenthäuser auch zweckmässig ein-
gesetzt werden können. Für uns könnte dies
ein Nachweis von Fremdenverkehrsaktivität
im Aichfeld-Murboden-Raum werden.
Die Hauptschwierigkeit ergibt sich, dass jetzt die OeNB keinerlei
deutsches Kapital nach Österreich bis 31. Mai zumindestens herein
lässt. Dadurch kommt die Gesellschaft in Geldschwierigkeiten. Hier
konnte ich ihnen keine offizielle Auskunft und Unterstützung zu-
sagen. Inoffiziell haben wir uns aber dahingehend geeinigt, dass
andere Firmen auch mit Hilfe österreichischer Exporteure, die unter-
fakturieren oder durch Hereinbringen von DM mit der Aktentasche
diese Bestimmung der Nationalbank unterlaufen wird.
Der Abgeordnete Keimel und Huber von der ÖVP, beide Tiroler wollten
von mir eine bindende Zusage, dass ich mich bei der ÖMV verwende,
dass sie bei der Gas-Pipeline, womöglich mit 26 % beteiligt werden.
Ich habe ihnen erklärt, dass ich darauf keinen Einfluss habe und
auch nehmen will, wohl aber mich dafür einsetze, dass das europäi-
sche Gasverbundnetz geschaffen wird. Sie müssten mit der ÖMV die
entsprechenden Verhandlungen führen. Ich selbst fungiere in dieser
Frage nur als Schiedsrichter zwischen ÖMV , Austroferngas und
gegebenenfalls anderen Landesgesellschaften. Ich erklärte nur
dezidiert, dass unter meiner Ministerschaft keinesfalls eine Lösung
wie sie bei der TAL, wo die österreichischen Stellen überhaupt
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nicht beteiligt sind, und keinerlei Einfluss haben, nicht
zustandekommen wird.
Die wirtschaftspolitische Aussprache der Paritätischen Kommission
verlief routinemässig. Mussil stellte einen formellen Antrag
dass in Hinkunft die Referate vom Wirtschaftsforschugnsinstitut,
Prof. Seidel, FM – Androsch, und Notenbank – Präsident Kloss, einen
Tag vorher schriftlich abgegeben werden soll. Benya hat dies sehr
geschickt abgewehrt, indem er erklärte, das ist einmal schon der
Fall gewesen und dann hat er das Referat von Nemschak bereits in
der Früh in der Zeitung gelesen, bevor es noch hier gehalten wurde.
Unter diesen Umständen bräuchte er dann gar nicht zu Sitzungen kom-
men.
Mussil hat dann in der Diskussion Benya darauf aufmerksam ge-
macht, dass wenn er auf die 3 % Reallohnerhöhung pro Jahr beharrt,
es zu hohen Lohnsteigerungsraten kommen wird. Benya hat dann
sogar noch ergänzt, dass dies Mindestlohnsteigerungs-Reallohnraten
sein müssten. Mussil meinte darauf, dass zumindestens unter Real-
lohn nur die Brutto-Lohnerhöhung minus den Lebenshaltungskosten-
steigerungen zu verstehen ist. Benya hat darauf beantwortet,
dies gilt nur wenn gleichzeitig eine Senkung Steuer von Seiten des
Finanzministers erfolgt. Wenn und wo das nicht der Fall ist,
müssten auch die Unternehmer die Progression der Steuer auf
sich nehmen. In diesem Fall meinte Mussil, würden bis zu 20 %
Lohnerhöhungen bei 16 Monate Laufzeit kommen. Hier dürfte durch
die harten Attacken, die jetzt von Seiten der Betriebsräte und vor
allem der Mitglieder der Gewerkschaft erfolgen, bereit sein, zu.
mindestens gegen die Unternehmerschaft gewendet nicht mehr so
sehr auf die Lohnbremse zu steigen. Wie sich sein Verhalten
allerdings gegenüber den Gewerkschaften und deren Wünsche, ins-
besondere der Lebensmittelarbeitergewerkschaft gestalten wird,
möchte ich auf Grund dieser Diskussion noch nicht endgültig
sagen. Ich glaube, dass er die alte Böhm-Taktik anwendet, gegenüber
den Unternehmern anzukündigen, dass grössere Lohnbewegungen unver-
meidlich sind und dann innergewerkschaftlich doch auf Vernunft und
einigermassen verantwortungsmögliche Prozentsätze zu drängen.
Vor der Paritätischen Kommission hat Min.Rat Schleifer mir vor-
geschlagen, dass wir nachdem jetzt die ÖMV und die internationalen
Gesellschaften bereit wären, ein Tankstellenkonzept zu akzeptieren,
eine entsprechende Regelung erreichen sollten. Die Internationalen
offerieren, dass sie für jede Tankstelle, die sie errichten, einein-
halb Tankstellen schliessen. In Wirklichkeit machen sie nichts an-
deres als eine Verlagerung der unrentablen kleinen auf günstigere
Punkte, wo sie grössere Tankstellen errichten werden. Schleifer
meinte nun, wenn dieses System spielen sollte, müssten wir eine
Verordnung versuchen, wonach auf Gebieten, wo Tankstellen aufge-
lassen wurden, keine auch sogenannte "weisse" Tankstellen, d.h.
Firmen, die ausserhalb der Internationalen und der ÖMV Benzin ver-
kaufen, errichtet werden dürfen. Dies würde die Ausdehnungsmöglichkeit
von diesen, nicht den offiziellen Preisen sich unterwerfenden Frauen-
Tankstellen sehr beeinträchtigen. Ich habe deshalb sofort erklärt,
dass mir eine solche Vorgangsweise unmöglich erscheint. Andererseits
aber gebe ich zu, dass wir jetzt sehr konkret endlich mit den inter-
nationalen Gesellschaften und der ÖMV Verhandlungen über das Tank-
stellenkonzept führen müssen.
ANMERKUNG FÜR WANKE: Bitte eine Konzeption, die auch die AK und der
ÖGB akzeptieren können, in fraktioneller Weise
vorbesprechen.
Tagesprogramm, 4.4.1973
hs. Notizen (Tagesprogramm Rückseite)