Freitag, 1. Juni 1973
Der Vortrag und die Diskussion in der Sozialakademie ist für mich immer
ein freudiges Ereignis. Erstens habe ich mit Kolleginnen nd Kollegen
Kontakt, die aus der Gewerkschaftsbewegung kommen, deren Sprache ich
spreche und die, so glaube ich sogar, ein ungeheures Vertrauen zu mir
haben. Zweitens lerne ich doch hier meistens Funktionärinnen und Funktio-
näre kennen, die früher oder später in der Gewerkschaftsbewegung eine
Rolle spielen. Angeblich sinkt das Niveau der Sozialakademie, ich kann
dies allerdings nicht feststellen. Vielleiht liegt es aber auch daran, das
ich jetzt viiel weniger ZEit habe und in Wirklichkeit nur 4 Stunden dort
referieren und diskutieren kann. Die Kollegen dort beklagen noch immer,
dass viel zu viel theoretisiert wird bei denVorträgen. Deshalb empfinden
die wahrscheinlich meine Diskussion und Vortrag als einen willkommenen
Ausgleich. Ich aktualisiere nur alle Probleme und erkläre an Hand von prak-
tischen Ergebnissen und Erfahrungen und vor alem an Hand von aktuellen Zif-
fern, die oft sehr komplizierten wirtschaftlichen Zusammenhänge. Vielleich
hat es auch den grossenVOrteil, dass ich bis in die letzten Details doch
auch nicht in den Einzelprobleme wirklich offee bin und deshalb die Frage
vereinfacht erklärt darstelle und diskutiere. Meiner Meinung nach kommt es
eben nicht darauf an, besonders gute Theorien einwandfrei zu verzapfen
noch aber wenige rkommt es darauf an, durch "Klugscheissen" die armen
Kolleginnen und Kollegen dort in Ehrfurcht erstarren zu lassen, wie ge-
scheit man ist, sondern doch ausschliesslich darauf, dass sie Probleme
analysieren, erkennnen und vor allem dann sich im Betrieb oder in ihrem
neuen Wirkungsbereich mit den Gegnern auseindersetzen zu können. Dabei
ist es für mich gar keine Frage, dass das hier gar nicht der politische
Gegner ist, sondern überhaupt die grosse Masse der Arbeiter und Angestell-
ten, die ja wenn ein solche Sozialakademiker dann zurückkommt, ihn meistens
entweder schneiden oder sogar hart attackieren, um ihm zu beweisen,
dass er auch nicht mehr ist als sie. Zum Schluss appelliere ich deshalb
immer an die TEilnehmer, dass die schwierigste Zeit nicht jetzt die
Prüfungszeit ist, sindern in Wirklichkeit die Zeit sein wird, wo sie
wieder in den Betrieb zurückkommen und wo sie sich dann bewähren müssen.
Unter bewähren verstehe ich, dass sie zwar nach wie vor das Wissen, das
sie heir erworben haben zweckmässig anwenden und einsetzen, aber niemals
den anderne Kollegen zu erkennen geben, dass sie jetzt vielleicht gar mehr
sind. Die Sozialakademie kostet der Arbeiterkammer, da sie acuh den
ganzen Verdienstentgang bezahlt – ein Heidengeld ! TRotzdem glaube
ich- ist es eine der besten Einrichtungen, vor allem kann ich mir nicht
vorstellen, dass die soz. Parteischule jetzt auch nun annähernd eine
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solche intensive und wie ich glaube in die breite wirkende Schulungs-
tätigkeit für Funktionäre machen kann. Ich zweifel aber auch, dass sie
das überhaupt will. Nach dem was ich bis jetzt gehört habe und die Kon-
zeption, die ich von Kreisky vermute, lässt darauf schliessen, dass es
sich doch mehr um eine wissenschaftliche Forschungsstätte handeln wird
wo einige gute Professoren, vielleicht auch sogar Genossen, Möglichkeit
haben, ihrem Hobby zu frönen. Was aber glaube ich der Partei wirklich
fehlt, ist eine so hart Schulung ihrer Funktionäre, wie dies die
Arbeiterkammer und der ÖGB mit seinen unteren und mittleren Funktionären
in der Sozialakademie macht. Für mich hat sich immer noch die Frage
ergeben, ob es überhaupt zielführend ist, dass beide Institutionen
sich Schulungsapparate in so grossen Umfang undmit seinem so grossen
Aufwand aufbauen soll. In der ersten Republik hat man sich letzten
Endes damit begnügt, dass man eine sogenannte Arbeiterhochschule ge-
schaffen hat, die Vorläufer unseer Sozialakademie gewesen ist.
In der Lebensmittelgewerkschaft berichtete mir Macho über den Abschluss
mit den Brauern. Es ist tatsächlich geglückt, einen verhältnismässig
sehr gutenAbschluss zu erreichen. Die Unternehmer sind sich darüber klar
dass sie unmittelbar keine Bierpreiserhöhung bekommen und trotzdem gelang
es unserem Verhandlungskomitee, alle Wünsche duchzusetzen. Wichtig er-
scheint mir, dass es endlich geglückt ist, den Grundlohn oder Basis-
lohn als BErechnungsgrundlage und als niedrigsten Lohn in die
Tabelle einzuführen. Mit 27.50 S ist er verhältnismässig sehr hoch.
Allerdings ist bei uns auch der Kollektivvertrag meistens der Ist-Lohn.
Dieser Basislohn wurde um 17,72 % erhöht. In den höheren Kategorien, wo
die perzentuellen Zuschläge dann wirken, kommt es zwar zu einem noch
ein wenig über diesem Prozentsatz liegenden Erhöhung. Der grösste Er-
folg ist aber, dass die Frauenlöhne mit 95 % der Männerlöhne festgelegt
werdne und gleichzeitig vereinbart wurde, dass bei der ncähsten Lohnbe-
wegung 100 % Frauenlohn akzeptiert wird. Der Lohnabschluss ist in zwei
Etappen vereinbart, 1. Juni die erste mit 15,3 und zweite Etappe
mit September, die restlichen vereinbarten Sätze, ca. 3 %. Nachdem mich
bei dem ersten BEricht, den Koppe mithörte, er mich mit Recht kriti-
sierte, dass ich überhaupt kein Dankeswort für unser Verhandlungskomitee
am TElefon übrig hatte, benütze ich jetzt naütrlich die Gelegenheitm
um wirklich zu diesem schönen Abschluss unserem VErhandlugnskomitee und
insbesondere auch Sekretär Macho zu gratulieren. Ich erzähle ihm auch, d
dass in der Paritätischen Kommission bei der Wirtschaftspolitischen Aus-
sprache Sallinger in meiner Anwesenheit Benya mehr oder minder aufhusste
indem er erklärte, dass die Lebensmittelarbeiter jetzt wieder mit Irr-
sinnslohnbewegungen durchdringen wollen. Ich vereinbare mit Macho,
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dass wir den BEr-cht an die Paritätische Kommission eben auf GRund
der neuen Lohntaktik wie wir es am Verbandstag besprochen haben, ab-
geben werden. Basislohnerhöhung 17,72 % absoluter BEtrag 27.50 S.
Als Brauereiarbeiterlohn. Darauf die vereinbarten und teilweise schon
bestehenden Zuschläge.
In der Direktoriumssitzung berichtet Kübler, dass fast alle unsere
Zweigstellerleiter erkrankt sind oder zumindestens nervlich und
körperlich sehr stark angeschlagen und in nächster Zeit in Spitals-
behandlung gehen müssen. Langer-Hansel führt dies auf Überarbeitung
zurück, was ich in dem Fall wirklich glaube. Die Zweigstellenleiter
werden von den einzelnen Bundesländern insbesondere von BEsuchern,
die nur von den Zweigstellenleitern dann gleich betreut werden wollen,
hart in Anspruch genommen. Das neue Gehaltsschema für die Zweigstellen-
leiter, das unsim Jahr um 2 Mill. S mehr ksotet, wird, nachdem die
Bundesländervertreter selbst eine solche Lösung verlangt haben und
diesbezügliche VOrschläge gemacht haben, endgültig beschlossen. Dieses
Schema wird nun den einzelnen Zweigstellenleitern zur KEnntnis ge-
bracht und vorgechlagen, dass sie es akzeptieren. Schwierigkeiten
könnte es nur insoferne geben als bei dem jetzigen Gehaltsregelungs-
schema auch noch Abfertigungen bezahlt werden. In Hinkunft soll das
entfallen, da wir eine Pensionsleistung jetzt erbringen. Eine ähnliche
Regelung gibt es, wie Heindl festgestellt hat und auf seine Initiative
geht das Ganze ja zurück, auch im Aussenamt. Dort wird ebenfalls nur
die Inlandstangente und niemals die Auslandstangente, die ja für jeden
einzelnen Staat verschieden ist, berücksichtigt.
Fraglich erscheint noch immer, ob wir in Japan, Tokio, eine Zweig-
stelle errichten sollen. Berechnungen von Langer-Hansel ergeben, dass
man mit 3 Mill. S das Auslangen finden würde. Trotzdem bedeutet aber,
wenn wir 3 Mill. alle Jahre aufwenden und es bleibt sicherlich nicht
bei diesem BEtrag, dass eine ganz exorbitante Erhöhung unseres Zweig-
stellenbudgets notwendig wird. Die Länderfremdenverkehrsreferenten
wollen mit der Begründung in Japan eine Zweigstelle zu errichten,
die Finanzreferenten zu zusätzlichen Leistungen veranlassen. ICh
bin überzeugt, dass dies nicht gehen wird, vor allem der Finanzmini-
ster wird sich kaum zu einer weiteren Leistung bereitfinden. Wicthig
erscheint mir, dass es uns gelingt, die gesperrten, d.h. gekürzten
BEträge für die ÖFVW vom Finanzministerium freizubekommen. Ein diesbezüg-
liches Schreiben, wo dies abgelehnt wird, resp. eventuell für den
Spätherbst in Aussicht gestellt wird, wird von Min.Rat Poppinger dem
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Direktorium zur Kenntnis gebracht.
Die Kärntner haben jetzt die Koppelung, dass sie die Bei-
träge nur dann leisten, wenn München eine Zweigstelle errichtet
wird, aufgegeben. Ich verwahre mich ganz entschieden, dass wir in
München neuerdings eine Zweigstelle errichten. Die ursprüngliche
Konzeption und dies hat Hofrat Hlous auch bestätigt, war, dass erst
wenn Tischler in Pension geht, in zwei Jahren, ein neuer Mann nach
Deutschland kommt und er dann auch in München die entsprechende Ver-
kaufswerbung durchführt. Jedes einzelne Bundesland macht jetzt seine
eigene Fremdenverkehrspolitik und die ÖFVW soll dies alles honorieren
ANMERKUNG FÜR HEINDL: Ich glaube, wir sollten fraktionell mit dem
neuen Arbeitsausschuss der ökonomischen Versamm-
lung eine KOnzeption für die ÖFVW entwickeln.
Bei der Ausspache mit den Aussenhandelsstellenleitern vom Fernen
Osten war typisch. Reikisch, der von China endgültig jetzt weggeht
und nach Tel Aviv versezt wurde,referierte noch über China, da ich
aber selbst jetzt überzeugen konnte, dass er dort kaum eine
Chance gehabt hat, in Erscheinung zu treten, kamen mir seine Mittei-
lungen wie reines Blabla vor. Ich glaube, dass Dkfm. Jehli, der
chinesisch spricht, hier wesentlich bessere Arbeit leistet. Voraus-
setzung für einen solchen Posten müsste überhaupt sein, dass der
Betreffendeselbstverständlich die Landessprache spricht. Im Fernen
Osten gibt es einzelne Aussenhandelsstellen, die, wenn an den
Aufwand auf den Umsatz umrechnet, vollkommen unrentabel sind. In
Indien haben wir sogar in Neu-Delhi und in Bombay eine. Die in
Bombay soll jetzt nur als Zweigstelle von Neu-Delhi fungieren.
TRotzdem glaube ich, dass beide hinausgeschmisssenes Geld sind.
In solchen Staaten werden oft nur Exporte in der GRössenordnung von
1 – 200 Mill. getätigt. Diese Exporte sind sicherlich auch ohne
Aussenhandelsstelle möglich. SElbst Gen.Sekr.Stv. Wakolbinger
gibt zu, dass man überlegen muss, wie man diese oft in einzelnen
Ländern aufgeblähten Apparate und Büros reduzieren kann. Durch
die 3 %o Abgabe von Import und Export kriegt die Handelskammer
so ungeheuere Mengen anGEld, dass sie meiner Meinung nach unverant-
wortlicherweise ein Land nach dem anderen Mit Aussenhandelsstellen
überzieht. Ich habe Mussil ud Sallinger vorlängere Zeit schon
gewarnt, selbst wenn di weitere Aussenhandelskonjunktur so anhält,
glaube ich, dass früher oder später einmal, wenn ein Rückschlag kom-
men sollte, es für die Handelskammer schwer sein wird, diesen über-
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höhten Apparat wieder zu reduzieren. Da erscheint es zweckmässiger,
wenn sie die Gelder vorübergehend, sei es dem Exportfonds oder irgend
welchen anderen Instituteion zur VErfügung stellen. Meisl hat mir
anschliessend berichtet, dass er doch versuchen öchten, nachdem die
Japaner unbedingt die nächstenVErhandlungen in Tokio führen wollen,
auf Kosten der Bundeskammer die Delegation nicht in Wien sndern eben
in Tokio zu führen und dort die Verhandlungen abzuschliessen.
Der japanische Aussenhandelsstellenleiter, Dr. Pfeiffer, meint,
dass die Japaner nicht unbedingt auf eine volle Liberalisierung
wie sie es auf Grund des GATT-Vertrages längst velangen könnten und
dies auch getan haben, neuerdings fordern werden. Vor allem werden
sie keine Repressalien ergreifne, wenn wir diesem Wunsch nicht
REchnung tragen. Pfeiffer rechnet, dass die Japaner mit der EG zu eine
Vereinbarung kommen und dass erst dann auch für Österreich die Chance
besteht, eine endgültige Regelung zu finden. Ich weiss nicht, ob es
Meisl wirklich gelingen wird, die Bundeskammer jetzt schon zu einer
Zahlung der Delegationsspesen zu veranlassen. Richtig ist, dass viele
Funktionäre aber auch Dr. Gleissner und andere Sekretäre oft im Jahr
2-3mal in die fernsten GEbiete, sei es Südamerika oder nach Asien
reisen. Hierzeigt sich die ungeheure Geldfülle der Handelskammer
auf dem Aussenhandelssektor.
Tagesprogramm, 1.6.1973