Samstag, 13. Oktober 1973
Die Aussprache mit Mussil und den Herrn der Mineralölindustrie,
aber auch der Industriellenvereinigung war äusserst hart. Ich habe
Mussil erklärt, dass ich mir nicht gefallen lasse, wenn ich die
ganze Woche bereits in Kontakt mit den Mineralölfirmen und der Handels-
kammer bin, dann vom Gen.Sekr. des Wirtschaftsbundes Busek vorwerfen
zu lassen, dass die Regierung resp. das Handelsministerium versagt hat.
Ausserdem benützte ich gleich seine Erklärungen, dass man jetzt ein Krisen-
management setzen sollte und etwas für die Bevorratung tun, eine ganz
harte Formulierung für die zukünftige Rohstofflenkung zu verlangen.
Mussil war so perplex, dass er letzten Endes erklärt hat, er ist bereit,
den Entwurf von Jahre 1970 zu akzeptieren. Damals hat die Handelskammer
ihn ganz entschieden abgelehnt und nur die Industriellenvereinigung zu-
gestimmt. Auf Grund dieses Entwurfes ist der Handelsminister ermächtigt,
für Erdöl und seine Derivate, für alle festen und flüssigen Brennstoffe
eine Rohstofflenkung, d.h. Bewirtschaftung einzuführen. Eingeschränkt
soll dies nur werden, wenn ein Krisenfall vorliegt. Interessant war,
dass Mussil auf dem Standpunkt gestanden ist, den er allerdings dann korri-
giert hat, dass derzeit noch kein Krisenfall für die Ölprodukte wäre.
Min.Rat Hanisch, der wenn wir mit ihm allein sind, immer seine Bewirt-
schaftungsdoktrin mir gegenüber als mit der Handelskammer abgesprochen
erklärt, war bei Anwesenheit der Industriellenvereinigung und der Han-
delskammer wesentlich lendenlahmer. Nur mühsam konnte ich ihn zu Äusse-
rungen bringen, die er mir gegenüber früher gemacht hat, um zu dokumen-
tieren, dass Hanisch, der für sehr gefährlich werden kann, eben auch gegen
die Interessen von Handel, Gewerbe und insbesondere auch der Handels-
kammer arbeitet. Hanisch wird früher oder später, nachdem er sich eine
Verlängerung über den 31. Dez. erhofft, sich mit Gott und der Welt
verbünden, um mich und das Handelsministerium dann zu attackieren.
In diesem Fall muss gegenüber der Handelskammer er vollkommen abgeschnitten
werden. Hanisch ist dann allerdings so weit gegangen, dass er auch für
Chemikalien und Metalle eine Rohstofflenkung verlangte. Mussil erklärte
zuerst, dass für die Attacken der ÖVP oder überhaupt für das Verhalten
seiner Partei er nicht die Verantwortung trägt und meinte, dass dies
1970 abgelehnt wurde, war nur weil man sich letzten Endes über das
gesamte Pakte der Wirtschaftsgesetze nicht einigen konnte. Deshalb
seine eine einjährige Verlängerung beschlossen werden. Jetzt ist er
bereit, nicht nur unseren seinerzeitigen Entwurf zu akzeptieren, sondern
darüber hinaus auch Abstand zu nehmen, dass erstens der Rohstofflenkungs-
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ausschuss bei einem Katastrophenfall gefragt werden muss, wenn eine
diesbezügliche Verordnung erfolgt und, zweitens dass diese Verordnung
nicht drei Tage nach der Verlautbarung in Kraft tritt sondern sofort.
Auch mit dem Katalog ist er jetzt einverstanden. Mit dem Rohstoff-
lenkungsgesetz ist aber noch keinesfalls das Problem wirklich gelöst.
Hanisch hat in offener Sitzung erklärt, dass er imstande ist, binnen
6 Stunden die Bewirtschaftung für Erdöl und seine Derivate durchzu-
führen, Min.Rat Mayer hat dies ganz entschieden bestritten und meint,
er ist überhaupt nicht imstande, eine Bewirtschaftung aufzubauen.
Da Hanisch aber erklärt hat, er kann ohne Rohstofflenkungsgesetz
ja sogar jetzt schon die Heizöl-leicht-Lücke schliessen, habe ich ihn
ersucht, er möge mit Min.Rat Mayer alle Massnahmen Anfang nächster
Woche setzen, dass die Konsumenten nicht darunter leiden. Hanisch
muss meiner Meinung nach jetzt den Beweis erbringen, ob er tatsäch-
lich imstande ist, die Heizöl-leicht-Krise zu überwinden. Meinen Auf-
trag dazu hat er eindeutig vor Min.Rat Frank und Mayer sowie Heindl
und Gehart erhalten.
Min.Rat Frank hat mit den Esso-Vertretern Dr. ......... verhandelt und
festgestellt, dass die internationalen Gesellschaften bereit wären,
Benzin nach Österreich zu bringen, wenn die Preise entsprechende gelockert
werden. Beim derzeitigen Preis sind sie ausserstande, entsprechende
Mengen in Italien, der Schweiz und Deutschland kaufen zu können.
Frank ersuchte mich, ob er entsprechende Zusagen dahingehend machen
kann, dass wenn sie nachweislich teurer einkaufen und diese Preise
im Rahmen des Weltmarktpreises liegen, dann in der Preiskommission
einen entsprechenden Zuschlag, d.h. höhere Verbraucherpreise bekommen.
Ich selbst erklärte Frank, dass ich seine Situation vollkommen ver-
stehe und er eine diesbezügliche Andeutung gegenüber den Firmen
allerdings unter Wahrung des Preisverfahrens machen kann.
Bei der Abholung und Fahrt des Ministerpräsidenten Schiwkow habe ich
unserem Botschafter in Bulgarien mitgeteilt, dass seine Urgenz bezüg-
lich der 5 Geschäfte vollkommen überholt ist. Lt. Mitteilung von Fälbl
sind alle Geschäfte entweder positiv erledigt oder derzeit schon an
andere Firmen vergeben, sodass eine Urgenz nur zeigen würde, das wir
uns nicht genau informiert haben.
Ich habe Kirchschläger über die Ölsituation informiert und ganz besonders
über das Telegramm an Patolitschew. Er war mit meiner Vorgangsweise
einverstanden.
Nedew hat bei der Fahrt zum Flughafen mein Verlangen, das österr.
Evidenzbüro soll man in Bulgarien freier arbeiten lassen, dahingehend
beantwortet, dass derzeit eine solche Möglichkeit nicht besteht.
Es gäbe nur die Möglichkeit, so, wie die Bulgaren dies auf ihrer Bot-
schaft hier machen, den Handelsattaché d.h. die Aussenhandelsstelle
zu verstärken. Von bulgarischer Seite ist es ganz egal, ob dies ein
Beamter ist oder ein Vertreter einer Firma oder einer sonstigen Stelle
Ich habe ihn auf die Schwierigkeiten hingewiesen, dass diese Lösung
für Österreich nicht akzeptabel ist, weil ansonsten alle privaten Firmen
auch kommen und vielleicht eine Vertretung in der Aussenhandelsstelle
wünschen. Der zweite Weg wäre, dass die österr. Firmen sich bulgarische
Vertreter nehmen, wie dies insbesondere deutsche grosse Firmen und
andere Weststaaten aber auch die Japaner gemacht haben. Eine dritte
Möglichkeit besteht derzeit nicht, obwohl die Bulgaren versuchen,
ihre System zu ändern und wahrscheinlich früher oder später auch
eine Devisenerleichterung vorsehen werden. Ich habe dem österr. Han-
delsdelegierten in Bulgarien Sirowatka davon verständigt. Nedew
habe ich ersucht, er soll wenn eine neuerliche Intervention erfolgt,
diese prüfen. Viel Hoffnung habe ich nicht, weil eben die derzeitige
gesetzliche Lage in Bulgarien eine solche Lösung wie sie dem österr.
Evidenzbüro vorschwebt, unmöglich macht.
ANMERKUNG FÜR WANKE: Bitte das Evidenzbüro verständigen.
Im Laufe des Nachmittags wurde ich entweder von Firmen oder auch
sogar von Sagmeister angerufen, der mir über die Benzinsituation
berichtet. Sagmeister behauptet, dass sie bei ihnen in Vösendorf
jede Benzinmenge abgeben, dass er nur am Montag statt 15 Groschen
Diskont nur mehr 5 Groschen machen wird, aber er ist überzeugt, dass
er keinerlei Einschränkungen vornehmen muss. Er bezieht von der
ÖMV wie er mir mitgeteilt hat und von anderen Firmen, die er
mir nicht sagen wollte. Sagmeister vermutet, dass es sich hier um
ein politisches Ränkespiel handelt, in dem insbesondere der Rundfunk
mit Tatarenmeldungen einsteigt. Die Neue Zeit Graz hat mich angerufen
und gemeint, in Graz sei es jetzt überhaupt nicht mehr möglich, Ben-
zin zu bekommen, worauf ich ihnen nur erklärte, dann stimmt ja seine
Mitteilung, die er heute früh schon gesagt hat, nämlich es wird
kein Benzin und Heizöl usw. usw. Wenn unsere eigenen Zeitungen,
ich weiss nicht aus welchen Gründen, entsprechende besonders heraus-
streichen, dass wir uns einer Krise näher oder uns schon darin befin-
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den, dann kann man von den anderen Zeitungen oder vom Rundfunk auch
nichts anderes erwarten. An und für sich stört mich diese Entwicklung
gar nicht. Meine Taktik war und sie dürfte aufgegangen sein, dass
wir die ersten auch für den Konsumenten sichtbaren Einschränkungen
am Samstag, Sonntag machen müssen. In diesem Fall ist kein Werksver-
kehr und deshalb auch eine wirklich Verknappung halb so schlimm.
Anfang nächster Woche hat mir sowohl Bauer als auch die Internationalen
versichert, dass sie wieder normaler ausliefern und dadurch eine gewisse
Entspannung erreichen. In diesem Fall würde dann die Barbarenmeldung
und die Tatsache, dass sich vielleicht die Autofahrer darauf einstellen.
dass sie überhaupt keinen Benzin mehr kriegen, Lügen gestraft werden und
eine einigermassen normalere Versorgung Platz greifen.
Tagesprogramm, 13.10.1973