Freitag, 22. Feber 1974
Dr. Seitlinger von den Linzer Stadtwerken und die Vertreter von
Salzburg und Graz, alles Genossen, wollten eine Entscheidung über
die Einschaltung von Stadtwerken bei Kraftwerksbauten. Derzeit
beziehen sie grösstenteils so wie z.B. Graz die gesamte Energie
von den Landesgesellschaften. Diese verrechnen ihnen bis zu 14 %
Linz 5 % Salzburg seinerzeit 18 jetzt 14 % und Graz ebenfalls und
Klagenfurt einen höheren Zuschlag zu den EVU-Preisen. Sie glauben
nun, wenn sie sich an Kraftwerken mit einem Anteil beteiligen,
d.h. eigenen Strom haben, dass sie dadurch wesentlich billiger
Strom beziehen können. Zu diesem Zweck haben sie sich ein Rechts-
gutachten von Prof. Mayer-Maly machen lassen, wo dieser ihnen eine
solches Recht zugesteht, tatsächlich könnte aber nur die Bundes-
regierung über den Hauptausschuss beantragen, dass auf Grund des
zweiten Verstaatlichungsgesetzes eine solche Möglichkeit geschaf-
fen wird. Da aber die wirklichen Verhältnisse sich ausschliesslich an
den Machtpositionen der einen Landesgesellschaften und der Städte
darstellt, hat sowohl Frank als auch ich ihnen auseinandergesetzt,
dass eine solche Lösung uns unzweckmässig und nicht zielführend er-
scheint. Wesentlich günstiger wäre es, wenn sie bei der nächsten
Vergabe von Anteilen z.B. des dritten Kernkraftwerkes durch ent-
sprechende finanzielle Mitbeteiligung sie sich ein gewisses An-
teilsrecht und damit Strombezugsrecht sichern würden. Sie waren
zwar mit dieser Lösung nicht sehr einverstanden, doch werden sie
sich die ganze Vorgangsweise noch einmal überlegen.
Gen.Dir. Reisinger, der mich über die Konstruktion der zweiten
Kernkraftwerks Betriebsgesellschaft, wo er der Vorsitzende der
Gesellschafterversammlung ist, informierte und den ich bei dieser
Gelegenheit gleich den Wunsch der Landeshauptstädte-Versorgungsunter-
nehmungen mitteilte, meinte, diese hätten keine kapitalmässige Möglich-
keit, sich an Kraftwerken zu beteiligen.
Gen.Dir. Hecke von Siemens hat den Gen.Dir. der Kraftwerksunion
Borbert und den techn. Direktor Fröbe sowie einige anderen Herren
mir vorgestellt, da jetzt ja die Ausschreibung für das zweite
Kernkraftwerk sehr aktuell ist. Ich habe diesen Herren keinerlei
Zusicherung gemacht ausser dass es ein objektives Verfahren geben
wird und ich mich nicht einmischen werde. Neu war für Hecke, dass
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für das zweite Kernkraftwerk der konventionelle Teil und der
Reaktorteil getrennt ausgeschrieben werden soll. Dadurch haben
natürlich die Konkurrenten eine bessere Möglichkeit sich an der
Ausschreibung zu beteiligen. Die KWU hat mehrere Typen und Grössen.
Nach ihren Erfahrungen ist die Grösse 1.200 MW die ideale. In der
Diskussion verwies ich darauf, dass ASEATOM 1.000 MW als ideal
und Standardtype bezeichnet. Ausserdem unterhielten wir uns
über die Abwärme, d.h. die Aufheizung des Kühlwassers- Der An-
schluss eines Fernheizwerkes wäre möglich, doch müsste der Abneh-
mer: nach ihren Berechnungen höchstens 10 km entfernt sein. Dieser
Wert hat sich allerdings jetzt wesentlich geändert, seit dem Anziehen
des Rohöl- und Heizölpreises. Natürlich wurden wir eingeladen, so-
wohl Frank als auch ich, die von ihnen errichteten Kernkraftwerke
und insbesondere die grösste Maschinenfabrik Europas in Mühlheim
zum besuchen. Ich habe dankend abgelehnt, nur wenn ich einmal
in der Nähe sein sollte, würde ich eine Sprung hinmachen. Mein
Interesse aber habe ich bekundet indem ich den KWU-Report, den
ich vor einigen Monaten bei Ossi Grünwald ÖIAG gesehen habe
von ihnen verlangte.
ANMERKUNG FÜR WIESINGER: Wenn diese Reports kommen, bitte nicht
den Abteilungen weitergeben sondern zu-
erst mir vorlegen.
Die 11. Ausstellung "Bunte, weite Welt" wieder im Palais Palffy
das letzte Jahr war sie als Jubiläumsausstellung im Rathaus,
war wieder vom Standpunkt des Besuchers ein voller Erfolg. Da dort
traditionsgemäss die ganzen Länder nicht nur ihre Prospekte
verteilen sondern auch bei der Eröffnung zumindestens entspre-
chende Kostproben geben, ist dort ein Gedränge wie auf einem
Jahrmarkt. Mitterer ist auch immer dabei und er konnte sich nicht
verkneifen mir zu flüstern, es hätte ihm sehr gut getan, als er
erfuhr, dass Androsch, den er als arrogant und überheblich und
beleidigend immer wieder empfindet, soviel Streichungen am Partei-
tag bekommen hat. Er hat mir dies Gott sei Dank während der An-
sprache des Präsidenten vom Palffy geflüstert, sodass ich selbst
wenn ich gewollt hätte, kaum replizieren konnte. Er behauptet
zwar und dies hat er mir schon einige Male gesagt, dass ich bei
der heftigsten sachlichen Differenzdiskussion mit den Gegnern
hier meint er wahrscheinlich die ÖVP-Abgeordneten, niemals beleidigend
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oder verletzend gewesen bin. Hätte ich mit ihm diskutieren können,
hätte ich ihm garantiert gesagt, dafür sind aber sie näm-
lich nicht er persönlich aber doch vor allem auch die ÖVP-Abgeordnete
manchmal sehr beleidigend und verletzend. Immer wieder habe ich
und bemerke ich das Phänomen, dass man von anderen Courtoisie
Entgegenkommen und menschliche Beziehungen erwartet und gleich-
zeitig aber, wenn man solche gar nicht bereit ist zu geben, oder
wenn man diese gelegentlich verletzt, dies als selbstverständlich
zu betrachten. Mich hat seit Jahrzehnten schon folgendes Phänomen
immer wieder beschäftigt. Die eigenen Leute, selbst oft sehr intelli-
gente und gescheite, betrachten auch die anderen selbst wenn sie
mit ihnen sachlich zusammengearbeitet haben, oder noch zusammenarbei-
ten, wenn sie öffentlich auftreten als dumm und deren Aussage als
nichtssagend. Warum eigentlich wird der Gegner nicht nach seinem
Wissen und Können beurteilt sondern nach der Methode der Gegner
hat immer unrecht oder zumindestens nichts zu sagen.
Das Gespräch mit Herrn Gundelach, dem Kommissionsmitglied der EG,
Kommission für Aussenbeziehungen für EFTA-Staaten und Durchführung
des Arrangements, war insofern interessant, als er der Auffassung
ist, es könnte sich auf privater Beziehungsbasis eine bessere
Lösung für Österreich erreichen lassen. Im Gespräch und dann auch
in seinem Vortrag, in letzterem in der Einleitung, bemerkte er,
dass über das Problem der sensiblen Produkte, der Ursprungsrege-
lungen und der landwirtschaftlichen Produktionswünsche auf kaltem
Wege bessere Konditionen erreicht werden können. Gundelach
teilt die Meinung und ich stimme ihm in dieser Beziehung hundert-
prozentig zu, dass es äusserst schwierig sein wird, den Vertrag
zu novellieren. Hier ergibt sich sofort der Widerstand von den
einzelen Ratsstaaten. Eine wirkliche Möglichkeit gibt es daher
nur durch zweckmässige konkrete Detailvorschläge in praktischer
Durchführung eine Verbesserung zu erreichen. Typischestes Beispiel
ist die Frage der Ursprungsregelung. Hier haben die Brüsseler
seinerzeit beim Vertrag das gute EFTA-System abgelehnt und ein
kompliziertes konstruiert. Jetzt sind selbst die Unternehmer in
den EG-Staaten der Meinung, dass dieses komplizierte System
geändert gehört. Gundelach will nun die Ursprungsregelungen
simplifizieren und dadurch auch zu unseren Gunsten abändern.
Ich habe selbstverständlich diese Möglichkeit und insbesondere
die guten Absichten Herrn Gundelachs bei der Aussprache und
ganz besonders beim Vortrag bei der Einleitung und beim
Schlusswort sehr herausgestrichen. Gundelach sieht die weiteren
Aktivitäten in Brüssel bezüglich der Nichtmitgliedsstaaten für
sehr schlecht an. Die Assoziierungsabkommen mit der Türkei
und Griechenland waren nach Meinung der Kommission ein grosser
Fehler. Deshalb werden sicherlich keine mehr abgeschlossen. Spa-
nien, Israel und Malta werden deshalb auch weder eine Mitglied-
schaft noch eine Assoziierung bekommen. Allerdings soll für
die Mittelmeerländer eine entsprechende Regelung gesucht werden.
Bei seinem Vortrag hat Gundelach natürlich auch die Währungs-
und Ölsituation beleuchtet. Interessant war dabei seine Be-
merkung, dass die internationalen Erdölkonzerne, er bezeichnet
sie als Kartelle, ihre Versorgungsaufgaben nicht gerecht wurden
und werden. Entweder bin ich ein so naiver Tor, dass ich noch
immer glaube, dass bei uns diese Internationalen nicht so
handeln oder die anderen Regierungen haben mit ihnen so
schlechte Erfahrungen gemacht. Mir erschienen Erklärungen der
Internationalen vollkommen plausibel. Z.B. hat der Gen.Dir.
der ESSO aber auch andere im Zuge der wochenlangen Diskussionen,
die ich mit ihnen führte rundweg erklärt, dass der italienische
Skandal insofern gar kein Skandal ist, da die Ölgesellschaften
von den Parteien ganz offiziell aufgefordert wurden, für die
zu spenden und sie als Gegenleistung das Recht erhielten bei
zu errichtenden Ölkraftwerken höhere Ölpreise zu verrechnen.
Das Ganze soll über offizielle Konten abgewickelt werden. Der
Generaldirektor von ESSO-Italien wurde auch aus ganz anderen
Gründen vor längerer Zeit von der Gesellschaft selbst schon
gefeuert. Ich kann nicht beurteilen und weiss nicht, wie weit
vielleicht wir durch unser System der Preisregelung und des
ständigen Kontaktes mit diesen Firmen über Ölversorgung und
andere Probleme ein normaleres Verhältnis haben als in anderen
Staaten. Dazu kommt, dass wahrscheinlich bei uns es wirklich
unmöglich wäre, eine Parteifinanzierung auf so unsaubere Art
durchzuführen. Sicherlich werden auch bei uns Firmen an
Parteien Spenden geben und dies bezieht sich nicht allein auf
ÖVP und FPÖ sondern wahrscheinlich auch auf die SPÖ. Trotz
dem erstreckt sich dies in einer Grössenordnung die unvergleichlich
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kleiner ist als anderswo und wahrscheinlich auch doch in saubereren
Bahnen sich bewegt. Ich selbst habe es als Prinzip schon vor
meiner Berufung zum Handelsminister kategorisch abgelehnt, wenn
Firmen sich vielleicht durch Spenden erhofft haben, mein Wohl-
wollen zu erkaufen. DAbei waren vielleicht garnicht ausschliesslich
moralische Gründe der Ablehnung massgebend sondern meine Überzeu-
gung, dass eine solche Lösung keine Lösung ist. sondern im Gegen-
teil früher oder später nur richtige Sorgen udn Schwierigkeiten
bereiten wird, resp. würde. In Österreich herrscht daher glaube
ich auch ein anderes System selbst der ÖVP-Parteifinanzierung
über die Unternehmer vor. In diesem Fall so wie bei der FPÖ
werden sie über die Industriellenvereinigung oder sonstige
Wirtschaftsvereinigungen grösser Beträge zur Verfügung stellen.
DAdurch können sie sie auch steuerlich absetzen, die Vereini-
gung dann finanziert dann ein Projekt der Partei oder
gibt überhaupt eben einen gewissen Betrag für Aufklärung oder
sonstige gut getarnte und auch im INteresse des Unternehmens
liegende Tätigkeit. Die Ölgesellschaften würden bei unserem System
der Preisbildung und Versorgungspolitik kaum wenn sie vertnünftig
sind, kaum grössere BEträge in irgendeine Institution investieren.
Was immer sie an Geld hier sei es in Kammern oder gar vielleicht
Ministerien reinstecken, wäre nämlich verlorener Aufwand, da wir
bei us die Politik doch sehr transparent machen und ich besonders
auf dem Standpuntk stehe Übereinstimmung mit allen Interessens-
vertretungen zu erreichen, geschehen alle Massnahmen eignetlich
unte rdem Scheinwerferlicht der Öffentlichkeit. INteressant war
die letzte Phase der Preisbestimmung für Benzine, Diesel und
Ofenheizöl. Ein Teil der Internationalen, insbesondere Shell
und BP, wollten das zwischen der ÖMV und dem ÖGB ausgehandelte
Kompromiss unter gar keinen Umständen akzeptieren. Der Direktor
von Mobil hat aber dann gemeint, man sollte vielleicht noch ver-
suchen, bei Normalbenzin 10 Groschen statt der 80 Groschen von
4.90 auf 5.70 zu erreichen. Meszaros hat sofort die Gelegen-
heit beim Schopf gepackt und meinte, er würde bei Benya versuchen,
ein solche Zugeständnis durchzusetzen. Benya hat mich angerufen und
meinte, er hätte zwar noch immer keine Zustimmung von Hrdlitschka
der ÖGB ist in der Preiskommission offiziell gar nicht vertreten,
doch sollte ich einen solchen Kompromiss, wenn er die Lösungs-
möglichkeit bringt, entrieren. Benya selbt würde mich gegen
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eventuelle Angriffe abdecken. Mussil, der mit mir beim Essen mit
Gundelach war, wollte zuerst in der ÖVP in der Antragsprüfungs-
kommission den Nachmittag verbringen. Ich habe ihn aber überredet,
doch mit mir ins Ministerium zu fahren, um im Rahmen der Vorbe-
sprechung und dann der Preiskommission eine endgültige Lösung
durchzusetzen. Mussil selbst hatte grosse Schwierigkeiten mit
Shell und BP aber noch eine grössere mit den Händlern und Tank-
stellenvertretern. Obwohl er genau wusste, dass wir spätestens um
4 Uhr oder 1/2 5 Uhr mit dem Andruck der Wiener Zeitung beginnen
müssen, hat er um 3 Uhr glattweg nach Rücksprache mit seinen
Gruppenvertretern einen Vorschlag unterbreitet, der gelinde gesagt
eine Provokation war. Er wollte Superbenzin um 1,20 gegenüber den
schon vereinbarten 90 Groschen verteuern. Hier hatte ich mich
sehr geärgert, bin aber nicht explodiert sondern ganz ruhig er-
klärt, einverstanden, dann wird dieser Antrag neuerdings geprüft.
Selbst Gen.Dir. Bauer und Meszaros, die sehr bestürzt waren,
verabschiedeten sich von mir. Jetzt begann Angst zu haben, dass
die ganze Konstruktion zusammenbricht, ich habe eigentlich nie daran
geglaubt, und hat auf Mussil eingeredet, doch einen Kompromiss mit
90 Groschen für alles zu akzeptieren. Meine gespielte Ruhe hat Mussil
unsicher werden lassen und er hat neuerliche Besprechungen mit
seinen Leuten aufgenommen. Da ich den Vorsitz bei Gundelachs Vor-
trag hatte, weiss ich nicht, wie es dann im Detail weitergegangen
ist, auf alle Fälle erschien dann Bauer, erklärte mir, er müsse jetzt
nach Zürich fliegen, eine Mehrheit sei bei der Abstimmung aber für
das Kompromiss gewesen. Die Journalisten, welche als der Vortrag
zu Ende war, mein ganzes Vorzimmer und teilweise den Gang bevölkerten,
hoffte ich würden jetzt zum Pressegespräch mit Gundelach kommen.
Für mich war dies die grösste Enttäuschung, dass sie allen Ernstes
nicht einmal im Entferntesten daran dachten, sich in den Raum
mit mir und Gundelach zu setzen, sondern eben nur die Benzinpreis-
erhöhung wissen wollten. Reg.Rat Puffler war nicht imstande, sie
zu zähmen. Spät abends erklärte er mir, dass es ein Skandal ist,
wie sich die Journalisten in diesem Fall gegen ein Regierungs-
mitglied und ausländischen Minister bekommen haben. Ich hoffe,
dass Gundelach diese Situation versteht und das Verhalten und ins-
besondere meine Gastgeberrolle entschuldigt. Er ist wirklich zum
denkbar schlechtestens Zeitpunkt gekommen. Allerdings konnte dies
früher niemand wissen.
Unmittelbar nach Bekanntwerden des neuen Benzinpreises begann
sofort ein stärkerer Andrang bei den Tankstellen. Ich glaube
ab 9 Uhr hat es in Österreich überhaupt keine Tankstellen-Benzin
mehr gegeben. Die meisten Tankstellen hatten ganz einfach geschlos-
sen, weil sie natürlich teilweise ihr Lager auf den nächsten Tag
hinüberretten wollten. Ich glaube wir sollten überlegen beim
nächsten Mal die Preise nicht erst am nächsten Tag Null Uhr
sondern sofort ab Radiobekanntgabe erhöhen zu lassen. In meinen
Augen ist es nämlich besser, die Versorgung sicherzustellen als
ganz einfach früher oder später dann den Autofahrer mit geschlossenen
Tankstellen zu konfrontieren.
ANMERKUNG FÜR WAIS: Bitte die rechtliche Seite dieses Vorschlages
prüfen lassen.
Tagesprogramm, 22.2.1974
hs. Notizen (Tagesprogramm Rückseite)