Mittwoch, 17. April 1974
In der Lebensmittelarbeitergewerkschaft haben die Lohnrunden jetzt
alle Gruppen durch und es beginnt jetzt sofort natürlich wieder die
neue Lohnrunde, weil die Zuckerarbeiter z.B. schon wieder ihre letzte
Lohnbewegung ein Jahr zurückliegend haben. Das Angenehme bei dieser
Gewerkschaft ist, dass eben nicht auf einmal für alle ein Kollektiv-
vertrag verhandelt wird, sondern dass doch in Etappen, die jetzt
maximal 13 Monate betragen für die Unternehmer ist dies die Minimalfrist
ein paar Dutzend Kollektivvertragslöhne vereinbart werden müssen.
Hier zeigt sich deutlich, dass beiden schwächeren Gruppen, wo wir
keine starke Organisation haben wie z.B. bei den Zuckerbäckern, teil-
weise aber auch bei den Fleischhauern, die Verhandlungen sich oft
sehr lange hinziehen. Die Abstimmung mit den anderen Gruppen, ins-
besondere aber mit dem zeitlichen Ablauf der einzelnen Verhandlungen
ist oft sehr schwierig. Jede einzelne Gruppe möchtenatürlich für
sich gesehen so schnell wie möglich in die Paritätische Kommission
und dort so schnell wie möglich die Freigabe erhalten. Da es sich
aber meistens um Lebensmitteln handelt, ergibt sich automatisch,
dass die Handelskammer auch in der Paritätischen Kommission immer
wieder Widerstand entgegensetzt. Durch die Vielzahl der Verträge
sind wir deshalb ständig in Abwehrstellung gegen die Behauptung
der Handelskammer, dass die Lebensmittelarbeiter schon wieder beginnen.
Darüber hinaus ist die Tatsache, dass wir hauptsächlich Kollektiv-
vertragslöhne bezahlen und deshalb auch nur Kollektivvertragslöhnen
meistens nur verhandeln für die Gewerkschaft äusserst günstig, weil
dadurch die Mitglieder doch mehr das Gefühl haben, dass sie hier etwas
bekommen, für die Unternehmer aber unangenehm, weil wir natürlich
verhältnismässig grössere Prozentsätze der Lohnerhöhung festlegen
müssen, der einzige Vorteil ist aber, dass eben durch die vielen Ver-
handlungskomitees viele Betriebsräte daran teilnehmen und sie damit da
Gefühl haben, was auch tatsächlichstimmt, dass sie die Lohngestaltung
weitestgehend mit beeinflussen. Ich schaltemich direkt niemals in
Lohnverhandlungen ein. Erstens stehe ich auf dem STandpunkt, es soll
ja nicht der Eindruck entstehen, das von oben dirigiert wird, zwei-
tens, ehe es zum Scheitern kommt, werde ich doch noch eingeschaltet
und kann mit der Unternehmerseite irgendwelche schwierige Situationen
zumindestens nicht offiziell bei den Verhandlungen aber inoffiziell
mit Besprechungen klären. Drittens wollteich nicht, als ich Handels-
20-0452
minister wurde und jetzt schon gar nicht als Lohnverhandler in
Erscheinung treten. Diese zu erwartende Schwierigkeit hatte ich fast
vorausgesehen und deshalb sie mit dieser Taktik umschifft. Sonst hätte
ich wahrscheinlich tatsächlich einen Geschäftsführenden Obmann bestel-
len müssen, was ich aber unter gar keinen Umständen wollte.
Heindl hat sich jetzt noch einmal die Statuten und Geschäftsordnungs-
änderung in der ÖFVW angesehen und mit Würzl verhandelt. Würzl steht
mit Recht auf dem STandpunkt, dass er , bevor er diese Vereinbarung
mit Zedek getroffen hat, den Wünschen Heindls weitestgehend REchnung
getragen hat. Würzl war deshalb sehr erschüttert, als wir ihm und
Jagoda, der zugezogen wurde, bestätigte dies, erklärten, dass damit
eigentlich aber der Handelsminister jedweder Kontrolle über die ÖFVW
verlustig wird. Würzl hat mir unter vier Augen dann zugegeben, dass
dies rechtlich stimmt und dass dies eigentlich doch nicht beabsichtigt
war. Meine gute Ausrede ist und ich habe das dann auch im Direktorium
erklärt, dass ich erst am 3. Mai Gelegenhiet habe, mit der soz. Frak-
tion über die weitere Fremdenverkehrspolitik und über die Massnahmen,
die wir in der ÖFVW beschliessen wollen, berichten muss. Solange dieses
Gremium mir nicht zustimmt, habe ich keine Möglichkeit, endgültig
abzuschliessen. Würzl wird in der Zwischenzeit versuchen, mit Zedek
eine bessere Formulierung zu finden. Langer-Hansel der sich jetzt sehr
brüskiert fühlt, möchtegerne, dass sein Vertrag bis Jahresende ver-
längert wird. Er hat diesbezüglich bei mir vorgesprochen und meinte,
es sei nur noch die Handelskammer eventuell dagegen, weil er bei Sallinger
derzeit unten durch ist. Mit Mannsbarth, dem Vertreter der Länder, der
allerdings derzeit nicht ihr Sprecher ist, sei er auch über Kreuz.
Ansonsten aber seien alle dafür, dass er bis Jahresende Geschäftsführer
bleibt, weil er ansonsten wieder ins Ministerium einrücken müsste.
Ich erklärte ihm rundweg, ich hätte volles Verständnis dafür, wenn er
frühzeitig in Pension gehen will, umso mehr als er mir erklärte,
er möchtejetzt mit der BAWAG und der CA und teilweise auch mit der
Länderbank eine kommerzielle Verkaufswerbung betreiben. Ich erklärte
ihm sofort, dies sei eine kommerzielle Angelegenheit, dafür sei ich
nicht zuständig, ich hätte zwar nichts dagegen aber ich würde auch nicht
meine Zustimmung geben, weil ich eben dafür mich nicht als zuständig
betrachte.
Im Direktorium habe ich versucht bei der Genehmigung des Be-
schlussprotokolls, wo Mannsbarth unbedingt die Streichung über
Vorschlag der Bundesländer, nämlich die Geschäftsführerbestellung
und Verlängerung für Langer-Hansel zu streichen, das Problem des
Geschäftsführer neuerdings zur Sprache zu bringen. Wie sich dann
alledings herausstellte, war niemand bereit, auch nur im entferntesten
vom seinerzeitigen Beschluss, Langer-Hansel bleibt bis Jahresmitte,
abzugehen. Ich habe das GEfühl, dass die alle froh sind, wenn sie ihn
wirklich los sind. ALs ich die ÖFVW übernahm, war eine ähnliche
Situation. Damals hat auch Langer-Hansel geglaubt, er ist so beliebt
und es wird leicht sein , ihn zu verlängern und in Wirklichkeit hat
es dann grösster Anstrengungen bedurft, dass wir überhaupt einen solchen
Beschluss zustandebrachten.
ANMERKUNG FÜR HEINDL: Sallinger fährt nach Abano, Wenn er Dich spre-
chen will, kläre unbedingt die NOtwendigkeit
der Kontrolle des Obmanns auch dann, wenn ein
Geschäftsführenden Obmann bestellt ist.
In der Parteivorstandssitzung hat Kreisky unter Hinweis auf die Pietät
zwar erklärt, wir müssten jetzt auf das Schlimmste gefasst sein, doch
keine konkreten Vorschläge gemacht. Er meinte nur, das Leben im Staat
geht weiter und er hat daher sehr geschickt die Taktik, die er
einschlagen wird und den Wahlkampf, den er erwartet, dargelegt.
Zuerst begründete er, warum er der Meinung ist, dass der Bundesprä-
sident nicht vom Bundeskanzler vertreten werden soll. Es hat doch der
Bundeskanzler dann die Möglichekit, zweimal den Nationalrat auch mit
verschiedener Begründung aufzulösen und deshalb diese Machtfülle nicht
beim Bundeskanzler liegen soll. In Wirklichkeit glaube ich macht er
sehr geschickt hier in der Öffentlichkeit den Eindruck, dass er diese
Konzentration gar nicht anstrebt, was übrigens die ÖVP veranlasst,
nachdem sie jetzt den Bundeskanzler nicht stellt, nur einer einmaligen
Lösung und keiner Dauerlösung zuzustimmen. Was die Kandidatur betrifft.
so hat Kreisky nur über die ÖVP gesprochen. Nach seiner INformation
hätte in der Bundesparteileitung die Landesobleute versucht, auf
einen eigenen Kandidaten zu verzichten. Schleinzer aber und einige
seiner LEute, die unbedingt einen eigenen Kandidaten aufstellen wollne,
hätten sich durchgesetzt. Maurer soll in New York gewesen sein, um
Waldheim zu überreden, neuerdings zu kandidieren. Da Waldheim aber
jetzt in der Mitte seiner Amtsperiode steht, ausserdem aber, da er
20-0454
die Unterstützung der Sowjetunion, Frankreich aber auch der Afro-
asiaten hat, mit einer neuerlichen Wiederwahl rechnen kann, hätte
abgelehnt. Als zweiter präsidentiert sich Withalm, der versucht,
wenn er verlieren sollte den Platz Maletas einzunehmen. Als dirtter
wäre Lugger im GEspräch gewesen und als viertes Piffl-Percevic, der
auch schon bereits bei der letzten Präsidentenwahl in Erwägung gezogen
wurde. Die ÖVP wird in der Wahlwerbung natürlich die Bundespolitik,
d.h. Withalm gegen die Regierung mobilisieren und dort erklären, es
müsste eben ein starke Mann hin, der die Regierung und die schlechten
Entwicklungen, die sich ergeben könnten, im Zaume halten soll.
Demgegenüber müsste dann eben der Kandidat der Sozialisten als Mensch
präsentiert werden und als Mensch versuchen, die Wähler zu gewinnen.
Hier baut Kreisky sehr geschickt bereits, ohne dass der Name auch
nur einmal ausgesprochen wurde, Kirchschläger auf. In dieser Beziehung
kann man immer wieder nur sagen, wie Kreisky das spielt, ist einmal.
Natrülich ist der Parteivorstand als Forum viel zu gross, uj- dort
irgendwelche insbesondere Personalprobleme erörtern zu können. DAs
Unbefriedigende ist nur, dass ich überzeugt bin, dass in vielen Orga-
nisation jetzt naütrlich schon so lebhaft diskutiert wird, wie dies
teilweise bei uns auf der Landstrasse der FAll sit und in den führenden
Gremien noch niemand – und hier sagt Kreisky mit REcht – ob das nicht
von ihm nur eine geschickte Masche ist – dass es die Pietät verlangt,
dass man eben üer dieser Probleme unter gar keinen Umständen jetzt spre-
chen kann. und soll. Das Einzige, was er ankündigte ist, dass in
kürzester Zeit wieder der Parteivorstand rechnen muss, zusammenge-
rufen zu werden. Sein Bericht über die Wirtschaftslage gipfelte darin,
dass in einer Prosperität die Menschen keine Reformen wünschen, sondern
Sicherheit um jeden Preis. Ein genereller Preisstop soll nicht ver-
langt werden, aber selektiven Preisstop mit Handelsspannenregelung
wie beim Preisbestimmungsgesetz als die Mehrwertsteuer eingeführt
wurde, müsste verucht werden. Auf die Landeshauptleute soll man nicht
die ganze Schuld schieben, aber es sei der richtige WEg, wenn Staribacher
jetzt versucht, die Landeshauptleute einzuschalten. Wichtige gesetzliche
Regelung würden im Nationalrat noch in der Frühjahrssession in Angriff
genommen werdne, resp. abgeschlossen werden, und zwar die Steuerreform,
der ORF, das Bodengesetz und Lohnfortzahlung. Er kündigte auch die
Wirtschaftsdebatte an, die auf einen Wirtschaftsbericht und Ressort-
berichte aufbauend versprochen und gehalten in die Öffentlichkeit ge-
tragen werden soll. Koren behauptet zwar, dass diese Regierung gar
20-0455
nichts noch gemacht hat, kann aber in seiner Parteitagsrede nur darauf
hinweisen, dass eigentlich das Medienrecht und Teilzeitbeschäftigung
noch nicht erledigt ist. Kreisky kündigte auch gleich an, dass Androsch
über die Wirtschaftsfragen ergänzend referieren wird. Dieser wies
darauf hin, dass derzeit ein ungünstiges Steuerklima besteht. Die
Steuerbelastungsquote sei aber noch niemals so tief gewesen wie jetzt.
1972 betrug die Summe aller Steuern vom BNP 23,2 % und ist jetzt auf
21,2 % 1973 gesunken. Der Lohnsteueranteil ist sogar von 11 % auf
10 % zurückgegangen. Trotzdem seien jetzt grosse Schwierigkeiten, die
Anleihen unterzubringen, weil durch die Eckzinsfussdiskussion die
Konsortien unsicher sind und deshalb die Konditionen nicht festgelegt
werden können, resp. die Banken sihc nicht bereit erklären, die liegen-
gebliebenen Anleihen dann tatsächlich zu übernehmen. Dies sie der
Grund, warum für die NÖ-Anleihe aber auch für die Energieanleihe der-
zeit keine Ausgabegenehmigung vom Finanzminister erteilt wird.
Die Stabilitätsbemühungen würden in einem neuen Paket zusammen-
gefasst, er könne aber auch die 400 Mill. S für Spitäler, die durch
eine Zigarettenpreiserhöhung eingebracht werden solen, nicht ver-
zichten, auch dann, wenn der Lebenshaltungskostenindex dadurch um 0,2 %
steigen wird. Ebenso mache er aufmerksam, dass die Telefongebührerhöhung
für die Schwachstrom- und Kabelindustrie für weitere Aufträge äusserst
wichtig sei. Von der beabsichtigten Mehrwertsteuersenkung war jetzt
nicht mehr die Rede. In der Diskussion, die ich nur teilweise hörte,
wurde eigentlich auch keine neuen GEsichtspunke gebracht, es beschwerten
sich nur die Vertreter der einzelnen Länder und Gemeinden darüber, wie
wenig Verständnis ohre Massnahmen oft in der Öffentlichkeit erfahren.
So hätte z.B. die Stadt Linz, Hillinger berichtete darüber, die
bis jetzt bis 5.000 S für Kindergartenbeiträge gestaffelt einge-
hoben haben, jetzt für die Einkommen bis 4.500 und 1.000 mehr pro Person
auf Null gestellt und über 15.000 erst den Höchstbeitrag erst wesent-
lich erhöht. Niemand spricht also über die soziale Leistung der Stadt,
dass die jetzt für die Mindereinkommensbezieher nichts verlangen,
sondern regt sich über die Erhöhung der Höchstbeiträge bei 15.000
Familieneinkommen auf. Es ist für mich immer wieder verwunderlich,
wie die LEute nicht einsehen, dass die Bevölkerung gar kein besonders
Animo zeigt, wenn sie irgendeine Ermässigung bekommt, sie als
selbstverständlich hinnimmt, dafür aber natürlich jede Preiserhöhung
zu nützen, um ebne in dem schlechten Klima, in dem wir uns derzeit
20-0456
befinden, zu sagen, da habt ihr die soz. Verwaltung, sie erhöhen schon
wieder. Ähnlich ist es übrigens, wenn Tischer von NÖ darauf hinweist,
dass jetzt Arbeiter, die einen kleinne Grund haben, früher bei der
Landwirtschaftlichen Krankenkasse keine Beiträge zahlen müssen, jetzt
aber seit sie zusammengelegt werden, von den allgemeinen Krankenkassen
auch für die Grundstücke, wo ein Einheitswert besteht, entsprechend
Krankenkassenbeiträge leisten müssen. Sie meinen, sie wäre ja schon
normal bei der Krankenkasse aus ihrem Arbeitsverhältnis versichert
und eine zweite Versicherung wollen sie nicht. Häuser erklärte ihnen
zwar, dass dies nur eine Gleichstellung ist mit den Arbeitern, die z.B.
eine zweite versicherungspflichtige Tätigkeit ausüben, also nicht
die Pfuscher, die man ja nicht erfassen kann, und ebenfalls zwei Kranken-
kassenbeiträge leisten, owbohl auch diese natürlich nur eine Kranken-
kasse in Anspruch nehmen. Meine ERkenntnis aus der Diskussion, ja selbst
aus der ganzen Entwicklung in der letzten Zeit ist, dass die LEute
alles, was man ihnen positiv bringt als selbstverständlich annehmen,
dagegen alles was irgendwie negativ auf ihren Lebensstandard
sich auswirkt, eben kritisieren und kein Verständnis dafür haben auch
bei sachlich noch so guter Begründung. Zu glauben, dass man dann an
die Vernunft appellieren kann oder dass gar vielleicht der der mehr
bezahlen muss dies einsieht,ist eine Illussion. Die ARgumentation,
dass wenn es der Bevölkerung schlecht geht, diese mher zusammenhalten,
ist meiner Meinung nach genauso falsch. Auch hier versucht der einzelne
natürlich so gut es geht natürlich durchzukommen und sich eine bessere
Position und ein besseres Einkommen und eine bessereAusgangslage zu
verschaffen als der andere hat. Da ebr in Notzeiten wenn sie insbeson-
dere vorüber sind und dann sehr bald ein gewisser Aufstieg wieder
zu verzichnen ist, sich die Situation sich dann eben für alle bessert,
kommt der einzelne Mehr zur Überzeugung, dass es ihm natürlich jetzt
auch besser geht, dass er deshlb zwar nicht befriedigt ist, wei auch
in dieser Zeit ich mich genau erinnern kann, heftigste Diskussionen,
warum es ihm nicht besser geht als bisher, waren, aber doch naütrlich
ein schnellerer Aufstieg zu verzeichnen ist. In der jetzigen Phase
kann aber ein so schneller Aufstieg nicht mehr gewährleistet werden
und deshalb ist das INteresse von anderen einen Teil, zu bekommen,
grösser. WEnn man will, ist dies Klassenkampf und da in einer Konjunktur
die Unternehmer immer auf dem längeren Hebel sitzen, ist es für mich klar
dass die Unzufriedenheit in der grossen Masse der Bevölkerung ins-
besondere der Arbeiter und der Angestellten immer grösser Wird. Dies
20-0457
zeigt sich für mich am deutlichsten in Schweden. Dort hat man ver-
sucht mit der neuen Philosophie, nicht alle die gleichen Chancen
sondern alle die gleichen Verhältnisse, d.h. womöglich gleiche
Einkommen einer Entwicklung vorzugreifen, die aber dann nicht soziali-
stischer bewusster die Bevölkerung gemacht hat sondern in Wirklichketi
sie von der soz. Regierungspartei abgedrängt hat. Das gilt natürlich
nicht für die grosse Masse der Parteianhänger, wohl aber für die marginale
bei Wahlen so wichtigen Randschichten.
Da Kreisky bei der Parteivorstandssitzung länger aufgehalten war, dann
übrigens wie mir Komm.Rat Eder vom Vorwärts-Verlag mitteilte noch für
5 Uhr vereinbart hat, eine Präsentation enes Buches über ihn, zu
gleicherzeit aber die Paritätische Kommission einberufen war, ersucht er
mich, ich solle dort den Vorsitz übernehmen, was ich übrigens mit grossen
Vergnügen tat.
BEvor noch die Sitzung begann, hat Tommy Lachs mir erklärt, heute gibt
es einen Krach, sie hötten sichüber die Baustoffpreise nicht einigen
können und jetzt würde das Ganze in die Luft fliegen. Zum GLück
ist dann ein bisschen verspätet Benya erschienen. Es hat dann tat-
sächlich schon bei den ersten Positionen, nämlich bei der Güssinger
Tafelwassererhöhung und 60 resp. 20 Groschen über das Ausmass hatte
man sihc geeinigt, nicht aber über den Geltungstermin, harte Ausein-
andersetzungen gegeben. Die Brau AG, die die Gasteiner Tafelwasserquelle
abfüllt, hatte von der Handelskammer unbedingt den 1.6. verlangt,
die AK und der ÖGB waren nur bereit auf 1.8. zu gehen. Über 3/4 Stunde
wurde über dieses Problem diskutiert, zwischendurch hat die LWK
vorgeschlagen, den 1.7., und da ich gesehen habe, dass dies unmöglich
istm durchzusetzen, habe ich als Vorsitzender den 15.7. vorgeschlagen.
Obwohl hier nur 14 Tage Differenz zum AK- un ÖGB-Datum waren, hat
Zöllner aber auch Lachs erklärt, das kommt überhaupt nicht in Frage,
Hrdlitschka hat sich an der Diskussion kaum beteiligt, Altenburger
in dieser Phase auch noch nicht, aber wenn Benya nicht gewesen wäre,
glaube ich wäre es hier bereitszu einem Krach gekommen. Die Handels-
kammer hat ganz einfach argumentiert: schön, es gibt keine Einigung,
dann ist Fristenablauf, was natürlich Benya nicht wollteund deshalb dann
mehr oder minider der Terminregelung 15.7. alle die Zustimmung gegeben
haben. Bei den Baustoffpreisen, d.h. Ziegel, Schotter, Quarzsand, Natur-
steine, Betonfertigteilindustrie und Kalk, welches als Paket ver-
20-0458
handelt werden sollte, gab es auch Differenzen bezüglich der per-
zentuellen Aufschläge. Nachdem ich auch versuchte, dieses Paket
aufzuknüpfen, auch hier protestierte Lachs ganz entschieden und Zöllner
"Matschkerte" bis Benya ihnen erklärte, den Vorsitz führt der Minister,
gelang als erste Phase nach längerer ZEit einen gemeinsamen perzen-
tuellen Erhöhungszuschlag zu erreichen. Die Handelskammer wollte
dass diese Massnahmen dann mit 1. Mai genehmigt werden. Die Bauarbeiter-
gewerkschaft aber hat ihre Lohndauer von 12 Monaten auf 13 Monate
verlängert. DIe Preise selbst wenn sie am 20.7., wie die Arbeiterkammer
und der ÖGB vorschlugen, festgelegt worden wären, hätten nur 11 Monate
zur letzten Preiserhöhung betragen. Der Präsident der AK NÖ ist ein
Bauarbeiter Hesoun hat äusserst vernünftig und ich glaube auch sehr
geschickt dort agiert. Ich muss sagen, hier ist endlich einmal von
der Bauarbeitergewerkschaft sehr zum Unterschied von seinerzeitigem
Präsident Horr ein wirklich jüngerer tüchtigerer Mann in diese Position
berufen worden. Schön langsam gelang es mir dann in sehr langen und
harten Verhandlungen doch eine Einigung auf 1.7. zu erreichen. Benya
hat eine souveräne Art der Diskussion und man hat immer das GEfühl und
kann das auch bemerken, dass er weiss, was er will. Sallinger anderer-
seits, der auf der anderen SEite von mir sitzt, flüsterte mir einige Male
zu, dass es für sie jetzt äusserst unerträglich wird, die aggressive
Art wie die Arbeiterkammer und teilweise auch Gewerkschaftsvertreter im
Unterausschuss agieren, ihren Leuten verständlich zu machen. Die Sozial-
partnerschaft kommt jetzt tatsächlich ine eine äusserst kritische
Phase. Benya ist der einzige ruhende Pol auf der Arbeitnehmerseite,
Sallinger sucht auch noch seine Leute im Zaume zu halten. Überall
aber dringen jetzt die Radikalinski stärker vor. Was mich aber am
meisten beeindruckt ist, dass in aller Freundschaft und auch Anerkennung
ihrer Leistungen die Beamten, ich glaube jetzt schön langsam auf
beiden Seiten immer stärker in die radikale Linie eingedrängt werden
oder sich vielleicht sogar dorthin gegeben, um ihre eigentliche Funktion
nämlich zu beraten, zu verlassen und das Heft schön langsam zumindestens
für mich jetzt deutlich sichtbar, in die Hand nehmen. Benya ist der ein-
zige, der sie ohne sie zu verletzen, manchmal sicherlich unter vier oder
sechs Augen sehr hart in die Schranken weist. Ich glaube, dass diese
Entwicklung auch auf der Arbeitnehmerseite nicht gerade sehr ideal
ist.
Tagesprogramm, 17.4.1974