Dienstag, 21. Mai 1974
Ich empfing die vier Herren des OECD-Prüfungskomitees welches
den Österreichbericht in Wien jetzt unter die Lupe nehmen,
natürlich gab es ein allgeemeines Geplauder weil ich gleich
einleitend erklärte, ich wollte unter gar keinen Umständen
sie beeinflussen oder gar von ihnen irgendein Entgegenkommen
erwarten. Selbst auf die Frage ob es ein besonderes Problem
gibt welches sie zu bearbeiten hätten oder welches ich als so
wichtig bezeichnen würde, daß man darüber reden sollte, lehnte
ich ab mit ihnen zu diskutieren. Begründet war dies allerdings
primär darin, daß ich mich so wenig darauf vorbereitet hatte
und aus dem Stegreif heraus nicht irgendwelche Aussagen machen
wollte, dadurch hat sich wahrscheinlich der Eindruck bei den
Herren noch mehr verstärkt, daß sie vollkommen unabhängig und
frei arbeiten sollten und nach meiner Auffassung auch könnten.
Im Gegenteil ich ersuchte sie nur wenn sie irgendwelche
Schwierigkeiten hätten, daß sie sich an mich wenden, damit ich
ihnen behilflich sein kann. Sicherlich hat noch niemals ein
Minister in der Hierarchie ein so unbedeutendes Komitee empfangen;
abgesehen davon, daß ich es als eine Selbstverständlichkeit empfinde
wenn mir mein Haus empfiehlt, ich soll mit den Herren eine halbe
Stunde sprechen, daß ich dies mache ergibt sich auch der politische
Vorteil daß wenn einmal der OECD-Bericht wie immer zur Diskussion
steht und vielleicht sogar dann von der Opposition hart kritisierend
irgendwelche Thesen angegriffen werden und man dann vielleicht
wieder einmal Manipulation vorwirft, ich dann ganz besonders
auf mein objektives Verhalten der Prüfungskommission gegenüber
hinweisen kann. Die Mitglieder des Prüfungskomitees waren wie ich
dann aus der Diskussion entnehmen konnte über die österreichische
positive Entwicklung sowieso sehr verwundert und haben die geringe
Preisentwicklung, das hohe Wirtschaftswachstum von sich aus schon
unterstrichen. Am meisten beeindruckt hat sie aber die Zusammen-
arbeit unserer Sozialpartner. Interessant für mich war, daß sie
entweder durch Informationen der Bundeskammer aber auch durch
Zeitungsberichte beeinflußt, meinten, daß neue Preisregelungsgesetz
würde die freiwillige Zusammenarbeit der Sozialpartner gefährden.
Ich konnte deshalb die Gelegenheit nützen, meinen Standpunkt,
Aufrechterhaltung der Sozialpartnerschaft besonders zu unter-
streichen. Ich lies keinen Zweifel, daß wenn ich tatsächlich
vor die Frage gestellt würde, daß ich die Sozialpartnerschaft
zerschlagen müsste, ich in einem solchen Fall alle Konsequenzen
ziehen würde, bevor ich dies tatsächlich machen würde, andererseits
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aber muß ich zugeben, daß durch die Entwicklung ganz
allgemein die Sozialpartnerschaft heute stark überfordert ist
und sich aus der unglückseligen Preisentwicklung sehr wohl
große Gefahren ergeben.
In der Fragestunde hatte ich eigentlich vier unbedeutende
Probleme, wovon das einzig kritische nämlich die Preiserhöhung
wenn die Fleischabgabe in Wien in Kraft tritt, vom Abgeordneten
Kern sogar zurück gezogen wurde. Hier waren die Auskünfte die
ich von der Gemeinde Wien, Senatsrat Horny bekommen habe sehr
unbefriedigend. Die Datenberechnungen hätten ergeben, daß tat
sächlich über 1 Schilling Fleischbelastung heraus kommen würde.
In der Information die ich von Horny verlangte, wurde überhaupt
nichts an Argumenten angeführt, die die Gemeinde sich den Vorwurf,
daß sie die Preise hinaufsetzten entziehen hätte können. Als
einzigen Ausweg hätte ich zur Beantwortung erklärt, daß ich
die Fleischpreise an den Landeshauptmann delegiert habe und deshalb
exakte Beantwortung für mich nicht mehr möglich ist, dies wäre
natürlich als Ausrede bezeichnet worden aber immerhin wie ich
glaube, eine gute, ähnlich, ohne etwas konkretes zu sagen, ausser
daß ich die Anregungen prüfen werde und berücksichtigen werde,
konnte ich mich wegen der Grenzlandförderung Mühlviertel, Anfrager
Josseck, Organistion Bürges, Anfrager Stix und Kostenentlastung der
Gastrocknungsanlage, Anfrager Hagspiel, so glaube ich zumindestens
gut aus der Situation herausziehen. Wenn ich die Unterlagen die ich
vorher geben lasse oft nicht verwende, so nur deshalb, weil ich
natürlich so wenig wie möglich konkret werden möchte. Solange sich
die Anfrager dies gefallen lassen, werde ich immer versuchen, zwar
sehr kurz, daß freut die anderen die auch noch dran kommen wollen
als möglich zu antworten und dennoch so wenig als möglich sagen.
Anmerkung für GEHART: Bitte die Unterlagen trotzdem so umfangreich
als möglich beschaffen weil ich nie weiß,
wie die Zusatzfragen lauten.
Vor dem Ministerrat haben mir Firnberg und Leodolter vorgeschlagen
mit Androsch einen gemeinsamen Brief an Herlango zu schreiben.
Ich erklärte ihnen, daß ich ein solches Schreiben bereits geschickt
habe und gleichzeitig auch den Werbebeirat in meinem Ministerium
ersucht habe sich mit der Frage zu beschäftigen.
Anmerkung für WAIS: Firnberg und Leodolter wollen Durchschriften
unseres Schreibens.
Jetzt beginnt ein grosses Palaver selbst in höchsten Kreisen, wer
überall gewesen ist. Heindl fragte mich, ob und inwiefern Benya
auch Mitglied der Vaterländischen Front war. Ich konnte mich erinnern
dass aus der Zeit von der Olah-Krise Benya mir damals eine genaue
Erklärung über diesen Tatbestand gegeben hat und mir in Freund-
schaft nachweisen wollte, was wirklich daran wahr war. Ich hatte
ihm damals sofort erklärt, dass mich Vorgänge, die Jahrzehnte
lang zurückliegen kaum beeinträchtigen und auch nicht beeindrucken,
weil ich nur allzu gut wusste, in welche Situation man kommen kann.
Ich persönlich wundere mich heute noch, wie ich durch diese Zeit
durchgekommen bin, ohne weder der Organisationen des Ständestaates
noch des nationalsozialistischen Staates angehört zu haben. Hier muss
ich schon eine Einschränkung machen, weil ich glaube ich auch
Mitglied der DAF, d.h. der Deutschen Arbeitsfront, gewesen bin.
Dies war man automatisch, wenn man einem grösseren Betrieb angehört
hat, wie ich Waldheim-Eberle. Ich weiss, obwohl ich von beiden Re-
gimen eingesperrt war, welchem Druck man trotzdem ausgesetzt gewesen
ist, damit man seine Loyalität dem Regime gegenüber zeigt. Gerichte
haben eben nach 1945 festgestellt, wer sich wirklich etwas zuschulden
kommen liess und die Nazi-Registrierung und damit durchgeführt Ent-
registrierung und Bestätigung, die z.B. auch Rösch vom Landes-
hauptmann Krainer hat, damals ja noch nicht ein bekannter SPÖ-Mandatar
sollte meiner Meinung nach wirklich die Grundlage sein, um endgültig
die Vergangenheit als abgeschlossen zu betrachten. Warum Kreisky
dies jetzt überhaupt wieder mit Lugger aufgerührt hat, ist mir ein
Rätsel. Natürlich besteht vielleicht ein gradueller Unterschied,
ob jemand bei der Heimwehr war oder nur bei der Vaterländischen Front
ob jemand bei der SS war oder nur Mitglied einer Nebenorganisation.
der NSDAP. Ausser bei den Freiheitskämpfern, die sich einbilden,
eine Tradition hochzuhalten, ich selbst bin dort Mitglied und darf es
vielleicht deshalb sagen, tangiert glaube ich die Probleme überhaupt
niemanden. Bevor Kreisky aber einen solchen Kampf beginnt, obwohl
er teilweise über die Vergangenheit seiner Mitarbeiter informiert ist,
musste er wissen, dass er wahrscheinlich in der öffentlichen Meinung
den kürzeren zieht und insbesondere, das gute Image, das er sich bei
der damaligen Affäre Öllinger geschaffen hat, zerstört werden muss.
Er wusste, dass Kirchschläger der Vaterländischen Front angehört hat,
er fragt jetzt Rösch, wie das mit seiner Vergangenheit ist, was Rösch
wieder nur verwundern kann, weil er bei den Angriffen, denen er in
den vergangenen Jahren ausgesetzt war, immer wieder darauf hin-
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gewiesen, hat, dass ihn die Entnazifizierungskommission be-
scheinigt hat, dass er kein NSDAP-Mitglied war und ich weiss nicht,
wer sonst noch aller Schwierigkeiten mit diesem Problem in den
Spitzengremien der Partei hätte. Interessant war, dass im Klub ein
Kärntner Abgeordneter erklärte, dass der Gau Kärnten die grösst-
möglichste und höchste Anzahl von NSDAP-Mitgliedern von ganz
Deutschland hatte. Was soll diese Frage, was soll dieser Streit
bringen, nichts! Da ich glaube, dass die Jungen davon überhaupt
nicht beeindruckt werden, ausser einem verschwindenden Prozentsatz
Linksradikaler.
Im Ministerrat wies Kreisky nach Ankündigungen von Firnberg, dass
sie nach China reist, Weihs dass er in der Schweiz zu einem Symposium
fährt und er selbst jetzt nach Russland fahren muss, darauf hin,
dass im Herbst die Dienstreisen wesentlich eingeschränkt werden,
um zu sparen. Ebenso kam dann für mich nicht überraschend, weil
schon eingl angedeutet, bei der Regierungserklärung der Hinweis,
dass jetzt die Regierung sparen wird und deshalb das UNO-City-Pro-
jekt nur so weit jetzt bauen wird, als Klaus sich eben durch
Verträge international verpflichtet hat. Gem.Rat Sallaberger
wies am Abend bei den Sektionsleiter darauf hin, dass dieses
Problem mit niemandem in der Gemeinde auch nicht mit Bürgermeister
Gratz abgesprochen war und deshalb auf grössten Widerstand dort
stösst. Die Gemeinde hat sich seinerzeit nur verpflichtet, an
das Projekt heranzutreten und die Beteiligung zu übernehmen, wenn
eben auch das Kongresszentrum gebaut wird. Wenn Kreisky weiter
so Entscheidungen trifft, ohne vorher wenigstens die Betroffenen
zu konsultieren, wird das früher oder später zu einem Riesenkrach
führen. Ich kann mich sehr gut noch erinnern, wie es mich geärgert
hat, das ohne über Details informiert zu sein, er ganz einfach die
Ölbewirtschaftung verlangt hat und ich dann die grössten Schwierig-
keiten gehabt habe, aus dem Dilemma herauszukommen. So etwas hinter-
lässt Ressentiments und kann dazu führen, dass man nicht mehr objek
tiv gegenüber vielleicht richtigen Entscheidungen urteilt.
Mit dem ÖGB-Jugendpräsidium und den Jugendsekretären hatte ich
eine Aussprache wegen der Berufsausbildung. Ich war wirklich
erstaunt, wie diese Funktionäre, die natürlich auch noch ver-
hältnismässig jung sind fachlich sich mit den Problemen ausein-
andersetzen. Ausserdem machen sie es seht geschickt, sie haben
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auch einen christlichen Gewerkschafter mitgehabt, d.h. über-
parteilich und haben damit eine gute Startbasis. Ich selbst habe
sie ermuntert, ihre Aktionen wie z.B. Verlängerung der Berufs-
schuldauer womöglich von einem Tag derzeit auf zwei Tage, Verrin-
gerung der Lehrberufe auch dann wenn die Gewerbeordnung derzeit
noch immer für den Fensterputzer eine handwerklich Ausbildung
verlangt, Reorganisation der Schulpläne, die sie allerdings mit
Sinowatz besprechen müssen und viele andere Punkte. Ich kritisierte
nur, dass leider noch innerhalb der Gewerkschaftsjugend keine
einheitliche Auffassung, wie ich mich bei den Lebensmittelarbeitern
feststellen kann, besteht. Darüberhinaus warf ich ihnen vor, dass
vier Jahre jetzt vergangen sind, bis es scheinbar jetzt zu sehr
konkreten und begründeteren Forderungen kommt, die ich eigentlich
bereits 1970 erwartet hatte. Sie werden eine diesbezügliche zusammen-
fassende Stellungnahme und Forderungsprogramm mir übergeben.
Mit ZS Teschl, der Fachsekretär und der Vertreter der Fa. Symalen
wollten von mit die Zusicherung, dass ich sie unterstützen werde,
wenn sie im Gasrohr-Geschäft versuchen, anstelle der Stahlrohre
PVC-Rohre mit den Russen zu vereinbaren. Ich erklärte, der Firma
ohne dass ich konkrete Ziffern nannte, dass wir daran sehr inter-
essiert wären. Die vorgesehenen 100.000 t Blech für Rohrerzeugung
von der VÖEST kann unter gar keinen Umständen geliefert werden, sodass
es ein Idealzustand wäre, wenn die sowj. Seite tatsächlich bereit
wäre, PVC-Rohre zu akzeptieren. Im ersten Jahr könnten sie 2.000 t
liefern und in kürzester Zeit bis 10.000 t steigern. Ich verwies sie
auf Handelsdelegierten Canisius, der sie in jeder Beziehung unter-
stützen wird.
Min.Dirigent Dr. Raabe von der Bonner Grundsatzabteilung besuchte mich
mit Wanke. Raabe bestätigte mir, dass er in Bonn eine Grundsatzabteilung
im Wirtschaftsministerium von 200 Mann hat. Hier wird wieder mit
deutscher Grundlichkeit gearbeitet, was ich anerkennend bemerkte.
Innerlich aber sagte ich mir, vielleicht war diese Grundsatzabteilung
Friderichs und der dann womöglich Brandt eingeredet, dass aus der
Ölkrise eine katastrophale Wirtschaftslage für die BRD entstehen
wird und sich dann herausstellte, dass dies gar nicht stimmt. Ich
glaube, dass wir mit unserem System besser fahren.
Bei dem Vortrag von Prof. Drucker und meiner Überreichung des
Ordens hat Igler natürlich die Regierungspolitik in der letzten
Zeit sehr geschickt attackieren wollen. Ich bin selbst-
verständlich darauf eingegangen und habe insbesondere darauf
hingewiesen, dass wenn die Handelskammer unsere derzeitige Wirt-
schaftsform und die Freiheit meiner administrativen Politik gegenüber-
stellen, dass ich auch für Wettbewerb bin, dass ich nur halt in ge-
wissen Fällen immer wieder feststellen kann, dass die Interessens-
vertretungen sehr wohl von diesem geheiligten Grundsatz abweichen.
An Hand von Beispielen habe ich dann Igler zu dem Zwischenruf gebracht,
dass in diesen Fällen wie z.B. Währungsänderungen sie sehr wohl die
administrative Politik bevorzugen würden. Igler hat in seiner
Offenheit damit vor den ganzen Industriellervertretern ihre sehr
inkosenquente Haltung öffentlich bestätigt. Leider erfährt die grosse
Masse der Bevölkerung ja selbst nicht einmal alle Interessierten
Kreise diese Stellungnahme. Sie war aber sehr typisch, da sie mir
bestätigte, was alle theoretischen Gebilde auch das von Prof. Drucker
in Wirklichkeit natürlich von der Unternehmerseite nur solange
akzeptiert wird, als es halt ihren Bestrebungen und das ist ein
grösserer Profit ist. Wenn es um das Geld geht, hören sich eben
dann die Grundsätze auf.
Tagesprogramm, 21.5.1974
Tagesordnung 118. Ministerratssitzung, 21.5.1974
21_0627_02Nachtrag TO 118. Ministerratssitzung, 21.5.1974
hs. Notizen (TO Ministerratssitzung Rückseite)