Freitag, 21. Juni 1974
Die Parteiengespräche über die neuen Preisgesetze nahmen den
erwarteten Verlauf. Androsch war im Ausland, ich hatte Fischer
extra ersucht, ihn einzuladen, von uns war Schmidt in London
und deshalb kam Lachs. Mussil hatte anstelle von Klose Farnleitner
mitgebracht. Der ÖAAB-Mann Reindl, der für Drennig jetzt scheinbar
die Verhandlungen führt, nachdem Drennig in die Gemeindeholding
als Vorstandsdirektor kommt, hat sich nicht besonders engagiert.
Ebensowenig Brandstätter . Koren hat nur eingeleitet und dann
hat selbstverständlich die ÖVP erwartet, welche Vorschläge wir
zu ihrem Papier machen. In der Vorbesprechung hatten wir festge-
legt, dass auf alle Fälle wir den Eindruck erwecken wollen, wie
wenn wir seriös verhandeln und auch bereit sind, in kleinen
Punkten nachzugeben. In der grossen Auseinandersetzung aber
d.h. ob das Handelsministerium die Möglichkeit haben soll,
gegen undisziplinierte Unternehmungen vorzugehen, resp. überhöhte
Handelsspannen zu senken, hat Tommy Lachs erklärt, erwartet der
ÖGB und insbesondere Benya, dass entweder die ÖVP dies akzeptiert
was höchstwahrscheinlich nicht der Fall ist oder eben abgelehnt
wird. Heindl hat ebenfalls die Meinung vertreten, die ÖVP wird unter
allen Umständen versuchen, Verhandlungen zu führen, aber im
Kern der Sache kaum nachgehen. Wichtig erschien mir und ich habe
das deshalb an die Spitze meiner Ausführungen gestellt, dass
auch der ÖVP-Vorschlag vorsieht, dass die Landeshauptleute
eingeschaltet werden. Dies erschien mir deshalb wichtig und ich
habe dies herausgestrichen, weil ich damit neue Verhandlungs-
möglichkeiten mit den Landeshauptleuten habe. Bisher erklärte
ich, hätten die ÖVP-Landeshauptleute strikte abgelehnt, über irgend
etwas auf dem Preissektor konkret mit mir zu reden oder zu ver-
handeln. Mussil hat sofort eingeschränkt, dies beziehe sich nur
auf die Preisfeststellungsmöglichkeit, wo keine Konkurrenz
herrscht und nur auf ein Bundesland beschränkt ist. Eine wahr-
scheinlich nur selten vorkommende Situation aber immerhin ein An-
haltspunkt für weitere Verhandlungen. Die erste differente Auf-
fassung gab es als auch der ÖGB und Heindl darauf bestanden, dass
auch das Preisbildungsgesetz nicht nur behandelt werden muss,
sondern entweder als eigenes Gesetz beschlossen oder noch besser
wie Lachs meinte, in das Preisregelungsgesetz eingebaut. Lachs
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hat dann als Zugeständnis erklärt, dass der ÖGB einverstanden
ist, wenn die inländischen Waren aus dieser Regelung ausgenommen
werden und nur mehr bei Importwaren der Importeur sie um denselben
Preis im Inland verkaufen darf als er irgendwo im Europa in
EFTA- oder EWG-Staaten derselbe Preis, d.h. also ein niedrigerer
Preis wenn dort ist müsste er auf den selben Preis zurückgehen,
verlangt wird. Selbst dieses Zugeständnis war unzulänglich, da
die ÖVP kategorisch die Behandlung dieses Gesetzentwurfes ablehnt.
Formell steht sie auch auf dem Standpunkt, dass man die Vertretungs-
körperschaften im Ausland, seien es die Botschaften oder die
Aussenhandelsstellen nicht dazu heranziehen kann, um Preiserhe-
bungen, wie sie der Entwurf des Bundesministers Rösch, der auf eine
Initiative vom ÖGB zurückgeht, vorsieht, durchführen kann. Lachs
war daher sofort einverstanden, dass auch diese Bestimmung heraus-
gestrichen wird. Hier glaube ich liegt der erste grössere Streit-
punkt, der unüberwindlich scheint.
Das Preisbestimmungsgesetz aber lehnt die ÖVP als Anlassgesetz
ab, dass es über den September hinaus verlängert wird, ist aber
bereit, die Bestimmung des Preisbestimmungsgesetzes über die Weiter-
gabe von Zollsenkungen in das Preisregelungsgesetz aufzunehmen.
Hier liesse sich leicht eine entsprechende Formulierung finden,
wobei allerdings wir erwarten, dass auch die im Preisbestimmungsgesetz
vorgesehen Möglichkeit der Kontrolle, ob die Entlastung
richtig durchgeführt wurde, d.h. der § 5 ebenfalls in irgendeiner
Form verankert werden sollte. Über das Preistreibereigesetz, das
momentan nicht zur Diskussion steht, das aber die Handelskammer
ebenfalls im Zuge einer preisrechtlichen Bereinigung irgendwie
einbauen möchte, ich sich die ÖVP noch nicht ganz klar, wie
vorgegangen werden soll. Wenn das Preistreibereigesetz im Zuge
der strafgesetzlichen Bereinigung so wie das Verkehrsstrafrecht
mehr in die Verwaltung überführt werden soll, dann würden wir
vom Standpunkt des Handelsministeriums dem sofort zustimmen. Ich
habe loyalerweise nur aufmerksam gemacht, dass die Verwaltungs-
behörden doch öfters und strenger strafen als die im Strafver-
fahren bei Gerichten der Fall ist. Ein Richter überlegt doch
wesentlich länger, ob er kleinere Vergehen gleich mit der ganzen
Härte eines gerichtlichen Urteils und einer gerichtlichen Strafe
belegen soll. Die Handelskammer wird diesbezügliche Überlegungen
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anstellen und innerhalb der ÖVP den Standpunkt abklären.
Das wirkliche Kernproblem aber war, dass unsere Verhandlungsseite
dezidiert erklärte, eine Ersatzlösung des jetzt vorgeschlagenen
§ 3 a durch Feststellung, ob und inwieweit eine Konkurrenzsituation
gegeben ist, wird kategorisch abgelehnt. Für unsere Seite kann es
nur ein sowohl als auch geben. Diese Ergänzungstheorie wird na-
türlich von Mussil kategorisch abgelehnt. Wir einigten uns daher
sofort, dass dieses Problem von den Obersten Verhandlungsgremien
am Montag erst besprochen werden soll, bevor wir überhaupt weitere
Versuche einer Annäherung machen. Farnleitner aber auch Reindl, der
allerdings nicht offiziell aber hat Heindl nachher mitgeteilt, wären
sehr gerne bereit gewesen, dass wir über die Formulierung, die die
ÖVP vorgeschlagen hat, weiter verhandeln. Farnleitner hat Lachs an-
gedeutet, es gäbe die Möglichkeit, dass die Kommission anders zusammen-
gesetzt ist und dass vor allem auch weitere Garantien einer expedi-
tiven Erledigung gegeben werden könnten. Lachs hat mir Recht, wie wir
nachher feststellten, solche Verhandlungen abgelehnt, weil er befürch-
tet, dass die ÖVP dann grosse Hoffnungen hat, dass der ÖGB doch in
dieser Frage nachgibt. Koren selbst hat zusammengefasst und erklärt,
die ÖVP hat erwartet und immer wieder gefordert, dass die gesamten
Wirtschaftsgesetze als ein Paket zu behandeln sind. Wenn daher
jetzt die SPÖ darauf beharrt, dass die Preisgesetze vorgezogen
werden, so müsste man zumindestens über das Marktordnungsgesetz
ebenfalls sofort Verhandlungen führen, weil diese beiden gekoppelt
werden. Das Rohstofflenkungsgesetz, Lastverteilergesetz und was
sonst noch an kleineren Gesetzen herumschwirrt, wrde es keine Schwie-
rigkeiten geben, weil es sich hier doch immer um einfache Verlängerun-
gen handelt. Koren ist einverstanden, dass am Montag den grossen
Gremien berichtet wird, welche zu entscheiden hätten, wie weiter
vorgegangen werden soll.
Da Heinzi Fischer bei einer ORF-Sitzung mit Bacher verhindert war
an unserer Sitzung die ganze Zeit teilzunehmen und auch unsere Vor-
besprechung nicht besuchen konnte, hatten wir anschliessend daran ein
Aussprache, wo wir Fischer die Situation genau erörterten. Dieser
hat grosse Angst, dass die ÖVP bei der Abstimmung dann solche Ab-
änderungsanträge stellen wird, dass sie zwar unsere Formulierung
ablehnt und wir aber gezwungen sind, dann ihre Formulierung als
Verbesserung zu akzeptieren. Lachs erklärte ausdrücklich, dass
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dies vom Standpunkt des ÖGB nicht in Frage kommt. Wir fanden
dann auch ein System, wo die ÖVP diese Möglichkeit kaum
haben wird. Da ja das Preisregelungsgesetz nicht mit Juli
abläuft, kann die ÖVP wenn sie die gesamte Gesetznovelle ablehnt
uns nicht in die Situation bringen, wie dies sonst der Fall
ist. Wenn nämlich gleichzeitig das Stammgesetz abläuft wie
das bisher immer bei Abänderungswünschen gewesen ist, so musste
dann die soz. Seite um nicht alles zu verlieren, einer unverän-
derten Verlängerung zustimmen. d.h. es kam nie zu der grossen
berühmten Ablehnung aller Vorschläge der SPÖ und in letzter
Konsequenz auch Auslaufen des Preisgesetzes. Diesmal aber läuft
das Stammgesetz nicht ab, die SPÖ kann daher, wenn ihre Wünsche
nicht akzeptiert werden oder wir kein tragbares Kompromiss
finden, mit ruhigem Gewissen die gesamte Novelle sich ablehnen
lassen. Dies ist eine Situation, die die ÖVP unter allen Um-
ständen verhindern will, weshalb sie ja auf Koppelung mit Land-
wirtschaftsgesetz und Marktordnungsgesetz insbesondere besteht.
Fischer wird auf Grund der Regierungsvorlagen und auf Grund der
anderen Formulierungen der ÖVP jetzt von der Parlamentsdirektion
ein Abstimmungscroquis ausarbeiten lassen. Das ganze Problem
ist nur deshalb so unbefriedigend und schwierig, weil letzten
Endes im Hohen Haus dann nichts anderes sein wird als ein rie-
siger Streit und eine Diskussion zuerst über den Inhalt des
Gesetzes und nachher aber sicherlich über die Abstimmungsmodali-
täten. In der Öffentlichkeit wird sich fürchte ich gar niemand
auskennen. Meiner Meinung nach muss deshalb die watscheneinfache
Lösung gesucht und dann auch in der Propaganda herausgestrichen
werden. Sie lautet: Die SPÖ hat kein unmögliches Gesetz ver-
langt, sondern nur eine Bestimmung, dass sie gegen undiszipli-
nierte Unternehmer vorgehen kann und überhöhte Handelsspannen
senken kann. Da der Handelsminister dies nicht im ganzen
Bundesgebiet allein überwachen und durchführen kann, sind auch
die Landeshauptleute heranzuziehen.
ANMERKUNG FÜR KOPPE: Bitte diese These entsprechend propagandi-
stisch vorzubereiten.
Die Firma Kastner & Öhler hat sich bereiterklärt, in ihrem
jetzt im Druck liegenden neuen Versandkatalog auf die Preissen-
kungsaktion des Handelsministeriums hinzuweisen und gleichzeitig
uns eine ganze Reihe von Preisen mitgeteilt, die tatsächlich
billiger sind als bisher. Die Firma erklärte allerdings, dass
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sie spektakuläre Preissenkungen von bis zu 60 % wie andere
Kleiderfirmen oft uns wissen liessen, nicht imstande ist,
durchzuführen. Mit Recht haben die Vertreter auch gemeint,
es erscheint doch ungeheuer unseriös, wenn es sich nicht um
Ausverkaufsartikel handelt. Die Firma Kastner & Öhler möchte
auch mit den franz. Grossläden, Supermarket Savour einen grossen
Supermarkt in Vösendorf errichten. Zu diesem Zweck wollen sie
eine gemeinsame Gesellschaft bilden, wo jeweils 20 Mill. Kapital
von jeder Gruppe eingebracht wird. Die OeNB hat sich nun gewei-
gert, diese 20 Mill.-Transaktion durchzuführen. Ich habe in An-
wesenheit von der Firma wieder mit Philipp Rieger von der OeNB,
der dafür zuständig, ist, gesprochen und er erklärte mir dezi-
diert, dass keine Möglichkeit besteht, für den Tertiär-Sektor
derzeit die Kapitaleinfuhrbestimmungen zu lockern. Die CA, die
diese franz. Firma vertritt hat sich bereits mir Rieger zusammen-
gesetzt und hoffte, eine Lockerung zu erreichen. Rieger hat mit
Schmidt-Chiari vereinbart, dass maximal in Frage komme, wenn
es sich tatsächlich um das know-how dieser franz. Firma für
Kastner & Öhler handelt, man eine Betriebsberatungsgesellschaft
gründen sollte. Ich habe den Firmenvertretern freimütigst
gesagt, dass ich hier keine grosse Chance sehe, auch nur einen
Teil dieser 20 Mill. damit hereintransferieren zu können. Die
Firmenvertreter waren über die offene Aussprache, obwohl ich ihnen
sachlich gar nicht helfen konnte, zufrieden.
Die südkoreanische Parlamentsdelegation hatte weder Gelegenheit
mit Kreisky noch mit dem Aussenminister Kirchschläger zu reden
und musste sich daher mit dem Handelsminister begnügen. Schein-
bar handelt es sich auch hier um eine Good-Will-Tour und von
mir wollte man insbesondere, dass wir die nordkoreanischen Ge-
schäfte nicht forcieren. Ich habe keinen Zweifel der Delegation
gegenüber gelassen, dass wir keine Einflussmöglichkeit auf die
nach Nordkorea liefernden Firmen haben. Nur Waffen sich auf
Grund unseres Staatsvertrages ausgenommen.
Der Fachverband Maschinenindustrie kam mit dem Obmann Zucker-
mann und Vertretern der grossen Firmen Engel, Krause, Haid
usw., damit ich sie beim Finanzminister unterstütze, Sie brau-
chen erstens die Produktionsfinanzierung, zwar für Geschäfte
die über 6 oder 9 Monate laufen. Zweitens brauchen sie, nachdem
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sie fast 90 % Export haben, einen entsprechenden Ausfuhrförde-
rungskredit, damit die Öst. Kontrollbank hier den Zinsfuss
tiefhalten kann, hätten sie sich vorgestellt, dass der Finanz-
minister 300 Mill. S der Kontrollbank zur Verfügung stellt, damit
dort ein Mischzinsfuss gemacht werden könnte. Drittens wollten
sie eine bessere Kurssicherung, das Risiko ist immer noch sehr
hoch, da z.B. die SU nur bereit ist, für Lieferungen, die sie wo
anders nicht bekommt, die Schillingfakturierung zu akzeptieren.
Voith hat einen solchen Vertrag abgeschlossen. Zuckermann selbst
hat für Maschinenersatzlieferungen ebenfalls eine solche Schilling-
fakturierung durchgesetzt. Ich setzte den Firmen klar und deutlich
auseinander, dass ihre Anliegen sich primär auf dem Finanzsektor
sich bewegen und deshalb der Finanzminister ausschliesslich zuständig
sei. Richtig ist allerdings, dass es den Firmen im Export mit
den Kreditkonditionen, die andere Staaten geben, 8,5 % mit 7 Jahren
Laufzeit, Österreich 10,25 % und 5 Jahre Laufzeit, kaum möglich ist
mehr vom finanziellen hr die Exportgeschäfte aufrechtzuerhalten.
Obwohl sie noch phantastisch beschäftigt sind, gehen die Auftrags-
eingänge jetzt nicht mehr so gut ein, wie dies noch vor einem
Jahr der Fall gewesen ist.
Die Vertreter der Jungbunzlauer Zitronensäure-Fabrik beschwerten
sich bei mir, dass sie jetzt von der Zuckerindustrie nicht die
vereinbarten Mengen bekommen. Die Zuckerindustrie wieder steht
auf dem Standpunkt, sie kann die 5.000 t, die jetzt von Jung-
bunzlau verlangt werden, nicht ausliefern, ohne die Versorgung der
Konsumenten im September zu gefährden. Präs. Habig von der Zucker-
industrie hat mich anschliessend angerufen und mitgeteilt, dass
er eine grosse Gefahr darin sieht, die geforderten Mengen der ein-
zelnen weiterverarbeitenden Süsswaren- oder sonstiger Industrie
zu erfüllen, ohne die Versorgung der Konsumenten im Herbst zu
gefährden. Die Zuckerindustrie erwägt, ob es nicht zielführend ist,
eine Kontingentierung für die Grosshändler und die weiterverarbei-
tenden Industrie einzuführen. Ich habe die Entscheidung aus-
schliesslich der Zuckerindustrie überlassen, da ich befürchte, dass
wenn einmal bekannt wird, dass der Zucker kontingentiert wird,
dann sofort wieder eine neue Hamsterwelle einsetzten wird. Hätte
ich aber erklärt, sie sollen nicht kontingentieren, dann wäre bei
Versorgungsschwierigkeiten im Herbst die Schuld mir gegeben worden,
dass nicht genug Zucker vorhanden ist, weil man eben nicht den
vorhandenen nicht zweckmässig verteilte. Den einzigen Ausweg sehe
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ich darin, den Zuckerpreis über Nacht festzusetzen, wobei
ich auf eine diesbezügliche Forderung der Zuckerindustrie
schon erklärt habe, je früher der Zuckerpreis festgesetzt wird,
umso geringer wird er natürlich sein.
Die Wahlkundgebung in Himberg war eigentlich offiziell meine
letzte und hatte keine besonderen neuen Gesichtspunkte für
mich gebracht. Nur zwei Diskussionsredner, der eine, der sich
über die Heimwehrvergangenheit Luggers beschwert und der zweite
der wegen der 16.000 S, wenn man will symptomatisch die Negative
Seite des Wahlkampfes, die Problematik der Vergangenheit der
Kandidaten, die positive Seite des Wahlkampfes die Geburtenbei-
hilfe, die aber auch scheinbar ins Negative umschlägt.
Tagesprogramm, 21.6.1974
hs. Notizen (Tagesprogramm Rückseite)