Mittwoch, 4. September 1974
Die Betriebsräte der Zuckerfabriken bestätigten mir, dass die
Zuckerauslieferung nach der Preiserhöhung nicht nachgelassen hat.
Interessanterweise muss jetzt selbst in der Würfelzuckerproduktion
zweischichtig in manchen Betrieben gearbeitet werden. Wieder einmal
aber habe ich den Beweis erhalten, dass die Betriebsräte Detail-
informationen nicht haben. Grösstenteils leben sie von Gerüchten
resp. Andeutungen ihrer Direktoren, die wenn sie sich untereinander
absprechen würden, ganz unmöglich wären. Z.B. behauptete der Ennser
Vertreter, dass sie in die Tullner Zuckerfabrik Lieferungen vor-
nehmen. Die Tullner haben dies ganz entschieden bestritten. Dort
sei vor der Preiserhöhung 40 – 50 Waggon verladen worden, jetzt seien
es nur mehr 20 Waggon. Die einzige Fabrik, wo tatsächlich eine wesent-
liche Reduzierung der Auslieferung erfolgt, wo abgepackter Zucker
weniger derzeit ausgeliefert als in Bruck-Siegendorf und Enns, wo
wesentlich mehr abgepackt wird als früher. Würfelzucker soll in
der Brucker Zuckerfabrik exorbitant viel ausgeliefert werden und
auch in Enns. Interessant ist, dass der Gelierzucker, der nur
in Leopoldsdorf erzeugt wird, von 520 t auf 800 t in den letzten
vier Jahren gestiegen ist. Unerklärlich ist und das müsste man tat-
sächlich untersuchen, wieso die grossen Zuckermengen von der Süsswa-
renindustrie und von der Getränkeindustrie aufgenommen werden. Die
Betriebsräte vermuten, dass diese nachfolgenden Verarbeitungsbetriebe
von Zucker wahrscheinlich sogar den Zucker exportieren. Dies gilt ins-
besondere für die Sirup-Exporte der Getränkeindustrie. Bei der Süss-
warenindustrie vermuten sie, dass Zucker gegen Kakao getauscht wird.
ANMERKUNG FÜR WANKE: Bitte eine genaue Kontrolle über die Exporte
der Süsswarenindustrie und Zuckerindustrie sowie weiterer zucker-
verarbeitender Produktionen vornehmen lassen.
Mit der Fraktion vom Bürges-Beirat besprechen wir die weitere
Vorgangsweise bezüglich der Zinsengrenzerhöhung auf 9,75 % und
die neuen Aktionen. Die Fraktion ist mit 9,75 % einverstanden und
unser Geschäftsführer Steyrer nimmt an, dass er damit auch tat-
sächlich durchkommt. Was die neuen Aktionen betrifft, so hat
insbesondere der Freie Wirtschaftsverbandsvertreter Gen.Sekr.
Sallaberger das grosse Interesse auf alle Fälle eine neue Aktion
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vor den Handelskammerwahlen durchzusetzen. Ich selbst wäre jeder-
zeit bereite, eine solche Betriebsgründungsaktion in Form eines
Prämienzuschusses zu 200.000 S 12 % das wäre 24.000 S zu be-
zahlen, wenn ich die 20 Mill. S oder zumindestens einen Teilbe-
trag bei den Budgetverhandlungen beim Finanzminister erreichen
kann. Stark darauf drängen kann ich schon deshalb nicht, weil
die Budgetsituation für ihn wirklich nicht rosig ist. Sollte es
zu keiner zusätzlichen Aktion kommen können, werden wird trotzdem
versuchen, im Beirat und insbesondere dann für die Handelskammer-
wahlen die Umstellung der Bürges-Aktion auf Prämienzuschüsse
positiv zu verkaufen. Auch dafür ist ein kleiner Betrag notwendig,
wobei Marhold meint, dies können wir im jetzigen Budget schon
unterbringen.
Marhold selbst verhandelt mit Min.Rat Kaber über die offenen Budget-
posten für die Ministerbesprechung. Das ganze System ist überhaupt
barock, um den Lieblingsausdruck von Kreisky einmal zu verwenden.
Da werden grosszügig Ministerbesprechungen angesetzt und die Beamten,
wenn sie sich gut verstehen und Marhold will natürlich dokumen-
tieren, welch gute Beziehungen er zu Kaber hat, macht vorher eigent-
lich schon auf Beamtenebene die Bürokratie aus, was letzten Endes
herauskommt. Natürlich könnte theoretisch ein Minister erklären,
wenn der und der Posten nicht durchkommt, dann kann er den
Budgetentwurf in der Regierung nicht zustimmen. Eine solche
theoretische Kampfstellung hat es aber bei uns noch nie gegeben
und ich glaube auch, dass das das Ende einer Regierung ist.
In der ÖVP haben die Bünde geglaubt, sie können innerhalb der
Regierung einen ähnlichen Eiertanz aufführen, wie dies in der
Koalition gang und gäbe war. Dort hat natürlich das einzelne
Ressort, wenn es rot geführt war, gar kein Interesse gehabt,
dem Finanzminister entgegenzukommen oder dessen Schwierig-
keiten zu berücksichtigen. Da wurde entsprechend gefordert,
der Finanzminister musste dann seine eigenen Ressorts, die ihm
politisch nahestanden, in irgendeiner Weise auch befriedigen,
und so kam es immer zu Budgetverhandlungen bis knapp vor Mitternacht
des Tages, wo das Budget eingebracht werden musste, Einmal hat
man sogar, als man sich nach dieser Uhrzeit erst einigte den Gag
von Pittermann aufgegriffen und erklärt, die Uhren im Kanzleramt
gehen nicht richtig, es sei erst 24 Uhr, obwohl schon der nächste
Tag angebrochen war und in Wirklichkeit die Regierung nach dem
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ungeschriebenen Gesetz demissionieren hätte müssen. Diese Aus-
wüchse der Koalition darf man, wenn man heute von einer Koali-
tionsregierung auch manchmal so schwärmt auch nicht vergessen.
Auf alle Fälle aber teilt mir Marhold mit, dass es mit dem
Ressort Bauten wesentlich schlechter geht als wie mit Handel,
dort gehen aber auch die Beträge in andere Dimensionen. Der
Wasserwirtschaftsfonds wird nächstes Jahr Pleite machen und
könnte seine Zusagen gar nicht erfüllen, nicht zuletzt, weil er
einige Anleihen, die er beabsichtigt weder heuer noch viel-
leicht im nächsten Jahr wird aufnehmen können, nicht bekommt.
Dafür würde er, wenn der Finanzminister ihm jetzt nicht durch
andere Möglichkeiten hilft, seine Zusagen und Verpflichtungen
nicht einhalten können. Darüber hinaus fallen aber jetzt die
grössere Masse von Anleiherückzahlungen an, die ebenfalls jetzt im
Jahre 1975 und nachfolgend durch entsprechende finanzielle Ent-
lastung füllen müsste. Marhold rechnet damit, dass sie sogar
im nächsten Jahr nach den Oktoberzahlen eine neue Steuer einführen
müssen, um den Wasserwirtschaftsfonds und andere Bautenaktivitäten
zu finanzieren. Einmal mehr bin ich froh, dass ich wirklich
verhindert habe, dass ich nicht noch womöglich Finanzminister
geworden wäre, wie manche vermuteten.
Die idiotischste Tätigkeit ist das Abstimmen mit den Minister-
besuchen und Auslandsreisen. Ich bin direkt froh, dass nicht mehr
Minister zugesagt haben, zu 100. Messe nach Wien zu kommen. Es ist
unwahrscheinlich, wie schwer es ist, eine entsprechende Betreuung
dieser Minister zu erreichen, wenn mehr als einer hier ist. Allein
das Abstimmen der Essen, die ich geben muss zwischen den Italienern,
Rumänen und Ungarn und vor allem einmal der Gegenessen, die ich
alle glaube ich nicht einmal besuchen kann, zeigt die Unmöglich-
keit dieser Situation. Mein Vorschlag, das Essen für den ital.
Handelsminister Matteotti im Burgenland am Freitag zu geben, wurde
als eine ungeheure Desavouierung in Rom aufgefasst, unser Botschaf-
ter musste dann dort sogar entsprechend intervenieren und nach-
gehen, weil man erklärt, so spät könnte nicht erst das Essen
des Österreichers durchgeführt werden. Vielleicht ist es zweck-
mässig, wenn ich um die Italiener nicht mehr noch zu verärgern,
dann doch in Erwägung ziehe, ihn dann doch vielleicht teilweise
bei seiner Reise im Burgenland zu begleiten.
ANMERKUNG FÜR BUKOWSKI: Überleg Dir und versuche zu ergründen,
welche Möglichkeiten es gäbe.
Eine weitere grosse Schwierigkeit sehe ich darin, ob wir die notwen-
digen protokollarischen Arbeiten und vor allem einmal die Kleinig-
keiten wirklich richtig erledigen können. Ich kann mir sehr gut
vorstellen, dass Ottahal überfordert ist und wahrscheinlich gar
nicht imstande ist, festzustellen, ob und wieviele Autos die ein-
zelnen Minister brauchen. Ich bin überzeugt, er macht es ich
in dieser Beziehung insoferne einfach, dass er sagt, die Ungarn, Ru-
mänen oder Italiener haben keine diesbezügliche Forderung gestellt
und deshalb ist auch gar nichts notwendig zu veranlassen.
ANMERKUNG FÜR BUKOWSKI: Bitte kläre mit Ottahal, ob dies wirklich
so einigermassen entsprechend vorbereitet ist.
Sekt.Chef Frank hat sich sehr geärgert, dass wegen der Besetzung
des Aufsichtsratspostens bei der Austria-Ferngas Schipper mit ihm
überhaupt nicht Kontakt aufgenommen hat. Das Hauptproblem ist, wie
wir aus dieser Schwierigkeit jetzt herauskommen, da Schipper
scheinbar auf Vorschlag von Böhm sehr geschickt Min.Rat Sterk
vorgeschlagen hat. Sterk ist ein loyaler und absolut integrer
aber noch viel wichtiger ein Beamter, der mit uns kooperiert und
zusammenarbeitet. Wenn wir ihn jetzt nicht ernennen, so muss er
natürlich darüber sehr verärgert sein. Der Vorschlag von Frank,
er würde ihn fragen, ob er bereit ist, immer bei sozialistischem
Auftrag entsprechend dort abzustimmen, was er sicher nicht ak-
zeptiert und damit er selbst erklärt, den Posten nicht anzutreten,
halte ich für vollkommen unmöglich. Ich habe deshalb auch Frank
sofort erklärt, dass ich eine solche Lösung auf das entschiedenste
ablehne. Zum Glück hat Gehart herausgefunden, dass der Bund auf
Grund seines Anteiles und der Statuten 3 Aufsichtsratsmitglieder
stellen kann. Die Überlegung, dass das Finanzministerium dies
übersehen hätte, war total falsch, denn Gehart hat sofort über
das Büro herausgefunden, dass der Finanzminister sehr wohl dies genau
weiss, auch dann, wenn er derzeit nur einen Vertreter nämlich
Roch in die Austria-Ferngas beabsichtigt zu entsenden. Den zweiten
sollte das Handelsministerium bekommen, für den dritten aller-
dings hat Androsch sicherlich sich in der Stille schon überlegt,
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wen er noch senden wird. Die einzige Hoffnung, dass wir vielleicht
jetzt doch den Zweiten bekommen können, ist, dass dieser Auf-
sichtsratsposten nur mit 8.000 S jährlich dotiert ist. aus
finanziellen Gründen wird sich deshalb niemand allzu sehr um diese
Position reissen. Ich habe Gehart versprochen, ich werde mich
bemühen, bei der Budgetaussprache mit Androsch eine Lösung für das
Handelsministerium zu erhalten.
Tagesprogramm, 4.9.1974