Donnerstag, 3. Oktober 1974
Die ersten 3 Telegramme wegen Zuckerknappheit sind eingelangt.
Die Zuckerindustrie, einzelne Fabriken haben ihren Abnehmern mit-
geteilt, daß sie die letzten Auslieferungen durchführen. Darauf
kamen aus verschiedenen Ländern die ersten Telegramme mit Hilferufen.
Ich hatte keine andere Möglichkeit, als sie an den Fachverband der
Zuckerindustrie zu verweisen, Gleichzeitig schrieb ich einen Brief
an den Fachverband, wo ich verlangte, ähnlich wie bei der Zentral-
stelle für Heizöl, daß man versucht, einen internen Ausgleich zu
erreichen. Die Zuckerindustrie besitzt auf Grund ihrer computer-
mäßigen Abrechnung und Verteilung die beste Übersicht, wo eventuell
größere Zuckermengen lagern. Leider hat sie verabsäumt, vor etlichen
Wochen bereits entsprechende Kürzungen der starken Anforderung von
einzelnen Firmen durchzuführen. Eine Firma wollte Einfuhrgenehmigung
von holländischem Zucker. Ich habe sofort mitgeteilt, daß diese ohne
weiteres von mir gegeben wird. In der nächsten Zeit wird ein größerer
Run entstehen und es wird wegen des Zuckers zu einem – ich fürchte –
grossen Pallawatsch kommen. Ich verstehe nicht, warum die Zuckerindustrie
nicht schon längst die Rübenkampagne eingeleitet hat. Bis jetzt hat
sie behauptet, daß infolge der Trockenheit der Felder eine Ausnahme
der Rübe nicht möglich ist. Durch den Regen der letzten Tage wäre
aber ein Beginn der Kampagne doch jetzt schon möglich. Natürlich
würde dadurch eine gewisse Quantität von Zucker, die ja jetzt gerade
durch die schönen Tage von der Rübe noch aufgebaut wird, verloren
gehen. Trotzdem steht es in gar keinem Verhältnis zu dem Wirbel, der
jetzt entstehen wird. Ich fürchte das Ärgste, insbesondere im Hin-
blick auf den Landtagswahlkampf in Vorarlberg und der Steiermark.
Benya hat mich in der Fraktion ausdrücklich ersucht, ich sollte in der
Öffentlichkeit nicht über die Zuckerversorgung reden und wenn ich
gefragt würde, meinte er sogar, sollte ich lügen, damit ja nicht die-
selbe Situation entsteht wie seinerzeit bei der Ölreduktion und Benzin-
knappheit am Samstag, Sonntag. Kreisky war bei dieser Aussprache eben-
falls anwesend, sodaß ich theoretisch abgedeckt bin. Trotzdem hilft
mir dies sehr wenig, denn die Überraschung wird kommen und letzten
Endes werde ich dann dafür als Verantwortlicher, obwohl die Bewirt-
schaftung und Verteilung sowie die Erzeugung bei Weihs liegt, verant-
wortlich gemacht werden. Ich habe die Adressen, wo in letzter Zeit
größere Lager von Zucker festgestellt wurden, sofort dem Insp. Müller
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bei uns im Haus, Abt. Marsch weitergegeben, damit dort entsprechende
Kontrollen durchgeführt werden.
ANMERKUNG für WAIS: Bitte versuche, einen entsprechenden Bericht so
schnell als möglich zu erreichen.
Wegen der Energiesparmaßnahmen hat mir Frank vorgeschlagen, sollten
wir ein Komitee einsetzen. Er selbst hat Prof. Musil, der bereits
in Pension ist, aber ein anerkannter Energiefachmann, vorgeschlagen.
Ich habe mich sofort telefonisch mit ihm ins Einvernehmen gesetzt
und Musil erklärte sich bereit nach Rückkehr von seiner Kur in
Meran, spätestens also am 22. Oktober, einen solchen Komitee vorzu-
sitzen. In der Zwischenzeit wird Frank, den ich davon verständigte,
die Institutionen einladen. Kreisky selbst hatte seine Ankündigung
wahr gemacht und die Werbefirma Lintas mit einer Inseratenkampagne
von 4.6 Millionen Schilling beauftragt. Die Inserate werden kaum
irgend welche energiesparende Maßnahmen aufzählen, die nicht sowie-
so jeder kennt und wahrscheinlich aber sich eben kaum daran hält.
Angeblich wollte das Bundeskanzleramt dann noch um 1.4 Millionen
Schilling eine Plakataktion starten. Dafür hat der Vertreter des
Finanzministeriums aber noch nicht seine Zustimmung gegeben.
Direkter Haschek und Castellez von der Österreichischen Kontrollbank
kommen, um mir zu erklären, sie könnten unmöglich eine Finanzierung
des Algerienprojekts in Angriff nehmen. Insbesondere Castellez
meint, man sollte ganz brutal das ganze Projekt fallen lassen. Ich
teile diese Meinung aus verschiedenen Gründen nicht. Erstens glaube
ich, daß wir die 2 Milliarden Kubikmeter dringend brauchen. Zweitens
bin ich überzeugt, daß wir, wenn wir schon nicht die Finanzierung
für die gesamten 2 Milliarden aufbringen, so wenigsten einen Teil
dieser Menge versuchen müssen zu retten. Drittens gibt es doch
innerhalb des algerisch-sowjetischen Gasabtausches einen gewissen
betriebswirtschaftlichen Vorteil. Die Franzosen werden unter allen
Umständen die Mengen von Algeriengas beziehen und ich kann mir nicht
vorstellen, daß es dann keine Konstruktion geben sollte, wonach wir
das französische-sowjetische Gas, welches über die TAG von der
Sowjetunion durch Österreich geleitet werden sollte, nicht doch in
Österreich behalten können und gleichzeitig eben mit den Franzosen
ein Arrangement finden, wonach sie unsere zusätzlichen Algeriengas-
mengen verwerten. Natürlich würde auch dies einen finanziellen Beitrag
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Österreichs bedeuten, aber ich glaube daß wir hier eine Lösung
eher finden können, als wenn wir jetzt erklären, die Finanzierung
der MOKA der Verflüssigung in Monfalcone ist unmöglich, weshalb wir
auf alles verzichten, wissen daß wir dieses Gas tatsächlich dringend
brauchen. Zu meiner grössten Verwunderung hat übrigens jetzt bereits
die Intervention der ausländischen Partner im Konsortium eingesetzt.
Der österreichische Botschafter in Paris wurde bereits zu einer
Demarche ins Außenministerium vorgeladen, wo man ihm die größte
Besorgnis wegen der Zeitungsnachricht mitteilte. Darüber hinaus
haben sich die Partner bereits an die Austro-Ferngas gewendet und
unverzügliche Aufklärung verlangt. Gleichzeitig wurde angedroht, daß
entsprechende finanzielle Maßnahmen zu erwarten seien. Ich weiß
nicht, wie weit Austro-Ferngas sich eben jetzt schon durch entsprechende
Verträge oder Vorverträge oder Absichtserklärungen so gebunden hat,
daß tatsächlich dann eine gewisse Haftung entstehen kann. Die Ar-
gumentation, daß die anderen Partner froh wären, wenn die Austro-
Ferngas ihre Gasmengen abtritt, dürfte also nicht ganz stimmen. Hier
hat Austro-Ferngas entweder nicht die ganze Wahrheit gesagt, oder
selbst die Situation überschätzt. Haschek teilte mit, daß die Österr.
Nationalbank ihnen für dieses Projekt nur 1 Milliarde Kassascheine
für 1 Jahr, d.h. bis Ende 1975 zur Verfügung gestellt hat. Sollte eine
andere Finanzierung in der Zwischenzeit möglich sein, müssten sie
diese Kassascheine sofort zurückgeben. Der Zinssatz, angeblich 5.5%
plus die Mindestreserven, wäre also in Summa 6.5% gewesen. Sie selbst
benötigen aber 6 Milliarden für 15 Jahre, woraus sich ergibt, daß sie
die Finanztransaktion unter diesen Bedingungen unter gar keinen Um-
ständen in Angriff nehmen können.
ANMERKUNG für GEHART: Unsere Aufgabe ist vom energiewirtschaftlichen
Standpunkt das Projekt weiter zu vertreten. Vielleicht findet jemand
anderer den finanziellen Ausweg.
Jagoda und Thun-Hohenstein machten mir den Vorschlag für die neuen
Wirtschaftstreuhänder-Tarife. Die Arbeiterkammer, aber auch die
Handelskammer hatten den ursprünglichen Wunsch der Wirtschaftstreu-
händer abgelehnt. Ich empfahl deshalb Hohenstein sich sofort mit
der Arbeiterkammer, Dr. Zöllner, und auch mit der Handelskammer neuer-
dings in Verbindung zu setzen. Ich möchte unbedingt erreichen, daß
man auch bei dieser Tariferstellung die Zustimmung der Arbeiterkammer
und der Handelskammer erhält. Da ich montags die betriebswirtschaftliche
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Woche eröffnen soll, habe ich gehofft daß bis dahin der Tarif
bereits fertig ist. Ich habe Zöllner bereits erklärt, wie schwierig
die Situation ist, da ich ja den Tarif nicht zu gestalten habe,
sondern eigentlich nur einen Tarifantrag entweder genehmigen oder
ablehnen kann. Ich muss deshalb zu einer Lösung kommen, wonach die
Wirtschaftstreuhänder mir einen auch für die Arbeiterkammer akzeptablen
Vorschlag machen.
ANMERKUNG für WANKE: Bitte Zöllner unverzüglich informieren.
Jagoda erklärte ich dann unter Anwesenheit von Wais, daß ich die
weitere Vorgangsweise über Erstellung eines neuen Preisgesetzes
nicht beeinflussen möchte, aber andererseits auch nicht damit den
Entwurf als einen Ministerentwurf bereits jetzt belastet werden
möchte. Da ich unbedingt abwarten muß, wie die Verhandlungen über
die Marktordnungsgesetze laufen, sehe ich keine Möglichkeit, jetzt
bereits in der Öffentlichkeit den neuen Entwurf über das Preisrecht
zu veröffentlichen und zu vertreten. Jagoda war sofort einverstanden,
daß er jetzt noch versucht, mit den Mitarbeitern MR Singer und Degen
etc., auf alle Fälle von seiner Abteilung für Gewerberecht, eine
endgültige Fassung zu erarbeiten und dann diesen Entwurf in die
Schublade zu legen. Ich bin nach wie vor überzeugt, daß aus irgendwelchen
Kanälen auch dieser Entwurf dann in der Handelskammer resp. ÖVP be-
kannt wird. Da die rechtliche Koordination bereits in ihren Bericht
mitgeteilt hat, daß an einem solchen Entwurf gearbeitet wird, bin ich
überzeugt, wird die ÖVP auch Mittel und Wege finden, zu einem solchen
Entwurf zu kommen. Wanke selbst wird die Arbeiterkammer und den
Gewerkschaftsbund ebenfalls unter der Hand verständigen. Damit ist
allgemein bekannt, daß ein solcher Entwurf bei mir existiert, aller-
dings noch nicht ausgesendet wird, wahrscheinlich auch gar nicht zur
Aussendung kommt. Meine Absicht ist nur, wenn die Preisfrage einmal
in der politischen Debatte zur Sprache kommt, daß ich jederzeit
einen solchen Entwurf präsentieren kann. Ich will zum jetzigen Zeit-
punkt unter gar keinen Umständen initiativ sein.
Bauer erklärte mir, daß er unter allen Umständen an der Versorgung
Österreichs mit Irangas nicht nur interessiert sei, sondern festhalte,
weil er entgegen Zeitungsmeldungen, wonach die ÖMV keine Chancen sieht,
die angeblich sogar selbst von der ÖMV stammen, dagegen auftreten wird.
Scheinbar hat die ÖMV doch bessere Möglichkeiten, ihre Gasbezüge zu
finanzieren. Auch das verhältnismäßig teure Projekt von iranischen Gas
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nach Österreich kann entweder über eine Pipeline, die auf alle
Fälle der Schah bauen wird, oder über eine Verflüssigungsanlage
nach Europa gebracht werden. Der Schah dürfte auch mehr Geld haben,
um die Finanzierung einigermassen zu sichern. Ebenso ist es der
Kontrollbank mehr oder minder gelungen, für die zusätzlichen Gas-
mengen von 500 Millionen Kubikmeter aus der Sowjetunion ein
Finanzierungskonzept zu entwickeln. Da als Gegenlieferung 200.000
Tonnen Rohre, für 1.180 Schilling die Tonne, geliefert werden müssen,
dafür ein 5-Jahres-Kredit mit 2-jähriger Laufzeit, Beginn nach Aus-
lieferung, also insgesamt 7 Jahre notwendig sind, ergibt sich nach
Mitteilung von Haschek eine durchschnittliche Laufzeit von 3 1/2
Jahren, mit einem Höchstfinanzierungsausmaß von 800 Millionen Schil-
ling um 6.5%. Die Russen wollten ursprünglich nur 6% bezahlen und
sogar noch eine Zukaufsmöglichkeit in Italien von den zur Verfügung
zu stellenden 130 Millionen Dollar-Kredit. Dieser 130 Millionen
Dollar-Kredit würde zwar ca 2 Milliarden Schilling ausmachen, doch
werden bereits die ersten 10 Millionen Dollar nach ganz kurzer Lauf-
zeit wieder zurückgezahlt, sodaß eben tatsächlich nur im Höchst-
ausmass 800 Millionen Schilling Kreditbelastung entstehen. Auf alle
Fälle werden wir aber mit den 500 Millionen Kubikmeter sowjetisches
Erdgas auch nicht unser Auslangen finden können. Auch hier werde
ich mich weiter bemühen, eine grössere Menge sowjetisches Erdgas
zusätzlich zu bekommen. Die Finanzierung dürfte hier ungleich leichter
sein als beim algerischen, ja vielleicht als beim iranischen Gas.
Die Passagendiskussion im AEZ war diesmal ausgesprochen harmlos.
Gerade im Hinblick auf die Wahlen im nächsten Jahr muss ich diese
Passagendiskussionen jetzt regelmässiger veranstalten.
ANMERKUNG für WIESINGER: Bitte entsprechende Termine mit Weisbier
Junge Generation vereinbaren.
Bei der Wahlmitarbeiterveranstaltung in Hübners Kursalon von der
Wiener Partei hat mich Gratz ersucht, ich sollte ihn wegen der
Wiener Anliegen mehr unterstützen. Er selbst hat das Gefühl, daß
noch immer für die anderen Bundesländer mehr getan wird als für
Wien. Da in meinem Ressort ja kaum irgendwelche Differenzen zwischen
Wien und den Handelsministerium bestehen, alle Aktionen, die laufen,
können natürlich genauso gut von Wiener Betrieben in Anspruch genommen
werden, habe ich diese Aussprache mehr dahingehend verstanden, daß
Gratz mich darauf aufmerksam machen will, daß er in der nächsten Zeit
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von der Bundesregierung jetzt mehr Unterstützung erwartet. Sein
Hinweis vor längerer Zeit, daß die Wiener Betriebe mit der ERP-Zu-
teilung benachteiligt werden, konnte ich ihm damals schon ent-
kräften, weil eben die Wiener Betriebe sich nicht um entsprechende
Kredite bemüht haben. Jetzt gibt Gratz zu, dass dies tatsächlich
verabsäumt wurde. Grössere Sorge macht ihm, daß über das Wiener
Memorandum keinerlei Fortschritt zu erzielen ist. Mein Tip war,
er muss halt immer wieder bei Kreisky Aussprachen verlangen, und
den Ministern so lange zusetzen, oder wie ich sagte, auf den Wecker
gehen, bis diese eben bereit sind, entsprechende Maßnahmen zu setzen.
Pfoch erklärte mit Recht, daß Moser z.B. für den Verkauf eines Grund-
stückes in der Ottakringer Straße eine Weisung gegeben hat und die
Beamten von Moser jetzt diese Weisung so durchführen wollen, daß sie
gleichzeitig einen anderen Grund für das Bundeskommissariat Ottakring
verlangen. Pfoch sagt nun, die Polizei ist mit ihren Kommissariat dzt.
in einer Schule, d.h. also auch eigentlich in einem Wiener Gebäude und
wird auf alle Fälle, wenn das Kommissariat neu gebaut wird, einen
entsprechenden Grund von der Gemeinde zur Verfügung gestellt bekommen.
Pfoch gab zu, daß jetzt die Beamten ärgere Grundmakler, Täuschler und
Verhandler sind, wie die besten oder schlechtesten Makler, die wir
in Österreich haben. Auf dieser Basis fürchte er, wird es niemals zu
einer vernünftigen Regelung für die Gemeinde Wien kommen. Ich persönlich
bin sehr froh, daß in meinem Ressort kaum irgend welche Agenden sind,
wo ich mit der Gemeinde Wien in Kollision kommen könnte. Gratz macht
sich wirklich wegen der wirtschaftlichen Entwicklung von Wien größere
Sorgen und überlegt wie er dies ändern kann.
Mit Gratz, aber dann ganz besonders mit Nekula besprach ich die nächsten
zu erwartenden Tariferhöhungen. Bezüglich Strom ließ ich keinen
Zweifel, daß ich mir nicht vorstellen kann, daß wir vor der nächsten
Nationalratswahl eine Stromtariferhöhung durchführen. Wohl aber
muß ich zugeben, dass bei den Gastarifen in der nächsten Zeit sicherlich
etwas kommen wird. Die Sowjets haben über die ÖMV bereits angekündigt,
daß sie einen entsprechend höheren Gaspreis verlangen. Dies wird be-
deuten, daß auch die ÖMV ihre 5%-Klausel für die inländische Produktion
aber ganz besonders natürlich für die Zukaufsmenge aus der Sowjetunion,
sehr bald den Wiener Stadtwerken verrechnen wird. In diesen Moment
stehe ich auf den Standpunkt, muß sofort der Antrag von seiten des
Gaswerkes kommen. Die Öffentlichkeit muß deutlich sichtbar darauf
aufmerksam gemacht werden, daß sich eben aus der Gasverteuerung
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durch die Sowjetunion eine entsprechende Erhöhung des Gaspreises
ergibt. Da Nekula mir jetzt schon versichert, daß er alle Kosten
in die Erhöhung einrechnen und einbauen wird, habe ich dann einen
gewissen Spielraum, eine entsprechende Kürzung vorzunehmen. Die
Preisentwicklung wird in der nächsten Zeit sehr unangenehm werden.
Tagesprogramm, 3.10.1974