Mittwoch, 30. Oktober 1974 bis 3. November 1974
Bei der ersten Aussprache beim informellen Abendessen der österr.
Delegation beim Botschafter Pfusterschmid konnte ich feststellen,
dass die österr. Fremdenverkehrswerbung nicht einmal den Handels-
delegierten Dkfm. Holoubek als ehrenamtlichen Vertreter nominiert
hat. Unsere Vertreter, sei es die Botschaft oder die Aussenhandels-
stelle, glaubt nun, dass man in Helsinki eine grössere Fremdenver-
kehrswerbung starten könnte. Die Slogans müssten Skifahren und
Sonnenreisen sein. Eine besondere Attraktion wäre: Weinlese in
Österreich. Alkohol spielt hier eine grosse Rolle, das bemerke
ich dadurch, dass wenn man mir ein besonders gutes alkoholfreies
Getränk anbietet, so ist es ein alkoholfreier Wein. Er schmeckt
scheusslich, ich könnte mir vorstellen, dass es viel bessere
Beerensäfte gäbe, aber hier ist scheinbar das höchste entweder Alkohol
oder wenn dann schon kein Alkohol drinnen ist, mindestens derselbe
Rohstoff. Bei den bilateralen Besprechungen am nächsten Tag befürchtte ich, dass der Handelsminister Laine wegen der vermehrten
Exporte Österreichs nach Finnland und den rückkgehenden Export
Finnlands nach Österreich zur Sprache bringen wird. Gleissner
selbst meinte, wir könnten ja dagegen sagen, dass wir sowieso im
EFTA-Raum jedwede kontingentmässige Einfuhr und Zollfreiheit haben,
sodass die Firmen ausschliesslich selbst daran schuld sind, wenn
es zu keinem besseren Ergebnis kommt. Dem ist im Prinzip zuzustimmen,
nur vergisst er eines, dass natürlich jeder Staat und ganz besonders
die Finnen, nachdem sie ein so grosses Zahlungsbilanzdefizit haben,
bestrebt ist, auf alle Fälle einen kleinen Ausgleich oder zumindestens
eine Verbesserung zu erreichen.
Die bilateralen Besprechungen waren wie erwartet von untergeordneter
Bedeutung. Wir beschwerten uns, dass die Barzahlung von Schuhimporten
die kleineren Importfirmen einen Import unmöglich machte. Dadurch
sind unsere Schuhexporte nach Finnland wesentlich zurückgegangen.
Die Finnen wieder hatten einige kleine Wünsche und schnitten eigent-
lich die Steigerung unserer Exportrate bei gleichzeitigem Sinken
der Importe aus Finnland überhaupt nicht an. Auch die Aussprache beim
Industrieminister und beim Aussenminister gab keine neuen Gesichts-
punkte. In Wirklichkeit handelt es sich um nichts anders als um
Verlegenheitsbesuche im Rahmen eines Besuchsprogrammes.
Bei der Aussenhandelsstelleneröffnung, die in einem ganz neuen
Haus in einer Parklandschaft eingerichtet ist, lernte ich inter-
essante finnische Geschäftsleute kennen. Da sie am Anfang nicht
wussten, wer ich war, schimpften sie nicht schlecht über die unmög-
liche Lage dieses Hauses, da sie – wie sich später herausstellte –
erwartet hatten, dass diese Parklandschaft höchstens für ein kulturel-
les Bauwerk, nämlich die Oper reserviert bleibt. Sallinger war
sehr froh, dass der finnische Industrieminister, der Aussenhandels-
minister, der Oberbürgermeister und natürlich auch von der finnischen
Handelskammer die Vertreter erschienen waren. Eines steht für mich
auf alle Fälle fest, dass sowohl unsere Botschaften als auch die
Aussenhandelsstellen, ganz besonders aber die Residenzen viel Geld
kosten, selbst Sallinger ist dies aufgefallen und er meinte,
schlecht lebt man hier im Ausland als Österreicher nicht. Alle sind
auch mit den derzeitigen Wohnverhältnissen, Unterbringung der Büros
sehr einverstanden, der Botschafter klagt nur, dass ihm jetzt sein
Kanzler weggenommen wird, er ist bereits 13 Jahre in Finnland,
spricht daher die Sprache perfekt, und er dann allein den Laden
schmeissen soll. Hauptschwierigkeit wird natürlich dann sein,
dass er sich in Finnisch schwer tut und deshalb noch weniger expedi-
tiv sein kann.
Das Besuchsprogramm war sehr gut organisiert, in der Elektronik-Fabrik
die erst 3 Monate in Betrieb war, in ihrer Keramik-Fabrik Arabia,
die seit 100 Jahren existiert, jetzt aber sehr mechanisiert ist, und
ganz besonders aber am letzten Tag bei der Raffinerie hatte ich den
Eindruck, dass die Finnen, nicht zuletzt durch ihre starken
Investitionen dazu beitragen, ihre Wirtschaft verhältnismässig
auf Hochkonjunktur zu halten. Natürlich geht das alles auf Kosten
der Zahlungsbilanz, doch machen sie sich darüber noch nicht allzu
grosse Gedanken.
Beim sogenannten Arbeitsfrühstück der EFTA-Minister wurden vier Prob-
leme behandelt. Finnland berichtete über seine Freihandelsverträge
mit Ungarn, Bulgarien und der CSSR, wobei nach dem Bericht von Laine
überhaupt niemand das Wort ergriff. Anschliessend berichtete der
neue portugiesische Minister über die wirtschaftliche Situation
Portugals. Ich hatte ihn bereits am Vortag bei einem Empfang
versichert, dass Österreich ihn in jeder Beziehung unterstützten
würde. Bevor ich abreiste, hatte ich Kreisky noch aufmerksam gemacht,
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dass ich eine solche Unterstützung von der EFTA anstreben werde
und Kreisky war damit sehr einverstanden. Insbesondere der norwe-
gische Finanzminister Kleppe, ein Sozialist, der früher als Aussen-
handelsminister bei EFTA-Tagungen schon anwesend war, hat ausführ-
lich den norwegischen Standpunkt und die bilaterale Hilfe erwähnt,
ebenso der schwedische Aussenhandelsminister Feldt. Die anderen Mini-
ster äusserten sich nicht, ausser Laine, der aber als Vorsitzender
erst zuletzt das Wort ergriff. Übrigens wurde dann im Rahmen der EFTA-
Tagung offiziell auch von Kleppe dieses Problem zur Sprache gebracht
und dann von mir sofort unterstützt und insbesondere auch von Schwe-
dens Aussenhandelsminister Feldt. Das dritte Problem war die Energie-
situation, wo Norwegen dezidiert erklärte, es wird an dem internatio-
nalen Energieprogramm nicht mitwirken und der Agentie nicht beitreten.
Kleppe sagte mir, Norwegen könnte wegen des Aufteilungsschlüssels nicht
anders handeln. In Wirklichkeit aber vermute ich, dass Norwegen,
wenn es dann entsprechende riesige Ölfunde fördern wird, wahrschein-
lich in kürzester Zeit von einem Konsumentenland in ein Produzenten-
land sich entwickelt und damit mehr zur OPEC gehört, als zur Verbrauchs-
organisation. Auch Finnland erklärte dezidiert, dass es an diesem
internationalen Energieprogramm nicht teilnehmen wird, nicht zuletzt
– ohne dass es gesagt wurde – weil es natürlich den grössten Teil
seines Öls aus der SU bezieht. Island erklärt ebenfalls, dass es auch
nicht daran teilnehmen wird. Die Schweizer, Schweden aber auch
Österreich machen den Vorbehalt, dass dringendst eine Neutralitäts-
klausel aufgenommen werden, resp. zumindestens ein Neutraliätsvorbe-
halt notwendig ist. Ich hatte am Vortag noch mit Fischer von Stockholm
telefoniert, um den letzten Stand der Besprechungen der Beamten
für diese Neutralitätsfrage zu erfahren. Ich wollte unter gar keinen
Umständen, dass Jolles von der Schweiz, der bestinformierteste oder
womöglich sogar einzige Informierte ist. Wie sich dann aber im Laufe der
Tagung herausstellte, hatten die Schweizer einen besseren Draht und
konnten uns, den Schweden und mir, mitteilen, dass der belgische
Botschafter D'Avignon, der die Koordinierung für diese internationale
Energieagentur durchführt, einen Bericht an die Verhandlungsteilnehmer
gemacht hat, wo er über die Neutralitätsvorbehalte sehr negativ in
der Formulierung begründet, berichtet. Eine Aussprache zwischen
Brugger, Feldt und mir ergab, dass wir diese Formulierung nicht akzep-
tieren können und auch nicht akzeptieren wollen. Ich telefonierte
abends noch mit Aussenminister Bielka, der mir ebenfalls mitteilte,
dass eine solche Formulierung unter gar keinen Umständen in Frage kommt.
Bielka machte mir auch eine interessante neue Mitteilung, dass er
nämlich mit Kreisky über dieses Problem gesprochen habe und Kreisky
jetzt wieder zu seinem ursprünglichen Standpunkt zurückgekehrt ist,
dass wir uns unter gar keinen Umständen mit den Produktionsländern,
d.h. mit den Arabern, wo wir so gute Beziehungen haben, durch eine
eventuelles grösseres Engagement im Rahmen dieser internationalen
Agentur bedingt das Klima verderben sollten. Bielka wird am Montag
bei meiner Rückkunft mit mir sofort Kontakt aufnehmen. Als letzter
Punkt kam die von der Schweiz gewünschten neuen Ziele der EFTA zur
Sprache. Brugger möchte insbesondere, wahrscheinlich durch Jolles
und Longardin veranlasst, der EFTA eine gewisse Aktivität einflössen.
Brugger meint, jetzt sei es zwei Jahre her, wo die bedeutenden Staa-
ten England und Dänemark ausgeschieden sind und jetzt müsste man
neue Ziele der EFTA geben. Zunächst ermächtigten wir nur das General-
sekretariat entsprechende Vorschläge sich zu überlegen.
Die EFTA-Tagung war wie gehabt, in Wirklichkeit für einen Minister
ziemlich sinnlos. Ich selbst habe erklärt, das sind die teuersten
Vorlesungen, die in Englisch von mir gehalten werden. Steiger bemüht
sich rührend, mir ein einigermassen verständliches Englisch beizu-
bringen und durch fleissiges Üben wird es vielleicht wirklich ein
bisschen besser. Meine Konzeption bei einer solchen Tagung wäre,
dass die Beamten zuerst die Statements zuerst austauschen, wenn
sich herausstellt, dass niemand gegen diese Formulierungen etwas
hat, man sie dem Protokoll einverleibt, die Minister sich ersparen
könnten, dann überhaupt zusammenzukommen. Der wichtigste Punkt ausser
halb der Tagesordnung für die Ministerbesprechung beim Frühstück
war aber, dass Feldt ganz dezidiert endlich darauf beharrte, was ich
die ganze Zeit schon forderte, nämlich dass man die EFTA-Tagung
in einem Tag erledigen kann. Das Ritual, welches den so berühmten
EFTA-Tag resp. Abendessen vorsieht, hat es bis jetzt verhindert.
Die nächste Tagung in Genf soll aber tatsächlich in einem Tag
abgewickelt werden. Zumindestens haben wir es so dann tatsächlich
auch im Kommunique beschlossen.