Montag, den 11. November 1974
Mussil ist wegen des Preisgesetzes empört. Am meisten erschüttert
ihn, dass ich tatsächlich seine Idee, alle Gesetze zusammenzufassen,
aufgegriffen habe, aber eben nicht einen Entwurf vorgelegt habe,
der für sie eine Diskussionsgrundlage sein könnte, sondern – wie
er sich ausdrückt – ein solches Gesetz, über das nicht einmal verhandelt
werden kann. Er meint, dies müsse ich sofort zurückziehen. Formell be-
schwert er sich, dass ich bei der letzten Ministerratssitzung, wo
es beschlossen wurde, gar nicht anwesend war, ihm daher beim jour fixe
auch nichts sagte. Da gar kein jour fixe stattfand. Zuerst wollte er
von einer Flucht reden, gab dann aber zu, dass er selbst – wie
Wiesinger Sallinger am Telefon sofort beweisen konnte – dass die
Handelskammer den jour fixe abgesagt hat, dann auf den formellen
Fehler in der Presseaussendung zu sprechen. Da ich bei der Minister-
ratssitzung vorigen Dienstag nicht anwesend war, wusste ich wirk-
lich nicht, wie im Detail die unglückselige Formulierung zuerst der
Ministerrat hat beschlossen und dann am Nachmittag das Dementi, der Mi-
nisterrat hat nur zur Kenntnis genommen, zustandekam. Am meisten
empörte ihn, dass gegen den Kettenhandel sowie das Verbot von
Zerstörung, Beiseiteschaffung von Waren und vor allem aber die
Strafen, die bis zu 1 Mill. S gehen können, in den Gesetzentwurf
aufgenommen sind. Mein Hinweis, dass die Entkriminalisierung ja hier
durchgeführt wurde und dass die ganzen Tatbestände entweder schon
irgendwo im Gesetz sind oder von einer Interessensvertretung ver-
langt wurden, wollte er nicht akzeptieren. Ja, er setzte sich ganz
bewusst über jedes Argument hinweg. Seiner Meinung nach wollen
wir mit diesem Gesetz abspringen. Hier vermutet er eine wesentlich
grössere Strategie, als diesem Gesetz wirklich zugrundeliegt. Ich
erklärt auch Sallinger und Mussil, dass ich am Samstag bereits Koren
gesagt habe, meine Konzeption war, dass man ich zuerst über die
Marktordnungsgesetz hätte einigen sollen und dann als Ergänzung natür-
lich die Preisgesetze hätte motivieren müssen. Statt dessen hat die
ÖVP ständig die Regierung attackiert, dass keine Regierungsvorlagen
vorliegen, weshalb es eben zu diesen Regierungsvorlagen gekommen ist
mit dem Ergebnis, dass man jetzt über diese Regierungsvorlagen halt
verhandeln muss. Mussil meinte auch noch, dass Weihs den Marktordnungs-
gesetzentwurf einige Tage vorher schon gegeben hat, währenddem ich
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den Preisentwurf ihnen nicht zur Verfügung stellte, weshalb bei der
Parteienaussprache Minkowitsch bereits wusste, worum es geht,
sie dagegen nicht. Ich hatte Sallinger auf dem Flug nach Helsinki über
die beabsichtigten Regierungsschritte informiert, d.h. dass jetzt solche
Entwürfe ausgearbeitet werden und ich einen Entwurf vorlegen werde,
wo alles drinnensteht, was jemals mir an Vorschlägen gemacht wurde.
Ich vermute, dass Mussil am meisten ärgert, weil ich auch den Handels-
kammervorschlag – Verbot unter Einstandspreis zu verkaufen – aufgenom-
men habe, aber wie Mussil sagt, entwertet, d.h. geändert habe.
ANMERKUNG FÜR WAIS: Bitte lass sofort eine Gegenüberstellung
HK-Vorschlag – HM-Vorschlag ausarbeiten
Synopsis.
Mussil kam neuerdings auf den Artikel XXXV GATT gegenüber Japan
zu sprechen und war diesmal schon bedeutend beruhigter, als er
erfuhr, dass wir mit den Japanern jetzt zu verhandeln beginnen,
damit sie gewisse Schutzmassnahmen wie Vidierung und eine Liste von
Waren, die nicht liberalisiert werden können, aufnehmen wollen.
Ich erklärte ihm nur, dass der Japaner jetzt noch immer noch nicht
zu erkennen, dass sie über diese unsere Vorschläge auch tatsächlich
verhandeln werden. Ich so einem Fall würde es bei Art. XXXV bleiben,
wie er ja noch für ein Jahr wünscht, allerdings dann nach Ende 1975
wir überhaupt keinerlei Schutzmöglichkeiten mehr hätten.
Die Handelskammer bestätigt mir neuerdings, dass sie grössten Wert
drauflegt, dass Österreich der internationalen Energieagentur bei-
tritt. Ich teile ihnen mit, dass ich morgen an Stelle des im Budget-
ausschuss festgehaltenen Aussenministers einen mündlichen Vortrag
der Regierung vorlegen werde, wo wir dies beschliessen, allerdings
unter der Voraussetzung, dass die Neutralitätsklausel bedingungslos
von der internationalen Energieagentur anerkannt wird, d.h. alle
Länder dies auch akzeptieren.
Ich teile Mussil und Sallinger mit, dass die zusätzlichen Kommerzial-
räte für Salzburg (11) und Vorarlberg (10) vom Bundespräsidenten
genehmigt wurden und deshalb ihr Vorschläge kommen können, die, ohne
dass ich es sage, ja zwischen dem Freien Wirtschaftsverband und
Wirtschaftsbund bereits aufgeteilt sind. Ich habe deshalb dies nicht
mehr erwähnt, weil Sallinger, und dies nicht zu unrecht, behauptet,
ich hätte ja den Freien Wirtschaftsverband bei der Aussprache
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mit Sallinger, Mühlbacher gezwungen, dass er mehr verlangt, als der
Freie Wirtschaftsverband zuerst überhaupt nur gedacht hat an Kommer-
zialräten zu bekommen. Sallinger meinte damals auch, ich müsste viel-
leicht doch den Freiheitlichen einen Kommerzialratstitel geben,
da die im Westen wesentlich stärker seien als der Freie Wirtschafts-
verband. Ich habe damals rundweg erklärt und dabei bleibe ich auch,
dass ich dazu keine Veranlassung habe, weil sich niemand an mich
gewendet hat und ich nicht die Aufteilung nach politischen Gesichts-
punkten offiziell durchführe, sondern eben den in der Handelskammer ver-
tretenen Organisationen, die mit mir in Verhandlungen resp. Kontakt
treten, die Aufteilung überlasse.
Eine lange Diskussion ergab sich über die Bezahlung von Aufwendungen
aus den Aussenhandelsförderungsbeiträgen. Sallinger wird mir – wie er
sagte – einen Brief schreiben und das Konzept hat er mir gezeigt.
Danach hätte er nur mehr Reisekosten für mich und meinen Begleiter
sowie die Repräsentationsaufwendungen im Inland und im Ausland, d.h.
was sie darunter verstehen, nur ein entsprechendes Essen, abgelehnt
hätte er auf alle Fälle die Gastgeschenke und die Aufenthaltskosten
von ausländischen Delegierten im Inland. Wir diskutierten diesen
Entwurf und ich habe ihm sofort ausgebessert, dass ich auf alle Fäl-
le zwei Reisekosten verlangen müsste, auch dann wenn ich nicht fahre.
Weiters erklärte ich, dass wir über jedes Gastgeschenk und jedes Land,
wo ein Gastgeschenk gegeben wird noch im konkreten verhandeln müssen
und ein generelles Ablehnen für mich unakzeptabel sei. Sallinger wieder
erklärte dezidiert, dass diese Vereinbarung nur bis Ende der Legis-
laturperiode gilt und dann, wer immer auch Handelsminister sein sollte,
die Handelskammer nicht mehr an eine Vergütung denkt. Diesen Standpunkt
erklärte ich, könnte ich weder für meine Person, weil ich überzeugt
bin, ich werde dann Handelsminister sein, wie ich zumindestens dort be-
hauptete, und natürlich auch nicht für meinen Nachfolger akzeptieren
könne. Hier zeigt es sich, dass Sallinger scheinbar wirklich die ganze
Unterstützung nur mir, d.h. also meiner Person zugedacht hat, denn
so dezidiert das abzulehnen, was nach Oktober 1975 geschieht, habe ich
noch niemals erlebt. Ich schrieb deshalb auf den Zettel, dass die
Handelskammer erklärt, dass dies nur bis Ende der Legislaturperiode
gilt, ohne dass ich natürlich zustimmte. Meine Sprachregelung war seit
eh und je, dass wir eben dann neuerdings verhandeln müssen.
Nach einigen Überlegungen und Rücksprache mit Bukowski verlangte
ich dann noch telefonisch von Sallinger, dass unter Reisekosten
auch die Aufenthaltskosten, d.h. Hotelrechnungen bezahlt werden
müssten. Für die Staatshandelsländer kommt dies sowieso nicht in
Frage, weil ich dort ja meistens eingeladen bin und daher gar
keine Hotelrechnungen auflaufen. Anders sieht dies aus bei Besuchen
in westlichen Ländern. Sallinger meinte, dies hätten sie noch nie be-
zahlt und ich müsste ihm deshalb dies beweisen und am nächsten jour
fixe sollten wir darüber sprechen. Ich glaube überhaupt, dass wir die
Gegenforderung anders formulieren sollen. Ich könnte mir vorstellen,
dass ich darauf verzichte, dass für 2 Personen die Flugreise be-
zahlt wird. Wesentlich wichtiger ist es, dass wenn ich ausländische
Minister einladen muss, dass dann die Aufenthaltskosten dieser Mini-
ster im Inland getragen werden. Dies war ja auch bis jetzt der Fall.
Ich glaube deshalb, es wäre zweckmässig, wenn unmittelbar jetzt, so-
lange ich in Bagdad bin, sehr konkrete Gegenvorschläge vom Büro auf
Grund der bis jetzt bezahlten Leistungen der Handelskammer erstellt
werden.
ANMERKUNG FÜR BUKOWSKI: Lass Dir sofort eine Aufstellung machen, was
bis jetzt die Handelskammer alles bezahlt hat und beginne mit dem Bü-
ro des Präsidenten Sallinger darüber zu verhandeln.
Im Pressefrühstück wurde auch Dr. Katharin vom Fachverband
der Bekleidungsindustrie zugezogen und das Problem der Vermessung
der Österreicher zur Sprache gebracht. Leider war ich am Anfang
wegen der langen Debatte mit Sallinger und Mussil nicht anwesend.
Ich glaube, wir müssten die Vertreter der Handelskammer bei diesem
Pressefrühstück mehr herausstreichen. Deshalb sollten wir in Hin-
kunft, wenn es um irgendein Problem geht, wo die Handelskammer mit-
gewirkt hat, einem Vertreter von ihr immer auch die Gelegenheit
zu geben, vielleicht sogar sofort ein Co-Referat zu den Referaten
und Ausführungen des Handelsministeriums-Vertreters zu geben.
ANMERKUNG FÜR BUKOWSKI: Bitte besprechen wir dies mit Puffler.
Bukowski hatte eine Aussprache mit Böhm und Präsident Leberl des
Patentamtes wegen weiterer Dienstposten für das Patentamt. Da er
mich hinzurief, erklärte ich einleitend gleich, dass ich Böhm ver-
traue und nur sagen kann, dass er sich sehr bemüht, alle Wünsche
von Personaleinstellung, die an ihn herangetragen werden, zu erfüllen.
Doch hat er natürlich nur eine beschränkte Möglichkeit, neue Dienst-
posten zu schaffen. Leberl, der sehr aktiv ist, hat gemeint, er
könne jetzt 25 neue Dienstposten bekommen, weil in einer Gesetzes-
novelle über das Patentamt, wo er in Hinkunft Auskunft über den
technischen Stand geben müsste, in den Erläuternden Bemerkungen
25 Dienstposten dafür vorgesehen seien. In Wirklichkeit hat es sich,
wie mir Gehart nachher mitteilte, darum gehandelt, eine theoretische
maximale Belastung des Patentamtes zu errechnen. Was mich am meisten
verwundert ist, dass sowohl Leberl als auch Böhm mir sagten, sie
hätten im Finanzministerium von Kaber erfahren, dass diese gerechnet
haben, dass wir zusätzliche Dienstposten verlangen werden. Unwahrschein-
lich, wie die Bürokratie sich gegen die Intentionen des Bundeskanzlers,
der auf Dienstposteinsparung eingestellt ist und diese immer wieder
verlangt, richtet. Ich denke nicht daran, dass in dem nächsten Jahr
vor den Wahlen jetzt noch womöglich grössere Dienstpostenanträge im
Bundeskanzleramt deponiert werden und ich dann womöglich bei einer
Diskussion mit der Gewerkschaft über Dienstposteneinsparungen hören
muss, dass wir hier zusätzliche Forderungen erhoben haben. Bis zum
Oktober nächsten Jahres wird Leberl durchkommen, umso mehr als
Böhm ja drei Dienstposten frei hat und ihm sicherlich dafür einen
oder zwei zur Verfügung stellt.
ANMERKUNG FÜR BUKOWSKI: Bitte hier äusserst vorsichtig vorgehen.
Beim Mittagessen mit Staatssekretär Beil hat er mir unter vier Augen
und dann auch bei meiner Aussprache mit ihm im Ministerium hat er
einleitend immer wieder auf die Entwicklung des DDR-Österreich-Handels
hingewiesen. Er ist nicht zuletzt gekommen, um mit der VÖEST weitere
drei Verträge abzuschliessen, die von grosser Bedeutung sind. Insbesondere
werden die Kohlegrubenaufschlüsse mit der VÖEST gemeinsam in Austra-
lien Milliarden-Geschäfte bringen. Darüber hinaus wird jetzt von
Neuseeland, aber auch beim Besuch des Präsidenten der DDR in Indien,
in Südindien ebenfalls Verträge über Aufschluss der Braunkohlegruben
geschlossen werden. Darüber hinaus hat Beil noch einen Generaldirektor
der chemischen Anlagen und Industrie mit, sodass auch hier die Linz-
Chemie wahrscheinlich zu einem Abschluss von weiteren Verträgen kommen
kann. Seinerzeit von der Handelskammer mit solche Vehemenz verlangte
10 %-ige Exportsteigerung steht derzeit wirklich am Papier.
Sie ist wesentlich mehr und Beil meint, auch für das Jahr 1975 er-
gibt sich jetzt bereits eine wesentliche Steigerung, weil dieselben
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Investitionen wie im Jahre 1974 auch im Jahre 1975 Anlagenkäufe bei
uns getätigt werden sollen. Beil wendete sich aber insbesondere gegen
die Vidierung, weil nach seiner Auffassung dies gegen unseren lang-
fristigen Vertrag, den wir im Vorjahr abgeschlossen haben, verstösst.
Nach längerer Diskussion und meiner Versicherung, dass wir wirklich
die DDR nicht diskriminieren wollen, sondern dass dies nur dazu
dient, um mir überhaupt die Möglichkeit zu geben, festzustellen, wann
und welche Waren hereinkommen, damit, wenn sie angeblich ein Dumping
betreiben, wir sofort gegen die österreichischen Firmen, die dies be-
haupten, mit konkreten Ziffern vorgehen können, hat ihn dann veranlasst
zu erklären, es sollten jetzt unverzüglich die Verhandlungen auf Beamten-
ebene mit den Jahresprotokoll 1974 resp. 1975 abgeschlossen werden,
damit bei der Ankunft von Minister Sölle dieses Problem aus der Welt ge-
schaffen ist. Sölle kommt entgegen allen anderen Gerüchten auf alle
Fälle und möchten den Besuch nicht durch irgendwelche offenen Probleme
oder gar Streitereien trüben. Mit dieser Vorgangsweise war ich natür-
lich sofort einverstanden und Meisl resp. Hillebrandt werden jetzt mit
dem Handelsrat von der DDR und in weiterer Folge mit Gen.Dir. Schönherr
von Berlin die Endverhandlungen führen. Unter vier Augen erklärte mir
Beil, er wird die Punkte, die er mit mir jetzt offiziell besprochen
hat, bei seiner Vorsprache in der Industriellenvereinigung und in
der Handelskammer gross herausstreichen und aber ganz besonders die
unzulängliche Haltung dieser Institutionen in der Vergangenheit, aber
auch jetzt noch in der Gegenwart bei der DDR-Österreich-Annäherung attak-
kieren. Beil weiss ganz genau und kennt dies ja auch der Zeit,
wo er noch der Vertreter der DDR in inoffizieller Mission hier war,
vor Anerkennung der DDR also, wo die Widerstände zwischen den ein-
zelnen Interessensvertretungen und mir persönlich liegen. Beil möchte
dann aber auch nach Abschluss der entsprechenden Vereinbarungen und
Verträge mit der VÖEST in einer Presse-Erklärung herausstreichen, dass
ein Jahr nach Ende des neuen Handelsvertrages bereits so schöne Erfolge
erzielt werden konnten.
ANMERKUNG FÜR BUKOWSKI: Setzt Dich bitte mit den DDR-Leuten ins Ein-
vernehmen, damit wir womöglich konform vorgehen.
Über unser Energieprogramm hat eine Aussprache mit Frank, Burian, Ge-
hart, Wanke, GRÜNWALD und mir stattgefunden. Bei dieser Gelegenheit
konnten wir einige kritische Passagen, wie z.B. die Schliessung
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der Kohlegrube Fohnsdorf und Pölfing-Bergla durch Hinzufügung
von zwei Wörtern, nämlich die Ausrede auf den Rechnungshof und dessen
Bericht abschwächen. Dies wird man uns sicherlich abnehmen, dass sich
hier die Stenotypistin oder bei der Redaktion diese Wort vergessen
wurden. Was die Energieumlage betrifft, ist dies schon nicht mehr so
leicht möglich, doch stört mich dies vom politischen Standpunkt aus
weniger, weil ja sogar der Fachverband der Mineralölwirtschaft
einen solchen Vorschlag seinerzeit, allerdings nur für Öl, gemacht
hat. Damit glaube ich, haben wir die grösste Gefahr, dass nämlich ohne
dass wir es vorerst fraktionell, geschweige denn mit mir abgestimmt wur-
de, den ganzen Energieplan ausgesendet haben. Über die empfohlenen Mass-
nahmen gab es keine Debatte, da sie nach Auffassung von Gehart sogar
weniger konkret sind, als wir dies in den Energierichtlinien bis jetzt
schon hatten.
Frank berichtete, dass in der Hauptversammlung der Donaukraftwerke
zwar Maurer als Vorsitzender erklärt hätte, er sei damit einver-
standen, wenn jetzt anstelle des Sekt.Chef Cech der Leg.Rat Gehart
kommt, doch stellte sich dann heraus, dass der Vertreter vom Burgen-
land und Oberösterreich, wie Maurer triumphierend wahrscheinlich sagte,
davon nichts wisse. Über diese Mitteilung habe ich mich sehr ge-
ärgert. Wir haben am Freitag stundenlang über das Problem mit der
Verbundgesellschaft fraktionell diskutiert, kein Mensch hat mir diese
Gefahr gesagt, sonst hätte ich nämlich am Samstag mit Kery, den ich bei
der Martini-Feier getroffen habe, ohne weiteres sprechen können, da-
mit er seinem burgenländischen Vertreter entsprechende Weisung gibt.
Auch wenn man mit Wenzl gesprochen hätte, hätte sich dieser sicherlich
an die seinerzeitige Besprechung erinnert und wenn Maurer zustimmt, hier
keinen Widerstand geleistet. Das Verhalten der Verbundgesellschaft, un-
serer Fraktion dort, besser gesagt und insbesondere auch in den ein-
zelnen Gesellschaften, ist mir nicht ganz klar. Hier wird von mir
stundenlang mit den fraktionellen Besprechungen unsere Genossen, Be-
triebsräte und Direktoren informiert und taktische Pläne abgespro-
chen und dann passieren ununterbrochen solche Fehler. Jetzt habe
ich neun Monate über dieses Problem verhandelt, Reorganisation der
Aufsichtsräte, Reorganisation der Gesellschaften, dhl. also ins-
besondere Zusammenführung zwar nicht formell, aber de facto zwischen
Enns und Donau und wir kommen keinen Schritt weiter. Was die Verbund-
fraktionsgenossen wollen und was letzten Endes Frank dann auch von
mir forderte war, dass eine ausserordentliche Hauptversammlung eben
jetzt einberufen wird. Was ich mehr oder minder akzeptieren muss,
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obwohl jetzt klar ist, nachdem wir auch die Statutenänderungen
vornehmen, dass damit ein Krieg beginnen wird. Ein so wichtiges
Argument habe ich Gott sei Dank im letzten Moment erfahren, dass der
Direktor, der sich ganz besonders in der Donau gegen einen vierten
Vorstand -Bestellung wehrt, mit der Arbeit selbst für die Aufsichts-
ratssitzungen angeblich im Verzug ist, weil er gleichzeitig auch den
Bau vom Hilton-Hotel mit Genehmigung des Aufsichtsrates allerdings
durchführt.
Ich habe Dr. Reim gefragt, nachdem ich vorher mit Gehart diesen Wunsch
von mir abgesprochen habe und er zustimmte, ob Reim bereit wäre, ins
Büro zu übersiedeln. Reim war deshalb am meisten erstaunt, dass ich
ihm ein solches Angebot machte, weil er mir zu verstehen gab, dass
er ja weder der Gewerkschaft noch der soz. Partei angehört. Er meinte
zwar, wenn die Partei jetzt in eine Schwierigkeit kommt, dann sei der
Zeitpunkt für ihn gekommen, beizutreten, damit er ja nicht als Konjunktur-
ritter, der eben jetzt beitreten würde, erscheint. Ich schlug ihm vor,
er soll sich nur überlegen, ob er nicht dem ÖGB beitritt, weil dieser
eine überparteiliche Organisation ist und er sich für keine Fraktion
entscheiden muss. Dieselbe Vorgangsweise hatte ich 1970 auch dem
damaligen Aussenminister Kirchschläger vorgeschlagen. Ich bin näm-
lich wirklich davon überzeugt, dass es meiner Meinung nach wichtiger
ist, wenn ein Kollege, der mit mir so zusammenarbeitet, wie dies Reim
vielleicht in Zukunft tun wird, dem ÖGB angehören soll, ohne dass
er sich für eine Fraktion entscheiden muss. Da ich Reim gleichzeitig
auch auseinandersetzte, welche Arbeit Reim durch den Übertritt er-
wachsen würde, ersuchte ich ihn, er solle unter allen Umständen über-
schlafen, mit seiner Frau besprechen und sich dann erst entscheiden.
Sein Wunsch, der auch meiner ist, ja ich erklärte sogar, dass ich darauf
grössten Wert lege, nämlich, dass er erstens seine Vorlesungen auf
der Hochschule für Welthandel weiter fortsetzt, zweitens seine Dienst-
prüfungen im Frühjahr ablegt, bedeutet, dass er die dafür notwendige
Zeit bekommen muss. Da Reim aber sehr ehrgeizig und fleissig ist, bin
ich überzeugt, wird er dafür in der anderen Zeit – und er wird sicher-
lich keinen 8-Stunden-Tag anstreben, alles dies leisten, was wir von
ihm erwarten. Bukowski, der bei der Aussprache anwesend war, versicherte
ihm auch, dass er ihn in kürzester Zeit über die Kanzleiordnung und
sonstige bürokratische Kenntnisse einschulen wird. Hier habe ich
keine Sorge, dass Bukowski nicht imstande sein würde, dies Reim
wirklich beizubringen. Wenn Reim zusagt, hätten wir einen wertvollen
Mitarbeiter gewonnen.
Tagesprogramm, 11.11.1974
hs. Notizen (Tagesprogramm Rückseite)