Donnerstag, 28. November 1974
In der Fragestunde im Parlament regen sich sowohl die
Opposition als auch unsere eigenen Leute immer wieder auf,
daß so wenig Fragen jetzt in einer Stunde aufgerufen werden
können, in Wirklichkeit liegt es aber daran, daß sowohl die
Antworten der Minister als auch vor allem einmal die Zusatz-
fragen schrecklich ausführlich und langatmig gestellt werden,
ich bin hier wirklich eine rühmliche Ausnahme, dies hat ver-
schiedene Vorteile, 1. kann ich immer wieder, wenn mich ein-
mal die Opposition deshalb angreifen sollte, darauf hinweisen,
daß ich ja nichts anderes tue, als was sie selbst wünschen, kurz
und bündig antworten, damit mehr Fragen aufgeworfen werden
können, 2. und das ist das Wichtigste, habe ich dadurch die
Möglichkeit, vollkommen frei zu antworten, was mir einmal mehr
die Möglichkeit gibt, wenn ich wirklich daneben hauen sollte,
zu sagen, na bitte, sie müssen doch Rücksicht nehmen, daß ich
mich geirrt habe, 3. aber kommt dies bei der Opposition und
auch bei unseren Leuten verhältnismässig gut an, weil sie
dadurch hoffen können, daß wenigstens einer dazu beiträgt,
daß der Nächste auch noch dran kommt. Wenn ich Opposition wäre,
würde ich allerdings meine Antworten als sehr schnodderig be-
zeichnen und wenn es alle machen würden, würden sich wahrschein-
lich auch die Oppositionsanfragenden sehr aufregen. So hoffe
ich aber, wird man mir zugute halten, daß ich eben ein Schnell-
redner und Kurzantworter bin. Da vor mir Lanc war, der jede
Antwort zelebriert, kam der Unterschied, glaube ich, besonders
stark zum Vorschein.
Anmerkung für GEHART: Schaut sich jemand überhaupt dann die
Antworten und Äußerungen im Parlament an?
Landesrat Rümmele von Vorarlberg, der die Agenden des seiner-
zeitigen Landesstatthalters Müller übernommen hat, war, wie er
mir mitteilte, bei Bautenminister Moser und wollte sich auch bei
mir vorstellen, derzeit ist er natürlich wegen des Pfänder-
tunnels und wegen der Straßenprobleme voll eingedeckt. Von
Dr. Ilg, Handelskammer, den er sehr gut kennt, hat er meine
unkonventionelle Art, Wirtschaftsprobleme Vorarlbergs anzu-
gehen, erfahren und teilt mir freimütig mit, daß er als Wirt-
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schaftstreuhänder, d.h. als ein Mann der Praxis, so eine
Methode liebt. Ich schlage ihm deshalb sofort vor, er soll,
wenn er irgendwelche Probleme hat, telefonieren und nicht
glauben, daß er unbedingt persönlich vorsprechen muß. Angeb-
lich, wie er sagt, hätte er bereits vor Jahren das Finanz-
referat übernehmen sollen, sich damals aber nicht entschließen
können, in die Landesregierung zu gehen, weil er, wie er sich
ausdrückt, nicht so stark politisch gebunden ist und sein will.
Anmerkung für BUKOWSKI und WAIS: Vielleicht kann man über unse-
re Freunde in Vorarlberg gelegentlich mehr über seine politische
Einstellung erfahren.
Ich mache ihn auf die Schwierigkeiten wegen der Steinbrüche
aufmerksam und wiederhole, daß ich bereits vor Jahren verlangt
habe, ein einwandfreies biologisches Gutachten von der Landes-
regierung zu bekommen, um endlich zu wissen, wie es mit dem Abbau
der Steinbrüche weitergehen soll, weiters teile ich ihm mit,
daß ich bestrebt bin, so schnell als möglich den Wunsch der
Landesregierung wegen einer grösseren Beteiligung bei den Ill-
werken zu entscheiden, doch hätte die Landesregierung sich
jetzt so lange Zeit gelassen und das Verschulden, daß ihr
Schreiben monatelang zu spät gekommen ist, liegt daher bei ihr.
Vor allem aber erzähle ich ihm die Entwicklungsgeschichte
der Ölversorgung Vorarlbergs, wobei ich ihn ersuche, er soll sich
mit Müller im Detail ins Einvernehmen setzen, damit er sich ein
genaues Bild machen kann. Mein Vorschlag auf alle Fälle ist, da
die Versuche mit deutschen Firmen zu einer Einigung zu kommen,
gescheitert ist, doch vielleicht mit der österreichischen
Mineralölverwaltung eine gemeinsame Lösung zu finden.
Die Gespräche über die Marktordnungsgesetze, wo nach wie vor
von der Handelskammer Dr. Richter daran teilnimmt, während
Ossi Weihs die Arbeiterkammer oder den Gewerkschaftsbund noch
immer nicht einlädt, werden über das Landwirtschaftsgesetz
und Lebensmittelbewirtschaftungsgesetz geführt. Beim Landwirt-
schaftsgesetz möchte Weihs selbst etwas über die Bergbauern
und deren Kulturlandschaftserhaltung aufnehmen. Minkowitsch
und ganz besonders Brandstätter, die sogar einen Gegenentwurf
vorlegen, möchten wieder, daß über die ausreichende Entschädigung
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und vor allem über eine entsprechende Einkommenssicherung
Bestimmungen aufgenommen werden. Ich halte, sowohl den Stand-
punkt Weihs als den von Minkowitsch für äußerst gefährlich.
Natürlich sind es zuerst nur deklaratorische Erklärungen, in
der Folge aber leitet dann die Landwirtschaft die entsprechenden
Subventionen automatisch ab. Ich plädiere deshalb, weil ich
mit Recht erkläre, daß wir sowieso über die Marktordnungen
noch so langwierige und komplizierte Verhandlungen vor uns
haben, wir sollten uns beim Landwirtschaftsgesetz auf eine
unveränderte Verlängerung einigen. Natürlich sagt Mussil und
Minkowitsch sofort, dann müßte man uns aber auch bei den anderen
Gesetzen zu einer unveränderten Verlängerung durchringen, es
war klar und deutlich zu sehen, daß ihnen eine unveränderte
Verlängerung am liebsten wäre. Natürlich gilt hier, Zeit gewonnen
alles gewonnen, man kommt näher dem Wahltermin und damit kommen
sie in eine bessere Verhandlungsposition. Diese Politik muß
aber nicht unbedingt für sie zielführend sein. Ich kann mir
ohneweiters vorstellen, daß eine kurzfristige Verlängerung
zwar ein schwerer Prestigeverlust für die ist, die gesagt haben,
die Gesetze müssen wesentlich geändert werden oder auslaufen,
dann aber, wenn die Verlängerung beschlossen ist, vor dem
nächsten Ablauf die Landwirtschaft vor ein gewisses Dilemma
stellen wird, weil knapp vor einer Wahl oder vielleicht gar
unmittelbar nach der Wahl wieder ihre Bauernvertreter inner-
halb der ÖVP sehr wohl drängen werden, zu einer einvernehmlichen
Lösung zu kommen, weil man dann ja wieder auch die Stimmen der
Sozialisten dazu braucht. Warum ich in der Vergangenheit stets
immer für eine Terminisierung von für die Landwirtschaft
wichtigen Gesetze eingetreten, war, daß ich überzeugt war und
bin, daß der landwirtschaftliche Flügel innerhalb der ÖVP sehr
wohl als konservatives Element so wie in der ersten Republik
immer zu einem Ausgleich mit den Sozialisten raten wird. Der
wirklich radikalere Flügel kann und muß in Zukunft der ÖAAB
sein, nur er könnte sich mit einer Gegensatzpolitik zur SPÖ
stärker profiliert, dies zeigt sich auch bereits an den Vor-
schlägen, die teilweise der ÖAAB jetzt bei jeder Gelegenheit
erstattet. Klement z.B. stellt beim Landwirtschaftsgesetz fest,
man sollte jeden Freizeitbauer, der die Kulturlandschaft erhält,
entsprechend unterstützen, der nächste Schritt ist dann sicher
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der Hobbygärtner, ein Grund mehr, warum ich die ganze Änderung
dieser Bestimmung im Landwirtschaftsgesetz ablehne.
Bei der Diskussion über das Lebensmittelbewirtschaftsgesetz
zeigt sich das Dilemma der ÖVP-Delegation, Mussil, insbes.
aber Dr. Rief wollen auf der einen Seite, daß natürlich die
Lebensmittelbewirtschaftung womöglich nicht ausgedehnt wird,
andererseits aber haben sie wie z.B. die Lenkungsinteressen
im Getreidefonds ausgelöst durch ihren Mühlenwunsch und Futter-
mittelwerke für Getreide und Futtermittel bis in den Betrieb
hinein das Lebensmittelwirtschaftsgesetz, wie Brandstätter, aber
auch ich feststellen müssen, und wie ich bereits vor längerer
Zeit erkannt habe, könnte in einem Krisenfall kaum noch die
Grundlage für eine Versorgung der österreichischen Bevölkerung
sein, allein die Markenpickerei kann heute durch die Superläden,
durch die Diskontgeschäfte und Märkte gar nicht mehr durchge-
führt werden. Hier wollte ich Weihs natürlich in seiner Politik
nicht stören, der oft um jede einzelne Bestimmung kämpft, doch
glaube ich, daß es auch hier zu einer unveränderten Verlängerung
kommen wird.
Dir. Büttner von der Unilever will im nächsten Jahr den Sonnen-
blumenanbau forcieren. Er stellt sich vor, daß man 100 ha
versuchsweise in Maisanbaugebieten mit Sonnenblumen bebauen
sollte, bei max. 2 Tonnen Hektarertrag wären dies 200 Tonnen,
eine unbedeutende Menge. Die Unilever hofft aber, daß sie im
Laufe der Jahre auf 50.000 Tonnen Sonnenblumensaat kommen kann.
Zu diesem Zweck möchte sie die ersten Jahre nicht einen allzu
hohen Preis festgesetzt bekommen, sie wäre deshalb bereit, von
sich aus eine Stützung, die das Landwirtschaftsministerium
oder das Handelsministerium ausbezahlen sollte, zur Verfügung
zu stellen, am liebsten würden sie diese Transaktion über das
Handelsministerium abwickeln. Ich erkläre sofort, daß es hier
große finanzielle technische Schwierigkeiten gibt, jeder Betrag,
der ans Handelsministerium einbezahlt wird, fällt automatisch
dem Finanzminister zu. Ich verweise Büttner an den MR Marhold,
damit er die technischen Details mit ihm bespricht.
Anmerkung für WAIS: Bitte informiere Marsch und Marhold, die
sollen sich mit Büttner zusammensetzen.
Ich informiere Büttner auch über die Stellungnahme von
Brugger wegen der Errichtung einer Ölextraktion in Basel,
er ist sehr erstaunt zu hören, daß der zuständige Schweizer
Bundesrat gar kein Interesse daran hat, daß diese Extraktion
mit 350.000 Tonnen Kapazität in Basel entsteht. Brugger hat
abgelehnt, weil 1. das Wasser nicht zur Verfügung steht, 2.
die Arbeitskraftsituation im Basler Raum durch die Konzentration
der Industrie sehr ungünstig ist und 3. vor allem das anfallende
Schrot, d.h. Futtermenge, die Schweizer befürchten, ihre Milch-
politik total durcheinander zu bringen. Büttner behauptet zwar,
sie würden den ganzen Schrot exportieren, doch hat die Schweiz
die Angst, daß die mal die EG, wo derzeit der ganze Schrot hin-
gehen würde, sowie bei Vieh letzten Endes, wenn es kritisch
wird, auch die Einfuhr von Futtermittel sperren würde, in diesem
Fall säße dann die Schweiz auf dem großen Futtermittelberg,
anders stellt sich die Situation für uns, weil wir dringend
nicht nur die 100.000 Tonnen Öl brauchen, sondern auch große
Mengen von Kraftfuttermittel einführen. Ich schlage deshalb
Büttner vor, er soll sich doch mit seinen Herren in London
und in der Schweiz überlegen, ob sie nicht eine solche Ex-
traktion in Österreich errichten wollen. Wie mir Büttner mit-
teilt, weiß er davon, daß eine andere Kapitalgruppe, insbes.
aber auch die Gmünder, Dir. Wohlmeyer, hinter einem Projekt
zu Errichtung einer Ölextraktion sind. Büttner wird mich über
die Entscheidungen der Unilever-Zentrale am Laufenden halten.
NR Keimel, der Schattenminister, wie ich ihm gegenüber auch
immer sage, interveniert bei mir, daß ich mich beim Finanz-
minister wegen der Münze Hall einsetzen soll. Die Münzleute
von Hall, dort wurde vor Jahrzehnten noch Münzen geprägt, wollen,
daß nicht nur in Wien, sondern auch in Hall eben die vom Staat
herausgegebenen Münzen geprägt werden. Vom Standpunkt des
Fremdenverkehrs habe ich immer dafür großes Verständnis gehabt,
jede Attraktion und eine Münzenprägestelle ist eine solche,
trägt zur Hebund des Fremdenverkehrs bei. Dazu kommt noch,
daß Keimel selbst zugibt, er hätte jetzt Numismatikern gesprochen
und diese wären bereit, wenn eine solche Prägestelle dort wieder
offiziell eröffnet wird, einen Riesenkongreß nach Tirol zu ver-
legen. Keimel gibt zu, daß der Hauptwiderstand von der Bürokratie
erfolgt. Seine Aussprache mit Androsch hätte dazugeführt, daß
dieser sehr wohlwollend oder zumind. nicht ablehnend einer
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solchen Idee in Hall wieder zu prägen, gegenübersteht.
Große Schwierigkeiten hat er bei dem Referenten, MR Heller
im Finanzministerium, und natürlich bei der Prägung, d.h.
der Münze in Wien. Ich verweise darauf, daß dies doch politisch
ihre Leute sind und sie doch versuchen sollten, indirekt einen
gewissen Einfluß auf sie zu nehmen. Keimel ist scheinbar über
meine positive Einstellung sehr überrascht und erfreut. Ich
habe aber auch wirklich gar keinen Grund mich gegen ein solches
Projekt zu stellen. Zur detaillierteren Besprechung verweise
ich ihn an MR Würzl.
Anmerkung für GRÜNWALD und REIM: Bitte Würzl und unsere Tiroler
Freunde verständigen und informieren.
Ich treffe durch Zufall Gasperschitz und Engelmayer und be-
glückwünsche Gasperschitz, daß er, und dies mein ich wirklich,
einen so tüchtigen Mitarbeiter in Engelmayer jetzt gefunden
hat. Gasperschitz meint, ich wäre vielleicht froh, wenn ich
ihn verlöre, wenn er stärker in der Gewerkschaft verankert
wird, worauf ich nur erwidere, ich hätte ihn, wenn ich in der
Privatwirtschaft wäre, schon längst zum Personalreferenten
gemacht. Engelmayer teilt mir dann unter vier Augen mit, daß
der Sicherheitsfall, es handelt sich um einen Beamten beim
Kutschera, jetzt von der Polizei bearbeitet wird. Er selbst
deutet an und ich bin fast überzeugt davon, daß es sich hier
um eine eingebildete Verfolgung dieses Mannes handelt. Wer
kann schon Interesse haben über die Außenhandelsstatistik,
d.h. über einen so unbedeutenden Referenten irgendetwas zu
erfahren. Hier könnte wirklich nur ein uninformierter Agent
oder einer, der eine Tätigkeit nachweisen muß, an unzulänglichen
Stellen Interesse haben, jemanden zu kapern. Engelmayer meint,
es würde sich der Betreffende am liebsten freiwillig versetzen
lassen. Ich bin sofort damit einverstanden, weil ja Meisl das
Referat Kutschera überhaupt auflösen möchte.
Anmerkung für BUKOWSKI: Wenn ein solcher Versetzungsantrag
kommt, sprich mit Meisl, vielleicht können wir bei dieser
Gelegenheit wirklich das ganze Referat gleich auflösen.
Engelmayer deutet an, daß wir wegen der Geschäftsordnung
doch eine längere Auseinandersetzung mit der Personalver-
tretung haben werden. Er ist auch bereits informiert, daß
König eine eigene Abteilung bekommen soll, damit er nicht
ins Bautenministerium zurückgeht. Er bezeichnet, so wie ich,
König als äußerst tüchtig und man sollte alles daran setzen,
um ihn zu erhalten. Wegen der Weihnachtseinarbeitungslösung
gibt er zu, daß sie einen großen Fehler begangen haben, was
mich veranlaßt, dazu zu sagen, jetzt sind wir quitt, da uns
ein Fehler bei der Installierung des Kieslich-Referates in
der Geschäftsordnung passiert ist.
Was die Verkürzung der
Arbeitszeit betrifft, so möchte er gerne die zwei Stunden am
Freitag Nachmittag früher Schluß haben. Er sieht aber meine
Einwände ein, daß dies deshalb so ungünstig ist, weil gerade
die Tüchtigen und arbeitsamen Abteilungsleiter bei mir schon
waren und erklärt haben, dann wäre der ganze Freitag wahrschein-
lich als Arbeitstag verloren. Er gibt zu, daß dann die Gefahr
besteht, daß man sofort wieder die Mittagszeit auch einbezieht,
damit mittags nach Hause geht, die, die ehrlich sind und die,
die nichts tun und womöglich sich nicht an die Dienstzeit
halten, kommen am Freitag womöglich überhaupt nicht oder
höchstens auf einen Sprung. Gerade durch die gleitende Arbeits-
zeit gibt er zu, kommen die Unehrlichen und die Faulen, und dies
sind doch eine große Anzahl, zu einer tatsächlich, effektiven,
sehr geringen Arbeitszeit, sie gehen und kommen in Wirklich-
keit, wann sie wollen. Sein Hinweis, daß die Dienstaufsicht
eben verbessert werden müßte, quittiere ich mit einem Lächeln,
das er auch versteht. Engelmayer hat mir nämlich schon seiner-
zeit versichert und wiederholt, daß er gegen eine Einführung
der Stempeluhr gar nichts einzuwenden hätte. Die Fleißigen und
Tüchtigen müssen sowieso kommen, wehren sich auch wahrschein-
lich gar nicht dagegen und die, die jede Gelegenheit nützen,
um vom Dienst wegzubleiben, haben mit der gleitenden Arbeitszeit
die beste Möglichkeit. Er sieht deshalb auch meinen Standpunkt
ein, daß man die zwei Stunden auf alle Tage gleichmäßig ver-
teilen wird, obwohl ich mich nicht endgültig äußere und auch
nicht äußern will, damit nicht der Eindruck entsteht, bevor
noch Verhandlungen mit der Personalvertretung gekommen sind,
habe ich und die andere Minister schon entschieden.
Im Ministerium führen wir dann abends ein stundenlanges
Gespräch über grundsätzliche Gaspreispolitik. Was mich sehr
aufregt und wirklich ärgert, und ich sag dies auch ganz
deutlich der ÖMV, ist, daß sie zu so entscheidenden Be-
sprechungen kommen, ohne auch nur irgendwelche Unterlagen
vorzulegen. Über Preise sage ich ihnen dezidiert, bin ich
nicht bereit, mit einem bla-bla hinwegzugehen und grundsätz-
liche Entscheidungen zu fällen. Ich möchte die Details, Informa-
tionen vorher haben. Reisinger teilt mir ebenfalls mit, daß er
morgen erst die Unterlagen über seinen Gaspreisantrag vorlegen
kann. Am liebsten hätte ich ihnen gleich vom Anfang an gesagt,
dann gehen wir nach Hause und werden morgen über diesen ganzen
Fragenkomplex sprechen. Sterk hat mir auch eine Information
gegeben, wonach er ebenfalls von der ÖMV keinerlei Unterlagen
bekommen kann. Ich rede mit Feichtinger unter vier Augen und
erkläre ihm dezidiert, daß ich diese Vorgangsweise nicht nicht
akzeptiere. Feichtinger erklärt, dies sei alles ein Mißver-
ständnis und er wird sich sofort dafür einsetzen, daß ich die
ganzen Unterlagen bekomme.
Anmerkung für GEHART: Bitte beobachte, ob dies auch tatsächlich
eingehalten wird.
Aus der prinzipiellen und generellen Gaspreisdiskussion wird
natürlich dann im Laufe der Stunden eine sehr konkrete. Grund-
sätzlich habe ich folgende Bedenken, die ÖMV muß das Gas von
den Russen auf Grund ihres Vertrages bezahlen und wahrschein-
lich auch dann mit entsprechenden, anteiligen Kosten, die sie
hat, und einen 3 %-igen Nutzen, wie Reisinger behauptet, an
die Abnehmer, das sind insbes. derzeit die Wr. Stadtwerke, die
Niogas und die Steir. Ferngas sowie die Burgenländer, abgeben.
Aus diesem ersten Russenvertragsgas ergibt sich jetzt im Nach-
ziehverfahren der Sowjets eine wesentliche Verteuerung, genaue
Unterlagen werden nachgebracht. Die Stadtwerke wieder haben
aber auch aus der Verteuerung des inländischen Gases und aus
der Lagerkosten und Manipulation, die sie haben, die Notwendig-
keit, entsprechende Gaspreiserhöhung durchzuführen, deshalb
die Erhöhungen, weil die Stadtwerke, wie Reisinger ausführt,
nicht beabsichtigt, einheitlich den Gaspreis zu erhöhen, sie
möchten für eine gewisse Grundmenge nur um 30 oder 35 % rauf-
gehen, dafür aber dann, damit sie auf einen Schnitt von über
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50 % kommen, zuerst waren ja 60 % angekündigt, die größeren
Verbrauchsmengen wesentlich stärker belasten, gleichzeitig
müssen sie auch eine Erhöhung ihrer Sonderabnehmer, das sind
Industriebetriebe und größere Gewerbebetriebe, eine wesentliche
Verteuerung verlangen. Ich mache Reisinger darauf aufmerksam,
daß Gratz mit Androsch, der mich davon informierte, vereinbart
hätte, daß die Straßenbahntarife nicht erhöht werden sollen,
dafür aber die 170 Millionen, die dort rein kommen sollen, auf
den Gaspreis umgelegt werden sollten. Reisinger ist von dieser
Mitteilung sehr überrascht, weil er morgen ja bereits ohne
eine solche Überwälzung die Gaspreise einbringen will. Er meint
dann unter vier Augen, hier hätten wieder Leute über etwas ge-
sprochen, was sie nicht kennen und wo sie die Entscheidungen
scheinbar beabsichtigen, die vollkommen falsch sind. Ich bin
auch überzeugt, daß Gratz zwar, um Androsch nicht zu verärgern,
der sich jetzt für den Massenverkehr einsetzt, und mit seiner
Pickerl-freiwilligen-Idee den Individualverkehr drosseln will,
zugesagt hat, ja, ja, darüber können wir reden, in Wirklichkeit
aber scheinbar gar nicht daran denkt, dies auch zu tun. Ich
bin neugierig, wie sich die ganze Situation weiter entwickeln
wird.
Kollegin Wiesinger ich habe gestern vergessen, folgendes abzu-
diktieren, bitte an das Mittwoch-Tagebuch anfügen.
Der Berghauptmann Habelsberger aus der Steiermark, der jetzt
die Wiener Berghauptmannschaft führt, teilt mir mit, daß er
jetzt wieder nach Graz zurückgeht, darüber ist er gar nicht
so unglücklich, weil er sagt, in der Obersten Bergbehörde
herrschen keine guten Zustände, da die Berghauptmannschaft
Wien am Ort der Obersten Bergbehörde liegt, hat er hier
auch mehr Einblick als wie von Graz. Gasser war teilweise
krank und Dwořak, sein Vertreter, hat, was ich auch weiß,
kaum Entscheidungen getroffen. Auch Gasser kann sich gegen
Pelzl und Wüstrich kaum durchsetzen. Die Bergbehörde ist also,
wenn man so will, gespalten, hie CV, Pelzl, Wüstrich usw. und
hie die andere Gruppe, Mock, Sterk, Mayer usw. Was nun die
CV-er beabsichtigen, kann er mir nicht sagen oder will er mir
nicht sagen, auf alle Fälle soll jetzt die Absicht bestehen,
Wüstrich besser zu placieren und ihn in Graz zu schwächen, in-
dem sein zugeteilter Mayer, ein sehr guter Mann, in die Oberste
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Bergbehörde versetzt werden soll. Er bittet nun, daß man
diesen Mann nicht in Wien verheizen sollte, ich verspreche
ihm, daß ich mich dieses Mannes besonders annehmen werde,
wenn er so tüchtig ist, wie er schildert, und ich habe keinen
Grund daran zu zweifeln, werde ich versuchen, ihn wirklich
in der Obersten Bergbehörde zweckmäßig einzusetzen, ob er
aber dafür einen anderen bekommen kann nach Graz, kann ich
von vornherein nicht sagen.
Anmerkung für BUKOWSKI: Bitte versuche, ohne Gasser direkt zu
fragen, herauszubekommen, was dort oben beabsichtigt ist.
Tagesprogramm, 28.11.1974