Dienstag, 17. Dezember 1974
Im Parlament ging die Verhandlung über die Budgetansätze für Handel
weiter. Mitterer, Mussil, die Bauern und der ÖAAB, alle meldeten sich.
Für Mussil und die Handelskammerleute war ich der Konsumentenminister,
für Vetter, ÖAAB, tat ich zu wenig für die Konsumenten. Alle griffen
an, dass ich viel zu optimistisch bin und malten schwarz im wahrsten
Sinne des Wortes. Da ich wusste, dass das Haus auf alle Fälle noch
das Budget von Verkehr und die Wirtschaftsgesetze und die authenti-
sche Interpretation wegen der Pensionen verhandeln musste, hatte ich
mir schon ursprünglich vorgenommen, nur einmal zu reden und dies
natürlich zum Schluss. Natürlich nützte ich bei meiner Wortmeldung
die Gelegenheit, um der ÖVP eines auszuwischen, indem ich insbesondere
die Wirtschaftsbundleute angriff. Dies war für Mussil so neu, dass
er nach ca. 5 Minuten harter Attacken, fast bei jedem Satz bekam ich
Beifall unserer Fraktion, plötzlich anfing zu toben, ich sollte
mit der Polemik von der Regierungsbank aufhören und ans Rednerpult
gehen, wissend, dass ich das nicht kann oder sofort meine Polemik
einstellen. Als Mussil anfing, trauten sich dann auch andere Abge-
ordnete, und für mich war damit klar, dass ich jetzt umschalten
musste. Ich spielte ganz unschuldig und meinte, Mussil könne mich
doch nicht attackieren und ich würde dann nicht einmal seine Fragen
beantworten. Darauf schrie Mussil dazwischen, er hätte mich nicht
gefragt, sondern nur kritisiert. Damit waren die Lacher auf meiner
Seite und die ÖVP beruhigte sich auch wieder. Staudinger als Schluss-
mann, die Methode, dass nach dem Minister noch ein Abgeordneter spricht,
hatten wir in der Opposition eingeführt, weil wir der Meinung waren,
der Minister soll nicht das letzte Wort haben, begann dann sofort,
dass ich auch als Abgeordneter immer die Taktik entwickelte, Beifall
bei meinen eigenen Genossen zu haben, dies jetzt fortsetze, ohne dass
ich die aufgeworfenen Probleme behandle. Er verriet nicht, wie ich
das innerhalb zwanzig Minuten machen hätte sollen. Mir kam es aber we-
sentlich darauf an, die ÖVP zu attackieren, denn dies ist meine Ein-
zige Gelegenheit, einmal im Jahr bei der Budgetdebatte, die ich natür-
lich in den 5 Jahren nie vorübergehen liess. Wie dies in der Öffent-
lichkeit ankommt, ist mir in dem Fall wirklich ganz egal, da die Zei-
tungen kaum berichten und auch das Fernsehen in Wirklichkeit so spät
in der Nacht erst sendet, dass auch hier kaum Zuseher sind. Viel
wichtiger ist, dass die eigenen Genossen sehen, dass ich erstens
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Disziplin halte und mich nur einmal melde, und dass ich zweitens
die ÖVP angreife, insbesondere den Wirtschaftsbund und damit un-
seren Genossen vom Freien Wirtschaftsverband Unterstützung gebe, und
dass mir drittens noch immer die parlamentarische Abgeordneten-
tätigkeit mehr zusagt als die hochweise, belehrende von der Re-
gierungsbank sprechende Regierungstätigkeit.
Bukowski ist es gelungen, mit der Personalvertretung, aber auch
mit den Sektionsleitungen jetzt einen Akkord über die Geschäfts-
einteilung zu erzielen. Wir haben dadurch 5 Abteilungen eingespart
und nicht, wie dies bei den anderen Ministerien jetzt erfolgt, eine
Ausweitung der Gruppen und der Abteilungen vorgenommen. Hier hat
sich auch die Taktik wieder bewährt, zuerst während der bisherigen
5-jährigen Tätigkeit soviel Gruppen und Abteilungen zu schaffen,
bis eine Organisationsform gefunden war, die uns fachlich, aber auch
politisch entsprach. Dies ist während der Jahre nicht aufgefallen,
jetzt aber, wo die Geschäftseinteilung fällig ist, beginnen die
anderen Minister mit einem Schlag vielleicht organisatorische und
strukturelle Probleme zu lösen, hoffentlich auch in einer Form, die
politisch einigermassen entspricht und damit erscheint ein Aufblähen
des Apparates in einer Form und so deutlich, dass es sicherlich ent-
sprechende Diskussionen geben wird. Wir dagegen können nachweisen,
dass wir im Sinne der Verwaltungsvereinfachung und Verwaltungs-
reform konzentrieren und damit so wie bei den Dienstposten heuer
entsprechende Einsparungen vornehmen. Diese Politik hat dazu geführt,
dass selbst die Personalvertretung jetzt zustimmt, obwohl sie dann
in der Zeitung "bei uns" – dem ÖAAB-Blatt – von einem Stachanowisten-
System spricht. Solche Äusserungen sind äusserst wertvoll, ich werde
die sicherlich noch einmal bei Attacken im Parlament, die alle noch
kommen können, dringend brauchen. Ing. Engelmayer als Personalver-
treter und gleichzeitiger Journalist, er macht ja auch die Gewerk-
schaftszeitung, dürfte alle diese Artikel in "bei uns" zumindestens
redigieren, wenn er sie nicht selbst schreibt, dadurch macht er
eigentlich ein doppeltes Spiel. Auf der einen Seite muss er zugeben,
dass ich sachlich und fachlich richtig handle, meint sogar, er
stimmt in diesen Punkten mit mir hundertprozentig überein. Auf
der anderen Seite aber glaubt er, dies in seiner Zeitschrift "bei
uns" entsprechend attackieren zu müssen. Auf die Dauer bin ich nicht
überzeugt, ob ihm dieses Spiel gelingen wird. Dies ist aber letzten
Endes sein Problem und wirklich nicht meines.
Kurzel berichtet, dass die Ölfirmen, die Rabatte abbauen wollen,
und er bei einer inoffiziellen Vorbesprechung erklärt hätte, für
die Heizölpreise extra leicht, Ofenheizöl, dürfe es unter gar
keinen Umständen eine Preiserhöhung durch Rabattwegfall geben.
Damit wären auch die leichten Heizöle, um die Relationen zu
wahren, weiterhin zum jetzigen Preis zu verkaufen. Bei Heizöl
schwer und Diesel hätte er dagegen bemerkt, dass die Ölfirmen
unter gar keinen Umständen mehr die Rabattierung weiter fort-
setzen wollen. Ich erklärte ihm sofort, dass die ÖMV mir gegen-
über meinte, sie rechnet fest mit einer Verlängerung aller Rabatt-
sätze und er solle versuchen, dies auch durchzusetzen. Sollte
sich wider Erwarten die Handelskammer aber für eine Erhöhung des
Dieselpreises durch Wegfall des 10-Groschen-Rabattes aussprechen
und auch die Landwirtschaftskammer dies akzeptieren, von Zöllner,
Arbeiterkammer, wusste ich, dass die nicht einen besonderen Wert
auf die Dieselverbilligung legen, dann könne er gegebenenfalls
den Wunsch der Mineralölindustrie Rechnung tragen. Genau dasselbe
gelte auch bei Heizöl schwer.
Für feste mineralische Brennstoffe lauft die Sistierung der Preis-
regelung aus und wir einigten uns, dass er vorschlagen sollte,
6 Monate wieder zu verlängern. Genau dasselbe gilt für Seefische.
Schmieröle sind ebenfalls sistiert und wenn die Interessensver-
tretungen zustimmen, kann er bis zu einem Jahr weiterhin die
Preisregelung aussetzen. Überhaupt versuchte ich ihm klar zu machen,
dass er freie Hand bei allen Verhandlungen hat, wo die Interessens-
vertretungen mit ihm einstimmig mitgehen und dadurch ein Akkord
erzielt wird. Nur wenn es differente Auffassung der Interessens-
vertretungen gibt, dann möge er mich kurz kontaktieren, damit wir
uns über die Taktik und ganz besonders über das Ausmass der Preis-
wünsche dann so vorgehen, dass wir vielleicht doch eine Einigung
erzielen können.
Der § 3 a über die Grazer Wasserpreiserhöhung zeigt nach Kurzel,
dass eine Rückführung des Preises unmöglich sei. Die Grazer Wasser-
werke haben seit 1951 den Preis nicht erhöht und die Kosten sind
natürlich wesentlich gestiegen. Ich weiss nicht, wie weit die AK
den Wünschen der Grazer, einen § 3 a zu verlangen, Rechnung ge-
tragen hat, ohne die tatsächlichen Kalkulationen zu berücksichtigen.
Kurzel möchte nun eine Erklärung der Grazer Wasserwerke, dass die
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für das nächste halbe Jahr keine Preiserhöhung beantragen werden
und ihnen dann den alten Preis, allerdings mit der Auflage, dass
die Einnahmen ausschliesslich auch zur Investitionen der Wasser-
werke verwendet werden müssen, und nicht, wie es bei Kommunal-
betrieben oft vorkommt, die Erträge zu anderen Zwecken gebraucht
werden und damit eigentlich zweckentfremdet sind, wie sich Kurzel
ausdrückt. Ich verlangte von Kurzel eine entsprechende Darstellung
und die Unterlagen der Wasserwerke.
ANMERKUNG FÜR WAIS: Bitte lass Dich auch über diese § 3 a-Fälle
genauer informieren, bevor Kurzel zu Entscheidungen kommt und kon-
taktiere die AK resp. gegebenenfalls die anderen Kammern, was sie
dazu sagen.
Die Sonderregelung für Importeier soll weiterhin zur Anwendung
kommen. Hier behauptet Kurzel, er hätte vor längerer Zeit die
Idee gehabt, wenn die Preise für den Verbraucher für die Sonderklasse
2.- S übersteigen und die anderen entsprechend abgestuft bis
zur kleinsten Einheit 1.40 Verbraucherpreisüberschreitung festge-
stellt werden, dann kann die Handelsspanne Importeur, Gross-
und Kleinhandel um insgesamt 10 gr gekürzt werden. Durch diese Metho-
de, glaubt Kurzel, hat er verhindert, dass die Importeure höhere Prei-
se bereit sind, dem Ausland zu bezahlen als sie unbedingt müssen, weil
es letzten Endes auf ihre Handelsspanne geht. Ich glaube zwar nicht,
dass Kurzel hier hundertprozentig recht hat, aber gegen das System
an und für sich ist auch nichts einzuwenden.
Für mich steht fest, dass Kurzel ein sehr selbständiger Abteilungslei-
ter ist, der sich, da er diese Materie jahrzehntelange bearbeitet,
auch in den Details doch einigermassen auch auskennt und nicht
bereit ist, mit anderen zu kooperieren, geschweige denn Singer
als Gruppenleiter anzuerkennen, zu informieren oder vielleicht
gar von ihm entsprechende Vorschläge zu berücksichtigen, falls Singer
überhaupt welche macht. Singer wird sich deshalb auch in Hinkunft,
wenn er jetzt als Nur-Gruppenleiter, der keine eigene Abteilung
mehr hat, mehr um die zusammenfassende Koordination und Ausrich-
tung der Gruppe kümmern muss, schwer tun. Zeit, bin ich
überzeugt, hätte Singer auch in der Vergangenheit schon genug
gehabt, weil er mir ja selbst gegenüber sagte, dass er die Abteilung
Konsumentenpolitik durch die Zweigeleisigkeit von dem Konsumenten-
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beirat und insbesondere dem Sekretär Welser ihm jede Aktivität
genommen hat.
In der Aufsichtsratsfraktion der ÖDK kam es zu einem Mehrheitsbe-
schluss, dass der Vertrag für Vorstandsdirektor Kugler vorsorglich
gekündigt werden soll. Wäre dies mir Jahresende nicht erfolgt, so
wäre Kugler automatisch um zwei Jahre verlängert werden, obwohl er
bereits 65 Jahre im nächsten Jahr sein wird und ausserdem tatsäch-
lich krank ist. Insbesondere die Betriebsräte wollen, dass jetzt von der
ÖVP ein Stellvertreter nominiert wird, damit die Arbeit von Kugler
auch tatsächlich geleistet wird. Der Präsident des Aufsichtsrates
Werner war gegen diese Beschluss und Erbacher und Wais haben sich
der Stimme enthalten, da ich ja auf dem Standpunkt stand und ihnen
dies auch mitteilte, dass ein offener Krieg mit der ÖVP in der ÖDK
verhindert werden soll. Trotzdem bin ich über diesen Beschluss nicht
unglücklich. Die Betriebsräte erwarten eben jetzt mehr Aktivität von
mir, als dies zur Zeit meines Vorgängers Frühbauer scheinbar der Fall
war. Frühbauer, Werner, der BRO Hartl und Wais kam extra spät abends
ins Parlament, um mir von dieser Situation zu berichten. Wir einigten
uns darauf, dass ich, wenn jetzt diesbezügliche Verhandlungen mit der
ÖVP beginnen werden, nicht verpflichtet bin, die ÖVP zu zwingen, einen
uns genehmen Direktor oder zumindestens jetzt den Stellvertreter zu
nominieren. Ich erklärte dezidiert, dass ich zu allem bereit bin, nur
nicht, dass ich die ÖVP zu einer Besetzung eines ihr zustehenden Postens
so zwinge, dass ich auch vorschreibe, wer der ÖVP-Mann sein soll.
Steiner, der bis jetzt vorgesehen war, und auch der beste sein soll,
würde dem Wirtschaftsbund und dem Bauernbund, aber auch unseren Genossen
am meisten entsprechen. Der ÖAAB wünscht aber Klinger und wir werden
sehen, wer von den drei Bünden der stärkere ist. Die Vorgangsweise
des ÖDK-Aufsichtsrates, der morgen sicherlich mit Mehrheit dasselbe
beschliessen wird, ist noch zu begründen, dass es notwendig ist, vor-
sorglich wegen des Gesundheitszustandes von Dir. Kugler einen solchen
Beschluss zu fassen. Aus sachlichen Gründen kann ich de Vorgangs-
weise gerade noch decken und werde dies auch selbstverständlich tun.
Während der ÖVP-Alleinregierung hat Weiss als damaliger Verkehrs-
minister und für die Energie Zuständiger bei den Donaukraftwerken
sogar gegen die Stimmen der Sozialisten diesen ein Mandat weggenommen
und dem unparteiischen Dr. Fenz gegeben. Weiss selbst hat mir dies ein-
mal gestanden. Trotzdem werde ich meine Politik fortsetzen, mich von
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sachlichen Argumenten leiten zu lassen, die natürlich, und das will
ich gar nicht bestreiten, auch letzten Endes politisch motiviert
sind. Entscheidend ist und bleibt aber, dass alle Reorganisations-
massnahmen, die ich in dieser kurzen Zeit meiner Energiewirtschafts-
verantwortlichkeit getroffen habe oder noch zu treffen habe, der
sachliche Gesichtspunkt nach wie vor der ausschlagende sein muss
und sein wird.
Zur Weihnachtsfeier des Klubs der Mandatare im 3. Bezirk mit den
Sektionsleitern konnte ich nur ganz kurz gehen, doch war es mir
wirklich ein Bedürfnis, unseren Funktionären für ihre Tätigkeit
herzlichst zu danken. Tischler gestaltet diesen Abend immer sehr
schön. Dies ist auch einer der grossen Vorteile, wenn der
Sekretär der Bezirksorganisation eine Frau ist.
Mussil sagte mir unter vier Augen, dass er sich wegen der Zucker-
kontingentierung grosse Sorgen macht. Er befürchtet, dass es nicht
gelingen wird, dieses Problem in den Griff zu bekommen. Er hat
natürlich grosse Schwierigkeiten innerhalb der Kammer, die Koordi-
nierung durchzuführen. Ich erklärte ihm sofort, es müsse genauso
funktionieren, wie es letzten Endes gelungen ist, auch die Ölkrise
im Vorjahr gemeinsam zu meisten. Natürlich gibt es Schwierigkeiten
mit undisziplinierten Unternehmungen. Er befürchtet, dass über den
Grosshandel die Zuckermengen an die Industrie oder Verarbeiter weiter-
gegeben werden und dadurch die Verbraucher geschmälert werden. Ich
verwies darauf, dass das typische Beispiel der LAbg. Platzer ist,
der Zucker eben aufgelöst und in die Schweiz exportiert hat. Deswegen
hat er mich sogar im Handelsausschuss gerügt, was ich natürlich
bei meinem Parlamentsbeitrag zum Kapitel Handel entsprechend auch
anprangerte und jetzt kommt derselbe Abgeordnete und lässt über
Sallinger bei mir anfragen, ob und wieso er keinen Zucker bekommen.
Er hat mir auch ein diesbezügliches Fernschreiben geschickt. Wenn
wir hier hart bleiben, wird die Industrie und der Grosshandel sehr
bald bemerken, dass das alleinige Profitstreben in diesem Fall
nicht sehr zielführend ist. Mussil gibt nämlich selbst zu, dass
wenn der Grosshandel den Zucker nicht über den Kleinhandel dem
Konsumenten verkauft, er mit der Zuckermenge, die er bekommt,
wesentlich profitablere Geschäfte machen kann. Dies gilt auch dann,
wenn er keine direkten Exportmöglichkeiten hat. Über die zuckerverar-
beitenden Industrie kann er wesentlich grössere Spannen erlösen,
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als dies bei der preisgeregelten Ware, die dem Letztverbraucher
zugeführt wird, der Fall ist. Mussil wird auf alle Fälle mit einer
Zuckerdelegation zu mir kommen.
Tagesprogramm, 17.12.1974
TB Wanke betr. Branchenreferate, 19.12.1974
23_1549_02Tagesordnung 145. Ministerratssitzung, 17.12.1974
23_1549_07Nachtrag TO 145. Ministerratssitzung, 17.12.1974
hs. Notizen (Nachtrag TO MR-Sitzung Rückseite)