Samstag, der 26. April 1975

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Samstag, den 26. April 1975

Noch nie war ich bei einem Landesparteitag oder, wie wir früher
immer sagten, Wiener Konferenz so unaufmerksam wie bei diesem.
In Anbetracht der 30-Jahre-Republik-Feiern wurde auch in diesem
Landesparteitag ein Rückblick in Form einer Multi Media-Show
gar nicht schlecht gemacht, Chorvorträge vom Gewerkschaftschor
mit Reis und Kindergruppen sowie im Rahmen dieses Festaktes auch
die Begrüssung und Rückblick von Gratz. Dann offiziell als
Bundesländervertreter Kery und als Bundesvorstand Kreisky gesprochen.
Kreisky hat eine längere Ansprache gehalten, weil er, wie er fast
entschuldigend sagte, mit dem Präsidium ausgemacht hat, er nachher
zum Kärntner Landesparteitag fliegt. Ein aktuelles Ereignis, auf
das er sofort einging waren die Wahlen in Portugal, nur meint
er, und dies ist auch meine Meinung dass noch lange nicht die
Demokratie in Portugal damit gesichert ist, sondern dass die
europäischen Staaten jetzt Portugal in jeder Beziehung unter-
stützen müssten. Ich bin neugierig, wie wir innerhalb der EFTA
Wünsche von Portugal dann erfüllen werden und wie die Staaten dann
reagieren, wenn, wie z.B. bei den Hemdenimporten, die eigenen Indu-
strien hart konkurrenziert werden. Norwegen und Schweden haben zwar
immer verbal grosse Unterstützungen zugesagt und im konkreten
dann aber sehr bald Importbeschränkungen praktiziert. Neugierig
bin ich wenn unsere Textilindustrie sich dann wird, wenn sie bei
mir nichts erreichen wird, an Kreisky wendet, wie er reagiert.
Die interessanteste Passage für mich war aber wieder eine Andeutung
der österreichischen Entwicklung in Zukunft, wenn nicht die
Sozialisten die absolute Mehrheit am 5. Oktober bekommen. Er
stellt jetzt schon bei jeder Gelegenheit kleinere Gespräche oder
grosse Parteitage, die Weichen für eine kleine Koalition, indem
er die Nachteile der grossen Koalition immer wieder herausstreicht.
Die Wandlung, die bei ihm vorgegangen ist, muss gigantisch sein,
wenn man bedenkt, dass er 1966 bis zuletzt für die grosse Koalition
gekämpft hat und unbedingt verhindern wollte, dass wir damals
in die Opposition gehen. Sicher liegt hier eine Erfahrung von
4 Jahren ÖVP-Alleinregierung und dann auch unsere Alleinregierung vor
doch sagt dies meiner Meinung über das Problem sehr wenig. Sein
Argument, dass nämlich die grosse Koalition am teuersten kommt, weil
man dann immer der ÖVP grosse Zugeständnisse machen muss, stimmt
gar nicht. Wahrscheinlich werden in einer grossen Koalition den


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Bauern und der Industrie kaum weitergehendere Zugeständnisse
gemacht worden als wir sie als Alleinregierung machen mussten.
Ich kann dies deshalb mit ruhigem Gewissen behaupten, weil von
mir aus gesehen der Industrie oder der Wirtschaft die geringsten
Zugeständnisse gemacht wurden. Von mir ist weder Androsch noch
Kreisky animiert worden, irgendwelche besondere finanzielle Mittel
bereitzustellen. Das es letzten Endes nur auf das Geld ankommt
brauche ich ja nicht besonders herauszustreichen. Androsch hielt
nachher ein grosses Referat, dass er allerdings zu meiner grössten
Verwunderung aus seinem Manuskript ablas. Ich hörte ihm jetzt
innerhalb kurzer Zeit zweimal, einmal bei unserer Bezirkskonferenz,
wo er ohne irgendeine Unterlage ein Referat hielt, dass Nittel
erklärte, er hätte es schon dutzendmal gehört und jetzt ein
zweites mal, wo er ein umfassendes oft sehr ins Detail gehendes,
doch andererseits im Grunde deklaratorisches Referat vom Manuskript
las. Alle anderen Berichte und Beiträge, selbst die drei Diskussions-
redner gingen in einem unachtsamen Parteitag unter. Ich selbst
tratschte mit Heindl, vielleicht auch angeregt durch die geschichts-
geschwängerte Luft dieses Parteitages und der Zukunftsaussicht Kreiskys
über die Wahlaussicht. Dadurch dass wir bei der Arbeiterkammer ver-
loren haben, und zwar insbesondere in der Arbeitersektion, dass wir
aber in der Landwirtschaftskammerwahl einen schweren Verlust er-
litten und auch jetzt bei der Handelskammerwahl schlecht abschnitten,
sehe ich für die Oktoberwahl kaum eine Möglichkeit einer absoluten
Mehrheit. Wir verlieren bei unserem Stammwählern und jedwede Rechen-
kunststücke können nicht darüber hinwegtäuschen, dass meiner Mei-
nung nach trotz seiner Anstrengungen und dies werden wir und ganz
besonders auch ich machen, eine absolute Mehrheit kaum drin ist.
Jodlbauer als Vertreter des Freien Wirtschaftsverbandes hat zwar
der Konferenz vorgerechnet, dass nur 0.6% Verlust bei den Handels-
kammerwahlen zu verzeichnen waren und dass wenn selbst dies am
S.Oktober noch der Fall wäre, wir die absolute Mehrheit trotzdem
hätten. Diesen Rechenkunststücken kann ich persönlich ja nichts ab-
gewinnen. Anstrengen werden sich sicher alle, diesen Eindruck habe
ich auch auf unserem Landesparteitag gehabt. Ob uns aber es noch
einmal gelingen wird, wird sich erst zeigen.

Mit Lanc besprach ich seine Unterredung mit Nedew und den ersten
stellvertretenden Minister vom Verkehrsministerium in Sofia. Die


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Bulgaren hatten tatsächlich eine Niederschrift vorbereitet, wo
die Standpunkte zum Rhein-Main-Donau-Kanal der Sowjetunion deren
Niederschlag findet. Die Sowjetunion glaubt dass es sich hier um
einen internationalen Kanal handelt, weil die Donau auch ein
internationaler Fluss ist. Die deutsche Auffassung ist dagegen
sehr klar, dass dieser Kanal in Deutschland gebaut wurde, mit
deutschen Kosten und deshalb selbstverständlich es sich hier um
einen ausschliesslichen Binnenkanal handelt. Die Bulgaren wollen
nun eine, wie Lanc richtig sagte, Mindestbegünstigung, dass näm-
lich bei den multilateralen Besprechungen die sicher einmal kommen
werden, dasselbe dann automatisch bilateral den Bulgaren zugestan-
den werden muss. Ich habe bei der Verabschiedung von Nedew am
Flughafen klar und deutlich darauf hingewiesen, dass in allen
Punkten eine Annäherung erzielt werden konnte, dass aber auf dem
Donaukanal-Projekt die Auffassungen sehr differenziert sind und
kaum bis zum Besuch Kreiskys auch nur klargestellt werden können.
Nedew hat zugegeben hier müssten noch wesentliche Besprechungen
beginnen., ohne dass er natürlich vom bulgarischen Standpunkt
abgewichen ist.

Die Premiere von "Der Eingebildete Kranke" in der Volksoper, war
für mich sehr interessant. Hier handelte es sich nicht um eine
Operette, ja nicht einmal um eine komische Oper, sondern um ein
zwar von Moliere als Sujet in der ganzen Welt bekanntes Stück,
ganz modern vertont und von einen phantastischen Ensemble gesungen.
Zum Schluss viel Beifall, einige Pfuirufe, aber wahrscheinlich
keine lange Lebensdauer. Ich wäre sehr überrascht und erstaunt,
wenn dieses Stück in Österreich, nach wirklich dieser sehr guten
Uraufführung länger auf dem Spielplan bliebe.

25_0519_01

Tagesprogramm, 26.4.1975


Tätigkeit: Unterrichtsminister, Bgm. Wien


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      Tätigkeit: bulgar. Außenhandelsminister


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