Montag, 28. April 1975
Im Jour fixe machte ich Mussil darauf aufmerksam, dass das Berufsforschungs-
institut die Verhandlungen darüber nicht weitergehen. Die Handelskammer
steht auf dem Standpunkt, es soll nunmehr ohne Aufträge erfolgen und
die Projektvergabe mit Subventionen ca. jede Gruppe 3 Mill. S subven-
tioniert werden. Demgegenüber nimmt die Gewerkschaft den richtigen
Standpunkt ein, dass das Institut, welches jetzt aus 5 Fachleuten und
einer Sekretärin besteht, weiterhin existieren soll und selbständige
Arbeiten aufnehmen sollte. Wenn die Handelskammer – wie Mussil mir
sofort sagte – nur 3 Fachleute zur Verfügung stellen kann, so ist
dies kein Grund, jetzt von der bewährten Art abzugehen. Die Handelskammer
kann gegebenenfalls in späterer Folge jeweils noch entsprechende Fach-
leute nachnominieren. Mussil fürchtet, dass das Institut mit 10 Fach-
leuten zu stark besetzt ist. Mussil wird seinen Verhandlern empfehlen,
so schnell wie möglich zu einem positiven Abschluss zu kommen. Mussil
kennt noch nicht die Arbeiten der Gewerkschaftsjugend über Aktion 75
welches ein neues Lehrlingsausbildungsschema vorsieht. Ich verspreche
ihm sofort ein Exemplar zu schicken.
Anmerkung für Bukowski: Bitte seinem Sekretariat ein Exemplar übermitteln.
Mussil sagt mir zu, ist aber dafür nicht so kompetent wie Sallinger, der
leider nicht anwesend ist, die Wahlen in der Handelskammer werden keinen
Einfluss auf die Zusammenarbeit zwischen dem Wirtschaftsbund und dem
freien Wirtschaftsverband haben. Nach wie vor mache ich Mussil darauf auf-
merksam, dass ich auf- eine Zusammenarbeit grössten Wert lege. Selbst die
personellen Schwierigkeiten, die es in der Wiener Handelskammer jetzt
gibt, müssten anders gelöst werden, als dies angedeutet wurde. Der koop-
tierte für das Gewerbe sind als Personen umstritten. Ich setzte
Mussil dezidiert auseinander, dass man sich nicht den Verhandlungspart-
ner aussuchen kann, dass daher der delegierenden Stelle auch das Recht
zusteht, den Mann zu nennen, den sie für richtig hält. Wenn man aber
jetzt eine Person von Wirtschaftsbundvertretern ablehnt, dann bedeu-
tet dies, dass der Freie Wirtschaftsverband umso stärker auf dieser
Person beharren muss. Ich schlage deshalb vor, man soll in Gesprächen
eine Lösung suchen und vor allem nicht vorher die Personenfrage präju-
dizieren. Mussil anerkennt das Recht der Kooptierung und versichert
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mir, dass sich daran nichts ändern wird.
Mussil hat eine Liste von Kommerzialräten der Statistik des Aussen-
handels, die wir verliehen haben und wo die Handelskammer nicht den
Antrag stellte. Unter anderem steht auch Mayerhofer drauf und handge-
schrieben eine Bemerkung: Schwager des Bundesministers. Er ärgert sich
über diese Bemerkung sehr, umso mehr als er mir freimütig die Liste
zum Lesen gegeben hat. Ich verweise darauf, dass wir seinerzeit mit
Sallinger und Mussil vereinbart haben, dass wenn ich Kommerzialräte
für die Statistik des Aussenhandels vorschlage, die Handelskammer
immer verständigt wird. Ich bin auch überzeugt, dass Min.Rat Ottahal
dies ständig getan hat. Hätte die Handelskammer gegen einen der Er-
nannten Bedenken geäussert, so hätte sie mir dies mitgeteilt und ich
hätte dann entsprechende Verhandlungen mit Sallinger und Mussil auf-
genommen. In keinem einzigen Fall aber wurde jemals eine Kritik, ja
nicht einmal eine Bemerkung zu den Vorgeschlagenen gemacht. Was die
Anzahl betrifft, so hat Ottahal mir nachgewiesen und ich nenne diese
Ziffern Mussil, dass wir in der vorhergehenden Periode wesentlich mehr
nominiert haben als jetzt. Mussil ist über die Mitteilung, dass wenn
die Handelskammer einen Einspruch machen würde, wir darüber sprechen
müssten und würden, befriedigt. Er sieht ein, dass ich irgendein Ventil
der Kommerzialrat-Bestellungen brauche, da ich die echten Kommerzialräte
ja der Handelskammer abgetreten habe. Früher waren immerhin von 50
Kommerzialräte auf alleiniges Vorschlagsrecht des Handelsministers vor-
gesehen.
Mussil fragt an, wie weit die 5 Mia. S ERP-Kredit und Ersatzaktionen
jetzt aktiviert werden. Es gibt nach seiner Information Schwierig-
keiten mit den Banken. Die Länderbank möchte überhaupt die Refinanzie-
rung zugesagt haben und die anderen DAnken verlangen eine Aufhebung des
Limits zumindestens um diesen Betrag. Ich erkläre sofort, dass soweit es
das Handelsministerium betrifft, wir jetzt einen Beschluss der ERP-
Kommission um zusätzliche 150 Mill. S aus reinen ERP-Mitteln fassen
werden und die Frage der Refinanzierung usw. erst bei der zweiten
Aktion sich stellt, die für mich nicht primär zuständig ist. Mussil
ist erfreut über die Wünsche der Fremdenverkehrswirtschaft so eine posi-
tive Antwort zu bekommen. Insbesondere befriedigt ihn, dass ja die Verga-
be dieser Mittel ja nicht die grossen Baufirmen sondern natürlich die
kleineren Gewerbetreibenden in den Ortschaften, wo die Verbesserungen
oder Neubauten von Fremdenverkehrsbetriebe erfolgen, beschäftigt werden
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Die Bürges-Prämienaktion würde nach seinen Informationen 40–60 %
der Prämien wegsteuern. Ausserdem würden die Investitionskosten ver-
mindert werden und dadurch auch die AfA, d.h. die Abschreibungen zu
kurz kommen. Ich ersuche ihn, mir dies zu schreiben, damit ich es über-
prüfen lassen kann.
Ich übergebe Mussil das Energiesicherungsgesetz und er meint, ich sollte
diesen Entwurf nicht einbringen. Seine Hoffnung ist noch immer, dass
dieses Problem erst in der nächsten Legislaturperiode verhandelt wird.
Ich lasse ihm keine Illusionen, dass davon keine Rede sein kann,
sondern dass mit gleichzeitiger Beschlussfassung über die Internationa-
le Energieagentur auch die Energiesicherung durch ein Durchführungsgesetz
in Österreich legistisch geklärt sein muss. Die Bundeskammer ist sich
noch immer nicht klar, wie sie die Vorratsbezahlung und -finanzierung
über die Preise vornehmen sollte und könnte. Die Kleineren Firmen haben
Angst, dass sie unter die-Räder kommen. Sie geben deshalb einer Abgabe
wie sie die Schweiz handhabt den Vorzug. Mussil selbst muss aber zugeben
dass dadurch ein behördlicher Apparat aufgebaut wird, der insbesondere
über die Verteilung dieser Mittel zu entscheiden hätte. Dies passt
ihm natürlich auch nicht. Wenn bei fallenden Preisen, wie er immer
argumentiert, die Kalkulationsmöglichkeit dann über die Lagerkosten
wegfällt, so ist die ähnliche Situation, wenn es sich um Abgaben handelt.
In diesem Fall wird zwar diese Kalkulationspost sicherlich anerkannt,
ähnlich wie die Umsatzsteuer, nur hat es den grossen Nachteil, dass man
eben dann andere Kalkulationsposten wenn der Markt sie nicht vergütet,
streichen muss. Mussil macht eine Bemerkung, die mich aufhorchen lässt.
Er meint, dieses Energiesicherungsgesetz sei ja mehr oder minder
von Romig, ÖMV, ausgearbeitet. Ich pariere sofort und meine, dass
der Autor bei uns ein junger tüchtiger Beamter, nämlich Zluwa, der
bei Min.Rat Schwarz gearbeitet hat, ist. Man sieht, dass die Inter-
nationalen scheinbar die Intervention der ÖMV und deren Vorstellungen
sehr genau kennen. Mussil erzählt mir auch, dass jetzt bei der Pipeline
ÖMV-Verhandlung sich folgendes zugetragen hat: Die Internationalen Öl-
gesellschaften haben wegen des Durchsetztarifes mit der ÖMV verhandelt,
weil sie eine günstigere Bedingung erwarteten. In diesem Zeitpunkt hat
die ÖBB dann um 60 % ihre Tarife reduziert und dadurch einen richtiggehen-
den Kampftarif gegen die Pipeline vorgeschlagen. Dadurch kommt die DDSG,
aber auch der einzige private Reeder Brandner unter die Räder und es
wird die vernünftige Lösung, nämlich dass die Öltransporte über eine
Pipeline abgewickelt werden, nur torpediert. Da die ÖBB ein Defizit-
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ist, sogar auf Kosten des Steuerzahlers. Ich erwidere sofort, dass
aber andererseits die ÖBB? wenn sie den Frachtraum verliert, noch
schlechtere Ergebnisse erzielen würde. Im Prinzip hat aber Mussil
recht, dass hier die Koordination im Verkehrsministerium, dem ja
auch jetzt der Pipeline-Bau unterstellt ist, und die ÖBB und DDSG
nicht gerade ideal erfolgte.
Mussil und ich einigen und sofort, dass wir dem Erfinderverband an-
stelle der Prämien für gute Erfindungen nicht eine Subvention geben
werden. Wir sind der Meinung, dass wir durch die Beratungsstelle,
das Handelsministerium und die Handelskammer betreibt eine solche
gemeinsam, keinesfalls mehr weitere Subventionen auch noch dem Ver-
band zukommen lassen sollten.
Bezüglich des Wunsches der Handelskammer, mit der Schweiz über ein Frei-
handelsabkommen zu verhandeln, sage ich Mussil, dass ich mit Bielka
vereinbart habe, bei einer nächsten Nationalratssitzung, wenn Präs.
Sallinger von seinem Erholungsurlaub zurück ist, eine Besprechung mit
ihm vorzunehmen. Mussil ersucht, dass auch Gleissner beigezogen wird.
Die 14.900 sfrs. für das EFTA-Essen wird von mir Mussil präsentiert
und von ihm auch akzeptiert.
Mussil fragt zum Schluss an, wann Römer in Pension geht. Ich erkläre,
dass dies mit Jahresende der Fall sein wird und dass ich dringend einen
guten Industriemann brauche. Ich hatte der Handelskammer auch seinerzeit
vorgeschlagen, sie solle Busek ins Handelsministerium schicken, was
sie allerdings abgelehnt hat. Auch jetzt fordere ich Mussil auf, er soll
mir einen guten Industriemann sagen, der für diese Funktion in Frage
käme. Mussil gibt zu, dass auch er keinen parat hat. Die Frage dürfte
deshalb nur prophylaktisch gewesen sein, um zu erfahren, ob ich bereits
einen Kandidaten auserwählt hätte.
Im Journalistenfrühstück ergibt sich natürlich über das Fremdenver-
kehrsergebnis eine Diskussion. Niemand hat erwartet, dass um 50 %
die unbereinigten März-Ergebnisse-Übernachtungen steigen werden.
Unbereinigt deshalb, weil diesmal der Osterurlaub in die März-Periode
fiel. Bereinigt ergibt es aber immerhin auch noch eine 16 %-ige Stei-
gerung. Da bei den bereinigten Ziffern die Inländer-Übernachtung Null
ist, haben wir wirklich einen sehr schönen Erfolg mit den Ausländer-
übernachtungen zu verzeichnen. Nach einem Bericht über die Aussen-
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handelsaktivitäten von Meisl und über die Kleinstaktionen für das
Gewerbe von Schuster, hätte ich bald auf die Information vergessen,
dass nämlich eben das Energiesicherungsgesetz eingebracht wird. Zluwa
erörtert die rechtliche Situation in Durchführung des Energievertrages.
Er begründet und dies mit Recht, dass alle Vorschläge und wenn sie
noch so dirigistisch erscheinen, in Durchführung der internationalen
Verpflichtungen notwendig sind. Ich bin allerdings überzeugt, dass
die konkrete Anwendung nicht so bald notwendig sein wird. Das ganze
System sollte ja erst zum Tragen kommen, wenn wir eine ähnliche
kritische Situation haben wie bei der letzten Energiekrise. Dann
allerdings muss ich ein entsprechendes Instrumentarium besitzen.
Ich verweise neuerdings darauf, dass die Handelskammer es war, die
als erstes von mir verlangt hat, dass wir dieser internationalen
Energieagentur beitreten. Dort hatten unmittelbar nach einer Vorstands-
oder Präsidiumssitzung die internationalen Ölfirmen sich gegen die
ÖMV gestellt, die bezüglich eines Beitrittes sehr zurückhaltend war,
und die Handelskammer hat sich dem Standpunkt der internationalen
Ölgesellschaften angeschlossen. Wer A sagt, muss auch B sagen und
deshalb wird die Durchführung der internationalen Vereinbarung ein
so strenges Gesetz notwendig machen. Da die Verhandlungen im Parlament
zu einer einvernehmlichen Auffassung kommen müssen, weil es sich um
ein Verfassungsgesetz handelt, werden wir noch in der nächsten Zeit
harte Diskussionen im Parlament erwarten können.
Im Institut habe ich auch Zöllner das Energiesicherungsgesetz in
der letzten Fassung gegeben. Die Arbeiterkammer hat sich ja dem
Entwurf weitestgehend angepasst. In der Begutachtung wurden ja nur
kleine Änderungen vorgenommen.
Im Parlament hat Sepp Wille mich ersucht, ich soll mich für einen
Elektrizitätskredit für die Gemeinde Reutte einsetzen. Das Inve-
stitionsvorhaben beträgt 160 Mill. S, 40 Mill. davon sollen von einer
deutschen Bank aufgenommen werden, die an der Stromlieferung auch
irgendwie beteiligt ist. Ich ersuche Wille, mir die Unterlagen schrift-
lich zu geben, damit ich der Energiesektion die notwendigen Informa-
tionen mitteilen kann und das Vorhaben prüfen lassen kann.
Die Firma Seidl in Kufstein, die Armaturen erzeugt und mit Ungarn
einen Kooperationsvertrag hat, will nun wie die Finnen, dass wir ein
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Freihandelszonenabkommen mit Ungarn schliessen, damit die Arma-
turen zollfrei zwischen den Ländern getauscht werden können.
Ich setze Wille auseinander, warum wir einen solchen Weg, eine
Finnlandisierung nicht gehen können und wollen. Da Wille der Firma
beweisen will, dass er sich eingesetzt hat, wird er ein diesbezüg-
liches Schreiben an mich richten, Ich selbst werden darauf negativ
antworten. Ich werde bei der Abfassung dieses Schreiben aber sehr
vorsichtig sein müssen, weil ich überzeugt bin, dass die Firma
damit zu den Ungarn läuft und beweisen will, dass sie alles daran-
gesetzt hat, um zu einer befriedigenden Lösung auf Firmenbasis
zu kommen. Genau dieselbe Forderung hat aber Biro, der ung. Aussen-
handelsminister, an mich gestellt, und in der letzten Zeit auch Nedew,
der bulg. Aussenhandelsminister. Alle wollen, das dürfte in den
COMECON-Staaten besprochen worden sein, dass Österreich ähnlich wie
Finnland ein diesbezügliches Arrangement mit den Oststaaten trifft.
Dies kommt aber nicht in Frage.
NR Heinz und Treichl haben den Direktor Peter von den Illwerken
nach Wien gebeten, um mit ihm die Probleme der Erhöhung des Anteils
des Landes an den Illwerken zu besprechen. Sie fürchten, dass dieses
Problem verzögert wird und dann bei den Oktober-Wahlen von der
ÖVP ausgeschlachtet. Ich selbst erkläre, dass Mandl, der Landes-
rat der Vorarlberger Landesregierung, der mit mir bis jetzt darüber
verhandelt hat, in Verzug geraten ist. Er hat mir vor Monaten
versprochen, er wird unverzüglich ein Schreiben an mich richten
und hat dann monatelang zugewartet. Jetzt ist dieses Schreiben gekom-
men, ich habe mit ihm eine Verhandlung abgeführt und zwei Punkte
verlangt: Wenn das Land eine Erhöhung seines Anteils bekommt, dann
müsste damit für alle Zeiten die Forderung des Landes als abgegolten
gelten. Ausserdem sollen die Erträge, die dem Lande zufliessen,
ausschliesslich zum weiteren Ausbau der Illwerke herangezogen werden.
Mandl war damit einverstanden und ich habe von ihm einen Vertrags-
entwurf verlangt. Dieser Syndikatsentwurf ist erst jetzt gekommen
und ich habe ihn sofort der Finanzprokuratur übermittelt, ohne
die Finanzprokuratur kann und will ich unter gar keinen Umständen
einen Vertrag abschliessen. Selbst Peter sieht dies ein und es
werden Heinz und Treichl mit dem Finanzminister reden, damit die
Finanzprokuratur entsprechend schneller arbeitet.
In Genf bei dem Konsultativ-Komitee-Abendessen gab es keine neuen
Gesichtspunkte für mich. Ich hatte nur als Tischnachbarin die sozial-
demokratische schweizerische Nationalrätin und habe mich daher mit
ihr über die politische Entwicklung in Österreich und in der Schweiz
sehr eingehend unterhalten. Was sie, die von einer freisinnigen
Familie stammt und in England Nationalökonomie studiert hat, besonders
erschüttert, ist, dass es innerhalb der Schweizer sozialdemokratischen
Partei harte Konfrontation mit linken Flügeln gibt. Sie selbst war
wie sie sagt immer links, aber das was jetzt an Linken Forderungen
auftaucht beunruhigt sie. Sie fürchtet, dass selbst die Partei wie
in Tessin auch in Zürich gespaltet werden könnte. Da haben wir in
Österreich wahrlich noch bessere Verhältnisse im Vergleich zu Deutsch-
land und jetzt auch zur Schweiz.
Tagesprogramm, 28.4.1975
hs. Notizen (Tagesprogramm Rückseite)