Donnerstag, der 24. Juli 1975 bis Mittwoch, der 30. Juli 1975

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Donnerstag, 24. Juli 1975, bis
Mittwoch, 30. Juli 1975

Auf der Begräbnisfeierlichkeit für Schleinzer in Klagenfurt hat Kreis-
ky
die anwesenden und die sonst bei einer Ministerratsvorbesprechung
sind sowie die Spitzen der Kärntner Politiker zu einer Besprechung
auf die Terrasse des Kaffeehauses nach Cap Wörth gebeten. Dort
setzten wir uns in ein Eck zusammen. Ein deutscher Gast kam ganz
verwundert und fragte, ob er einige Bilder machen könne. Die
schicke ich nach Bonn, denn so etwas ist bei uns in Deutschland
unmöglich. Wahrscheinlich würde überhaupt in diesem Fall die
Terrasse gesperrt werden oder zumindestens Dutzende Kriminalbeamte
herumstehen. Alle kamen wir überein, dass wir in dieser Beziehung
sehr glücklich und wirklich noch normale Verhältnisse haben.
Kreisky schlug vor, dass wir dem neuen Team gegenüber aber ganz
besonders allen jungen Löwen insofern Paroli bieten sollen, als
wir sie wenn irgendwie möglich immer wieder zur Diskussion heraus-
fordern sollen. Das Prinzip wäre, dass jeder Ressortminister sein
Gegenüber mit Fachfragen und Sachwissen konfrontiert. Natürlich
wäre es, so bin ich überzeugt, ideal, wenn der Rundfunk, das Fern-
sehen oder die Zeitungen auf eine solche Politik eingehen würden.
Leider wird man dies sicher nicht erreichen, dass es zu einer
Diskussion Taus-Kreisky kommt, ist für mich klar. Vielleicht
wird auch noch Androsch-Koren stattfinden, obwohl ich hier nicht
mehr so überzeugt bin. Wie ich aber jemals mit Busek konfron-
tiert werden sollte, kann ich mir nicht vorstellen. Abgesehen davon,
dass er als Generalsekretär jetzt nicht nur Wirtschaftsfragen, sondern
auch viele andere hat und deshalb sicherlich, wenn überhaupt, mit
Marsch konfrontiert werden wird. Trotzdem halte ich die Idee
für sehr richtig.

ANMERKUNG FÜR KOPPE: Wie können wir die letzten Wochen wirklich
zweckmässige Wahlkampfpolitik und Diskussion führen.

In Kolbnitz hatte der dortige neue Betriebsleiter für Malta,
Benedikter, eine Fraktionsversammlung einberufen. Hautzenberg war
sehr erstaunt und erfreut, dass ich sofort erklärte, an dieser
möchte ich teilnehmen. Benedikter ist ein junger Mann und hat dort
fast 20 Leute zu dieser ersten Besprechung zusammengerufen. Alle


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waren sehr erstaunt und erfreut, dass ein Minister auftauchte.
Nachdem die Scheu überwunden war, diskutierten wir fast zwei
Stunden.

Hautzenberg möchte Benedikter nach Klagenfurt in die Hauptverwaltung
als Nachfolger von Gmeinhart, wenn der zu den Tauernkraftwerken
geht. Benedikter, mit dem ich am nächsten Tag sprach, erklärte
mir aus gesundheitlichen Gründen dieses Anbot nicht annehmen zu
können. Er hatte schon einen Herzinfarkt und der Arzt hat ihm
das strikte verboten. In Malta dagegen kann er ganze Arbeit in
fachlicher aber auch in politischer Hinsicht leisten. Gesundheit-
liche Argumenten respektiere ich sofort und habe deshalb keiner-
lei weiteren Druck, wie Hautzenberg wünschte, auf ihn ausge-
übt.

Freitag nützte ich in Dornbirn die Gelegenheit, um bei der Sied-
lung Bremenmahd mit den Leuten zu sprechen, ob die Steinbruchfrage
jetzt für sie einigermassen erträglich verläuft. Ich erschien bei
den Hausparteien vollkommen unangemeldet, stellte mich vor, man er-
kannte mich natürlich und erzählte mir, dass die Sprengung jetzt
um 6 Uhr abends und das Aufarbeiten der Steine endet, doch hat die
Sprengung einmal sehr viel Staub in die Siedlung gebracht. Der
Sprecher der Siedlung, ein ÖAAB-Mann, wie er immer wieder betont,
Hubner, war noch mehr erstaunt, als ich bei ihm in der Wohnung
aufkreuzte. Jetzt lauft, wie er mir mitteilte, ein Prozess zwi-
schen der Baufirma, die den Steinbruch abbaut und den Siedlungs-
bewohnern. Selbstverständlich müssen wir jetzt dieses Prozessergeb-
nis abwarten.

ANMERKUNG FÜR WAIS: Bitte kläre, was im Handelsministerium über die
Vorgangsweise aller Steinbrüche, insbesondere die Befundung der Wand
durch die Landesregierung macht.

Zur Aussprache mit den Textilindustriellen und anderen der Indu-
striegruppe der Handelskammer kam diesmal auch der neue Präsident
Hämmerle und was mich am meisten verwunderte der Kammeramtsdirektor
der Vorarlberger Handelskammer. Dieser war der einzige, der
ein wenig aggressiv die politische Linie der ÖVP vertrat. Alle
anderen führten interessante Sachgespräche und Diskussionen und
luden mich schon für das nächste Jahr zur Messe-Eröffnung wieder
zu diesem traditionsreichen Abend ein. Ich konnte mir nicht ver-


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kneifen, darauf hinzuweisen, dass ich selbstverständlich kommen
werde, da ich ja überzeugt bin, noch Minister zu sein. Hier
bemerkten die Vorarlberger, insbesondere der Kammeramtsdirektor,
welch indirekte Wahlprognose sie damit gemacht haben. Er
meinte deshalb, die Vorarlberger würden mich auch einladen und
sich glücklich schätzen, wenn ich nicht mehr Minister bin. Da
erwiderte ich kurz, wenn man Minister ist, bekommt man viele
Einladungen, hat aber keine Zeit, wenn man kein Minister mehr
ist, hat man Zeit bekommt aber keine Einladungen mehr.

Bei der Messe-Eröffnung hat nur Igler einige sehr interessante
wirtschaftspolitische Überlegungen gebracht, auf die ich leicht
reagieren konnte. Das Einzige, wo ich mich zurückgehalten habe,
war, als er zuletzt auch noch die neue ÖVP-Idee einer Regierung
auf breitester Basis, also wenn ich richtig verstanden habe, auch
einer Konzentrationsregierung das Wort redete. Darauf bin ich
nicht eingegangen, da erstens einmal schon sehr viele Vorredner
waren und die Leute sonst, wenn man zu viel und zu lange spricht,
nervös werden und zweitens, weil ich sonst sicherlich erklärt hätte,
dass Dornbirn dafür nicht der richtige Ort wäre. In Vorarlberg hat
man bekanntlicherweise nach der letzten Landtagswahl, wo man bis
jetzt immer eine Art Konzentrationsregierung gehabt hat, die So-
zialisten ausgebootet.

Kessler hat in seiner Ansprache die Leistungen Vorarlbergs und
damit ganz Österreichs in dem letzten Jahrzehnten besonders er-
wähnt und mit Ziffern belegt. Dies passte mir sehr gut auch für
meine Ausführungen. Er erwähnte aber dann ganz besonders, dass
er hoffe, dass der Bund und das Land sich sehr bald über die
Abtretung der Aktien der Illwerke einigen könnten. Ich ver-
sicherte ihm in aller Öffentlichkeit, dass von meiner Seite
alles getan wird, um zu einem positiven Ergebnis zu kommen und
ich diese Lösung vor längerer Zeit selbst aufgegriffen habe.

Die Messe ist jetzt auf ihrem neuen Gelände in wirklich sehr kurzer
Zeit entstanden und gut konzipiert. Hier haben sich die 2 Mill. S
welche ich für die Planung zur Verfügung gestellt habe, sehr gut
ausgewirkt. Bleibend von dieser Messe wird allerdings sein, dass
ich jetzt einen vierten Spitznamen von Igler in aller Öffentlichkeit
bekommen habe, nämlich Josephus felix. Bei meiner Rede ging ich


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darauf ein und sagte, bis jetzt hiess ich Happy Pepi, seit der
Benzineinsparung Marken-Joe oder, wie die Deutschen sagen, Etiketten-
Josef, neben den Karikaturen sammle ich nämlich sehr gerne auch
Spitznamen. Von beiden kann man nicht genug haben.

Beim Stammtisch in Rankweil und beim Frühschoppen am nächsten Tag
in Hard kamen selbstverständlich einige Intervenienten. Alle aber
erklärten, dass man von mir immer unmittelbar Antwort bekommt.
Besonders ein Herr Köhlmeier in Hard hat gegen die Offset-Druckerei
Pfanner ein Verfahren laufen. Min.Rat Huber hat eine Verhandlung
an Ort und Stelle unmittelbar nach Intervention abgeführt.

ANMERKUNG FÜR WAIS: Bitte Huber soll mir berichten.

Frau Ertl hat wegen der Stickerei Pösch neuerdings bei mir inter-
veniert. Vielleicht kann man hier auch wieder in einem Schreiben,
der Frau Ertl den letzten Stand mitteilen. Bundesrat Bösch
hat mich ebenfalls wegen dieser Sache angesprochen.

ANMERKUNG FÜR WAIS: Bitte Schreiben an Ertl und Durchschrift an
Bösch von Huber fertigmachen lassen.

Die Betriebsräte der Fa. Alemannia, Hörzeneder, und der BRO Krenn
von Höchst haben Sorge um die Fabrik. Sie fürchten, dass Semperit
sie stillegen will. Voriges Jahr hatten sie bei 280 Mill. S Um-
satz noch 11 Mill. S Gewinn. Von 230 Beschäftigten, 186 Arbeiter,
davon 70 % Gastarbeiter, fürchten sie aber, dass nun die Flaute
dazu benützt wird, um den Betrieb zu schliessen.

ANMERKUNG FÜR REIM: Branchenreferat soll feststellen, was Semperit
beabsichtigt und ich werde anschliessend mit der Direktion sprechen.

Beim Pressegespräch erzählte von der Fremdenverkehrsgemeinschaft
Tannheimer Tal, der Obmann und Pressereferent Wolfgang Scheiber, dass
er von mir sofort immer entsprechend Informationen bekommen hat.
Diesmal möchte er nun bitten, dass er einen Umsatzsteuer-Erlass
des Finanzministers, wonach die Mehrwertsteuer-Rückvergütung nur dann
dem Ausländer gegeben wird, wenn er z.B. die Tracht oder die Ski
im Urlaub genützt hat. U 34 ist die Basis dieser Entscheidung. Ob-
wohl mir vollkommen klar ist, dass die Auslegung richtig ist,


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Umsatzsteuer-Rückvergütung gibt es nur, wenn die Ware im Inland
nicht gebraucht wurde, so glaube ich, ist es zweckmässig, wenn ich
ihm zumindestens die offizielle Stellungnahme des Finanzministeriums
schicke.

ANMERKUNG FÜR REIM: Bitte beim Finanzministerium Sachverhalt klären
und dann Brief an Scheiber.

Ein Herr Hubert Halbritter, Freudenau 27, Rankweil 6830, sprach
sich gegen die Konzessionserteilung für Hubschraubertransporte aus.
Insbesondere hat die Alpenvereinsjugend Vorarlberg eine Unterschriften-
aktion dagegen gesammelt. Landesrat Gasser behauptet nun, das
Handelsministerium will solche Konzessionen ausgestellt, weshalb das
Land dem Wunsch nachkommt und daher wir die Schuld tragen.

ANMERKUNG FÜR WAIS: Würzl und Jagoda sollen den Fall prüfen und mir
entsprechende Schreiben für die Alpenvereinsjugend, den Intervenien-
ten Halbritter und ganz besonders aber einen Brief an LR Gasser vor-
bereiten, wo ich gegen die Ausrede, die er gebraucht, schärfstens
protestiere. Durchschriftlich dann an alle.

Landestatthalter a.D. Müller hat mir durch GD Berchtold das Schrei-
ben der Dienstaufsichtsbeschwerde vom 16. Juli 1975 über Beschluss
der juristischen Anmeldeabteilung 8 des österr. Patentamtes vom
20. Mai 1975 zukommen lassen und rot unterstrichen, dass ich
im Wege der Amtshaftung belangt werden könnte.

ANMERKUNG FÜR BUKOWSKI: Bitte Details prüfen lassen und dann
Brief an Landestatthalter Müller.

Die entscheidende Aussprache fand aber mit dem Landeshauptmann
Kessler, dem Statthalter Mandl, dem Landestatthalter Müller a.D.,
der noch immer in der Gasgesellschaft viel mitzureden hat, und
den beiden Direktoren der Illwerke, Berchtold und Peter, bei
einem Verwandten von Kessler, dem ältesten Hotel in Gaschurn,
statt. Im selben Hotel, erklärte man mir, hätte in den Fünfziger-
Jahren die Besprechung Waldbrunners mit den Landesregierungsvertretern
wegen der Illwerke – Errichtung einer öffentlichen Verwaltung
und Abschluss von entsprechenden Lieferverträgen mit den Deutschen –
stattgefunden. Es war sozusagen ein wirklich traditionsreiches
Haus. Die Aussprache verlief sehr positiv. Über die Wünsche der


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Landesregierung hatte ich mich nicht nur bei Burian vorher im
Detail informiert, sondern auch Gelegenheit gehabt, mit den beiden
Direktoren stundenlange Informationsgespräche zu führen. Insbesondere
kam mir sehr zugute, dass Peter mehr Zeit hatte als Berchtold, wes-
halb er mich auch ständig begleitete. Peter glaubt noch immer, dass
Berchtold, der nach wie vor scheinbar das Vertrauen von LH Kessler
besitzt, auch mit den deutschen Abnehmern entsprechend spezielle
Beziehungen aufrechterhält. Ich bin fest davon überzeugt, dass natür-
lich jeder Generaldirektor, ich würde es auch nicht anders machen,
versucht, mit den Deutschen in einem guten Verhältnis zu bleiben,
da ja letzten Endes, die offenen Frage, wenn irgendwie mög-
lich, im gütigen Wege bereinigt werden müssen. Wenn der Generaldirektor
nun nicht das Vertrauen der deutschen Abnehmer hat, so kann es zu
keiner einvernehmlichen und befriedigenden Lösung kommen. Anderer-
seits natürlich ist es äusserst schwierig als Vorarlberger dann auch
die Vorarlberger spezifischen Wünsche entsprechend zu vertreten.
Da Berchtold aber gleichzeitig auch Direktor der Vorarlberger Kraft-
werke ist, die Strom von den Illwerken beziehen, ergibt sich daraus
eine sehr komplizierte Situation für ihn. Bis jetzt muss ich ge-
stehen, ist er sehr geschickt durchlaviert. Natürlich haben ihn auch
Vorarlberger Nachrichten hart attackiert und er hatte bei mir inter-
veniert, ich sollte bei der Messe darauf hinweisen, welche Bemühungen
er in jeder Beziehung gemacht hat, um alle zu befriedigen. Dies tat
ich natürlich nicht, habe aber wohl darauf hingewiesen, dass alle
Vorarlberger auch Innerösterreicher, in dem Fall das Handelsministerium
sich sehr bemühen, um zu einer Lösung zu kommen. Eine zweite Inter-
vention vom Handelskammerpräsidenten Hämmerle war hier auch sehr
interessant. Dieser ersuchte mich wieder, ich sollte in der Messe
darauf hinweisen, dass die Unternehmer nicht schuld wären an der
schlechten wirtschaftlichen Entwicklung und man sie deshalb jetzt
nicht attackieren sollte. Auch hier ich natürlich diesem Verlangen
nicht Rechnung getragen, wohl aber, ebenso wie bei Berchtolds Wunsch
darauf hingewiesen, dass die Sozialpartnerschaft uns den Erfolg seit
1945 gebracht hat und wir jetzt nicht Schuldige suchen sollen, sondern
uns alle anstrengen, um die Rezession bestmöglich in Österreich
zu überwinden, was bisher ja auch hervorragend geschehen ist.



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Landestatthalter Mandl ging sofort auf meine einleitenden Worte,
dass ich bestrebt bin, alle offenen Fragen mit dem Land Vorarlberg po-
sitiv zu lösen, insbesondere die Energieversorgung sicherzustellen,
wie ich auf der Messe ja auch feierlichst erklärt haben, in konkre-
te Gespräche ein. Grundlage war das Schreiben der Vorarlberger Landes-
regierung an das Bundesministerium über die Forderung des Landes
Vorarlberg an die Illwerke. Min.Rat Burian hatte mir vorher schon
berichtet, dass alle kleineren Wünsche ohne weiteres erfüllt
werden könnten, die in dem Schreiben angeführt sind. Hier handelt
es sich darum, dass der Vergleichsverzicht Ansprüche dem Grunde
nach sich erstrecken darf, dass die Härteklausel angewendet wer-
den kann, wenn Vorarlberg sonst zu hohe Strompreise bezahlen müsste,
die wir den Deutschen verrechnen wollen und dass insbesondere An-
sprüche gegen die Vorarlberger Illwerke im hiefür vorgesehenen
Schiedsgericht geltend gemacht werden könnten, d.h. darauf nicht
verzichtet werden muss. Ausserdem stellte sich nun heraus, dass
in dem Schreiben vergessen wurde, einen sinnstörenden Abschreib-
fehler, eine Zeile wurde vergessen, im Syndikatsvertrags-Entwurf
Punkt 5, Seite 3 ergänzt werden müsste. Zu diesem Punkt nahm ich
nicht Stellung, weil ich bei den Besprechungen zwischen Burian,
Bandhauer und Mandl nicht anwesend war. Das wirklich offene Problem
ist und bleibt, dass Mandl wünscht, wenn die Gewinne und Genussrechte
durch Anwendung des Elektrizitätsförderungsgesetzes um 40 % ge-
kürzt werden, weil sie steuerfrei in Rücklagen verwandelt werden
können, dann bereits freie Rücklagen aufgelöst erden, damit das Land
die Genussrechte wieder voll in Anspruch nehmen könnte. Das Ganze
wird ja nur dann interessant, wenn die Deutschen die Überwälzung
dieser Genussrechte und Gewinnbelastungen auf die Strompreise
ablehnen. Nach dem neuesten Gutachten ist dies auch mit aller Wahr-
scheinlichkeit zu erwarten. In diesem Fall muss eine Lösung gefunden
werden, wie dann zwischen Vorarlberger Illwerken und Land das
zukünftige Verhältnis und die Abrechnung aussehen soll. Burian
und auch ich haben uns gegen die Auflösung von schon gebildeten
steuerfreien Rücklagen ausgesprochen. Da wir darin eine gewisse
Schädigung vermuten. Mandl ist damit einverstanden, dass Ende
August, Anfang September die Detailbesprechungen übe diesen Punkt
fortgesetzt werden sollen, um zu einer befriedigenden Lösung, vor
allem aber zuerst zu einer befriedigenden Aufklärung aller Möglichkei-
ten gekommen werden muss. Erst dann wird der Vertrag endgültig abge-


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schlossen. Wir werden noch in diesem Jahr die entsprechenden Ge-
setze resp. Vereinbarungen im Parlament einbringe. So zumindestens
habe ich ihnen versprochen werde ich misch darum bemühen. Ich hoffe
und bin überzeugt, nachdem die Finanzprokuratur und das Finanz-
ministerium anwesend war, dass auch von dieser Seite keine prinzi-
piellen Schwierigkeiten gemacht werden.

ANMERKUNG FÜR GEHART: Bitte die endgültige Fassung dann mit dem Bü-
ro des Finanzministers so schnell wie möglich besprechen und Vor-
gangsweise festlegen.

LH Kessler, Mandl, aber auch Müller, der sich früher mit diesen
Problemen auch sehr eingehend beschäftigte, kamen mit mir überein
sehr zur Freude der Ill-Direktoren, dass ich bestrebt bin, mit
den deutschen Abnehmern womöglich zu einer einvernehmlichen
Lösung zu kommen. Acu Mandl, der der härteste Verhandler derzeit
ist, gibt zu, dass es wesentlich zweckmässiger ist, ein Kompro-
miss zu erzielen, wo vielleicht nicht die gesamten Kosten
auf den deutschen Strompreis überwälzt werden könnte. Mandl meint
nur, wenn die Deutschen überhaupt keinerlei Entgegenkommen zeigen,
dann müsse man das Schiedsgericht zeitgerecht bis Mitte des nächsten
Jahres anrufen. Damit war ich einverstanden, da ich ja auch dann
keine andere Möglichkeit einer Lösung sehe. Ich habe aber
Kessler bereits dahingehend informiert, dass ich versuchen werde,
bei der Anwesenheit von Wirtschaftsminister Friderichs ohne
natürlich auch nur auf Details einzugehen, diesen ersuchen werde,
er soll sich dieses Problem von seinen Leuten schildern lassen.
Ich möchte also eine Art freundschaftliche Intervention machen,
damit wir von politischer Seite das Klima der Verhandlungen zwi-
schen RWE und Illwerken verbessern.

ANMERKUNG FÜR GEHART: Ich möchte Friderichs eine informelle Akten-
notiz, die womöglich objektiv sein soll, inoffizielle übergeben.
Bitte vorbereiten.

Ausser der Elektrizitätsfrage kam selbstverständlich auch die Ölver-
sorgung zur Sprache. Bauer hat mich informiert, dass er nicht daran
glaubt, dass die Top-Anlage zweckmässig ist. Scheinbar aber hat er
bei den Vorarlbergern einen wesentlich anderen Eindruck hinter-
lassen. Dort meinte Müller, aber auch Mandl zu mir, die ÖMV hätte
nicht expressis verbis abgelehnt, die Vorarlberger stellen sich


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nun vor, dass die Madernaft ein Drittel, die ÖMV ein Drittel
und ein Drittel das Land dazu beitragen, um diese Top-Anlage zu er-
richten. Da sie ja keine Raffinerie haben, würden sie die Produkte
entsprechend gemischt durch de Pipeline geliefert bekommen und
dann nur fraktinieren. In der Schweiz besteht in Szanwald eine
solche Destillation für 600.000 t, ist überhaupt nicht umwelt-
schädigend und rentiert sich sehr. Entsprechende Berechnungen hat
mit Vorarlberg zugesagt, der Landeshauptmann und auch Dr. Mandl
haben zur Kenntnis genommen, dass ich nicht bereit bin, einen
höheren Preis für ihre Produkte aus dieser Anlage zu genehmigen
als entweder durch meine Preisregelung oder durch Vereinbarung
in der Paritätischen Kommission die Höchstpreise auch für Inner-
österreich sind. Ich habe auf diesen Punkt einige Male
verwiesen und immer wieder die Zusicherung bekommen, dass man
selbstverständlich dies akzeptieren wird. Vorarlberg erhofft
sich nur durch diese Destillationsanlage – und das stimmt sicher
– das grössere Tanklager in Vorarlberg gebaut werden müssen. Sie
nehmen nun an, dass sie bei ca. 150.000 t Tanklager 50 oder
vielleicht mindestens 30.000 t als Pflichtlager der Vorarlberger
Landesregierung zur Verfügung gestellt werden müsste. Damit sei
eine gewisse Bevorratung möglich. Von diesem Standpunkt aus
begrüsse ich natürlich dieses Projekt sehr. Ich habe meine Ein-
wände und Vergleiche mit der Raffinerie Lannach auch nur des-
halb gemacht, um festzustellen, dass letzten Endes die Errichtung
unterblieb, weil sie nicht kostendeckend war. Vom Standpunkt
der Versorgung habe ich sowohl gegen die Raffinerie Lannach aber
schon gar nichts gegen eine Destillation in Vorarlberg etwas
einzuwenden. Man soll nur im Hinkunft mir nicht vorwerfen können,
ich hätte nicht entsprechend zeitlich gewarnt, wenn ich dann ent-
sprechende Preisanträge, die höher liegen als die innerösterreichischen
nicht akzeptieren werde. Diese meine Erklärung nahm man mit grosser
Befriedigung zur Kenntnis.

ANMERKUNG FÜR GEHART: Bitte versuche die Unterlagen, die angeblich
die Vorarlberger von der ÖMV bekommen haben, ebenfalls zu erhalten.

Vorarlberg ist fest entschlossen, mit der Preussag neuerdings eine
Aufsuchungsvereinbarung zu schliessen. Die bisherige war so,
dass die Preussag 90 % übernommen hat. Wenn das Ergebnis positiv
gewesen wäre, d.h. Gas oder Öl gefunden worden wäre, hätte das


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Land 51 % bekommen. Eine ähnliche Vereinbarung hat in der Schweiz
Alborat abgeschlossen. Vorarlberg ist deshalb nicht bereit, auf
die Konzession, wie die ÖMV wünscht zu verzichten und das ganze
Gebiet ihr allein zu übertragen. Die ÖMV hat Vorarlberg nur 2 %
Förderzins versprochen Eine ähnliche Regelung hat die ÖMV auch
in NÖ. Ich erklärte ausdrücklich, mich in die Details nicht ein-
mischen zu wollen, doch habe ich vollstes Verständnis dafür,
dass die ÖMV alleiniger Konzessionsträger sein will. Die Erfahrungen,
die die ÖMV mit einer Gemischten Gesellschaft im Burgenland gemacht
hat, waren nicht sehr ermutigend.

ANMERKUNG FÜR GEHART: Die OB soll die Konzessionsfrage neuerdings
auf Grund des Vorarlberger Wünsche überprüfen.

Die Vorarlberger lehnen mit Recht und ich konnte ihnen in diesem
Fall auch nur zustimmen, das Angebot der ÖMV, Ruhrgas um 2.50 franko
Grenze zur Verfügung zu stellen, ab. Die ÖMV hätte ihnen gesagt,
wenn sie über 30 Mill. m³ in Hinkunft beziehen, könnte sich das
Gaspreis auf 2.10 S reduzieren. Auch dieser Preis ist natür-
lich noch zu überhöht. Da die Vorarlberger kein Leitungssystem
derzeit haben, einzig Bregenz bezieht von Lindau Stadtgas, kommt es
derzeit auch zu keinen sehr konkreten Verhandlungen und Abschlüs-
sen. In Vorarlberg müsste die Landesgesellschaft erst ein Gasnetz
ausbauen. Solange sie nicht entsprechende zugesicherte Mengen
zu erträglichen Preisen hat, wird sie dies nicht tun. Dadurch
besteht auch aber auch eine Gefahr, dass auf längere Sicht ge-
sehen, Bregenz seiner Erdgas-Bezüge auch der BRD verlustig wird.

ANMERKUNG FÜR GEHART: Bitte prüfe, wie weit wir eine solche Entwick-
lung verhindern können.

Berchtold hatte für eine Schweizer Delegation von der NOK, d. ist
die Schweizer Elektrizitätsproduktionsgesellschaft der Nord- und
Ostschweiz, ähnlich unserer Verbund, eingeladen. Ich hatte Gele-
genheit mit den Direktoren über die Energieverhältnisse zu sprechen.
In der Schweiz ist die Zuwachsrate noch wesentlich geringer als
bei uns. Trotzdem baut die Schweiz weitere Atomkraftwerke, da
sie ihre Wasserkraft fast ausgebaut hat. Durch die teurere Pro-
duktion wird die NOK jetzt im Herbst den Strompreis um 22 %
für ihre Abnehmer erhöhen. Ein so hoher Prozentsatz, auf den


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Berchtold sofort verwies, war notwendig, weil auch dort man
5 Jahre den Energiepreis nicht erhöht hat. Jetzt hat die NOK mit
ihren Abnehmern vereinbart, dass sie jährlich den Preis korrigieren
wird. Eine ähnliche Situation wird jetzt in der Schweiz eintreten
wie ich sie voraussehend bereits 1974 eingeplant habe.

Interessant für mich war aber die Aussprache mit ihren Atomfachleuten
Ich habe das kanadische Problem zur Sprache gebracht. Die Kanadier
behaupten, dass sie mit ihren schweren Wasser Atomreaktoren wesent-
lich bessere Sicherheit bieten als die Amerikaner Westinghouse, d.h.
mit den beiden Typen Siedewasser-Reaktor, wie wir im Tullnerfeld
oder Druckwasser-Reaktor wie die Schweizer handhaben. Die Schweizer
erklärten mir, sie hätte damals auf Westinghouse einen so grossen
Druck ausüben können, indem sie ben die Siedewasser-Reaktoren auch
ins Gespräch gebracht haben, sodass sie zu ungeheuer günstigen
Konditionen ihre Abschlüsse tätigen konnten. Sie haben zwar
wesentlich kleinere Werke – von 300 bis 400 MW – das bei Mühlheim
in Bern hatte ich ja besichtigt – die aber heute mit 1.000 sfrs.
für kWh als äusserst billig zu gelten haben. Wir bauen wesentlich
grössere Einheiten und sind durch unseren späteren Baubeginn aber
sehr teuer. Zwischen Siedewasser- und Druckwasser-Reaktoren haben
die Schweizer erklärt, gäbe es sicherheitstechnisch keinerlei Vor-
oder Nachteile. Es ist ja eine Tragik, dass in beiden Typen immer
wieder in dem konventionellen Teil die entsprechenden Störungen
auftreten. Dies ist zwar vom Standpunkt der Sicherheit beruhigend,
vom Standpunkt der Kosten verheerend und man kann vor allem aber
der Bevölkerung dies kaum erklären. Bezüglich der so sicheren
Schwerwasser-Reaktoren der Kanadier erklären die Schweizer, dass
es für ein kleines Land unmöglich ist, sich auf solche Experimente
einzulassen. Die Kanadier müssten eine grosse Industrie hinter ihr
System bringen, dann würden sie sicherlich auch auf den Märkten
reüssieren. Voraussetzung wäre, dass sich grosse Energieproduzenten
wie die Electricite de France oder ENEL in Italien dafür inter-
essieren. Von den Deutschen ganz zu schweigen. Erst in diesem
Fall hätten sie die Chance wirklich grösser ins Geschäft einzu-
steigen. Man braucht einige Referenzen.

Wie schwierig es gerade für Firmen ist, diese Referenzen zu erwer-
ben, zeigte mir der Besuch von Rotund II. Dort haben Siemens und Elin
gemeinsam mit Voith die grosse Aufgabe, eine 340-MW-Elektrizitäts-


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anlage mit gleichzeitigem Pumpbetrieb einer Maschine herzustellen.
In Luxemburg haben diese Firmen, die die Grundkonzeption hatte,
nämlich Voith Deutschland einen entsprechenden Rückschlag erlitten.
Die Maschine ist nur dreifach gelagert gewesen und hat ungeheure
Störungen bei Betriebsbeginn gehabt. Damit dies nicht auch in Öster-
reich der Fall ist, hat man von Seiten Voiths die verschiedensten
Bestandteile neuerdings konstruiert, verstärkt, die alten ausgebaut,
weggeworfen und neue auf Kosten der Firma eingebaut Ich bin
schon sehr gespannt, ob es bei uns fehlerfrei funktionieren wird.
Verspätungen haben wir dadurch erlitten, dass Elin wieder einmal
zu spät geliefert hat, resp. auf der Baustelle, wo sie diesen
riesigen Generator zusammensetzen musste durch entsprechende Späte
Lieferungen einen Drei-Monate-Verzug auslöste. Da wir diesen Strom
nicht so dringend brauchen, die Deutschen sind zwar ungehalten, sind
aber einverstanden, wenn sie wenigstens zu Weihnachten den ersten
Strom geliefert bekommen, wirkt sich die Verzögerung nicht so krass
aus. Kritisch wäre es nur, wenn dieselben Fehler auftreten würden
oder ähnliche Fehler wie in Luxemburg. Die Firmen setzen allerdings
auf eigene Kosten alles nur denkbar mögliche ein, damit sie ja nicht
in dieselbe Situation kommen wie in Vianden. Wenn dies nämlich der
Fall wäre, würden die daran beteiligten Firmen insbesondere die Pumpen
und Turbinenfirma einen nicht gutzumachenden Schaden erleiden.
Bei solchen grossen Produktionseinheiten spricht es sich mit
Windeseile herum, wenn Fehler auftreten. Anstelle einer positiven
Referenz hat man nur eine negatives Image, das man dann kaum mehr
los wird. Dann kann man noch so billig und preiswert offerieren,
niemand kauft einem solche Maschinen ab. Verständlich, dass sich
die Firmen ohne Rücksicht auf Verluste jetzt dieser Aufgabe besonders
widmen. Ich bin an dem weiteren Fortgang sehr interessiert und habe
selbstverständlich mein Erscheinen zur feierlichen Eröffnung zuge-
sagt.



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Mittwoch, 30. Juli 1975

Beim Spatenstich in Gratkorn bei der Firma Leykam war wirklich
ein Volksfest, da alle Teilnehmer ein Hendl, eine Krainer oder
eine Bratwurst sowie Getränke bekamen, waren natürlich sehr
viele Leute auf dem Festplatz. Was mich am meisten interessierte,
war die Fabrik zu besichtigen. Dir. Schein hat dies sehr umfangreich
und aufschlussreich getan. Leykam hat in den vergangenen Jahren
die Zelluloseproduktion sehr vernachlässigt. Schon im Hinblick
darauf, eine neue Zellulosefabrik zu bauen. Auf dem Papiersektor
dagegen dürften sie tatsächlich mit den letzten zwei Papiermaschinen
insbesondere auf dem letzten Stand sein. Ganz stark hat mich beein-
druckt die Adjustierung der Papiere. Schein wusste nicht, dass ich
Offsetdrucker bin und hat deshalb geglaubt, er muss mir alles
erklären. Die Papiermaschinen aus der ERP-Zeit vor 20 Jahren
wurden noch überbreit mit 3,90 m eine angeschafft. Jetzt sind
sie durch die Tatsache, dass immer mehr verschiedene Papiersorten
aber vor allem auch Formate verlangt werden, auf kleinere Rollen-
breiten übergegangen. Die letzten zwei sind nur mehr 2,80 m
Meine neue Erkenntnis, es ist keinesfalls so, dass nur die grösse-
ren, d.h. in dm Fall breiteren Maschinentypen rationeller arbeiten
als kleinere. Es ist auch nicht so, dass schnellaufende Maschinen
800 m pro Minute unbedingt die optimale Leistung sind, sondern
man geht bei dem Spezialpapier oft bis auf 200 m zurück. Wirklich
beeindruckend und das habe ich allerdings bei allen Papierfabriken
bis jetzt festgestellt, die ich besichtigt habe, ist, dass der
seinerzeitige Papiermacher sehr mit seinem Können und Wissen
und vor allem seiner Erfahrung die Maschine einstellte, heute gar
nicht mehr gebraucht wird. Alles durch die Elektronik ersetzt.
Überhaupt wird die Produktion ausschliesslich heute von Computern
gesteuert, gelenkt und letzten Endes auch damit die Rentabilität
erreicht. Jeder Auftrag muss durch den Computer und der optimiert.
Er bestimmt, in welcher Maschine, und er bestimmt, aus welchem Format
heraus geschnitten wird. Gegenüber dieser grossen, mächtigen
und ich glaube auch sehr rentablen Papierfabrik fällt die Zellulose-
produktion ungeheuer ab. Obwohl die Zellulosefabrik auch 20 Jahre
erst alt ist, wird sie vollkommen weggerissen und neu gebaut.
Schein erklärt mir, sie haben sich durchgerechnet, ob man die Ge-
bäude und einen Teil der Produktion noch erhalten sollte und sich
draufgekommen, dass es am zweckmässigsten ist, das Ganze abzubrechen.



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Jetzt kann ich umso mehr verstehen, dass nicht nur der Aktionär
die CA, sondern auch die Belegschaft ganz besonders auf diesen Neubau
drängt. Sie hat das richtige Gefühl, dass sie mit dieser alten
Zellulosefabrik, obwohl sie schon einige Male sicherlich schon abge-
schrieben ist, nicht weiter existieren kann. Da die Kapazität verdoppelt
wird, die Lauge im Verbrennungsprozess dann auch noch sogar Energie
abgibt, wird sich die Investition von über 2 Mia. doch auf Dauer ge-
sehen, rentierten. Am stärksten hat bei der Ansprache der Betriebs-
ratsobmann Rott die Tatsache, dass endgültig entschieden wurde, heraus
gestrichen. Bock hat nur mich begrüsst, als Präsident des Auf-
sichtsrates der Leykam, übrigens auch gleichzeitig Präsident der
CA, sondern eine sehr geschickte neue Begrüssungsform gewählt. Er
meinte, es seien zwei Minister anwesend, der Landeshauptmann, der
Landesrat usw. ohne die Namen zu nennen. Dadurch kam es überhaupt
zu keinem Beifall, was ich als sehr positiv empfand. Die Sonne brannte
auf den Festplatz, wenn da erst jeder einzeln begrüsst worden wäre, hät-
te das noch länger gedauert. Es waren sowieso 8 Redner. Einzig
und allein GD Treichl von der CA wies auf einige negative Entwick-
lungen der letzten Zeit insbesondere was die Preisentwicklung be-
trifft, hin. Natürlich replizierte ich sofort und stellte die Be-
schäftigung an die Spitze. Damit erntete ich Beifall. Sehr geschickt
hat Niederl seine Rede aufgebaut, indem er nicht, was man ihm
aufgesetzt hat, allein herunterlas, sondern mit einigen Gags viel
besser ankam als mit der aufgesetzten Rede. So meinte er, eine Frau
hätte ihm gesagt, wenn alle Festgäste jetzt einen Spatenstich machen,
müsste das Bauwerk schon fertig sein. Oder: Vor zwanzig Jahren
war er das erste Mal in der Fabrik, wusste gar nicht, dass er jemals
in die Politik gehen würde und hat damals die ersten Versuche gegen
die Wasserverschmutzung begonnen durch entsprechende Anlagen zu
verbessern. Darauf zu replizieren, wäre natürlich ein ungeheurer
Gag für mich gewesen, da ich aber bemerkte, dass Moser sich eine
Aufzeichnung machte, habe ich ihm diesen Gag sehr gerne überlassen.

Interessant war das Pressegespräch, zu dem ich Gott sei Dank noch
zeitgerecht gekommen bin. Spiegelfeld hatte in- und ausländische
Redakteure geladen und es waren tatsächlich mindestens 20 Leute
gekommen. Die grosse Frage, wieso die Investitionen gemacht werden
und ob sie sich rentieren werden, wenn jetzt ein 10 %-iger Pro-
duktionsrückgang zu verzeichnen ist, den Spiegelfeld für das erste
Halbjahr 1975 erklärt hatte. Zum Glück habe ich im letzten Moment


26-0885
die Produktionsziffern des Vorjahres, die in meinen Unterlagen
nicht waren, dann von der Fabrik bekommen und konnte daher darauf
hinweisen, dass die Ergebnisse 1974 mit 54 % plus nicht gehalten
werden konnten. Jedermann wird dies einsehen und war dadurch auch
der 10 %-ige Minusproduktion des Jahres 1975 nicht nur erklärt
sondern auch optisch entsprechend korrigiert. Diese Ziffer war tausend
Mal wichtiger als alle anderen, die ich in meinen Unterlagen vorfand
und die ich nur teilweise gebrauchen konnte. Bei einer Papier-
fabrik oder Zellulosefabrik-Eröffnung oder Spatenstich sind nur
Fachziffern interessant, die die Sparte betreffen. Allgemeine
Industrieproduktionsziffern verlieren dabei vollkommen an Wert.
Eine weitere wichtige Ziffer erfuhr ich bei der Pressekonferenz, die
ich dann natürlich auch dann sofort bei meiner Ansprache verwendete.
1 % BRN-Wachstum bedeutet 1,6 % Papierverbrauch mehr Das soll eine
jahrzehntelange Korrelation sein, die international auch bestätigt
wird. Die dritte wichtige Ziffer war, dass man internationalen an-
nimmt, 5 % Papierverbrauchsteigerung sei in den nächsten Jahren
unter allen Umständen zu erwarten. Diese drei Ziffern, dazu viel-
leicht der eine oder andere Gag und man kann eine Rede herrlich damit
halten. In Dornbirn hat man mir erzählt und ich bin davon
überzeugt, da es meistens politische Gegner waren, dass die Lager leer
sind. Die Bekleidungsindustrie muss jetzt bei der Textilindustrie
bestellen. Vizepräsident Seidl von der Handelskammer hat dies so
ausgedrückt, dass die Pipeline leer ist. Eine ähnliche Situation
erwartet man jetzt in der Papierindustrie. Die Lager sind auch leer,
es muss daher zu meinen Bestellungen kommen. Diese Indikatoren muss
man jetzt in der nächsten Zeit besonderes Augenmerk zuwenden. Wenn
es tatsächlich auf der ganzen Linie zutrifft, dass die Pipelines,
um diesen blöden und falschen Ausdruck zu gebrauchen, leer sind,
dann muss es zu einer Produktionssteigerung kommen.

ANMERKUNG FÜR REIM: Hier müssten wir mit unseren Untersuchungen resp.
Beobachtungen ansetzen.

Beim Rückflug hatte ich Gelegenheit mit Bock und auch mit dem Vor-
standsmitglied Ettl von Philips über die wirtschaftliche Lage zu
sprechen. Philips ist ebenfalls der Meinung, dass es im nächsten
Jahr aufwärts gehen wird. Auch dort seien die Lager leer, von ihren
Abnehmern, und es müsste deshalb zu einem Aufschwung der Produktion
kommen. Derzeit schleppen sie 500 Beschäftigte mit und haben wenig
um nicht zu sagen, gar nichts für sie zu tun. Sie werden deshalb nach


26-0886
dem Normalurlaub, wo sie ihre Fabrik ja immer schliessen, zwei bis
drei Wochen anschliessen. Viele Arbeitnehmer beschweren sich aber,
dass sie dann 75 % ihres Lohnes als Entschädigung bekommen und nichts
arbeiten müssen. Die die arbeiten wollen dieselben Pflichturlaube
haben. Man sieht, dass in einem grossen Konzern eine solche
Regelung sehr kompliziert ist. Ettl erwartet im nächsten Jahr
einen ganz grossen Auftrieb der Preise. Er spricht von einer
gigantischen Inflation, die Philips in Westeuropa mit dem Kon-
junkturaufschwung erwarten. Ich erklärte sofort rundwegs, das stört
mich überhaupt nicht ich erwarte auch eine wesentliche Preissteigerungs-
welle in Westeuropa, Österreich muss daie nur schauen, dass es im
unteren Drittel bleibt, meine alte Theorie wird sich in der Praxis
wieder bestätigen: Ohne Preissteigerung keine Produktionssteigerung
und damit kein Wachstum der Wirtschaft, natürlich real gerechnet.
Für die nächste Zeit war das Null-Wachstum und in manchen Ländern
sogar das Minus-Wachstum, ein vollkommen falscher Begriff, denn wenn
etwas negativ ist, kann es kein Wachstum mehr sein, sondern müsste
Minus-Schrumpfprozess heissen, eine heilsame Lehre gewesen. Die Null-
wachstumsfetischisten haben für lange Zeit an Boden verloren, aller-
dings bin ich fest davon überzeugt, wenn die Produktion in West-
europa wieder voll laufen wird, werden sie wieder kommen und darauf
hinweisen, welche schlechten Auswirkungen es auf die Welt und die
Menschheit hat, dass wir als Wachstumsfetischisten wieder die Pro-
duktion so angekurbelt haben.

Direktor Schein hat bei der Besichtigung der Kraftwerksanlagen der
Fabrik behauptet, dass er Schwierigkeiten hat mit der GKB einen
Kohlenliefervertrag abzuschliessen. Bis jetzt haben sie 15.000 t
Braunkohlestaub bezogen, im Jahre 1974 hatten sie momentan überhaupt
eine Kündigung der Vertrages und jetzt gibt es grosse Lieferschwie-
rigkeiten. Die Fabrik stellt sich deshalb auf Öl und in Hinkunft
auch auf Gasheizung um. Scheinbar ist die GKB wirklich nicht imstande
eine Produktion so zu erstellen, dass auch die Abnehmer entsprechend
langfristig reibungslos beliefert werden. Hier wird es notwendig
sein, einmal zu ergründen, wieso es zu solchen Lieferschwierigkeiten
kommt resp. was die GKB dagegen unternimmt.
ANMERKUNG FÜR REIM: Bitte lass über Sterk nicht nur bei der Leykam,
sondern bei allen Industrie-Abnehmern feststellen, wie die Liefer-
verhältnisse sind.



26-0887

Botschafter Leitner als Aufsichtsratspräsident von der Baufirma STUAG
ruft an und möchte mit mir unbedingt eine Zusammenkunft. Wir können
dies dann allerdings telefonisch erledigen, weil er in Wirklichkeit
nur intervenieren möchte, dass die Stuag auch in die Arbeits-
gemeinschaft kommt, die sich um das Kanalprojekt in Ägypten
bemüht. Die österr. Baufirmen haben bis jetzt sich erfolgreich da-
gegen gewehrt, die Arbeitsgemeinschaft stark zu vergrössern. Kreisky
hat der Kärntner Gesellschaft zugesagt, er wird sich bemühen, dass
diese auch in die Arbeitsgemeinschaft aufgenommen wird, Leitner be-
hauptet, den Betriebsräten von der Stuag hätte er gesagt, er wird
mit mir über dieses Problem sprechen. Ich erklärte Leitner sofort
dezidiert, dass ich nicht bereit bin, mich in diese Verhandlungen
einzuschalten. Ich präferenziere keine Firma, ich habe auch keine
Möglichkeit, eine Firmengruppe zu zwingen, eine aussenstehende aufzu-
nehmen. Er solle diesbezügliche Verhandlungen mit der Arbeitsgemein-
schaft führen. Vor allem aber soll er sich jetzt in Ägypten erkundigen,
ob und wie die ganze Sache steht. Wenn er das Gefühl hat, ich könnte
mit der Arbeitsgemeinschaft nachher ein Gespräch führen, um zu er-
gründen, warum sie ihn nicht aufnimmt, so bin ich gerne bereit, ein
solches Gespräch später, wenn die Fakten vorliegen, dann tatsächlich
zu führen.

Igler hat in einem Brief ersucht, wir sollen Min.Rat Dinzl ver-
längern. Darüber hinaus möchte er, dass er den Sektionscheftitel be-
kommt und einen höheren Orden. Die beiden letzteren stellen überhaupt
kein Problem dar, wenn die entsprechenden Zeitabstände vor der
letzten Auszeichnung weit genug zurückliegen. Den Sektionscheftitel
bin ich gerne bereit ihm zu verleihen, wenn er die Voraussetzungen dafür
erbringt. Beim Bund ist alles gerade auf diesem Gebiet sehr genau
geregelt und man hat kaum einen Spielraum. Die grösste Schwierigkeit
wird es machen, seinen Vertrag zu verlängern. Abgesehen davon,
dass wir in der Regierung einen diesbezüglichen Beschluss einmal
gefasst haben, dies nur in seltensten Ausnahmefällen zu tun, ergibt sich
dann eine entsprechende Reihe von anderen Verlängerungswünschen automa-
tisch. Die grösste Gefahr ist, dass noch Römer kommt und ein Jahr ver-
längert haben will. In Wirklichkeit würden wir einen tüchtigen Sektions-
chef für die Industriesektion benötigen, der dann die Reorganisation,
die wir formell eingeleitet haben, auch materiell zu einem Erfolg führt.
Derzeit hört man nämlich von der Aktivität der Industriesektion ver-
hältnismässig wenig. Ich habe immer so das Gefühl, die Handelskammer


26-0888
und die Industriellenvereinigung sind mit diesem Zustand sehr zu-
frieden, weil sie dadurch nach wie vor als die Stelle gelten, die
die Industriepolitik allein und ausschliesslich macht.

ANMERKUNG AN ALLE: Wo ist der zukünftige Leiter der Industriesektion?



Einträge mit Erwähnung:
    GND ID: 1017902909


    Einträge mit Erwähnung:
      Tätigkeit: Leykam


      Einträge mit Erwähnung:
        Tätigkeit: GD ÖMV


        Einträge mit Erwähnung:
          Tätigkeit: Sekr. JS, ab 1973 GF VKI


          Einträge mit Erwähnung:
            Tätigkeit: Beamter HM


            Einträge mit Erwähnung:
              Tätigkeit: Leiter Sekt. III HM


              Einträge mit Erwähnung:
                Tätigkeit: Bankier


                Einträge mit Erwähnung:
                  GND ID: 114650888


                  Einträge mit Erwähnung:
                    Tätigkeit: GD Lenzing AG, Vizepräs. HK, AR-Präs. OÖ. Ferngas


                    Einträge mit Erwähnung:
                      Tätigkeit: Straßburg


                      Einträge mit Erwähnung:
                        Tätigkeit: MR, Büro des Bundesministers


                        Einträge mit Erwähnung:
                          Tätigkeit: LR, LH-Stv. Vbg.


                          Einträge mit Erwähnung:
                            Tätigkeit: BRD-Wirtschaftsminister
                            GND ID: 118535498


                            Einträge mit Erwähnung:
                              Tätigkeit: ehem. ÖVP-Vizekanzler, Präs. Donaueurop. Institut, AR-Vors. Leykam


                              Einträge mit Erwähnung:
                                Tätigkeit: Betriebsdir. Kraftwerk Malta


                                Einträge mit Erwähnung:
                                  Tätigkeit: Bautenminister


                                  Einträge mit Erwähnung:
                                    Tätigkeit: steir. LH, ÖVP


                                    Einträge mit Erwähnung:
                                      Tätigkeit: Landesstatthalter Vbg.


                                      Einträge mit Erwähnung:


                                        Einträge mit Erwähnung:
                                          Tätigkeit: ÖDK


                                          Einträge mit Erwähnung:
                                            Tätigkeit: MR HM


                                            Einträge mit Erwähnung:
                                              Tätigkeit: LH Vbg., ÖVP


                                              Einträge mit Erwähnung:
                                                Tätigkeit: MR, Leiter Gruppe FV u. Gewerbeförd. HM


                                                Einträge mit Erwähnung:
                                                  Tätigkeit: Personalvertreter HM


                                                  Einträge mit Erwähnung:


                                                    Einträge mit Erwähnung:
                                                      Tätigkeit: Präsident Vbg. Handelskammer


                                                      Einträge mit Erwähnung:
                                                        Tätigkeit: Finanzreferent von Philips


                                                        Einträge mit Erwähnung:
                                                          Tätigkeit: Beamter HM


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                                                            Tätigkeit: Finanzminister, ÖVP-NR-Abg., OeNB-Präs.


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                                                              GND ID: 118756265


                                                              Einträge mit Erwähnung:
                                                                Tätigkeit: Dir. Illwerke


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                                                                  Einträge mit Erwähnung:
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                                                                    GND ID: 118566512


                                                                    Einträge mit Erwähnung:
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                                                                      Einträge mit Erwähnung:
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                                                                        GND ID: 118503049


                                                                        Einträge mit Erwähnung:
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                                                                          Einträge mit Erwähnung:
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                                                                                  Einträge mit Erwähnung: