Mittwoch, 3. September 1975
Der Jour fixe mit dem Verbundkonzern gab mir Einblick auf die
dort herrschende Atmosphäre. Bandhauer beschuldigte Arthold, und
ich glaube zurecht, dass er bei den Illwerke-Verträgen überhaupt
nicht mitarbeitet. Arthold wieder erwiderte, er hätte niemals
offiziell eine Aufforderung dafür bekommen und war nicht bereit
deshalb mitzuwirken. Er hat sogar seinen Mitarbeiter der Rechts-
abteilung verboten, zu Sitzungen zu gehen. Ich gab meiner Verwunde-
rung darüber Ausdruck und wir einigten und dann doch, dass so
schnell wie möglich der gesamte Vorstand die Probleme mit Vorarlberg
und Kärnten lösen sollte. Bei Kärnten ergibt sich die grosse Schwie-
rigkeit, dass die KELAG durch die Erhöhung ihres Perzentanteiles
dann aus dem Pool-Gewinn statt 15 Mill. ca. 30 Mill. herausziehen
könnte. Dies wäre ein gefährliches Präjudiz für die anderen Ge-
sellschaften. Da bei der Aussprache in Kolbnitz die Kelag-Vertre-
tung gesagt hat, das kostet ungefähr 3 Mill. S Gewinnziehung mehr
müsste es gelingen, auch hier ein Kompromiss zu erzielen. Dir.
Zach beschwerte sich bei mir, dass das Ministerium – ich – zwar
für die Energiepolitik zuständig bin, nicht aber für die Unterneh-
mungsorganisation und für die Einzelentscheidungen. Er meint, er
hört immer von meinem Pressegespräch oder lese in den Zeitungen,
dass z.B. das Kohlekraftwerk gebaut wird oder dass das Atomkraft-
werk verschoben wird und meint, das sei doch nicht meine Kompetenz.
Ich erklärte ihm sofort dezidiert, das es sich hier um politische
Entscheidungen handelt, die ich sehr wohl nicht nur zum Ausdruck zu
bringen habe sondern darüber hinaus sogar sicherlich auch gegenüber
den Organen durchsetzen werde, die letzten Endes dafür zustän-
dig sind. Meine Absicht war, dezidiert dem Verbundvorstand zu
zeigen, dass ich nicht gewillt bin, mir von ihnen die Politik
vorschreiben zu lassen.
Wohlmeyer von der Gmünder Stärkefabrik kam, um mir zu begründen,
dass die Budgetansätze wesentlich erhöht werden müssen. Da er die-
des Schreiben an den Finanzminister geschickt hat, muss es letzten
Endes natürlich auch der Finanzminister genehmigen. Ich werde
bei den Budgetverhandlungen nur darauf Bezug nehmen, bin aber davon
überzeugt, dass Androsch maximal bereit ist, dann im Budgetüber-
schreitungsgesetz gegebenenfalls etwas zu machen. Ins Grundbudget
kann er kaum die 25 Mill. S auf fast 60 Mill. erhöhen.
Präs. Igler und Gen.Sekr. Helbich besprachen die beabsichtigte
Konzentration mit den Textilbetrieben in NÖ. Die Konzentration er-
scheint nicht nur sinnvoll, sondern auch der einzige weg, um nicht
noch mehr Betriebe in den Konkurs zu treiben. Da für die Konzentra-
tion aber ungefähr 150 Mill. S Investitionen notwendig sind und sie
bis jetzt 20 aufgebracht haben, 130 noch vorgenommen werden müssen,
haben sie einige Probleme vorher zu lösen. Vom Finanzministerium
erwarten sie, dass der E+E-Fonds eine Haftung übernehmen kann, die
er heute eigentlich nicht nehmen will. Vom Sozialministerium erwarten
sie 40 Mill. S Umschulungshilfe, ausserdem möchten sie auf Grund
des § 38 Arbeitsmarktförderung einen Zinsenzuschuss. Sie glaubten
auch, dass wir im Ministerium mindestens einige Millionen Schilling
für Zinsenzuschüsse zur Verfügung hätten. Sowohl Gröger als aber auch
insbesondere Fabrizii erklärten sofort, dass höchstens 1,5 Mill. S
überhaupt im Budget zur Verfügung stehen. Igler meinte, ich sollte
eben gegen Häuser die Verantwortung übernehmen, dass diese Konzen-
tration absolut notwendig ist. Dazu bin ich gerne bereit. Bei der
Wiener Konferenz am Abend sprach ich Häuser und erzählte ihm die
ganze Angelegenheit. Häuser meinte, er hätte mit ihnen ja verhandelt
und klar und deutlich zum Ausdruck gebracht, dass er bereit ist, im
konkreten Fall Umschulungshilfe zu geben, aber hier müssten noch
genaue Unterlagen vorgelegt werden. Sowohl Umschulungshilfe als auch
Zinsenzuschüsse kämen auf gar keinen Fall in Frage.
Ockermüller von der Länderbank hat mich angerufen und mitgeteilt, dass
die Absicht besteht, mit der Fa. Stölzle 1 Mia. S Umsatz in der CA
verankert, Heidenreichstein, Oberglas 450 Mill. S Umsatz in Voitsberg
und in Köflach und Lutzky mit 130 Mill. S zusammenzuführen. Ähnlich
wie in der Stahlindustrie oder Papierindustrie müsste diese Konzen-
tration erfolgen. Ockermüller wird nun von Oberglas-Familienbesitzern
gedrängt, einer solchen Konzentration nicht zuzustimmen, weil sie
sich benachteiligt fühlen. Er wird aber mit Treichl die Verhandlungen
weiterführen, um zu einer Einigung zu kommen. Ich deute Igler und
Helbich dies an und beide erklären sofort, dass eine solche Konzen-
tration genauso wichtig ist wie bei der Stahl- und bei der Papier-
industrie.
Igler und Gen.Dir. Bayer kommen auf die Helbich-Affäre zu sprechen.
Sie hoffen und ich bin genau derselben Ansicht, dass niemand gegen
den Generalsekretär Helbich der Industriellenvereinigung, der damit
wirklich nichts zu tun hat und ein ganz anderer Typ ist wie sein
Bruder, nicht hineingezogen wird. Mein Hinweis, dass ja selbst
Industrielle gegen den Abgeordneten Helbich grösste Bedenken gehabt
haben, wird von Igler bestätigt. Bei einer Aussprache vor längerer
Zeit mit Wenzl, wo man sich schon den Kopf zerbrochen hat, welche
Ministerien nach dem Wahlsieg die ÖVP unbedingt nehmen sollte, kam
klar und deutlich zum Ausdruck, dass das Bautenministerium nicht
dabei sein sollte. Igler bestreitet ganz entschieden, dass er von
der Industriellenvereinigung dafür Geld gegeben hat, obwohl er natür-
lich nicht abstreitet, dass die ÖVP starke Zuschüsse bekommt.
Gen.Dir. Bayer, Vereinigte Edelstahlwerke, wird von mir informiert
über die Verhandlungen in Polen und in der CSSR. Er ist sehr froh
über diesen Kontakt und wird ihn auch in Hinkunft halten. Die Absatz-
lage in den COMECON-Staaten hat sich leider auch sehr rückentwickelt.
Während im Vorjahr noch 37.400 t insgesamt exportiert wurden, sind jetzt
im Halbjahr nur 11.600 t abgesetzt worden und er nimmt an, dass
höchsten 23 – 24.000 t in Frage kommen. Er weiss, dass dort nicht nur
die Preise gedrückt werden, die Spanier haben Edelstahlkapazitäten
von 2 Mill. t und exportieren jetzt auf Teufel komm raus in die
ganze Welt zu irrsinnig tiefen Preisen. Ausserdem muss er noch mit
der Kreditgewährung rechnen. Trotzdem ist Bayer froh, dass wir
über dieses Problem mit den Polen so eingehend gesprochen haben und
er wird so wie die VÖEST versuchen, eine Kreditlösung zu finden.
In den westlichten Staaten sind die Lager der verstaatlichen Edel-
betriebe überall bummvoll. Wenn daher dort die Konjunktur einsetzt
wird zuerst kein Einfluss auf die Werkproduktion eintreten. Nur der
Osten kann sofort bei Beistellungen mit entsprechenden Produktions-
aufträgen die Werke neu beleben. wenn dies nicht der Fall ist,
sieht er für Judenburg nur die Möglichkeit, die 650 Leute, das ist
die halbe Belegschaft umzuschulen und in Mürzzuschlag im näch-
sten Jahr beginnend mit 800 auf Kurzarbeit zu gehen, das ist ebenfalls
die Hälfte der Belegschaft.
Dir. Mitschke von der Fa. Siemens beschwert sich, dass die
Fa. Studa von der Schweiz derartig billige Offerte dem ORF
gemacht hat, dass sie nicht mitkönnen. Für ein Studio haben
sie ein 800.000-S-Angebot gestellt, wo die Siemens 1.3 Mill. S
verlangen müssten. Bevor er aber den Schweizern dieses Geschäft
überlässt, sagt er, schenkt er lieber das Studio her. Für Elektro-
akustik ist jetzt die Konkurrenz irrsinnig hart. Deshalb will er
versuchen, in Moskau einen entsprechenden Auftrag für die Olympiade
zu bekommen. Der Bürgermeister Promislow, mit dem er einmal verhandelt
hat, hat 2,4 Mia. S für die Ausgestaltung Moskaus für die Olympiade
Mitschke glaubt nun, dass eine Delegation, bestehend aus Regierungs-
vertretern und ORF mit ihm gemeinsam dort mehr erreichen könnte.
Ich spreche mit dem technischen Direktor Wassiczek, den er unbe-
dingt vom ORF mit haben will. Der meint, er würde sofort fahren,
braucht aber dazu die Zustimmung des Generalintendanten Oberhammer.
Dieser erklärt mir, dass es für sie sehr problematisch ist, wenn
ein Direktor mit dem grössten Lieferanten für ORF hier irgendwie
Geschäftsbeziehungen bei anderen anbahnt, weil man darin doch
vielleicht eine Bestechung des Direktors, der auf Kosten von Siemens
nach Moskau fährt, sehen könnte. Ich erkläre sofort, dass dies
ein Problem des ORF mit Siemens ist, ich dagegen bereit bin, sowohl
den Direktor Mitschke als auch dem ORF gegenüber jede schriftliche
Information der Russen mitzugeben, die notwendig ist, um beide
zu akkreditieren. Weiters bin ich gerne bereit und erkläre dies
Mitschke, dem Aussenhandelsminister Patolitschew als auch dem
Bürgermeister Promislow entsprechende Briefe zu schreiben, wo wir
unser Interesse für die Lieferung bekunden.
Generaldirektor Eichinger von Plasser & Theurer ist sehr erfreut
über die Intervention in Polen wegen ihrer Gleisstopfmaschinen
zu erfahren. Er meint sogar, es hätte sich jetzt schon die Si-
tuation wesentlich gebessert, sie hätten bereits Anfragen über sehr
spezifizierte Aufträge bekommen, die eigentlich nur für sie
gerechnet sein können.
Bei der Erweiterten Wiener Konferenz hält Gratz ein phanta-
stisch gutes Referat und reisst die Teilnehmer wirklich mit.
Kreisky selbst wird so wie immer frenetisch begrüsst und in der
Art, wie er die Fernsehaufzeichnung von gestern mit Taus schildert,
die dann anschliessend ja erst abgestrahlt wird, hat er natürlich
die Lacher und den Beifall immer auf seiner Seite. Die Frage
ist für die SPÖ wirklich, ob es ihr gelingt, die Mitglieder und
ganz besonders den Vertrauenspersonenapparat so zu mobilisieren,
wie dies momentan der ÖVP gelungen ist.
Tagesprogramm, 3.9.1975
hs. Notizen (Tagesprogramm Rückseite)