Dienstag, 16. September 1975
Neururer, Leiter des Arbeitsamtes Vorarlberg, teilt mir mit,
dass bei Alemannia Höchst 87 österr. Arbeiter und 49 österr. Ange-
stellte und nur 81 Gastarbeiter von den 217 Beschäftigten sind.
Dies hätte er von Zentralsekretär Lackner. Anschliessend stellt
sich allerdings heraus, dass diese Ziffer auch wieder nicht stimmt.
Häuser ersucht mich, ich soll mit Semperit, Rueger, sprechen, damit
nicht Semperit jetzt Alemannia schliesst. Rueger teilt mir dann
mit, dass im nächsten Jahr 50 % der Produktion von Höchst nach
Erlaa kommen, dass aber gleichzeitig der Vorstand beauftragt wurde,
entsprechende Ersatzartikel-Produktion aufzunehmen. Auf alle Fälle
wird versucht, innerhalb von zwei Jahren eine neue Produktion dort
zu installieren. Sollte es nicht gelingen, müsste der Betrieb in
zwei Jahren geschlossen werden, wenn nicht eine neue Konjunktur
dann schon wieder ein ganz ein anderes Bild ergibt.
Bei der Ministerratssitzung kam wieder nur ein Problem der Dienst-
reisen zur Sprache. In der österr. Pädagogendelegation nach Moskau
auf Grund des Kulturabkommens sollen drei Dienstreisen nur lt.
vertrag genehmigt werden, das Unterrichtsministerium schlägt aber
vier vor. Endergebnis: Die ganze Frage wird zurückgestellt. So wie
im Ministerium die sichtbare Tätigkeit nur in Auszeichnungen und
Dienstreisegenehmigung besteht und selbstverständlich in der Unter-
schrift von Verordnungen und wichtigen Akten, die halt dem Mini-
ster vorbehalten sind, obwohl er dann gar nicht mehr viel ändern
könnte, so werden jetzt auch im Ministerrat immer die ganzen Anträge
und sonstigen Schriftstücke diskussionslos genehmigt mit Ausnahme
von Dienstreise-Anträgen. Wo dies hinführt, weiss ich noch nicht
aber es ist auf alle Fälle beklemmend. Hier wird sich in Zukunft
und ich glaube sogar sehr bald eine andere Arbeitsmethode heraus-
kristallisieren müssen.
Kreisky berichtet in der sehr kurzen Vorbesprechung über Gamnitzer,
den Journalisten von den Oberösterreichischen Nachrichten, der auch
ein Fremdenverkehrsblättchen redigierte. Hillinger, der im Profil
angegriffen wird und mehr oder minder auch der indirekten Bestechung
von Gamnitzer beschuldigt, wird Profil klagen. Broda hat ihm dazu
geraten, gleichzeitig auch empfohlen, Profil nicht beschlagnahmen
zu lassen. Der Chefredakteur von den Oberösterreichischen Nachrichten
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Polz hat Gamnitzer fristlos entlassen, dieser geht nun zum Arbeitsge-
richt, beim Empfang im Hilton hat mir Dragon von der Kronen-
Zeitung gesagt, dass Gamnitzer jetzt schon die Artikel alle
sammelt, die er gegen Hillinger in den Oberösterreichischen Nach-
richten geschrieben hat.
Androsch teilt zum Rechnungshofbericht mit, dass der Profil-
Artikel nichts zu sagen ist, vor allem, dass er nicht klagen wird
und auch weiterhin nicht darauf reagiert. Nur der Kurier hat die
Verwaltungsschuld und die Aussage des Rechnungshofpräsidenten
wieder gross herausgestrichen. Androsch meint, in den 22 Mia. seien Haf-
tungen, alle Zukunftsverpflichtungen z.B. auch für die IAKW mit 6 Mia.
drinnen. Kreisky will wissen, ob dies in den 47 Mia beinhaltet ist,
doch Androsch verneint sofort. Kreisky ist auch schon unsicher und
möchte eine genaue Aufstellung haben, die Androsch verspricht.
Taus geht in seiner Argumentation so weit, dass er zu den Verwal-
tungsschulden noch die Finanzschulden rechnet, dann durch 3 Mill.
dividiert und sagt, jeder Österreicher ist jetzt 50.000 S schuldig.
Aus der Aufstellung müsste sich dann ergeben, dass die Verwaltungs-
schuld und die Finanzschulden 150 Mia. S betragen.
ANMERKUNG FÜR REIM: Da sich niemand im Detail auskennt, kann man
vielleicht Ziffern von Taus rekonstruieren.
Lütgendorf teilt mit, dass ein Slowene eine Einberufung zurückge-
schickt hat, weil sie in Deutsch und nicht in Slowenisch geschrieben
ist. Dieser Soldat Wieser war schon beim Bundesheer, kann die
deutsche Sprache sehr gut und will, das ist gar kein Zweifel, provo-
zieren. Dass diese Forderung – Einberufungsbefehle oder irgend-
welche anderen Schriftstücke in Slowenisch zu bekommen, nicht
durch den Staatsvertrag gedeckt ist, ist ziemlich selbstver-
ständlich. Lütgendorf hat aber den Verfassungsdienst ersucht, er
soll dies genau prüfen. Hier zeigt sich wieder, wie Kreisky das G'spür
hat und meint, obwohl Wieser keinen Anspruch darauf hat, wird er
seinen Dolmetsch ersuchen, einen Brief an Wieser mit dem Inhalt der
Einberufung zu schreiben und den als Service für den Staatsbürger
mitschicken. Kreisky ist nämlich fest davon überzeugt, dass dieses
Schreiben und die ganze Affäre sofort nach Belgrad resp. Zagreb gehen
wird.
Kreisky erkundigt sich auch bei mir nach den genauen Fremdenver-
kehrseinnahmen im Vorjahr, die 43 Milliarden aufgerundet betragen
haben, weil er in den Versammlungen immer diese 47 Milliarden die
im Budget in die Wirtschaft gepumpt werden, eben mit einer Vergleichs-
ziffer, er hat immer angenommen 47 Milliarden Schillinge betragen
die Einnahmen aus dem Fremdenverkehr, für die Leute verständlich
machen will. Seine Argumentation war, weil sich die Leute unter den
österreichischen Fremdenverkehr, d.h. die vielen Gäste die nach Öster-
reich kommen und Geld ausgeben etwas vorstellen können zwischen diesen
Ausgaben und den Ausgaben des Bundes für die Wirtschaft einen Konnex
herzustellen.
ANMERKUNG für KOPPE: Solche vereinfachenden Vergleiche müsste der Redner-
dienst den Referenten immer geben.
Die überraschend einberufene Fraktionssitzung des Bundesvorstandes
zu der ich leider zu spät kam, beschäftigte sich mit dem Problem
wie jetzt der Vorschlag der christlichen Gewerkschafter und der
ÖAAB-ler, nämlich Gassner zum Vizepräsidenten zu wählen, behandelt
werden soll. Als wir das Problem der Minderheitsfraktion vorletztes
Mal im Bundesvorstandsfraktion diskutierten, war klar, dass der Vor-
schlag der von der ÖVP-Seite kommt von uns akzeptiert werden soll
und muss. Am letzten Kongress hatte ich den Vorsitz bei den Wahlen
und wir wählten damals Benya als Präsidenten und dann en bloc alle
Vizepräsidenten. Scheinbar hat Benya und auch viele andere angenommen,
dass diesmal Klingler von der christlichen Fraktion vorgeschlagen
wird. Bei Gassner erhebt sich nun die Frage, ob ein in der Gewerkschaft
nicht mehr verankerter Mann Vizepräsident des Gewerkschaftsbundes
werden kann und soll. Natürlich gab es dazu keine einheitliche
Meinung, ein Teil insbesonders der öffentlich Bediensteten meldeten
grössere Bedenken an, weil gerade dann in ihrer Organisation der
ÖAAB wahrscheinlich auch unsere Minderheitsfunktionäre entsprechend
behandeln würde. Ich persönlich bin der Meinung dass durch Stimment-
haltung demonstrieren soll, dass Gassner sich erst das Vertrauen der
Gewerkschaftsfraktionen durch seine Tätigkeit erarbeiten muss. Aus
diesem Problem kann – und dies würde ich zutiefst bedauern - eine
hochpolitische Staatsaffäre werden und die Überparteilichkeit des
Gewerkschaftsbundes bis zu einem gewissen Grad gefährden. Ich hoffe
daher sehr, dass es gelingen wird, eine für alle akzeptable Lösung
zu finden.
Beim Hilton-Empfang wurde ich auch von Dragon, Kronen-Zeitung-Redakteur,
und anderen wegen der Nachfolge Benya und Kreisky angesprochen.
Meine Überzeugung ist, dass dies weder jetzt noch in 4 Jahren spruchreif
sein wird. Ich sehe die Situation so kommen, dass ähnlich wie bei
Böhm, sich Benya dann verhalten wird bis zu allerletzter in der Funktion
zu bleiben. Die Welle immer neue Leute und jüngere zu präsentieren,
hat es im Gewerkschaftsbund überhaupt nie gegeben und wenn jemand
ganz besonders gedrängt hat in diese Funktion zu kommen, wie z.B.
Olah, dann war die Gegenbewegung um so stärker Böhm bis zu seinem
Ableben in der Funktion zu lassen. Bei erfolgreichen Präsident
des Gewerkschaftsbundes aber auch Obleuten der Partei, ist in Wirk-
lichkeit ein Wechsel normaler Weise gar nicht notwendig und wird
auch gar nicht wahrscheinlich durchgeführt. Auch wenn die Betreffenden
dann sagen sie möchten nur mehr eine Periode im Amt bleiben, wird durch
ihre erfolgreiche Politik und Ergebnisse bei Wahlen, nur um so mehr das
Verlangen stärker sie zu überreden, dass sie eben in der Funktion
bleiben.
Bei der Betriebsversammlung in der NÖM traf ich den Obmann der Genossen-
schaft, der gleichzeitig ein alter Bauer ist. Er meinte nur im Einzugs-
gebiet der NÖM geht die Milchproduktion sehr stark zurück. Ich repli-
zierte natürlich sofort, dass dies auf die höheren Getreidepreise
oder Zuckerrübenpreise zurückzuführen sei, wodurch eben die grösseren
Bauern und um solche handelt es sich meistens bei der NÖM, in NÖ zur
viehloseren Wirtschaft sich zuwenden. Die Betriebsversammlung war
für mich kein Problem, es ist nur schade, dass ich viel zu wenig
Zeit habe, solche Versammlungen zu halten. Ich glaube wenn mich die
Leute das erste Mal hören, kommt mein Schmäh ganz gut an. Auf alle
Fälle gab es keine Diskussion nachher, was mich dann beim rausgehen
veranlasste den rückwärts sitzenden zu sagen, scheinbar sind sie
also doch mit allem einverstanden.
Die Überreichung der Fremdenverkehrsmedaille an Präsident Strand,
den derzeitigen Chef aller Hilton-Hotels, dann vor allem den offiziellen
Eröffnungsakt benützte ich, um Hilton zu danken, dass er dieses Hotel
jetzt in Wien errichtet hat. Für die österreichischen Hoteliers ist
es eine Konkurrenz und Dir. Scheiner, der eine Hotelkette in Wien
führt, meint sogar die Preise von Hilton seien derzeit unter der Gürtel-
linie. Er hat allerdings dafür Verständnis, weil er sagt, die müssen
jetzt als Einführung eben äusserst günstige Preise machen um das
Hotel zu füllen und gleichzeitig auch bekannt zu machen. Der wirkliche
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Finanzier Rosenstein, ein Österreicher, der sonst in der Schweiz
lebt, war auch anwesend und sehr stolz, dass es ihm nach 15 Jahren
doch gelungen ist, dieses Hotel hier zu errichten.
In unserer Sektionsleitersitzung auf der Landstrasse diskutierten
wir die letzten aktuellen politischen Ereignisse. Heindl berichtete,
dass der Kurier jetzt durch seine Politik einen Rückgang von
400.000 auf 220.000 verkaufte Exemplare feststellen muss. Dies wird
sicherlich Rückwirkungen nach dem Oktoberwahlen in der Geschäfts-
führung haben. Man nimmt an, dass Bacher im Kurier als neuer Chefredak-
teur einziehen wird. Ich glaube, das Pech vom Kurier ist, dass er erstens
einmal sich vielleicht wirklich zu viel für die ÖVP-Propaganda durch
besonders wohlwollende Information hergegeben hat und dass er zweitens
in eine Sparwelle der Bevölkerung hineinkommt. Die Reaktion kann
sein, dass durch jemand auf den Kurier verzichtet, ohne sich allerdings
eine andere Zeitung zu kaufen.
Beim Empfang des Bürgermeisters für den ÖGB-Kongress, teilte mir
auf meine Anfrage Stadtrat Hofmann mit, dass die in der Sektions-
leitersitzung so hart kritisierte Umfahrungsstrasse zur Entlastung
der Schlachthausstrasse noch im September offiziell vom Bauten-
minister, Bürgermeister usw. eröffnet wird. Er meinte nicht mit
einer gewissen Ironie, eine feierliche Eröffnung eines Provisoriums.
Der Betriebsratsobmann von Waldheim-Eberle hat mit seinen Direktoren
gesprochen wegen der Offsetmaschine. Das Strafverfahren ist einge-
leitet und angeblich sagt die Geschäftsleitung, es ist alles geregelt.
Es besteht keine Gefahr, dass die Produktion eingestellt werden muss.
Demgegenüber hat mir ein Bezirksrat mitgeteilt, dass die letzten
Erhebungen für die Umgebung nach wie vor ergeben hätten, dass der
Betrieb unbedingt eingestellt werden muss. Ich erklärte Peil, dass
das entscheidende ist, dass das Strafverfahren jetzt rechtskräftig wird.
Ich bin überzeugt, dass Waldheim-Eberle bis zum Verwaltungsgerichtshof
gehen wird. Einmal aber wird das Verfahren zu Ende sein und dann
werde ich auf Grund des Verfahrens keine andere Möglichkeit mehr
haben, als den Betrieb die Offset-Rotationsmaschine zu verbieten.
ANMERKUNG für WAIS: Was wissen wir jetzt über den Stand des Verfahrens.
Tagesprogramm, 16.9.1975
hs. Notizen (Tagesprogramm Rückseite)
Tagesordnung 178. Ministerratssitzung, 16.9.1975