Donnerstag, 18. September 1975
Fritz Mauthner weiss, dass er vor dem 5. Oktober keine Ausfuhrgenehmigung
für Zucker bekommen kann, möchte aber doch jetzt bereits die prinzi-
pielle Einstellung wissen. Ausser den 10.000 Tonnen Zucker den wir den
Ungarn als Retourlieferung geben müssen, könnte er noch 20.000 Tonnen
nach Jugoslawien exportieren. Der Zuckerpreis verfällt am Weltmarkt
ständig. Jugoslawien hat 10.000 Tonnen aus Übersee mit 7.30 Schilling
eingekauft. Die Ernte wird durch das Wetter bedingt mengen- und
digestionsmässig äusserst gut sein. Mit 400.000 Tonnen ist zumindestens
zu rechnen, wahrscheinlich wird der Zuckerertrag sogar 420.000 Tonnen
sein. Die Zitronensäurefabrik in Alt-Prerau hat auf Melasse umge-
stellt, nimmt fast überhaupt keinen Zucker mehr. Ich empfehle ihm
mit der Arbeiterkammer, Zöllner, zu reden und dort auch das Gespräch
zu beginnen. Das wir Zucker exportieren müssen war für mich vollkommen
klar und ich habe den Überschuss bei der sogenannten Zuckerkrise vor-
ausgesagt.
ANMERKUNG für WIESINGER: Bitte beim nächsten Jour fixe mit der Arbei-
terkammer Blaha und Zöllner daran erinnern.
Auf dem Getreidesektor wird weder ein Qualitätsweizen eingeführt werden
müssen, noch werden wir grössere Mengen Durum brauchen. Maximal schätzt
er einige tausend Tonnen die eingeführt werden müssen. Mauthner glaubt
nur, dass wir 60.000 Tonnen Braugerste einführen müssen, weil hier nicht
die notwendigen Mengen zur Verfügung stehen.
ANMERKUNG für REIM: Bitte im Landwirtschaftsministerium und Getreide-
fonds diese Angaben prüfen.
Zentralbetriebsratsobmann Brauneis von der VÖEST und seine Kollegen
intervenieren bei mir wegen weiterer Stahlimporte. Italien verkauft
unterpreisig Stahl 4.600 Schilling gegen 5.885 Schilling und Bau-
gitterstahl 6.000 Schilling gegen 6.900 Schilling. Ich frage mich
wieso die Mindestpreise auf Grund des EGKS-Vertrags unterschritten
werden können.
ANMERKUNG für REIM und WANKE: Oprschal von der Alpine müsste genau Be-
scheid wissen. Bitte prüfen.
Frühbauer interveniert, dass eine Fa. Habernik in Steindorf, Kärnten,
für 25 Millionen Schilling Haarnetze nach Syrien exportieren könnte.
Das Aussenministerium macht angeblich Schwierigkeiten, weil Syrien
eine kriegsführende Nation ist.
ANMERKUNG für GEHART und REIM: Vielleicht kann das Branchenreferat
bei einer anderen Bezeichnung die Lieferung ermöglichen.
Zentralsekretär Teschl hat gehört dass Schwierigkeiten sein sollen
beim Plafond für Papierexporte im Rahmen des EG-Vertrages zu erhöhen.
In den letzten Jahren wurde er immer überschritten. Für die Papier-
industrie ist dies von grösster Bedeutung. Ich verspreche ihm dass
wir uns sofort erkundigen werden und bemühen höhere Exportquoten zu
erreichen. Bei dieser Gelegenheit erfahre ich dass Leykam in
Grossbritannien zu Preisen exportiert hat, wo jetzt die Engländer eine
Importsperre erwägen. Teschl möchte gerne wissen, ob diese Information
von Spiegelfeld richtig ist, resp. was unsere Botschaft in England da-
gegen unternehmen kann und soll.
ANMERKUNG für GEHART und REIM: Bitte sofort prüfen lassen und entspre-
chende Interventionen durchführen.
Bezüglich der Strukturänderung der Papierfabriken ergibt sich ein
neuer Gesichtspunkt. Turnauer dürfte nun bereit sein von der Neu-
siedler 50 % der Aktien an Borregaard Austria abzugeben, 25 % cash
ca. 150 Millionen Schillinge und 25 % durch Aktientausch, womit er
11 bis 13 % Borregaard-Anteil erwerben würde. Die N.Ö. Zellulose AG,
wo Kurz- und Langsulfatzellulose erzeugt werden soll, würde Neu-
siedler 25 % Anteil haben, Borregaard ebenfalls 25 % und die Giro und
Genossenschaftliche Zentralbank zusammen 50 %. Die Aufteilung ist
noch nicht endgültig. 120 bis 150.000 Jato Sulfatzellstoff sollen
erzeugt werden. Dadurch würde man sich den Import von 120 - 140.000
Tonnen, die 3,6 bis 4 Milliarden Schillinge kosten, ersparen. In
diesem Fall könnte man dann bei der Halleiner den beabsichtigten
Ausbau von 86.000 Tonnen auf 140.000 Tonnen unterlassen und dieses
Geld für die neue N.Ö. Zellstoff AG zur Verfügung stellen.
ANMERKUNG für REIM: Diese vertrauliche Mitteilung soll aber das
Branchenreferat ebenfalls vertraulich prüfen.
Angeblich sind die Freudenberg, die Besitzer der Nikelsdorfer Papier-
fabrik nach Angabe von Falkenberg dem Vertreter dort, bereit die
Haftung für 150 Millionen Schilling zu übernehmen. Die Länderbank
hat 79.5 Millionen Schillinge schon bereitgestellt und die CA sei
zu einem selben Betrag bereit, aber noch nicht endgültig entschieden.
Es könnte jetzt endlich die finanzielle Transaktion gemacht werden,
d.h. die Nikelsdorfer Fabrik mit Leykam verschmolzen.
ANMERKUNG für REIM: Auch diese Mitteilung vertraulich prüfen lassen.
Der Zentralsekretär der Textilarbeitergewerkschaft teilt mir mit,
dass nun für Merino Diallo als Käufer auftritt, wenn er aus Nigeria
78 Millionen Schilling transferieren kann.
ANMERKUNG für REIM: Bitte sofort prüfen und bei der Nationalbank
unterstützen.
Bei der Eröffnung der Betriebsstätte von Neckam in Wien, stelle
ich fest, dass sowohl der Schwechater Bürgermeister wo Neckam
bis jetzt war, als auch Stadtrat Mayr von Wien anwesend waren,
dass ein Betrieb einmal von NÖ nach Wien abgewandert ist. Ich
erkläre natürlich, dass ich mich nicht in die Landessstreitigkeiten
einmische, da ich für das ganze Bundesgebiet zuständig bin, aber
doch erwarte dass Wien mit seinem Umland, d.h. dem Land NÖ eine
bessere Koordinierung auch in Hinkunft wird haben. Stadtrat Mayr
hat mit Recht gesagt, entweder arbeiten die Länder alle zusammen und
werden Fortschritte machen, oder wenn sie sich gegenseitig bekriegen
gegenseitig auch natürlich dann in der Entwicklung behindern. Bei
der Eröffnungsfeier traf ich Oberhammer und erinnerte ihn an die
Zusammenkunft im Sachsengang. Er war sehr erstaunt davon von mir
jetzt überhaupt das erste Mal zu hören.
ANMERKUNG für WIESINGER: Zolles soll sofort klären und erklären,
wieso er diese Einladung von mir hat machen lassen, ohne vorher
auch nur abzuklären, ob die Herren überhaupt Zeit haben.
Die Budgetbesprechung bei Androsch dauerte zwei Minuten. Bindungen
werden viel mehr aufgehoben als wir erwarteten vom heurigen Budget
und im nächstjährigen war Androsch sofort bereit 15 Millionen Schil-
ling für die Fremdenverkehrswerbung mehr zu bezahlen und für die
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ausserordentliche Stärkeförderung anstelle von 25 Millionen wie
im heurigen Budget, 35 Millionen Schilling einzustellen. Ich
konnte dort mit Befriedigung erklären, dass wir durch unsere ver-
nünftige Budgetpolitik und vor allem der guten Vorarbeit zwischen
Kaber und Marhold niemals differente Auffassungen gehabt haben.
Ganz besonders aber unterstrich ich, dass, da ich die Budgetlage sehr
genau seit Jahrzehnten verfolge und seit unserer Regierungsübernahme
kenne, von meiner Seite niemals irgendwelche Forderungen an das
Finanzministerium herangetragen wurde. Trotzdem, dies sagte ich
natürlich nicht, haben wir noch immer so viel Geld, dass wir nicht
nur alles befriedigen können, sondern wenn es sein müsste, eigentlich
sogar noch wesentlich einsparen. Ich bin überzeugt, dass es in allen
anderen Ministerium genau so, wenn nicht sogar noch ärger ist.
Vielleicht allerdings sagt sich der Finanzminister in meinem grossen
Budgetloch spielen diese Dutzenden Millionen keine Rolle. Trotzdem
möchte ich nicht in seiner Haut stecken, wenn er die Sanierung dann
früher oder später wird in Angriff nehmen müssen Ich habe glaube
richtig gehandelt, dass ich mich immer ganz entschieden gegen ein
Ministerium, aber ganz besonders gegen das Finanzministerium gewehrt
habe. Das Landwirtschaftsministerium blieb mir ja durch die Ent-
scheidung von Benya und Waldbrunner erspart. Wenn ich so 5 1/2 Jahre
Revue passieren lasse, war es ja wirklich das Optimalste was mir
passieren konnte, nämlich eben das Handelsministerium zu bekommen.
Durch die Teilung zwischen Bauten- und Handelsministerium ein ver-
hältnismässig kleines Ministerium was das Budget betrifft, mit ver-
hältnismässig vielen Beamten bestückt, leider nicht gerade alle
sehr effizient einzusetzen und dann noch im ersten Jahr Zusagen von
seiten der Partei gegenüber den Freiheitlichen, damit sie dem Budget
zustimmen von Erhöhung des Gewerbestrukturgesetzes von 3 auf 5 %
des Gewerbesteuerertrages, dadurch und durch andere geschickte Mani-
pulationen erhöhte sich der Budgetrahmen von 300 Millionen auf fast
1 Milliarde. Ein grosser Erfolg ohne viel Anstrengung, wie ich
ehrlich zugeben muss.
Im ÖGB-Kongress übernahm ich auf Wunsch von Benya während der
Berichterstattung und Beschlüsse über die Anträge den Vorsitz. Vorerst
bin ich schon zu meiner Information zu den Beratungen gegangen und
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habe Millendorfer den Vorsitzenden dort agieren gesehen. Der Streit-
punkt war die Statutenänderung des Gewerkschaftsbundes, dass ein
Präsident oder Vizepräsident nur werden kann, wenn er in einer Leitungs-
funktion in einer Gewerkschaft gewählt wurde und dort während einer
Periode mindestens tätig war, oder ein Sekretär leitender Referent
einer Gewerkschaft 3 Jahre mindestens angestellt ist. Der Streit
ging in dieser Antragsprüfungskommission ob es rechtlich überhaupt
zulässig ist, jetzt eine diesbezügliche Änderung der Statuten zu
beschliessen und gleich wirksam werden zu lassen. Die christliche
Fraktion meinte, ein solches Statut wird erst durch Beschluss der
Vereinsaufsichtsbehörde rechtskräftig. Weissenberg versuchte zu
argumentieren, dass diese Bestimmungen im Vereinsgesetz nur dazu
dient, um die Mitglieder zu schützen, damit nicht ein Verein irgend-
welche Beschlüsse fassen kann, die dann zum Nachteil der Mitglieder
sofort in Kraft treten können. Bei der Wahl aber eines Präsidenten
oder Vizepräsidenten handelt es sich nur um eine interne Angelegenheit.
Wenn man jetzt nicht so vorgeht und es wird ein Vizepräsident gewählt,
der nicht diesen Bestimmungen entspricht, die Vereinsbehörde dann
aber die Vereinsstatuten ändert, wäre dies für den gewählten Präsi-
denten tragisch, denn er würde statutenwidrig amtieren. Wegen dieser
überlangen Diskussion musste sogar dann der Kongress auf eine halbe
Stunde unterbrochen werden, bevor ich dann ihn wieder eröffnete.
Zu meiner grössten Verwunderung bemerkte ich dann, dass Benya
Millendorfer auseinandersetzte, er hätte mit den christlichen, d.h.
insbesondere glaube ich Gassner vereinbart, dass diese Bestimmung
erst beim nächsten Kongress zur Anwendung kommen soll. Dies war dann
auch ein Grund, warum die christlichen Gewerkschafter dafür stimmten,
die Kommunisten die auch meinten man müsse auch Betriebsräten eine
Möglichkeit geben Vizepräsidenten oder Präsidenten zu werden, dann
aber darauf verzichteten, sondern nur eine Erklärung abgaben, so dass
diese Bestimmung mit allen Stimmen gegen einzige Stimme, den Delegier-
ten kenne ich persönlich aber nicht, beschlossen wurde. Millendorfer
wollte jetzt bei den über 120 Anträgen eine ziemlich genaue Begründung
und Litanei immer hersagen. Da ich wusste, dass die Delegierten darüber
nur verärgert werden, habe ich dann ziemlich rasch eine übliche Ab-
stimmung über die Anträge durchgesetzt. Dies ist der einzige Vorteil
des Vorsitzenden. Die Delegierten wussten mir das sehr zu danken,
überall hörte ich war man begeistert von meiner Vorsitzführung.
Abends haben dann die Delegierten der Lebensmittelarbeiter sich
zusammengesetzt. Bei dieser Gelegenheit erfuhr ich von unseren
Minderheitsfraktionen, unser KP-Vertreter Pospischil erklärte,
dass er mit der Vorgangsweise der SPÖ vollkommen einverstanden
ist, dass Gassner nicht gewählt werden soll und selbst die zwei
christlichen Gewerkschaftsvertreter meinten die beste Lösung wäre,
wenn die Sozialisten auf dem Stimmzettel anstelle von Gassner
Klingler schreiben würden. Unsere christlichen Vertreter waren
immer für Klingler und wollen den christlichen Gewerkschaftsflügel
auch innerhalb des ÖAAB stärken und erhalten. Ich erklärte ihnen
sofort, dass die sozialistische Fraktion erst morgen Beschlüsse
fassen wird.
Zur Verabschiedung von Kaltschew den bulgarischen Minister der
jetzt bei der VÖEST und bei den Edelstahlwerken war, ging ich ins
Hilton und habe ihm neuerdings auseinandergesetzt, dass es wichtig
ist, wenn wir zu grösseren Verträgen kommen wollen, dass sie von den
Kompensationsgedanken, 100 % Kompensation abgehen müssen. Kaltschew hat
dies auch zugegeben dass man eben überprüfen wird, welche Möglich-
keiten es gibt. Die Vereinigten Edelstahlwerke wollen auf einer
Zitronensäure-Know-how-Basis mit Bulgarien eine Lieferung nach
Syrien machen. Die Bulgaren verlangen dafür 20 Millionen Schilling
Lizenz, während Kahane von Alt-Prerau 80 Millionen Schilling
möchte. Ausserdem wollen die Bulgarien das Know-how einer Edelstahl-
produktion mit zig-tausenden Tonnen obwohl sie nur 1/10 davon im
eigenen Land verarbeiten können, eine Elektrodenfabrikberatung
die sie bereits haben, aber die scheinbar nicht richtig läuft und
vor allem eine Hochdruckarmaturen-Generalunternehmungvertretung der
die VEW auf 20.000 Tonnen. Ich bin sehr neugierig was dabei heraus-
kommen wird.
Tagesprogramm, 18.9.1975
hs. Notizen (Tagesprogramm Rückseite)