Mittwoch, der 26. November 1975

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Mittwoch, den 26. November 1975

Bei der Eröffnung zur 15. Generalversammlung des österreichischen
Reisebüroverbandes hatte ich Gelegenheit so wie bei der Hotelier-
vereinigung als erster Redner die Begrüssungsansprache zu halten.
Selbstverständlich wurde diese dazu von mir benützt, um einerseits
die erfolgreiche Fremdenverkehrspolitik des Handelsministeriums
neuerdings herauszustreichen und andererseits die Organisation
zu loben, weil sie so eng mit uns kooperiert. Würzl hatte mir
sehr gut zusammengestellt alle Leistungen die wir den Reisebüros
sei es im Handelsministerium, Gewerbeordnungsvorschriften, sei es
bei der österreichischen Fremdenverkehrswerbung, Verkaufswerbung
erbringen. Andererseits aber unterstrich ich unsere Politik hin-
sichtlich der Reisebürobeschwerdekommission, die sehr erfolgreich
agierte. Mein Argument, dass nur 250 Beschwerden seit 1972 als
sie gegründet wurden kamen, die meistens im Kulanzweg bereinigt
werden konnten, fand allgemeine Zustimmung. An diesem Beispiel
konnte ich demonstrieren, dass ich nicht ein reiner Konsumenten-
minister bin, sondern eben durch gute Einrichtungen eine Branche
von unberechtigten Vorwürfen bewahren könne.

Bei der Vorbesprechung im Klub zum Finanzausschuss hatte ich die
Idee, ob sie gut war weiss ich nicht, ich hatte sie nicht über-
schlafen wie dies sonst immer mein Prinzip ist, Leiter der Sektion
die man zu einer Fraktionsbesprechung einladen konnte, ins Parla-
ment zu bitten, damit sie die Abgeordneten und umgekehrt diese die
Sektionsleiter kennenlernen. Ich bin überzeugt es hätte niemand
etwas dagegen eingewendet, wenn ich so wie dies bei meinen Amts-
,vorgängern der Fall gewesen ist, alle die mit irgendeiner Materie
im Haus als Referenten beschäftigt sind, wenn diese Materie im
Parlament zur Sprache kommt auch vorher zu Fraktionsbesprechungen
eingeladen hätte. Ich habe dies aber deshalb nie gemacht, um nicht
jemand ins Dilemma oder gar Gewissenskonflikte zu bringen. Der neutrale
Beamte, oder gar der Beamte der einer politischen anderen Richtung
angehört sollte meiner Meinung nach niemals in einen Gewissenskonflikt
kommen. Die generelle Einstellung dazu war immer, dass ja nicht
im Entferntesten bei einem Beamten der Eindruck entstehen soll, dass
man ihm direkt oder indirekt durch solches Heranziehen seiner poli-
tischen oder neutralen Überzeugung zu etwas zwingt, was er nicht will.



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Die Fraktionsbesprechung war verhältnismässig kurz, fast von
weniger Abgeordneten beschickt als Sektionschefs dort waren,
weil gleichzeitig überraschend der Hauptausschuss zu demselben
Zeitpunkt einberufen wurde und dort als es sich um Kampfabstim-
mungen auch handelte, Abgeordnete anwesend sein mussten. Auch
ich wurde von Robert Fischer zur Führung der Verordnung über
den Zuckerexport, die wir bereits in der vorhergehenden Legis-
laturperiode dem Parlament zugeschickt haben, dort aber nicht
mehr verhandelt wurde, in den Hauptausschuss gebeten. Vor der
Tür wartete schon bereits Soz.Min. Häuser, denn kein Minister
darf ausser zu seinem Tagespunkt in den Hauptausschuss hinein.
Dies hatte ich nicht gewusst, finde es also mehr als komisch,
doch sieht angeblich die Praxis, vielleicht sogar die Ge-
schäftsordnung vor, dass der vertrauliche Hauptausschuss eben
nur von seinen Mitgliedern und den davon betroffenen Minister
besucht werden darf.

Ich nutzte die Gelegenheit um Häuser gleich von der Vorsprache
Iglers zu informieren und wir einigten uns darauf, dass so wie
bisher ich Häuser die Zweckmässigkeit des Textilprojektes Ost
nach Vorlage des Prüfungsberichtes informieren werde. Er selbst
wird Igler nicht im unklaren lassen, dass ein entsprechende
Sozialplan vorliegen muss und vor allem die Eigentümer noch
einen entsprechenden Beitrag ebenfalls zu leisten haben.

Das Mittagessen vom Europainstitut mit Exekutiv-Direktor Ulf
Lantzke
von der Internationalen Energieagentur war sehr ergie-
big. Lantzke berichtete freimütig über Schwierigkeiten die sich
bei der Dialogvorbereitung und natürlich jetzt ganz besonders bei
dem Aufbau der Organisation in der Agentur ergeben haben. Ich
glaube er hatte auch volles Verständnis für die Schwierigkeiten
die es bei uns in Österreich gibt und sagte uns zu, dass wenn wir
nicht genug Beamte haben um sie nach Paris zu schicken, er gerne bereit
ist gegebenenfalls seine Referenten nach Wien zur Information zu
schicken, wenn sie eingeladen werden. Lantzke der vorher im Bonner
Wirtschaftsministerium tätig war, hat sofort als Anknüpfung da-
rauf verwiesen, dass ich seinerzeit mit ihm indirekt schon in
Kontakt war, als ich Staatssekretär Arndt und dann auch Minister
Friderichs in Energiefragen intervenierte. Die beamtenmässige Er-
ledigung hatte nämlich Lantzke zu machen. Am Abend war der Vor-
trag von ihm im Hotel Hilton wirklich sehr gut besucht und sehr


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interessant. Mit dieser Veranstaltung hat sich das Europa-
institut allen Eingeladenen in Erinnerung gebracht. Ich glaube
dass wir solche gelungene Veranstaltungen, wichtige Leute zu einem
Vortrag herzubringen, noch wichtiger aber dann ihnen die Chance
zu geben mit den entsprechenden österreichischen Stellen zu dis-
kutieren, mehr nützen sollten. Allerdings ist die Voraussetzung
dass der Betreffende deutsch spricht.

ANMERKUNG für WANKE: Bitte berichte mir dann was die ganze Ange-
legenheit gekostet hat.

Im Handelsausschuss wurde bei der Einsetzung des Unterausschusses
für die Energiesicherung und dann ganz besonders im Unterausschuss
selbst eine harte Diskussion über den Arbeitsplan geführt. Die
ÖVP, insbesondere Mussil will unter allen Umständen die Energie-
sicherung mit den Wirtschaftsgesetzen koppeln. Er sieht darin eine
einzige Möglichkeit den Plan, die Preisregelung und Marktordnung
einfach gesetzlich zu schliessen, zu konterkarieren. Er geht selbst
das Risiko ein den Vorwurf zu erhalten, dass wir die internationalen
Verpflichtungen nicht erfüllen können. Als einzige Gegenmassnahme
sehe ich die Möglichkeit die kurzfristigen Notstandsmassnahmen
die die internationale Energieagentur beschlossen hat, insbesondere
die Errichtung von 70 Tage Freiheitslager durch Nichtfestsetzung des
Rohstoffpreises und durch Erfassung von Vorräten auf Grund des
Aussenhandelsgesetzes, ihm zu einer Entscheidung vor Verhandlung
und Beschlussfassung über die Wirtschaftsgesetze zu zwingen.
Er verlange und erwarte dringend eine endgültige Entscheidung, ob
wir das Aussenhandelsgesetz dazu heranziehen können, in kürzester
Zeit.

ANMERKUNG für WANKE und GEHART: Da Zluwa angeblich Bedenken hat,
bitte eine Sitzung mit ihm und Frank einzuberufen.

Im Budgetausschuss Kapitel Handel hatte glaube ich mein System in
jeder Beziehung einen guten Erfolg. Häuser hatte mit dem Finanz-
ausschuss eine grössere Auseinandersetzung als er gegen die ter-
minisierte Vorlage von Beantwortung schriftlicher Fragen remonstrierte.
Er meinte dies wahrscheinlich sogar zu Recht, dass diese Fragebeant-
wortung eine schriftliche ist und deshalb 2 Monate ihm laut Ge-
schäftsordnung dafür Zeit zur Verfügung steht. Wenn es keine schrift-
liche ist, dann verlangt er die Vorlösung dieser Fragen, was natür-


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lich eine gewisse Zeit in Anspruch nahm. Da aber die Abgeord-
neten so schnell als möglich ihre Pflichtübung über die Bühne
bringen wollen, sind sie an langen Sitzungen des Ausschusses
gar nicht interessiert. Dass die Opposition eine solche Haltung
einnimmt, ist mir unerklärlich. In Wirklichkeit müsste sie durch
Detailfragen ganz systematisch den Minister bis ins Letzte, um
aus praktisch drastisch zu sagen, auszuziehen. Darüber hinaus hatte
ich, solange wir in der Opposition waren, immer die Gelegenheit be-
nützt um nicht nur den Minister zu attackieren, sondern auch gleich-
zeitig aus die Regierungsparteivertreter. Im Parlament ist jetzt
aber alles richtiggehend formalisiert. Die Redner werden zu den
Runden, es gibt nur deren zwei, immer eingeteilt. Wenn der Minister
ganz kurz antwortet sind alle zufrieden. Mein seinerzeitiger Vor-
schlag, dass ich als Minister bereit bin sofort auf jede Frage
zu antworten, wurde von der ÖVP abgelehnt. Trotzdem fasse ich mich
nach jeder Runde, wo dann der Minister aufgefordert wird zu den auf-
geworfenen Problemen und Fragen Stellung zu nehmen, sehr kurz.
Dadurch wurde der Wunsch der ÖVP um 17 Uhr soll fertig sein, d.h.
der ganze Ausschuss nur 3 Stunden dauern, auf die Minute Rechnung
getragen. Zwei Fragen konnte ich nicht sofort beantworten und
hätte eine Unterstützung durch die Beamten gerne gehabt. Leider
waren auch die nicht imstande eine so schnelle Antwort mir vor-
zubereiten. Die eine Frage war die genaue Aufteilung des Benzinpreises
wäre ich in meinem Büro gewesen, hätte ich die Unterlagen sofort
hinter mir griffbereit gehabt – und die zweite war ein angebliches
Holzimport gegen Stahlexportgeschäft in einen Oststaat. Die wirk-
lich einzig interessante und brisante Frage war aber von Suppan,
ob ich tatsächlich einen Parteisekretär ins Ministerbüro nehme. Die Frage
kam mir aber nicht ungelegen, da ich eben bei dieser Gelegenheit
wenn ich so sagen darf, dem Hohen Hause Meldung machen konnte.
Für mich ist das nur ein weiterer Beweis, dass die ÖVP die Büro-
politik unter einen schärferen Beschuss nehmen wird. Dies war
bereits schon einmal der Fall, als ich das Büro ganz anders auf-
baute, als dies bisher üblich war. Damals hatte ich auch dezidiert
erklärt und dies sogar Kreisky gegenüber, dass ein Büro eine poli-
tische Einrichtung und Institution für mich ist. Für mich war es
auch ganz klar, dass ich mich in dieser Beziehung von keiner Über-


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legung und Bedenken, dass dies vielleicht doch nicht zweckmässig
oder gar ungesetzlich ist, beeinflussen lasse. Der Minister hat ein
Recht seine politische Überzeugung dezidiert gerade über sein Büro
dem Haus nicht aufzuzwingen, aber klarzulegen. Dazu kann er sich und
ich glaube sogar muss er sich einer Transmission, wie Wanke dies
1970 schon richtig bezeichnet hat, bedienen. Auch damals hat es
zuerst eine grössere Aufregung über diese Neueinführung gegeben,
dann hat man sich aber sehr bald daran gewöhnt. An meiner Absicht
und Politik hat sich seit diesem Zeitpunkt nichts geändert.

Durch einen reinen Zufall habe ich über dieses Problem auch mit
Reim am Abend noch ganz kurz gesprochen. Reim meinte er sieht dies
vollkommen ein, ist deshalb auch einverstanden sich, wenn man so
sagen kann vom Stab in die Linie zurückzuziehen. Er meint nur –
und da gebe ich ihm vollkommen recht, dass man ihm eine Übergangs-
zeit einräumen sollte. Ich würde sogar sagen – müsste. Da wir
ja wissen, wie im Haus alles mit Argusaugen betrachtet wird, halte
ich seinen Vorschlag, noch eine gewisse Zeit, durch paar Wochen
hindurch sein Zimmer zu behalten, für zweckmässig. Ich habe ihm
empfohlen mit Wanke, der seit der Arbeiterkammerzeit und vor allem
schon dort die Organisationsschemata immer ausarbeitet, im Detail
auch dieses Problem noch zu besprechen.

ANMERKUNG für GEHART UND WANKE und REIM: Bitte sucht eine zweck-
mässige Übergangslösung.

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Tagesprogramm, 26.11.1975


Tätigkeit: BRD-Wirtschaftsminister
GND ID: 118535498


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    Tätigkeit: SChef HM
    GND ID: 12195126X


    Einträge mit Erwähnung:
      Tätigkeit: Gen.Sekr. HK, ÖVP-NR-Abg., später AR-Präs. Verbund


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        Tätigkeit: Beamter HM


        Einträge mit Erwähnung:
          Tätigkeit: Bundeskanzler
          GND ID: 118566512


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            Tätigkeit: GD Int. Energieagentur


            Einträge mit Erwähnung:
              Tätigkeit: Chef Energiesektion


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                Tätigkeit: MR, Leiter Gruppe FV u. Gewerbeförd. HM


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                  Tätigkeit: Vizekanzler, Sozialminister


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                    Einträge mit Erwähnung:
                      Tätigkeit: Beamter HM


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                        Tätigkeit: erst Sekr. Pittermann, dann Klubsekr. [1971 im Klub Mitarb. von Heinz Fischer?]


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                          Tätigkeit: IV, GD Wr. Schwachstromwerke (WSW)


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