Montag, 22. Dezember 1975
Beim Jour fixe war zuerst nur Mussil anwesend. Seine erste Be-
merkung war, daß ein Österreicher hätte mit den Geiseln mit-
fliegen sollen. Er war sehr überrascht zu hören, daß die Terroristen
überhaupt nicht mit Österreichern direkt verhandelten, ja nicht
einmal mit dem Arzt wegen ihres verwundeten Kollegen sprachen.
Mussil intervenierte wegen des eingestellten Möbelpreises auf
der Kölner Messe. Ich erklärte ihm, daß eine neue Kombination mit
den österreichischen Möbelpreis und vor allem die Auszeichnung
in Österreich selbst wünschen und nicht auf einer ausländischen
Messe in Köln.
ANMERKUNG für PLESCH: Bitte auch mit Jodlbauer Kontakt aufnehmen,
um neue Form zu finden.
Neuerdings beschwerte er sich und intervenierte wegen Dr. Keller
eines Artikel im Kurier über die Konsumentenpolitik resp. Konsumenten-
schutzgesetz. Ihm kommt es weniger auf den Inhalt an, als auf die
Tatsache, daß Keller bevor noch Besprechungen begonnen haben schon
seine ganze neue Politik in einem Kurierinterview der anderen Seite
präsentiert.
ANMERKUNG für TIEBER: Bitte mich gelegentlich bei Treffen Keller
daran erinnern.
Die SPÖ-Frauen haben eine Umfrage gestartet, um Konsumenten die
getäuscht wurden zu erfassen und aufzufordern, sich bei den SPÖ-
Frauen zu beschweren. Mussil protestiert gegen diese Verleumdung,
wie er sich ausdrückt, und meint wenn eine Popularklage möglich
wäre, wie es die Handelskammer immer gefordert hat, würde er diese
jetzt durchführen. Er verlangt von mir, daß ich sofort bei den
SPÖ Frauen interveniere. Ich erkläre mich maximal bereit der SPÖ
vorzuschlagen die Unterlagen und insbesondere Beschwerden der Handels-
kammer zur Kenntnis zu bringen, damit sie so schnell als möglich
berechtigte Mitteilungen abstellt.
ANMERKUNG für TIEBER: Wenn die Ergebnisse es zulassen, bitte diesen
Direktbeschwerdeweg mit Demuth und mir besprechen.
Mussil und anschließend dann, als Sallinger dazukommt, beschwert
sich, daß angeblich eine Sekretärin von Fälbl bei einer Sekretärin
in der Handelskammer angerufen hat, um für Minister entsprechende
Geschenke zu bekommen. Ich kontere sofort, daß dies nur darauf
zurückzuführen sei, weil bis jetzt noch immer keine Vereinbarung
zwischen Meisl und Reiger zustandegekommen ist, ja nicht einmal
noch die Verhandlungen begonnen wurden. Mussil und dann auch
Sallinger bestätigen, daß im Jänner sofort dieses Problem in
Angriff genommen werden muß. Neuerdings nehmen sie zur Kenntnis,
daß ich keinerlei Geldzuwendungen wünsche, womöglich auch keine
Rechnungen bezahle, vorstrecke, oder auch nur Einfluß nehmen will,
was und wie geschenkt wird. Wenn eine notwendige Einladung eines
Ministers erfolgt, dann müßte sich automatisch ergeben, wie der
Besuch abzuwickeln ist resp. die Handelskammer mir ein ent-
sprechendes Präsent zur Verfügung stellen. Sie hätten über den
Handelsdelegierten viel mehr die Möglichkeit den richtigen Wunsch
zu erraten und die Bedeutung des Geschenkes dem Gast anzupassen.
Ich will damit nichts zu tun haben. Bei uns im Handelsministerium
wird es Ottahal nur genau registrieren, damit wir einen Überblick
über alle Präsente so wie in der Vergangenheit genau führen. Sallinger
meint, sie müßten unbedingt vorher noch mit Kandutsch sprechen,
da dieser jetzt hart attackiert wird, befürchtet er große Schwie-
rigkeiten mit ihm.
Beim nachfolgenden Pressegespräch wird nur Farnleitner teilnehmen
und nicht der Fachverband, Sekretär Kraus , mit dem selbst die
Bundeskammer größere Schwierigkeiten hat. Ich erkläre sofort wir
haben nur die Handelskammer eingeladen und die kann bestimmen, wer
kommt.
Zwecks Benzinpreisantrag und Energiesicherung meint Mussil, daß
er sich jetzt in die Verhandlungen der Internationalen mit der ÖMV
und der Privaten einschalten muß, damit endlich dieses Problem
geklärt werden kann. Mussil macht jetzt so, wie wenn er seit eh
und je für eine friedliche Lösung gewesen wäre, meint sogar, er
hätte sich sehr eingesetzt, daß es nicht zu Versorgungsschwierig-
keiten wegen des nicht erledigten Preisantrages 1.1. kommt. In
Wirklichkeit bin ich überzeugt, hat er vielleicht nicht die Tank-
stellen und deren Vertreter aufgefordert, Maßnahmen zu setzen,
war aber sicherlich einverstanden, daß über eventuelle Ver-
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sorgungsschwierigkeiten die man schaffen würde die Öffentlich-
keit alarmiert würde, um mich unter Druck zu setzen. Daß dieser
Plan jetzt zusammengebrochen ist, veranlaßt ihn, mehr den je
zu sehen, daß es zu einem Kompromiß zwischen den Internationalen
und der ÖMV kommt, weil er als gespaltene Meinung der Handelskammer
bei den Verhandlungen dann nur noch schwächer wird. Er beschwert
sich auch, daß Staudinger jetzt so viele Verhandlungstermine über
das Energiesicherungsgesetz in so kurzen Abständen vereinbart hat.
Seiner Meinung nach müsst , wenn eine grundsätzlich Lösung bis
20. Jänner in der Handelskammer gefunden ist, sofort bei der ersten
Sitzung die Experten darüber berichten und dann bräuchte man einen
größeren Abstand um eine gesetzliche Formulierung zu finden. Dies
erwidere ich ist gegebenenfalls in Nachsitzungen zu bewerkstelligen.
Irak unterbietet derzeit den internationalen Ölpreis und deshalb
ist die ÖMV bevorzugt. Mussil meint, dies hätte bei der OPEC Sitzung
bereinigt werden sollen, die ja jetzt so tragisch geendet hat und
natürlich nichts abschloß. Weiters glaubt Mussil, daß wir mit der
Außenhandelsgesetznovelle verfassungswidrig vorgegangen sind, da
wir keine Importauflagen im Sinne der Lagerhaltung machen dürften.
Spaßhalber wies er darauf hin, daß er mich neuerdings vereidigen
lassen wird, damit ich endlich die Verfassung einhalte, da einmal
scheinbar nicht genügte. Ich beruhigte ihm, daß ich bereits 5-mal
als Minister und ein halbes Dutzend mal als Abgeordneter vereidigt
wurde, und daß mir niemand mein verfassungsmäßiges Vorgehen
in Erinnerung rufen muß. Ich glaube nur, daß wir sehr wohl diesen
Schritt machen müssen, weil eben Mussil alles verzögert und wir
durch den internationalen Energieagenturvertrag international ver-
pflichtet sind die Durchführungsgesetze zu erlassen. Mussil unter-
streicht neuerdings, daß er das Ganze in ein Paket mit den Wirt-
schaftsgesetzen schnüren wird. Selbst ein Hinweis, daß Koren be-
reits erklärt hat, es müßte ein unbefristetes Gesetz werden, läßt
er nicht gelten.
Ich verlange von Sallinger und Mussil sofort in den ersten Jänner-
tagen ein Gespräch zwischen Gewerkschaftsbund und Handelskammer
bei mir über das Berufsausbildungsgesetz. Beide stimmen zu, ersuchen
nur, daß ich wegen des Arbeitsmarktförderungsgesetzes mit Häuser
spreche, damit auch er bereit ist auf Sozialpartnerebene dies zu
verhandeln.
ANMERKUNG für WIESINGER: Bitte mit Häuser und anschließend mit
Benya Verbindung herstellen, damit ich mit letzterem Termin ver-
einbaren kann.
Rief wird zugezogen, um die Preisfragen zu besprechen. Bei Gas ist
Mussil einverstanden gewesen, daß die 7.7 %, die ja unter die 8 %
von der Sozialpartnern in Aussicht genommenen liegen, einver-
nehmlich beschlossen wurden. Mussil stimmt mir zu, daß es zweck-
mäßiger ist, durch langwierige Verhandlungen zu einer einvernehm-
lichen Lösung zu kommen, als daß ich gegen die Interessensvertre-
tungen einen Preis festsetze. Mussil weiß genau, daß ich in den
meisten Fällen dann automatisch gegen die Handelskammer entscheiden
würde und wenn er sich dies ruhig überlegt wünscht er es nicht.
Manchmal natürlich, wenn er mit seinen Mitgliedern größere Schwierig-
keiten bekommt, denkt er sicherlich daran, es wäre ihm lieber
der Handelsminister würde gegen die Handelskammer einen tieferen
Preis festsetzen, als letztens im Kompromiß herauskommt. Be-
züglich des Elektrizitätspreises ist er einverstanden, daß mit
1.3. ein Akonto und mit 1.1.77 dann der endgültig vereinbarte
Preis jetzt schon verhandelt wird. Bei der fraktionellen Be-
sprechung mit den Betriebsräten und Direktoren der Elektrizitäts-
wirtschaft, hat Jagoda zuerst Bedenken, daß wir einen Preis der
über die derzeitige Gesetzesdauer des Preisregelungsgesetzes, näm-
lich 30. Juni hinausgeht, beschließen. Jagoda gibt allerdings zu, wenn
es möglich ist die Interessensvertretungen zu dieser Vorgangsweise
zu gewinnen, dann wird man auch einen Weg finden, der de facto
über den 30. Juni hinaus diese Etappenlösung ermöglicht.
Ich kündige der Handelskammer an, daß ich nicht bereit bin, da wir
seit 1972–1975, 1.07 Schilling den Durumweizen erhöht haben, jetzt
neuerdings um 57 Groschen zu erhöhen. Ich beabsichtige so wie bei
Zucker und Gemüse, daß die 6 Nudelerzeuger mit den halben Dutzend
Mühlen die Durum überhaupt vermahlen können und den landwirtschaft-
lichen Genossenschaften, resp. Bauernvertretern, eine entsprechende
Kontrahierungs- und Abnahmeverpflichtung eingehen sollen. Rief
meint sofort das sei nicht möglich, weil auf Grund des Markt-
ordnungsgesetzes bei Importen die amtlichen Preise, bezüglich Zu-
schüsse und Abgaben notwendig sind. Sofort erwidere ich, daß auch
die Marktpreise auf Grund des Marktordnungsgesetzes herangezogen
werden können, wie dies z.B. bei Vieh schon jahrzehntelang ge-
schieht. Rief wird auf Auftrag von Mussil dieses Problem mit den
Beteiligten in der Handelskammer besprechen.
Mussil hat in der Zeitung gelesen, daß die Zuckerindustrie jetzt
beabsichtigt aus den Mehrerlösen einen Fond zu speisen, wogegen
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er größte Bedenken hat. Ich bin nur bereit über jedes Problem
mit der Zuckerindustrie und den Vertretern Arbeiterkammer und
Gewerkschaftsbund zu verhandeln, lege mich aber noch in keiner
Weise über die Zuckerpreispolitik fest.
Beim Journalistenfrühstück berichtet Büttner über die Margarine-
preissenkung und ich urgiere anschließend bei ihm unter vier
Augen, daß ich von der Unilever in absehbarer Zeit wegen der
Ölfabrik konkretere Verhandlungen wünsche. Büttner erklärt neuer-
dings, nächstes Jahr wird von Rotterdam der wichtigste Mann kommen
und ist sehr froh von mir zu erfahren, daß ich bereit mit ihm
ein Gespräch zu führen.
Die Kfz-Mechaniker-Stundenregelung interessiert sicherlich die Auto-
fahrer mehr, als bei dem Pressefrühstück letzten Endes darüber
gesprochen und diskutiert wird. Auer von der Wochenpresse, der
den Motorteil macht, zeigt reges Interesse. Der dritte Bericht
von Gröger über unsere Untersuchungen über die Metallbranche
stößt auf kaum größeren Widerhall. Bei den Pressefrühstücken
weiß man wirklich nicht was man immer präsentieren soll und
wie dann die einzelnen Themen ankommen.
Den größten, aber wahrscheinlich auch extremst, durch die Sache
bedingten Unterschied kann man dann bei der Pressekonferenz von
Kreisky, an der ich als Außenminister-Vertreter teilnehme fest-
stellen. Innerlich bin ich aber sehr froh, daß ich nur meine Art
des Pressefrühstücks habe, weil es natürlich wesentlich weniger
publicity hergibt, dafür aber auch unvergleichlich weniger an-
strengend ist.
Nach der Überreichung von Dekreten und insbesondere der Verabschie-
dung der Pensionisten, fragt mich, als ich mit ihm rausgehe Schipper,
ob ich ein Mißtrauen gegen ihn habe, weil ich ihn nicht in die
Ausschreibungskommission entsandte, wie dies der Bautenminister tut.
Ich erkläre ihm plausibel, daß er doch in 2 Jahren in Pension geht
und die beiden Sektionschefs mit den neuen Mann jahrzehntelang
zusammenarbeiten müssen und sich deshalb die Bewerber sehr genau
anschauen sollten und entscheiden müssen. Schipper ist sehr beruhigt
zu erfahren, daß es sich nicht um ein Mißtrauen gegen ihn handelt,
sondern um eine reine Zweckmäßigkeitsfrage. Ich erkläre ihm frei-
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mütig, daß auch die Handelskammer immer einen entsprechenden
Einfluß auf die Bestellung wünscht und mir sogar indirekt poli-
tische Motive unterschiebt. Ich habe aber, so sage ich zu Schipper,
mich weitesgehendst an die Vorschläge die mir unterbreitet wurden ge-
halten und möchte dies auch in Hinkunft tun. Mit diesen Äußerungen
muss er indirekt verstanden haben, den Grund warum ich die Kommis-
sionszusammensetzung eigenhändig auf den Akt der Ausschreibung
festgelegt habe.
Der Dienststellenausschuß des Patentamtes hat jetzt den Vorsitz
gewechselt. Der alte Obmann meinte, sie kämen aus verschiedenen Lagern,
der jüngere sei aber tüchtig genug, um jetzt die Arbeit fortzu-
setzen.
ANMERKUNG für PLESCH: Bitte in Hinkunft vor der Aussprache mich
über die Zusammensetzung genauer informieren.
Den Zentralausschuß des Handelsministeriums kenne ich sehr genau
und die Aussprache war sofort sehr konkret. Engelmayer meinte es
gäbe jetzt ein Papier, daß sie in kürzester Zeit bekommen sollten
über Änderung der Zusammenarbeit zwischen Personalvertretung und
mir. Ich wußte nicht, um was es sich im konkreten handelt und was
er im einzelnen will und wir kamen deshalb überein, da ich sowieso
unter Zeitdruck stand, im nächsten Jahr eine ausführlichere Bespre-
chung zu halten.
ANMERKUNG für WANKE: Handelt es sich hier um die erfolglosen
Rationalisierungsvorschläge?
Der Zentralausschuß wünscht auch weiterhin bei den Ausschreibungen
zeitgerecht über den Text informiert zu werden und mit mir darüber
Gespräche zu führen. Dies sagte ich zu, weil ich ja auch bevor
das Ausschreibungsgesetz existierte bereits diesen Weg begangen
habe. Engelmayer urgierte neuerdings, im Hinblick auf die Terror-
anschläge, im Haus mehr für die Sicherheit zu tun. Ich erwiderte
zwar dafür im Bautenministerium der verunglückte Seidler und bei
uns Schleifer als Sicherheitsbeamte zuständig sind und dies mit
der Bundespolizei auch ständig besprechen. Ich glaube aber, daß
es wirklich notwendig ist, die Engelmayer-Forderung, daß man da-
rüber reden muß, zu erfüllen, weil wenn einmal etwas passiert,
dann die ÖVP sofort sagen wird, Engelmayer hat dies schon immer
gefordert und der Minister nicht darauf reagiert.
ANMERKUNG für PLESCH: Bitte beim nächsten Büro-Jour-fixe unter uns
besprechen und dann schriftlich Schipper von der Intervention Engel-
mayer's berichten.
Engelmayer kritisiert, und dies mit Recht, wie ich sofort zugebe,
daß in den letzten Monaten um nicht zu sagen Jahre, die Büro-
und Geschäftseinteilung sehr unklar war, zeitweise überhaupt nicht
existierte. Dadurch wußte man im Haus nicht, an wen man sich wenden
soll und wer für was zuständig ist. Ich versprach ihm, spätestens
mit l.l.nächsten Jahres die endgültige und wie ich hoffe auf längere
Zeit gültige Geschäftseinteilung.
ANMERKUNG für WANKE: Bitte zeitgerecht dem Zentralausschuß speziell
mitteilen.
Bei der Unterzeichnung zwischen der österr. Botschaft, der Japaner
und Meisl über die weitere Vorgangsweise auch des Artikels 35 GATT
ergab sich die Möglichkeit einer längeren Diskussion mit dem neuen
Botschafter. Meisl und ich versicherten, daß wir Verständnis dafür
haben, daß die Japaner im nächsten Jahr erwarten, daß endlich
die Diskriminierung durch Anwendung des Artikel 35 GATT wegfallen
soll. De facto gaben sie zu, würde sich nicht viel ändern, doch
für sie ist es ein prinzipielle Problem. Ich versuchte ihnen klar
zu machen, daß wir gewisse Absicherungen, wenn auch nicht in
einem Vertrag, so doch in irgendeiner Form bekommen müßten um
in sensiblen Sektoren wie z.B. Bekleidung und Textil einen gewissen
Schutz zu bekommen. Die Wiener werden dies nach Tokio melden.
Im Kontaktkomitee Elektrizitätsdirektoren und Betriebsräte brachte
ich im Hinblick auf die zu erwartende Strompreiserhöhung die zusätz-
lichen Wünsche zur Sprache. Natürlich gab es dann ein stundenlanges
Palaver. Konkret wurde in jedem Fall nur vereinbart, daß die be-
gonnenen Kontakte zwischen den Landesgesellschaften und Verbunden
z.B. in der Frage Errichtung von Voitsberg III, des Pools der
Wärmekraftwerke usw. verschiedene Auffassungen gibt. Diese sind
fraktionell sicherlich nicht zu lösen, sondern sind eben Stand-
punktdifferenzen zwischen den Landesgesellschaften, ob sozialistisch
oder ÖVP geführt und der Verbundgesellschaft. Ich erklärte mit
aller Deutlichkeit, daß Voitsberg III Priorität I hat, ganz un-
abhängig, ob für das zweite Kernkraftwerk vor 80 oder erst nachher
ein Baubeschluß gefaßt wird. Das gewisse Kohlenprobleme dabei
existieren ist mir klar, wenn wie sich aber jetzt herausstellt, ein
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Kernkraftwerk ausfallen würde, oder jetzt um ein Jahr später
in Betrieb geht, wir einen kalten, oder besser gesagt einen
kälteren Winter haben, dann zeigt sich deutlich, daß wir dringend
diese Reserven brauchen.
Bezüglich der Reorganisation der Kernkraftwerksgesellschaften
sind wir uns alle einig, daß eine Konzentration erfolgen soll.
Strittig ist nur, ob tatsächlich dann in der einen Gesellschaft
der Bund 51 % haben sollte, was zweckmäßig ist, aber kaum zu er-
reichen ist, weil die Landesgesellschaften jetzt mit 50:50 natür-
lich einen wesentlich besseren Einfluß haben. Auch die Kapitalform
Ges.m.b.H. oder AG ist noch nicht ganz klar. Beide Maßnahmen, davon
bin ich überzeugt, kann ich nur im Zusammenhang mit der Energie-
preiserhöhung erreichen. In diesem Fall sind die Gesellschaften
verpflichtet, sich mit mir gut zu stellen und ich kann einen gewissen
Druck ausüben, den ich allerdings sofort erkläre, offiziell niemals
zugeben würde.
Die Betriebsräte beschweren sich bitter, daß es so wenig Kontakt
zwischen den Direktionen und ihnen gibt. Köck erklärt mir nachher
unter 4 Augen, daß sich dies wesentlich gebessert hat und daß es
bei meinem Amtsvorgänger nicht annähernd eine solche Zusammenarbeit
gegeben hat. Trotzdem glaube ich, und Frank hat dies übernommen,
müssen wir öfters die Arbeitsgruppe einberufen und wie seinerzeit
vereinbart oder in Aussicht genommen, einmal im Jahr die große
Arbeitsgemeinschaft. Dort handelt es sich allerdings nur um einen
so großen Kreis, daß konkret kaum mehr verhandelt werden kann,
sondern dort wird eben nur mehr berichtet.
ANMERKUNG für TIEBER: Bitte langfristig einen Termin festlegen
und ein Programm, daß dann aktuell sein kann, erstellen.
Dienstag, 23. Dezember 1975
Die Bundeskammer war nicht imstande den Mehrwertsteuererhöhungs-
satz den Mittelhandelsfirmen, auch den grossen Internationalen
oder ÖMV-Firmen Rückverrechnungsvereinbarung durchzusetzen. Des-
halb habe ich die Ölfirmen und diesen Mittelhandel geladen. Für
mich war schon faszinierend, dass diese Bezeichnung Mittelhandel
von der Handelskammer resp. von den betroffenen Gremium gewählt
wurde. Wir würden brutaler Weise Zwischenhandel sagen und ich
habe dies auch angedeutet, wobei ich sofort erklärte, dass es sich
doch nicht um eine im negativen Sinn sonst gebrauchten Zwischen-
handelsbegriff handeln dürfte. Tatsächlich aber ist es dem privaten
Handel gelungen, sich gegen die Internationalen und die ÖMV bis
jetzt zu behaupten indem der grösste Teil von ihnen sogenannte
Spot-Mengen, d.h. Gelegenheitsmengen zu ganz billigen Preisen
entweder importiert, oder scheinbar ich im Inland zukaufen be-
kommt. Dann beliefert er entweder auch seine eigenen Tankstellen,
die unter dem offiziellen Preis verkaufen oder er gibt an Tank-
stellen ab. Natürlich sind die Internationalen nicht bereit diesen
Diskonter oder Preisschleuderer, wie sie wahrscheinlich in der
Fachgruppe bezeichnet werden noch die Mehrwertsteuererhöhung zu
vergüten. Nach kurzen Verhandlungen war es deshalb möglich für die
langfristigen Vertragspartner, die entweder ihre eigenen Tankstellen
beliefern und dafür nicht sowieso auf Agenturpreissystem vertrags-
mässig abgesichert sind, zuzusichern, dass auch in jedem einzelnen
Fall die Mineralölgesellschaften bereit sind, die Umsatzsteuer-
erhöhung zu übernehmen.
Interessant war bei dieser Aussprache, dass Rief und auch der Ver-
treter des Ölhandels Widhalm, aber auch der Funktionär Komm.Rat
Schmied nicht imstande waren, die Ölgesellschaften davon zu über-
zeugen, dass der Vorschlag, den die Handelskammer bezüglich
der Energiesicherung Lageraufbau macht, tatsächlich den Mittelhandel
ausschaltet. Die Ölgesellschaften arbeiten jetzt an einem Projekt
wie man wir andeutete, welches auch der Mittelhandel akzeptieren
kann, weil es vollkommen wettbewerbsneutral ist. Ich appellierte
nochmals an die Handelskammer und an die einzelnen Gruppen sie sollte
versuchen zu einem Akkord zu kommen, weil letzten Endes davon
überhaupt die Benzinpreisregelung abhängt.
Ich setzte Dr. Rief klar und deutlich auseinander, dass ich nicht
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bereit bin, die Durum-Preiserhöhung durchzuführen. Rief hat auf
Grund meiner gestrigen Aussprache sofort mit den Mühlenvertretern
Kontakt aufgenommen und die lehnen eine Aufhebung der Preisregelung
entschieden ab. Ich verständigte dann noch die Präsidentenkonferenz
der Landwirtschaftskammer Lilge um ihm auseinanderzusetzen, ohne
natürlich seine Zustimmung zu erwarten, dass er mit seinen Leuten
über die Aufhebung der Preisregelung Durum-Weizen sprechen sollten.
Rief und Lilge wurden von mir verständigt, dass die Elektrizitätspreis-
erhöhung mit 1.3. akontiert und endgültiger Preis mit 1.1.77 im
jetzigen Preisverfahren schon fixiert werden soll. Mit diesem Vor-
schlag waren beide einverstanden und ich appellierte an sie, sie
sollten sich ebenso wieder bemühen einen einvernehmlichen Antrag
und Beschluss zustande zu bringen, wie dies auch beim Gaspreis der
Fall gewesen ist. Beide stimmten mir zu, dass es zweckmässig ist
zu Konsenslösungen zu kommen. Rückblickend muss ich zugestehen,
dass ich selbst eigentlich nicht mehr so recht geglaubt habe, dass
es beim Gaspreis gelingen wird. Ich habe deshalb auch bei der Unter-
schrift von unbedeutenden Preisverordnungen heute neuerdings
MR Kurzel für dieses gelungene Werk gratuliert und mich bedankt.
im Interview beim Fernsehen wurde ich für ZIB 1 wegen der Strom-
preise und Benzinpreise gefragt. Man will unbedingt von mir jetzt
schon entsprechende Preise resp. zumindestens Inkraftsetzungstermine
wissen. Natürlich muss ich hier immer äusserst vorsichtig agieren
und entsprechende Ausflüchte oder nur sehr vage Andeutungen ver-
wenden. Dies ist an und für sich sehr unbefriedigend, sowohl für
den Reporter als auch für mich. Trotzdem bleibe ich bei meinem
Prinzip bei Ankündigungen sehr vorsichtig zu sein. Beim Interview
verwende ich auch manchmal vollkommen falsche Ausdrücke und Satz-
stellungen. Das tollste aber ist, auch Wortbildungen, die sicher-
lich für einen Zuhörer ganz komisch wirken müssen. Tieber hat
mich danach ganz schüchtern darauf aufmerksam gemacht. Ich erklärte
ihm sofort, dass ich ihm dafür sehr dankbar bin und dass er sehr
wohl achten soll, wenn ich einen Blödsinn daherrede.
Die Genossinnen auf der Landstrasse und auch in meinem Büro haben
für zwei Weihnachtsfeiern viel Arbeit gehabt und sie sehr schon vor-
bereitet. Früher einmal habe ich auch die Möglichkeit, bei solchen
Feiern mich nicht nur gut zu unterhalten, sondern wie man so schön
sagt, auch einen richtigen Beitrag durch Schmähführen zu leisten.
Jetzt bemerke ich, habe ich dazu gar keine Lust mehr. Vielleicht
könnte ich es auch gar nicht mehr. Früher waren solche Feiern
Gelegenheit, ohne dass ich Alkohol trank, sich köstlich zu unter-
halten, ganz egal, ob es alte Bekannte waren oder vollkommen Fremde.
Das meine Stellung dabei keine Rolle spielt, erinnere ich mich noch,
als Kammeramtsdirektor in der Arbeiterkammer, wo es auch noch
unbeschwerte Feiern gab. Jetzt tue ich mir mit dem sprechen schwer,
vom Schmähführen gar keine Rede mehr, möchte bei dieser Gelegenheit
die eine oder andere Sache noch erledigen und vor allem den Schreib-
tisch leerräumen. Ein unleidiger Gesellschafter. Ich bin nur ge-
spannt, ob, wenn ich einmal diese Haken, wie ich mich ausdrücke,
vorüber sein wird, ich weiss schon mit entsprechender Berücksichti-
gung, dass ich inzwischen älter wurde und müder, zu meinen alten Ge-
wohnheiten zurückfinden werde. Ich glaube es kaum. Aber hoffen darf
man doch.
21.–23.12.
Sonntag, Montag und Dienstag den 23. Dezember 1975
Ich hatte mir vorgenommen die Geiselaffaire besonders aufzuzeichnen.
Erstens war es ein einmaliges Ereignis und zweitens zeigte es so
typisch und charakteristisch die derzeitige Führungssituation.
Die Terroristen waren mittags in die OPEC eingedrungen, es gab eine
Schiesserei, man wusste nicht wie viel Tote, was die Terroristen
wollten und wer sie sind. Ich mass der ganzen Angelegenheit überhaupt
keine allzu grosse Bedeutung bei, was mich jetzt umso mehr wundert,
an mir selbst konnte ich also feststellen, wie man gegen diese
Überfälle usw., wo man nicht unmittelbar selbst betroffen ist, ab-
stumpft, ja ich muss jetzt gestehen, ganz falsch reagiert. Anstelle
dass ich annahm. hier würden wir sofort gebraucht werden, fragte
ich mich, ich könne ja doch dazu nichts beitragen und wartete
prompt, bis mich die Polizei verständigte, dass um 4 Uhr ein
Ministerrat stattfindet. Ich hatte sogar angenommen, dass es noch
wesentlich später sein wird und war sehr verwundert, dass dies
alles so schnell anlief. Für dieses Fehlverhalten gibt es viel-
leicht Erklärungen, keine Entschuldigung. Als ich vor 4 Uhr am
Ballhausplatz erschien waren einige Journalisten dort, ein Fern-
seher stand im Vorraum. Die Journalisten hatten Radios in den
Händen und wir hörten zusammen die Nachrichten. Als Firnberg
und Sinowatz später erschienen, verlangte ich von den Beamten,
sie sollten doch einen Radioapparat in den Ministerratssaal stellen.
Ich fand die Situation ein wenig komisch, dass sozusagen, die Re-
gierung bei den Journalisten mithört was vergeht. Vizekanzler
Häuser meinte er würde jetzt dann eine Sitzung beginnen, wenn
Innenminister Rösch mit Broda und Androsch, die in der Herrengasse
waren, kommen. Ich war nicht ganz überzeugt ob dies der Fall ist,
da auch Leodolter und Kreisky in der Zwischenzeit auch gekommen
waren, oder die vielleicht schon im Hause gewesen sind, meinten
man sollte endlich feststellen, wer wann und wo tagt. Ich erklärte
sofort, ich werde mich auf die Beine machen, um Rösch in der Herren-
gasse zu besuchen. Eine Zeitlang erwägen wir, ob es nicht über-
haupt zweckmässig ist ins Innenministerium zu übersiedeln.
SChef Jiresch meint, das würde dem Bundeskanzler gar nicht recht
sein, wovon ich überzeugt bin und er hätte bereits die drei ver-
ständigt, dass im Bundeskanzleramt ein Ministerrat stattfindet.
Ausserdem meinte er noch hätte er für Verpflegung, Würstel, vor-
gesorgt. Der Bundeskanzler sei bereits am Flug von Lech mit dem
Hubschrauber bis Salzburg und von Salzburg dann mit einer Maschine
28-1529
nach Wien. Er müsse nach seinen Informationen sehr bald eintreffen.
Nach 4 Uhr kamen Rösch, Androsch und Broda und es zeigte sich fol-
gendes sehr interessantes Phänomen. Im Innenministerium waren na-
türlich alle Meldungen von der Polizei zusammengelaufen. Die
drei waren mit Entscheidungen und Problemen bereits konfrontiert.
Sie hatten wahrscheinlich schon einige Stunden die Probleme immer
wieder durchdiskutiert und sich deshalb eine entsprechende Meinung
gebildet, oder zumindestens jeder von ihnen eine bestimmte Einstel-
lung zu den Problemen. Die jetzt im Bundeskanzleramt zuerst mit
den Problemen offiziell Konfrontierten und das waren die meisten
Minister, hatten überhaupt keine Detailinformationen und waren,
wenn ich so sagen darf, noch von keinen Willensprozess oder gar
Beschluss beeinflusst. Häuser eröffnete die Sitzung, die Protokoll-
leute liessen das Band mitlaufen und wollten entsprechend mitschreiben
Androsch meinte, dies sei nicht sehr zweckmässig. Die Situation
war folgendermassen, dass die Terroristen ihre Forderung in einem
englisch geschriebenen Brief, unterschrieben "der Arm der arabischen
Revolution" 21.12.1975, an die österreichische authority herausge-
schickt hatten. Der Verbindungsmann war der irakische Geschäftsträger.
Sie verlangten darin, dass ein 7 Seiten langes Communique in Franzö-
sisch alle zwei Stunden durch Radio und Fernsehen übertragen wird, bin-
nen 2 Stunden von jetzt. Jetzt war aber zu verstehen, als sie dieses
Schreiben rausgeschickt hatten. Die Frist war 1/2 6. Botschafter
Nettel, der, wieso weiss ich nicht, im OPEC-Gebäude, insbesondere
zu den Geschäftsträgern Iraks die Verbindung aufrechterhalten
hat, war scheinbar als Leiter des Völkerrechtsbüros eingeschaltet.
Ebenso Jiresch mit sei Pahr vom Verfassungsdienst und selbst-
verständlich Generalsekretär Heimerle vom Aussenamt im Haus und
alle drei erschienen in weiterer Folge auch im Ministerrat. Die
erste Frage die zu entscheiden galt war, ob wir die Forderung der
Terroristen auf Verlesung des Kommuniques akzeptieren. Botschafter
Nettel meinte, dass der irakische Geschäftsträger angsterfüllt, das
könne man aus seinen Augen ablesen, von den OPEC-Räumen in den
ersten Stock herunterkommt und erklärt, er müsse, wenn er wieder
hinaufgeht, Entscheidungen der österreichischen authority mit-
bringen und zwar wie er hofft, positive. Als erstes galt es zu
prüfen und zu entscheiden, ob die Forderung der Ausstrahlung durch
das Radio jetzt schon beschlossen werden muss. Broda und Androsch
meinten, man solle hier vorsichtig vorgehen und sich das genau
überlegen, denn das seien Zugeständnisse an die Terroristen.
Weihs neben mir meinte allerdings, dass es die anderen nicht hörten,
man solle eine harte Tour einlegen, ich trat daher sofort dagegen auf
und erklärte, ich sehe darin gar keine all zu grossen
Verhandlungsposition, wenn wir diese erste Forderung
von ihnen erfüllen, die jetzt unmittelbar zu entscheiden ist. Firnberg
und Sinowatz schlossen sich dem sofort an. Alle Für und Wider,
wir werden noch in der Nacht Zugeständnisse brauchen und sollten
deshalb vorsichtig sein, oder man sollte Kreisky's Ankunft abwarten
oder, wer weiss, was da noch alles weiters gefordert wird, hielt ich
nicht für entscheidend. Ich war von allen Anfang an für die weiche
Linie und wir beschlossen dieser Forderung der Terroristen nachzu-
geben und die Verlesung im Rundfunk zuzustimmen.Der Rundfunk
erklärte dann nach einer Rücksprache, dass er dazu bereit sei,
aber noch irgendwelche formellen Beschlüsse bräuchte, auch auf
wievielen Kanälen das gesendet werden soll usw.
Was mich verwunderte war, dass wir nur eine telefonische Verbindung
mit den Innenministerium hatten und das Innenministerium wieder nur
eine telefonische Verbindung mit der OPEC-Portierloge, weil alle
anderen Telefone waren zerstört. Alle Informationen kamen deshalb
nur immer in das Ministerratssitzungszimmer wenn es klingelte und
Rösch oder Häuser abhob. Dann berichtete der Einsatzleiter von irgend
welchen Geschehnissen. Im Laufe der weiteren Nacht stellte sich dann
heraus, dass der Rundfunk wesentlich besser informiert war und auch
viel schneller die Informationen weitergegeben hat als es uns recht
war. Ich schlug Rösch vor, er sollte doch nötigenfalls mit solcher
walkie-talkie, d.h. über Funksprechverkehr eine Kommunikation her-
stellen. Er meinte dies sei nicht zweckmässig, denn da könnte jeder
mithören. Schlechter als der jetzige Zustand könne dies auch nicht
gewesen sein, denn im Rundfunk sass scheinbar jemand aus der Zeit
bevor der Anschlag erfolgte im OPEC-Quartier, zumindestens in der
Portierloge und hatte dort beste Verbindung mit der ORF-Zentrale.
Mit Kreisky bestand angeblich auch nur eine sehr schlechte Verbindung
weil der Flughafen nur Wetter-und Flugverbindungen mit der Maschine
hatte. Beides kann ich mir nicht vorstellen, aber ich bin dafür
kein Fachmann und vor allem geht es mich ja wirklich nichts an.
Dass aber mit einem im Flugzeug befindlichen, wenn auch nur einer
kleinen Cessna, Kanzler nicht wirklich eine ständige Verbindung
aufrecht erhalten werden kann, dass es nicht eine Funkeinrichtung
gibt, auf der nicht jeder mithören kann, ohne dass dies verschlüsselt
werden muss, kann ich mir nicht vorstellen. Wenn es wirklich so wäre
28-1531
müsste man dies schleunigst beheben.
Rösch teilte dann mit, dass er beim Kanzler über den Turm dann doch
anfragen liess, wie in der Sache Verlesung des Kommuniques zu
entscheiden sei. Da wir aber bereits eine Entscheidung gefällt
hatten, hielt ich diese Vorgangsweise nicht für sehr zweckmässig,
obwohl sie sich auch vielleicht teilweise überschnitten hat. Die
Antwort, die dann von Kreisky kam, war natürlich, zuwarten bis er
am Ballhausplatz erscheint, was in Kürze der Fall sein wird. Die
Entscheidung war aber schon getroffen, der irakische Geschäftsträger
schon unterwegs, der ORF hatte alles vorbereitet, wobei sich heraus-
stellte, es war niemand vorhanden, der französisch den Text vorlesen
konnte. Ich persönlich muss gestehen, dass ich zuerst für die sofortige
Annahme des Wunsches, dass der Text verlesen war, eintrat, ja sogar
als erstes vorschlug. Andererseits wieder aber dachte ich mir,
dass ja nicht damit schon gesagt ist auf allen Programmen und dass
man ja weitere Verhandlungen führen konnte, da Bedenken bestanden,
dass 7 Seiten sehr lange dauern würden, fast 20 Minuten. Hier zeigte
sich aber, dass die Ereignisse einem überrollten. Jetzt waren wir
nicht mehr als Aussenseiter gelegentlich zu einem Problem dazuge-
stossen, sondern standen mitten drinnen in der Abwicklung eines
Problemes und konnten es natürlich daher als Kollektiv nicht mehr
bewältigen. Jetzt ging es mir genau so, wie es wahrscheinlich An-
drosch, Broda und Rösch vorher gegangen ist. Man erwägt alle Für
und Wieder, in der Zwischenzeit rollt die Zeit und vor allem, von
so und so vielen Leuten wird ein Beschluss eben exekutiert. Wir
zerbrachen uns noch den Kopf und diskutierten, ob es zweckmässig
ist, dass ein offizieller Beamter den Text liest, oder ob nicht
doch der Rundfunk jemanden zur Verfügung stellen müsste. Dieser
erklärte aber sofort, er hätte niemand hier der französisch kann
und auch niemand greifbar. Bei den Journalisten wurde uns dann
mitgeteilt befindet sich ein ehemaliger freiwilliger Mitarbeiter des
ORF, der französisch kann. Andererseits hatten wir, als sich heraus-
stellte, dass gar niemand zur Verfügung stand und erfuhren, dass
Gehart französisch sehr gut liest, diesen aufgefordert sich vor-
zubereiten und den Text zu studieren. In der Zwischenzeit hatte
der ORF eine direkte Leitung von irgend einem Kammerl hergestellt
und Gehart begann dann doch mit der Verlesung, wie wir später erfuh-
ren. Ich hatte Bedenken, dass ein zukünftiger Kabinettschef in einer
solchen Funktion in Erscheinung tritt. Broda wieder meinte, bei
Schönau hätte auch Kabinettschef Reiter diese Funktion erfüllt.
Wenn ich mir das ganze jetzt betrachte, so ein vollkommen unin-
teressantes Detail, wie Broda mit Recht sagte und nur zeigt wie
in so einer Situation ich zuletzt auch in Folge ungenügender
Information über das Fortgeschehen im OPEC-Gebäude und Direkt-
information durch die Informittler etwas in einer ganz unrichtigen
Entwicklung, um nicht zu sagen, falschen Problemstellung ver-
handelt wird.
In der Zwischenzeit wurde über die Nachrichten immer der neueste
Stand gesendet und wir erfuhren auch einiges. Interessant war nur
dass teilweise auch falsche Mitteilungen kamen.
In der Zwischenzeit hatten sich die Botschafter der OPEC-Minister
zuerst im Innenministerium und dann sind sie ins Bundeskanzleramt
übersiedelt, versammelt, die natürlich auch nichts wussten und
keinerlei Kontakt mit ihren Ministern hatten, ausser wie sich
später dann herausstellte, handgeschriebene Briefe über den
irakischen Geschäftsträger bekamen. Bei der Gruppe waren auch
wie ich später feststellen konnte zwei Ausländer, die bei der
OPEC beschäftigt waren und die einen, nachdem er
einen Verbandskasten für die Terroristen hat holen müssen, weg-
geschickt wurde und der zweite auch, indem man glaubte er sei
ein Übersetzer, zufälligerweise entlassen wurden.
Kreisky erschien dann knapp vor 6 Uhr vollkommen ausgefroren im
Ministerrat. Er liess sich kurz berichten und und merkte scheinbar,
dass doch über verschiedene Detailprobleme keine einheitliche
Meinung bis jetzt existierte und sagte, damit wir uns richtig ver-
stehen, die werden morgen ausgeflogen. Für ihn stand also schein-
bar der Entschluss vollkommen fest, die Geiselaffaire OPEC genauso
zu klären, wie die erfolgreich abgeschlossene in Schönau. Kraft
seiner Autorität und nicht zuletzt auch durch seine geschickte
Verhandlungsführung war dies nicht nur der einzig richtige Ent-
schluss, sondern wie sich dann auch herausstellte, der beste.
Kreisky liess sich als erster und einziger von Azawi, dem irakischen
Geschäftsträger, berichten.
Kreisky nimmt die Besprechungen mit den Botschaftern auf und fragt,
wer vertritt den Aussenminister, der in Israel zu einem Staatsbe-
such ist. Zum Glück hat man mir vorher mitgeteilt, dass ich aus-
nahmsweise den Aussenminister vertrete, normalerweise war dies
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seit 1970 immer Broda. Nur wenn er im Ausland war, verfielen
Kirchschläger oder Bielka auf mich. Kreisky ersucht mich daher
zu den Botschaftern mitzugehen. In der Zwischenzeit ist Lanc
auch mit der AUA klargeworden, dass diese ein Flugzeug DC-9 zur
Verfügung stellen, wie es die Terroristen wünschen. Die Piloten
verlangen, dass die Terroristen unbewaffnet sind und dass das
Destinationsland bekannt ist. Kreisky erklärt sofort, dass die erste
Bedingung unerfüllbar ist, denn die Terroristen würden niemals
unbewaffnete sich mit einer ganzen Anzahl von Leute in ein Flugzeug
begeben. Die Botschafter haben von ihren Ministern handschriftliche
Briefe bekommen, wo diese feststellen, es soll alles getan werden,
damit sie mit den Terroristen ausfliegen können. Insbesondere der
iranische Botschafter Namdar verliest ein Schreiben und ist
dann im Laufe der Nacht sehr nervös, weil die Terroristen zwischen
den einzelnen arabischen Nationen unterscheiden. Iran und Saudi-Araber
zählen zu den Feinden, Irak und Libyen zu den Freunden. Die
anderen sind neutral und für sie auch vollkommen uninteressant.
Der iranische Minister Amusegar hat mitgeteilt, zuerst erschiessen
sie uns und dann sie Saudi-Araber. Amir erscheint in der Nacht
um 1/2 11 Uhr noch einmal mit einen Brief an Amusegar, wo drinnen
steht, das OPEC Gebäude soll gestürmt werden. Was den Botschafter
und sicherlich Amusegar mit ganz grosser Angst erfüllt. So etwas
ist niemals von uns erwogen worden und ich weiss nicht, wie dieses
Gerücht, das angeblich im Radio auch verlautbart wurde, zustande
kam. Wie leicht es ist, wenn man weit weg ist anders zu entscheiden,
zeigt das Verhalten der iranischen Regierung. Dort wurde offiziell
dem Botschafter Amir mitgeteilt, dass Österreich die volle Ver-
antwortung trage und alles in unserer Hand liege. Kreisky hat
wahrscheinlich nicht zuletzt deshalb von den OPEC-Ministern die
als Geisel behalten wurden eine schriftliche Erklärung verlangt,
dass sie mit dem Ausfliegen einverstanden sind. Er meinte dann,
es genüge auch, wenn sie Botschafter Nettel diese Erklärung oben
abgeben würden. Die Terroristen haben aber Nettel überhaupt nie
hinaufgelassen, ja nicht einmal mit ihm gesprochen. Sie erklärten
gleich, als sie den Kontakt aufnahmen, es käme nur der irakische
oder libysche Botschafter in Frage- Letzterer wurde zuerst in Prag
gesucht, dann in Budapest. Gefunden haben wir ihn nicht, er ist aber
dann in der Nacht aufgetaucht. Die schriftlichen Erklärungen wurden
dann gebracht und von den Terroristen akzeptiert, dass alle Öster-
reicher in der ersten Phase und dann überhaupt alle OPEC Angestellte
ja sogar noch ein Teil der Delegation zurückbleiben würden. Vor-
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aussetzung dass sie aber ausfliegen war, dass ihr verwundeter
Kollege mitkommt. Lebend oder tot. Kreisky entschied, dies müssten
die Ärzte entscheiden. Nach einer stundenlangen Operation lag
der Patient unter künstlicher Beatmung und war angeblich nicht
transportfähig. Prof. Steinbereithner wollte deshalb mit den
Terroristen verhandeln. Diese haben ihn natürlich genau so wenig
angehört oder mit ihm Kontakt aufgenommen als mit Nettel oder
sonst einem Österreicher.
Welche komische Situationen es geben kann, zeigen zwei Bei-
spiele. Die Terroristen erklären, als man ihnen die Briefe der
Minister zeigen will, sie hätten kein Recht diese Briefe zu lesen,
wie der Generalsekretär der OPEC am nächsten Tag Kreisky mitteilt.
Kreisky wieder macht sich Sorgen, ob man einen angeblich nicht
transportfähigen Mann, ohne dass die Ärzte zustimmen, seinen eigenen
Wunsch, bevor er ärztlich versorgt wurde, hatte er erklärt er
wünscht unbedingt wieder sofort zurückgebracht zu werden, ihn doch
in das Flugzeug laden soll oder nicht. Broda meint mir gegenüber
unter 4 Augen, dass der hippokratische Eid in diesem Fall eben auch
gilt, werden kaltblütig Menschen zusammengeschossen und getötet.
Die Terroristen sind nachher ungeheuer charmant, wie alle be-
stätigen und zuvorkommend, wahren sogar das Postgeheimnis.
Die österreichischen Ärzte bemühen sich um den Schwerverletzten
und sind besorgt, dass er eventuell den Transport nicht übersteht
und gefährden eventuell mit einer solchen Haltung den gesamten
Ausflug.
Die ÖVP hat einen Krisenstab gegründet, der in der Kärntner Strasse
sitzt. Sie will scheinbar nicht denselben Fehler machen wie bei
Schönau und macht einen neuen, indem sie sich mit den Krisenstab
teilweise lächerlich macht. Bei einem erfolgreichen Kanzler mit
erfolgreichen Operationen kann man kaum irgendeine Massnahme setzen
ohne dass man nicht dabei den Nachteil zieht. Kreisky überlegt
zuerst, wie er die Reposition informieren soll, er erwägt sogar
Taus nachdem alles abgeschlossen ist zur Berichterstattung ins
Bundeskanzleramt zu rufen. Letzten Endes aber telefoniert er nur,
wobei Taus angeblich gesagt haben soll, also gibt man den Forderungen
der Terroristen nach. Montag um 7 Uhr treffen sich die Botschafter
wieder im Bundeskanzleramt und ich gehe zu Rösch in die OPEC, wo
alles für die Evakuierung und den Transport zum Flughafen vorbe-
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reitet wird. Ich sehe das erste mal die Lokalität und bin
erstaunt, dass in dieser Portierloge der Rundfunk diesen guten
Kontakt mit der Zentrale halten konnte. Wenn die zwei dringen
sind, kann der dritte sich kaum mehr umdrehen. Da die telefonische
Verbindung die einzige war zwischen Innenministerium und der
Einsatzleitung in der Portierloge, frage ich mich, wie so über-
haupt dies möglich war. Kreisky und die anderen haben sich im
laufe der Nacht furchtbar geärgert und gewundert dass alles be-
kannt wurde. Kreisky hat nämlich immer wieder erklärt, dass hier
alles strengst vertraulich zu behandeln sei. Da ich jetzt unmittel-
bar mit dem Rundfunk, der bei der OPEC aufgepflanzt ist, Kontakt
bekomme, sehe ich erst welches ungeheures Netz er aufgezogen hat.
Überall Fernseh- und Rundfunkreporter, überall einsatzfähige Teams.
Die Zeitungen sind natürlich genau so interessiert und belagern alle
Besprechungen ununterbrochen. Wahrscheinlich ist das in einer De-
mokratie nicht anders möglich. Ich neige aber jetzt auch immer mehr
der Überzeugung zu, wenn man den ganzen keine publicity gäbe,
würde wahrscheinlich sehr bald die Terrortätigkeit auf ein Minimum
reduziert werden. Nach all dem was man letzten Endes von den
Terroristen annehmen kann, haben sie diese ganze Aktion gestartet,
um publicity zu erreichen. Dass dafür 3 Menschenleben geopfert wurden
ist ein Wahnsinn. Wenn es gelänge die ganzen Bandenaktionen zu ver-
schweigen, dann würden wahrscheinlich diese Terrorgruppen sehr
bald ihre Taktik ändern müssen. Ohne publicity wird ihre Tat zur
Untat.
Der Reporter Freissler vom Rundfunk hat mir mitgeteilt, dass die
Zusammenarbeit zwischen Innenminister und ihm ganz hervorragend war.
Er hatte volles Verständnis für das Informationsbedürfnis. Ich konterte
sofort und dafür wird er ständig von allen angegriffen, weil er
angeblich so wenig informationsfreundlich ist. Wie man es macht,
es ist immer verkehrt.
Kreisky selbst informierte die Presse, wenn er von einem Sitzungs-
saal in den anderen ging, im vorbeigehen. Er behandelte sie also
viel schlechter wie Rösch zum Beispiel, der ihnen Statements
gab. Trotzdem hat man Kreisky nicht nur wesentlich besser behandelt,
sondern stellt jetzt ganz positiv seine Leistung heraus, selbst
von gegnerischen Blättern und schlägt jetzt nur auf Rösch ein.
Dieser hat sicherlich aus einer Reflexhandlung
bei der Verabschiedung am Flughafen den Terroristen seine hinge-
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gestreckte Hand ergriffen.Als er dies bei der Pressekonferenz erklärte
hat es nur wenige gegeben, die aus dem stundenlangen, ja tagelangen
Stress darin wirklich eine Affekthandlung sahen und sie entschul-
digten. Vielleicht wäre mir bei der Anfrage eingefallen zu er-
klären, der Terrorist hat mir das Ehrenwort gegeben, dass er die
Maschine und die Piloten wieder zurückschickt. Dann hätte wahr-
scheinlich sofort jeder gesagt, das ist eine kluge Tat gewesen,
dieses Ehrenwort mit dem Handschlag abzunehmen. So aber bleibt
Rösch ganz ungerechtfertigt, denn er hat mindestens dieselbe Leistung
für die Lösung erbracht wie Kreisky, allerdings auf einem anderen
Gebiet, wie eine Zeitung sich ausdrückte, der Minister mit
Türlschnapper-Methode.
Die Erkenntnis aus dieser Affaire ist für mich, man kann oft
tun und lassen was man will, nach besten Wissen und Gewissen handeln
und bleibt übrig. Die Umstände, wie ich sie miterlebt habe, bestärken
mich in der Meinung, dass die Beeinflussung eines solchen Geschehens
sehr minimalst ist. Oft hängt es von nebensächlichen Problemen und
Entscheidungen ab, wie eine Sache verläuft. Die davon unmittelbar
Betroffenen oder die mit dem Detailproblemen beschäftigten, denken
und handeln anders, als die, die aussenstehend sind. Es muss daher
nicht so sein, dass der Betreffende der unmittelbar dabei ist, auch
bestens informiert ist und damit die richtigsten Entscheidungen
treffen kann und trifft. Wenn jemand für irgendetwas verantwort-
lich ist, dann muss er letzten Endes entscheiden und womöglich diese
Entscheidung bis zuletzt durchziehen. Kreisky hat diese Entscheidung
zweifelsohne schon bei seinem Flug her gefasst gehabt, denn seine
Erklärung, die werden ausgeflogen, war eindeutig und so bestimmt, dass
gar niemand anderer auf eine andere Idee kam. Meiner Konzeption
entsprach sie so wie so, weil ich, wenn ich das so sagen darf,
immer für die weiche Linie Zeit meines Lebens war. Alles andere,
was sich dann rundherum ereignete, war sehr interessant in der
Durchführung, aber für mich schon ganz klar im Ergebnis. Wenn es
nicht zu irgendeiner Panne kommt, dann musste die ganze Aktion so
verlaufen, wie sie auch wirklich verlaufen ist. Andererseits aber habe
ich miterlebt, wie zweifelsohne durch ganz unbedeutende Entscheidungen
oder fast würde ich sagen Probleme, manchmal eine andere Wendung
eintreten könnte. Die Tragik liegt bei dieser ganzen
Aktion bei den drei Toten: der österreichische Kriminalbeamte, ein
Freund der Araber, die arabisch getöteten Iraker und Libyer, aus-
gesprochene Freunde und Förderer des arabischen "Befreiungskampfes".
Hier kann man zum Schluss wirklich nur sagen: inschallah!
Tagesprogramm, 22.12.1975
hs. Notizen (Tagesprogramm Rückseite)
Tagesprogramm, 23.12.1975
Kopie hs. Schreiben Terroristen OPEC-Geiselnahme 1975 an öst. Behörden (engl.), 21.12.1975
Kommuniqué Terroristen OPEC-Geiselnahme 1975 (frz.)
28_1537_041. Entwurf Kommuniqué Bundesreg. OPEC-Geiselnahme 1975
Kommuniqué Bundesreg. OPEC-Geiselnahme, 22.12.1975
Kommuniqué Terroristen OPEC-Geiselnahme 1975 (dt. Übers. mit hs. Notizen)
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