Dienstag, 27. Jänner 1976
In der Vorbesprechung zum Unterausschuss wegen des Energiesicherungs-
gesetzes sagte Sekr. Wille von den Metallarbeitern es wäre not-
wendig auf politischer Ebene zu klären, wie es weitergehen soll.
Was macht bräuchte ist ein kritisches Gespräch, sonst seien die
Verhandlungen nutzlos. In der Unterausschussitzung hat er mit
Recht dann erklärt, hier wird leeres Stroh gedroschen. Die ÖVP
hat kein Konzept und möchte vor allem die Pflichtlagerung einen
Vertrag der ÖMV mit dem Multis auf freiwilliger Basis geregelt haben.
Hier andererseits – und hier verlangt man, dass der Minister die
Sache weitertreibt – hänge noch viel zu sehr an dem Entwurf vom
Ministerium. Da eine Zweidrittelmehrheit notwendig ist, kommen
wir auf dieser Basis nicht weiter. Er hat von einem Mann, der nach
Brüssel geht, es kann sich nur um Gesandten Seyffertitz handeln,
erfahren, dass die ÖVP das Marktordnungsgesetz mit dem Energie-
sicherungsgesetz zu koppeln hofft. Benya lehnt dies bei den Be-
sprechungen mit Sallinger und Mussil über den Zuckerpreis gleich ganz
entschieden ab. Mussil dagegen bestätigt die Idee und meint, es müsse
beides gemeinsam geregelt werden. Nach dieser Konzeption werden wir
noch monatelang verhandeln müssen und die eigene Fraktion wird dann
sehr ungeduldig und unruhig werden. Der freiheitliche Abgeordnete
Stix hat mir Recht kritisiert, man kann das nicht über ein Gesetz
ausschliesslich nach dem Gesichtspunkt verhandeln, ob eine Vereinba-
rung zwischen der ÖMV und den Internationalen zustande kommt.
Am Abend berichtete mir Gen.Dir. Bauer und Mieling unter Anwesen-
heit aller grossen Ölgesellschaftsrepräsentanten, dass sie bis jetzt
keine Einigung erzielt haben, es sollen aber neuerliche Verhandlungen
stattfinden und man wird mir berichten, ob es möglich ist, bis zur
nächsten Unterausschussitzung ein Verbales Übereinkommen zu erzielen.
Die schriftliche Ausführung würde sowieso dann noch länger dauern.
Das Ganze zieht sich schrecklich. Die Internationalen möchten noch
im März ihre Benzinpreiserhöhung und sind deshalb bereit, wenigstens
mitzuarbeiten. Die ÖMV dagegen wird sicherlich bis zum Juni hinziehen,
bis die Marktordnungsgesetze mitbeschlossen werden. Für mich ist das
Ganze eine unangenehme Situation. Die eigenen Leute werden mit der
Zeit sauer und die Öffentlichkeit wird sagen, wenn dann eine Debatte
darüber erfolgt, warum ist hier nichts entschieden worden. Den Benzin-
29-0106
preis werde ich dann früher oder später machen müssen, weil Androsch und
ganz besonders Moser auf die Mineralölsteuereinnahmen baut.
Erfolgreicher war das Gespräch über die Berufsausbildung mit Benya, Sal-
linger, Hofstetter, Mag.Dir . Kehrer von Wien, Jagoda und Kinscher. Sallinger
musste zustimmen, dass eine Arbeitsgruppe eingesetzt wird unter Führung
von Jagoda. Früher hat Mussil allerdings dezidiert erklärt, dass die
Organisationsform eine Wegnahme der Lehrlingsausbildung von der Bundes-
kammer, ein Kriegsfall wäre. Ebenso lehnen sie die Verlängerung der
Schultage und vor allem auch die Umlage ab. Ich versuchte Kehrer klar-
zumachen, dass er wenigstens den kleinen Änderungen des ganzen Kom-
plexes zustimmen sollte. Hier sehe ich langen Verhandlungen entgegen.
Die grosse Frage ist, ob ich mich bei der Parlamentsarbeit von meinem
bisherigen Prinzip, einstimmige Beschlüsse zu erreichen, loslösen soll.
ANMERKUNG FÜR ALLE: Was ist eure Meinung?
Effenberger vom ARBÖ ersucht mich, ich sollte ihn unterstützen, damit
ihre Organisation CCE – Camping und Caravan Europa – in den internationalen
Camping-Club aufgenommen wird. Dies verhindert der ÖAMTC, wir müssen
hier einen gemeinsamen Schlachtplan entwickeln.
ANMERKUNG FÜR TIEBER: Bitte mit Effenberger Details besprechen.
Im Ministerrat hat Androsch mit Bielka und mir vereinbart, dass wir
den Beamten in Genf wegen der Errichtung des 100-Mill.-$-Investitions-
fonds die Weisung geben, expeditiver zu arbeiten. Die Portugiesen haben
sich darüber beschwert und insbesondere war der Vertreter des Finanz-
ministeriums, ein scheinbar sehr junger Beamter, überhaupt nicht expeditiv.
Wir kamen überein, eine Weisung sofort an alle nach Genf zu geben. Ich
habe diesbezüglich sofort Sekt.Chef Meisl verständigt.
ANMERKUNG FÜR WIESINGER: Bitte die Weisung beschaffen.
Zwischen den Präsidenten der Interessensvertretungen und den Experten
gab es eine lange Diskussion über die Zuckerpreise und neue Zuckerord-
nung. Benya hatte eine Zuckerpreissenkung verlangt, die ich für
vollkommen unmöglich halte. Wenn wir den Anteil von Zucker auf
dieser hohen Basis fortsetzen, muss eine Exportmöglichkeit gegeben sein,
29-0107
und dann werden die Bauern natürlich und dies sogar zurecht ver-
langen, dass zumindestens der jetzige Verbraucherpreis erhalten
bleibt. Sie brauchen einen Teil der dadurch zufliessenden Mittel
um die Rübe ein wenig über den Inlandspreis zu stützen. Mir er-
schien es viel wichtiger, bei diesen Verhandlungen Präs. Lehner
zu demonstrieren, dass gemeinsam an eine Getreidepreiserhöhung
heuer nicht gedacht werden kann. Natürlich kam es zu keiner dezidier-
ten Erklärung, zu einer Demonstration des ÖGB und der AK, dass sie
nicht bereit sind, wenn jetzt der Mehl- und Brotpreis gemacht wird,
schon zur Kenntnis zu nehmen, dass heuer noch einmal eine Getreide-
preiserhöhung erfolgt. Ausserdem war anzunehmen, dass nachdem
die Lohnabschlüsse der Müller und Bäcker auch bei nicht ganz 9 %
lagen, der Mehl- und Gebäck- und Brotpreis nicht annähernd so
hoch erhöht wird, wie sich die Handelskammer erwartet. Hier stehen
schwere Verhandlungen bevor. Zum Glück gelang es aber dann doch
Benya davon zu überzeugen, dass er das neue Zuckersystem akzeptiert.
Keine Preissenkung, Export von Zucker so weit als möglich und
Anbau der Zuckerrübe ohne Einschränkung. Mit Lehner vereinbarte
ich, dass es auch gelingen müsste, auf dem Getreidesektor eine
ähnliche Regelung zu erreichen. Hier werden wir in kürzester Zeit
zu einer Überschussproduktion insbesondere von Füllweizen kommen.
Bei der Zuckerpreisverhandlung hat Benya sehr scharf gegen die
ganze Preiserhöhungspolitik polemisiert und mit Recht gemeint,
das müsste sich eben die Regierung dann ausmachen, wenn die Konsu-
menten jetzt ständig mehr belastet werden. Mussil wollte ablenken
meint dies richte sich vor allem gegen die Sozialpartner, d.h. die
Unternehmer, die eben diese Preiserhöhung brauchen. Ich erklärte
sofort, nein, das richtet sich schon gegen die Regierung oder
gegen mich, weil eben so hohe Preisforderungen vorliegen und da-
durch eine Senkung des Lebenshaltungskostenindex 1976 unwahrschein-
lich wird. Benya hat mir anschliessend unter vier Augen gesagt,
er wollte dies keinesfalls gegen mich sagen. Scheinbar hat ihn die
Schärfe seiner Argumentation dann doch gereut. Mir dagegen erschien
es sehr zweckmässig und ich erklärte ihm dies auch. Die grosse
Gefahr besteht doch, dass alle glauben, dass zwischen Gewerk-
schaftsbund, Arbeiterkammer und mir alles abbesprochen ist, was
sicherlich nur teilweise stimmt. Ich kann nur eine einvernehm-
liche Lösung erzielen, wenn eben die andere Seit sieht, dass es
für gewisse Probleme einen unverrückbaren Standpunkt der einen
oder anderen Interessensvertretung gibt. Bei der Zuckerpreissenkung
29-0108
musste die Landwirtschaft entsprechend hart attackieren, bei
der Mehl- und Brotpreiserhöhung muss die AK und der ÖGB zeigen,
dass sie nicht bereit sind, jeden Wunsch zu erfüllen. Auf dem Preis-
gebiet eine Kompromisspolitik zu erzielen ist daher nicht leicht.
Trotzdem entspricht es eher meinem Arbeitsstil und ich glaube,
dass ich hier auch erfolgreicher bin als z.B. bei der Gesetzwerdung
im Parlament. Sobald ich die Sozialpartnerebene und deren Verhandlungs-
methoden verlasse, stosse ich auf scheinbar unüberwindliche Schwierig-
keiten.
Die soz. Direktoren von der Verbund, Elektrizitätswerke Wien Reisinger
als Sprecher, Pacheiner, Kelag, Horwath, Bewag, wollten von mir eine
Zusicherung, dass sie mindestens 12 Groschen für den Strompreis
Aconto-Zahlung 1. März bekommen müssten. Die AK und der ÖGB hatten
wie ich vorher feststellen konnte, maximal an 5 – 6 Groschen gedacht.
Burian an 8 Groschen seinen Berechnungen bis jetzt zugrundegelegt.
Horwath wollte mir einreden, ich hätte ihnen vor den Wahlen zuge-
sichert, dass am 1. Jänner – was stimmt – neue Strompreise festge-
setzt werden sollten, wobei sie angenommen haben, er wird in einer
zweistelligen Zahl, was wieder nicht stimmt, in Aussicht genommen.
Die Genossen, aber dann auch die schwarzen Direktoren haben mit dem
ÖGB vereinbart, dass nun eine Etappenlösung mit 1.3. d.J. und 1.1.
nächsten Jahres erfolgen soll. Sie haben diese Verhandlungen des-
halb geführt, weil ich ihnen empfohlen habe, mit dem ÖGB zu reden.
Mit der Etappenlösung war ich nicht glücklich. Das muss ich jetzt im
Nachhinein mir selbst zugestehen. Da aber alle Sozialpartner sich in
der Zwischenzeit auf diese Etappenlösung bringen konnte, wird es
natürlich bei dieser bleiben. Schmidt, ÖGB, und ganz besonders aber
Zöllner, AK, haben dann den soz. Direktoren ganz deutlich gesagt,
dass an eine 12-Groschen-Erhöhung, auch als Aconto, nicht zu denken
sei. Hier wird es noch ganz schwere Verhandlungen geben. Ich habe Burian
ersucht, er soll versuchen, mit 1.3. die formellen Preisanträge fertig
zu kriegen, über den materiellen Inhalt werden wir sicherlich noch
entsprechende Verhandlungen führen müssen. Vielleicht gelingt es,
auf 9 Groschen zu kommen, was schon eine über 10 %-ige Erhöhung
bedeutet.
Der bolivianische Fremdenverkehrsminister Gonzales, der zum Cotal-
Kongress kam, meinte bei einer Vorsprache, es sollte versucht werden,
Botschafter, resp. Geschäftsträger zumindestens zu errichten.
Bolivien beabsichtigt scheinbar, bei den internationalen Organisa-
tionen einen solchen Geschäftsträger zu installieren und möchte des-
halb, dass auch Österreich in Bolivien eine Vertretungsbehörde
schafft. Ich versprach darüber mit Bielka zu verhandeln.
Im Parlament gab es die Terroristenerklärung und Debatte von der ich
nur auf der Regierungsbank die Erklärung Kreiskys abhören musste
und dann sofort zu Verhandlungen verschwand. Handelskammerpräsident
Graf soll zum Schluss eine sehr konziliante Rede gehalten haben und
so ist der Eindruck bei unseren Leuten gewesen, versucht haben zu
erklären, warum Rösch dem Terroristen die Hand gegeben hat. Er selbst
hätte schon zweimal Maschinenpistolen an der Brust gehabt und könnte da-
her die Situation genau verstehen, in der sich Rösch befunden hat.
Wenn er auch nicht unmittelbar bedroht war. Damit sind die ganzen
Angriffe von der ÖVP in diesem Punkt zusammengebrochen, wie weit
allerdings ein Abgeordneter sich persönlich profilieren darf und
dabei die Taktik der eigenen Partei zunichte macht, möchte ich hier
nicht genau untersuchen. Meiner Meinung nach trägt ein solches Ver-
halten dazu bei, dass die anderen, die den Angriff starten, unsicher
werden und was noch viele schlimmer ist, dann übrigbleiben. Wieweit hier
eine Kritik des Wirtschaftsbundes, der mit der harten Führung der
Debatte nicht einverstanden war, vorliegt, weiss ich nicht im einzelnen.
Was ich nur genau weiss, ist, dass es eine unwürdige und unkollegiale
Situation ist, wenn man sich auf Kosten einer zuerst vereinbarten
Taktik dann durch besonderes konziliantes Verhalten zwar persönlich
gut präsentiert, die Glaubwürdigkeit des Klubs aber schwer schädigt.
Ich glaube wirklich, dass es innerhalb der soz. Fraktion so etwas
nicht gibt, zumindestens nicht so deutlich sichtbar.
NR Landgraf hat mich vor längerer Zeit ersucht, ob die Berufsschule
in Ischl und eine halbjährige Praxis danach für die Berufsausübung
genügt. Bis jetzt hat er noch keine Antwort bekommen. Ich habe schon
einige Mal ersucht, man muss Zwischenerledigungen machen, wenn Fragen
längere Zeit nicht erledigt werden können. Ich fühle mich jetzt schön
langsam sehr unsicher, ob das Haus überhaupt noch auf unsere Dienst-
zettel reagiert, resp. ob überhaupt die entsprechenden Ansuchen an die
entsprechenden Abteilungen kommen und kontrolliert werden. Was ist mit
dem Wunsch Landgrafs geschehen? Wer hat es bearbeitet.
ANMERKUNG FÜR ALLE: Wir müssen ein neues System der Erledigung von Inter-
ventionen finden, damit die Beschwerden aufhören.
NR Kittl ersucht mich neuerdings bei dem Handelsrat Kohout
von der CSSR zu intervenieren, damit sie ihre Setzlinge
für Arbeiter-Fischerei-Verband direkt beziehen können. Kohout
hat mir seinerzeit versprochen, er wird der österr. Importfirma
reden, damit der Arb.-Fischerei-Verband auch direkt beziehen kann.
Bis jetzt hat Kohout sich überhaupt nicht bei Kittl gerührt.
ANMERKUNG FÜR WIESINGER: Bitte mich sofort mit der csl. Handels-
delegation verbinden.
Frühbauer hat mich ersucht, die Komfortzimmer-Aktion auch auf
Camping-Plätze auszudehnen. Dort sind oft skandalöse hygienische Zu-
stände.
ANMERKUNG FÜR TIEBER: Bitte mit Würzl besprechen und Frühbauer
verständigen.
Bundespräsident hatte die Klubobmänner und Sallinger, Igler,
CA-Direktor Grimm zu einem Abendessen eingeladen. Er erklärte mir,
er hätte die Kombination Politik und Wirtschaft damit erreichen
wollen. Als ranghöchster kam ich neben der Hausfrau zu sitzen
was ich protokollarisch gar nicht beachtete. Als Kirchschläger
dann eine kurze Ansprache hielt, hatte ich angenommen, dass
Sallinger als der älteste und auch in meinen Augen als wichtigste
Persönlichkeit danken würde. Diese alle aber haben sich dann sehr
gewundert, dass ich nicht das Wort ergriff. ich habe mich dann bei
der Verabschiedung bei Kirchschläger unter vier Augen, nachdem er
auch mir die Protokollfrage klargemacht hatte, dafür entschuldigt.
Kirchschläger kennt mich Gott sei Dank lange genug, und weiss,
dass ich eben weniger formell und noch weniger protokollarisch
vorgehe. Nachher hat es mich schon ein wenig geärgert, dass mir
dieser Fehler passiert ist. Ich muss mich eben schön langsam damit
abfinden, dass ich in gewissen Kreisen nach Protokoll der höchste
bin, auch dann, wenn meine persönliche Einstellung dies gar nicht
fordert, resp. wünscht. Mir fehlt eben vollkommen eine machtbe-
wusste hierarchische Auffassung.
Tagesprogramm, 27.1.1976
hs. Notizen (Tagesprogramm Rückseite)
Tagesordnung 12. Ministerratssitzung, 27.1.1976
29_0110_03hs. Notizen (TO Ministerratssitzung Rückseite)