Freitag, der 27. Februar 1976

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Freitag, 27. Feber 1976

Durch Zufall besprach ich mit Heindl und Wanke Büroorganisation.
Ich fragte mich schon oft, welchen Sinn es hat, dass ich hier
stundenlange Diktate mache, die dann sicherlich einige zur Orien-
tierung lesen, nachher aber im Panzerschrank verschwinden. Der
Versuch Bukowskis fachgebietsmässig abzulegen ist an der Fülle der
Seiten gescheitert. Wanke versuchte wieder eine Auszeichnung, die,
wie er selbst zugibt, vollkommen unzulänglich ist. Als wir ins
Handelsministerium kamen, mussten wir uns eine Orientierungshilfe
geben, um gegen die alten System und Überlieferung geleiteten
Sektionen ein Gegengewicht zu haben. Jetzt hat sich die ganze
Situation wesentlich geändert. Wanke informierte vor längerer Zeit
Plesch, wie man die Tagebücher aufarbeiten könnte. Er meint, dazu
sei dringend eine Halbtagskraft notwendig. Ich selbst habe die Er-
fahrung gemacht, dass ganztägigen Kräften es gar nicht möglich ist,
diese konzentrierte Arbeit zu machen, vor längerer Zeit hat die
Frau von Dr. Holoubek mir gegenüber erklärt, sie würde ganz gern
wieder Heimarbeit übernehmen.

ANMERKUNG FÜR PLESCH: Versuche, ob sie sich dafür interessiert
und ob eine solche Anstellung möglich ist.

Heindl gibt mir recht, dass wir die Reorganisation unseres Büros
auch was das Arbeitsgebiet betrifft, ändern müssen. Für die aus-
schliessliche Hauptaufgabe Kontrolle der Sektionen, dass sie nicht
die Politik setzen, von der wir nichts wissen, direkte Weiter-
leitung von Wünschen und Ideen des Ministers an die einzelnen
Abteilungen und Sektionen. In Hinkunft müssen wir, da die Sektions-
leitungen ja alle jetzt gewechselt haben, der policy making,
Koordinierung, Impulsgebung vom Büro aus durch mehr Bürobesprechungen
erreichen.

Die Gespräche mit Ludviger und insbesondere auch seiner Staatssekre-
tärin, die für multilaterale Fragen zuständig war, sind äusserst
freundschaftlich verlaufen. Ludviger meinte zwar, vor in Tagen
war noch in Belgrad überhaupt alles in Ordnung und jetzt sei durch
die Ankündigung der Volkszählung besonderer Art wieder eine Trübung
eingetreten. Dieses Problem kam auch bei Kreisky sofort zur Sprache.
Kreisky erklärt, ihm kommt es primär darauf an, dass jetzt endlich
Ortstafeln aufgestellt werden. Da sich die Parteien jetzt auf das


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Volkszählungsgesetz geeinigt haben, hofft er, dass dies verhältnis-
mässig bald geschehen wird. Botschafter Vlahov fragte nur, warum
der Prozentsatz genannt werden musste. Hier hat glaube ich Kreisky
wirklich voreilig diesen Prozentsatz genannt und hat Erklärung ge-
meint, die Reaktionären hätten 30 % verlangt, er hätte geglaubt
20 %, weshalb man jetzt auf 25 gekommen sei und hier könnte ein
gewisser Spielraum in der Verordnung geschaffen werden. Gleich-
zeitig mit dem Volkszählungsgesetz wird jetzt dann ein Volksgruppen-
förderungsgesetz von ihm eingebracht werden und damit den Slowenen
alle Möglichkeiten gegeben. In der Frage der Gerichtssprache wird eine
grosszügige Lösung gefunden und nicht nach der Zählung vorgegangen.
Ausserdem werden die Gerichte Kurse für Slowenisch für ihre Richter
einführen, es können überhaupt mehr Slowenen in der Justiz, ja sogar
in der Verwaltung, in den Finanzämtern, bei der Gendarmerie usw. ange-
stellt werden. Für diese sehr dumme Sache muss viel Geld aufgewendet
werden. Scheinbar kostet die Volkszählung 500 Mill. S, was Kreisky
allerdings nicht sagt, sondern nur den Betrag von 500 Mill. nannte.
Eine Minderheitenfeststellung hätte schon 1955 erfolgen können.
Was Kreisky wünscht ist, zu erreichen, dass mehr Toleranz in Kärnten
herrscht und dass substantielle Hilfe den Slowenen gegeben wird. Man
wird auch mit den Slowenen in den Parlamentsausschüssen reden.
Der Geist von Krain – seine Aussprache mit Tito – wollte Kreisky
herausstreichen, ist nicht vergessen oder gar verraten. Ludviger
wies darauf hin, dass eben die Stimmung jetzt schlechter ist und
dass man eigentlich den Staatsvertrag mit der Zählung in Frage
stellt. Sie in Jugoslawien haben viele Minderheiten und es herrscht
dort das Prinzip der Parität, z.B. verwies er darauf, dass 400
Parlamentarier die Möglichkeit haben, eine Simultanübersetzung in
Albanisch, Ungarisch und in Türkisch hören können, nur weil einige
Abgeordneten von diesen Volksgruppen im Parlament sitzen. Bin ein-
ziger verwendet das Hörgerät, weil er schwerhörig ist. Das Slowenen-
Problem überschattet tatsächlich die jug.-österr. Politik seit
Jahren und wird, die fürchte ich, auch noch in Zukunft tun. Das
war ein ganz grosser Fehler, dass man 1955 nach Staatsvertragsunter-
zeichnung dieses Problem nicht gleich in Angriff genommen hat.
Damals wäre es in der Euphorie des Staatsvertrages sicherlich unter-
gegangen. Mit Ludviger stimme ich überein, dass zumindestens die
Wirtschaftsbeziehungen verbessert werden sollen, um eine gute Basis
für die Wirtschaft und damit auch politischen Beziehungen zu schaffen.



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Die Exporte und Importe sind aber in der letzten Zeit nicht nur perzen-
tuell sondern sogar nominell zurückgegangen. Ausserdem stehen 6 Mia.
Exporte nur 1,4 Mia. Importe gegenüber. Bei unserer Aussprache konnten
wir aber dann im Laufe des Tages feststellen, dass Exporte und
Importe sogar nominell zurückgegangen sind. 6 Mia. Exporten stehen 1,4
Mia. Importe gegenüber. Natürlich wird aus Transit 2,4 Mia. und aus
den Gastarbeiterüberweisungen 3,8 Mia. die Zahlungsbilanzsituation
für Jugoslawien verbessert. Nach den ersten Berechnungen war sie sogar
mit mehr als 300 Mill. S in der laufenden Bilanzierung aktiv.

Die Jugoslawen erwarteten von Kreisky ein Papier wegen der Gemischten
jug.-österr. Gesellschaft, die er in Krain Tito offeriert und von
den Jugoslawen auch akzeptiert wird. Kreisky schwebt scheinbar, so wie
er dies mit Ägypten möchte, auch mit Jugoslawien vor, dass wir
eine Kapitalgesellschaft gründen, die die Geschäfte entrieren resp.
auf Drittmärkten gegebenenfalls auch in Österreich und Jugoslawien
tätig werden soll. Seine Überlegung ist, dass die VÖEST eben Geschäfte
von jugoslawischem Interesse annimmt, ohne dass sie die Möglichkeit hat,
sie durchzuführen. Wenn eine österr.-jug. Gesellschaft aber ein solches
Geschäft übernimmt, dann wird sie sich gegebenenfalls andere Kontra-
henten suchen, die freie Kapazitäten haben. Da Kreisky diese Idee jetzt
überall herumerzählt, muss sie früher oder später auch die VÖEST-Alpine
erfahren und ich kann mir nicht gut vorstellen, dass dies gerade zur
Klimaverbesserung zwischen dem Eigentumsvertreter der Verstaatlichen
und dem grössten Konzern beiträgt. Zu meinem Glück hatte Haschek als
Kontrollbank mit dem jug. Exportfonds, Gen.Dir. Baum, Kontakt aufgenom-
men und wird sich jetzt in der nächsten Zeit treffen. Nach dieser Ab-
grenzung des finanziellen Rahmens wird dann notwendig sein, dass das
zuständige Ministerium wahrscheinlich Finanzen eine solche Gesellschaft
nämlich Kapitalausstattung usw. ausarbeitet.

ANMERKUNG FÜR WANKE UND WAIS: Bitte die Gesellschaftsgründung voran-
treiben.

Ludviger erwähnte, dass der Kleine Grenzverkehr verbessert werden
soll und verwies darauf, dass mit Italien sogar eine Industriezone in
Triest errichtet wird. Mein Hinweis, der Grenzverkehr kann in jeder
Beziehung gefördert werden, nur eine Accordino-Lösung mit Jugoslawien
und Kärnten und Steiermark kann nicht in Frage kommen, da sie dem GATT
und letzten Endes sogar unserer Verfassung widerspricht.



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Die Jugoslawen wünschten eine gemeinsame Energiepolitik an der Drau
und an der Mur und deren weiteren Ausbau. Bei der Drau konnte ich
mich nur verwundert fragen, was hier noch ausgebaut werden soll,
nachdem zwar alte Kraftwerke aber immerhin arbeitsfähige auch auf
jugoslawischem Gebiet unmittelbar bei der Grenze ja schon arbeiten.
Für die Mur könnte man noch gewisse Kraftwerke errichten, ob die
aber rentabel sind, möchte ich bezweifeln.

ANMERKUNG FÜR TIEBER: Bitte prüfen lassen.

Bezüglich der Gastarbeiter-Entlassung möchte die jug. Seite recht-
zeitig informiert werden, wenn es zu grösseren Abbau kommt. Ich habe
zugesichert, dies dem Sozialminister zu übermitteln.

ANMERKUNG FÜR WAIS: Bitte Schreiben an Häuser vorbereiten.

Die Jugoslawen möchten wegen des starken Gastarbeiter-Stromes von
Griechenland, Türkei auch Jugoslawien auch über Österreich, die
E 94 grosszügig ausbauen und drängen auf ein Karawanken-Tunnel.
Hier habe ich mich natürlich nicht dazu geäussert, sondern nur
erklärt, wir werden Moser davon verständigen.

ANMERKUNG FÜR WAIS: Bitte das Nötige veranlassen.

Die Jugoslawen haben mit den EG-Ländern grosse Schwierigkeiten.
Hundert Millionen Dollar haben sie verloren, da die EG kein
Fleisch kaufte. Ludviger meinte, bei einem Defizit von 1,4 Mia. $
sei dies auch nicht mehr allzu entscheidend, aber die Bauern hätten
sich jetzt in ihrer Produktion auf die EG-Lieferung eingestellt.
Jetzt haben sie mit der EG neue Verhandlungen und hoffen, dass sie
sogar Zutritt zur Investitionsbank der EG haben werden, wo Projekte
für gemeinsames Interesse finanziert werden. Überhaupt glaubt Jug.,
dass es jetzt wieder aufwärts gehen wird, denn sie haben, als die
Import nach dem Westen so stark zurückgegangen ist und dies Rückwirkun-
gen auf ihren Aussenhandel und die Wirtschaft gehabt hat, eben restrik-
tive Massnahmen bis 31. Dezember 1975 setzen müssen. Ludviger und
insbesondere seine Staatssekretärin unterstreichen immer wieder,
dass sie GATT-konform vorgegangen sind. Jug. macht überhaupt immer
den Eindruck, dass sie sich absolut nach Vereinbarungen halten wollen
und auch halten.



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Beim Jour fixe kamen wir überein, dass die Mitteilung des Verbandes
der Elektrizitätsindustrie, in Wirklichkeit alle Konzentrations-
bestrebungen abzulehnen, eine ungeheure Affrontstellung bedeutet.
Zuerst hatten die Elektrizitätsunternehmungen zu erkennen gegeben,
dass sie sehr wohl bereit sind, über dieses Problem nicht nur ernst-
hafte Verhandlungen zu führen, sondern auch gewisse Schritte gemeinsam
zu gehen. Jetzt, wo sie die Strompreiserhöhung haben, weichen sie
einer Lösung aus. AK teilt mit, dass sie im Protokoll der Preis-
kommission festgehalten hat, dass die Preiserhöhung nur durchgeführt
wird, um die Koordinierung, die in Voitsberg-III-Ausbau und vor
allem auch die Reorganisation der E-Wirtschaft zu ermöglichen. Ich
bin fest entschlossen, diese Politik fortzusetzen, auch dann, wenn
es eine harte Konfrontation mit der E-Wirtschaft geben sollte. Die
nächste vereinbarte Preiserhöhungsetappe werde ich wahrscheinlich, wenn
es zu keinem positiven Ergebnis kommt, hinausschieben.

Kienzl berichtet, dass die Mineralölhändler von der Nationalbank
erwarten, dass eine Refinanzierungsgarantie ihren Hausbanken
gegeben wird. Dies lehnt aber die OeNB ab, weil dafür gar keine Notwen-
digkeit besteht. Nach seiner Berechnung können 16 Mia. S refinanziert
werden, 4 Mia. ist Offenmarktpolitik offen, 4 Mia. Exportförderungskredi-
te, insgesamt also 24 Mia. und tatsächlich hat die OeNB für 800 Mill. S
Wechsel liegen. Das Ölverhandlungskomitee hat mir dann abends be-
richtet, dass die Aussprache mit dem Finanzministerium und den
Notenbankvertretern nicht sehr positiv war. Sie stellen sich scheinbar
vor, dass tatsächlich der Finanzminister die Steuerneutralität des
Lagers auch auf die Einkommenssteuern erstreckt. Androsch denkt nur
an Einheitswerte und Vermögenssteuer. Ihre Hausbanken verlangen, dass
sie die Kredite für die Lagermengen in 20 Jahren zurückzahlen müssten.
Dadurch würde natürlich eine grosse Belastung des Lagers mit Zinsen
entstehen. Ich werde diesbezügliche Gipfelgespräche einleiten. Wegen
der Gesellschaftsgründung gibt es noch zwischen der ÖMV und den
Internationalen grosse Differenzen, die teilweise von mir ausgeräumt
werden können. Bauer schickt mir ein Zetterl und teilt mit, dass
wenn es mit den Internationalen zu keiner Einigung kommt, er Montag
erklären wird, dass die ÖMV allein die Lagerhaltung übernimmt. Ein
solcher Schritt erscheint mir derzeit noch nicht zweckmässig. Sollte
es aber mit der ÖVP zu keiner Beschlussfassung über das Energie-
sicherungsgesetz kommen, werde ich auf dieses Anbot zurückgreifen und
mit Hilfe des Aussenhandelsgesetzes Importauflagen geben. Die ÖMV


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würde sicherlich dann auch vom Staat eine entsprechende Bundeshaftung
für die Lagerhaltung bekommen. Berechnungen liegen jetzt bei 600 S
Kosten, wenn die Kredite in 20-jähriger Laufzeit zurückgezahlt werden
müssen, auf 900 S steigen. Internationale Lagerkostenvergleiche, die
die Agentur in Paris angestellt hat, zeigen, dass die anderen Länder
ein Drittel der Kosten nur haben.

ANMERKUNG FÜR WIESINGER: Bitte ein Gespräch mit Androsch.

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Tagesprogramm, 27.2.1976

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hs. Notizen (Tagesprogramm Rückseite)

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Schreiben an Wais (ohne Autor) betr. Erstellung TB-Stichwortverzeichnis, 12.1.1976




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    GND ID: 1017902909


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      Tätigkeit: GD ÖMV


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            Tätigkeit: Bautenminister


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              Tätigkeit: Büro des Bundesministers (Sekretärin)


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                    Tätigkeit: 1970-1973 Büro Staribacher, SPÖ-NR-Abg., stv. Vors. SPÖ-Landstraße
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                        Tätigkeit: Kabinett Staribacher


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                          Tätigkeit: jug. Außenhandelsminister


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                            Tätigkeit: Sekr. JS, Tiroler SPÖ-Politiker


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                                  Tätigkeit: Finanzminister
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